Sonntag, 22. März 2009

Nachholebedürfnis

...Wenn Menschen sich in jungen Jahren zusammenfinden, eine Familie gründen und eines Tages einer von beiden feststellt: Das war es nicht, das geht nicht mehr - dann heißt es zumeist: Jetzt muss er/ sie nachholen, was er/ sie meint, in all den vorangegangenen Jahren verpasst zu haben.

Ich selbst hab mich vor über 6 Jahren getrennt, vor über 3 Jahren die Scheidung durchgesetzt und - so schade es letztlich auch ist - nicht einen einzigen Moment bereut, dass ich - auf welche Art und Weise auch immer - nicht nur die Erkenntnis, sondern vor allem auch letztlich den Mut zur Konsequenz gefunden hatte. Und wenn ich damals wie heute gefragt worden bin: Nein - ich hatte niemals das Bedürfnis, etwas nachzuholen. Ich hatte auch niemals das Bedürfnis, etwas verpasst zu haben. Doch was ich vom allerersten Moment an genossen habe, war, dass ich mein Leben so einrichten konnte, wie ich mich darin wohl fühlte. Dass ich meine kleine Wohnung gestalten konnte, wie es mir gefiel. Dass ich durch IKEA bummeln konnte, ohne um jedes einzelne Accessoire betteln zu müssen. Dass ich des Nachts in der Badewanne liegen und die Musik durch die Räume perlen lassen konnte. Dass ich so lange im Bett liegen konnte, wie ich selbst es wollte (was selbstverständlich nur an den Wochenenden geht, wo die Kinder bei ihrem Papa sind - aber gerade DIE Wochenenden genieße ich auch intensiv - weil es Zeit nur für mich ganz allein bedeutet). Dass ich mittags aufstehen, mich in die Badewanne legen, nachmittags in der City bummeln und laue Abende im Straßencafe verbringen, dort die Seele und die Beine baumeln lassen konnte. Sicherlich habe ich in dieser Single-Zeit auch die meisten Menschen kennen gelernt und sicherlich auch mehr Männer wie Frauen. Aber ich bin bis heute unendlich dankbar für jede einzelne Begegnung, letztlich auch für die, die nicht so berauschend waren. Es ist... ein Leben. Ein ganz natürliches, aber auch wunderschönes Leben.

Es gibt heute immer öfter Momente, in denen ich mich auf mein Bett lege, verträumt durch die Gegend schau, Musik höre und mich an die eine oder andere Situation in meinem Leben erinnere.

Und das nun zuende gegangene Wochenende war endlich mal wieder eines, das ich so liebe: ganz mit mir alleine sein, den Tag beginnen und beenden, wie es mir beliebt, liegen, so lange ich möchte, aufstehen, wann immer ich möchte; frühstücken im Bett, Zeitung lesen in der Badewanne und mich freuen, wenn der eine oder andere doch ganz spontan Zeit für mich hat. Zeit für einen Milchkaffee in der Stadt oder den Besuch in einer Tapas-Bar, die ich bis gestern Abend noch nicht einmal kannte. Ich gebe zu, dauerhaft so ganz alleine - das würde mich schon eher deprimieren. Gerade wenn so ein herrliches Sonnenwetter ist wie am Samstag - so einen Tag kann man nicht von früh bis abends allein verbringen, erst recht nicht daheim - und das Genießen außerhalb der Wohnung ist nur halb so schön, wenn man es nicht teilen kann.

Letztlich musste ich aber auch für mich resümieren: Zeit haben am Ende maximal die Menschen (für mich), die Single sind. Wer fest verbandelt ist, genießt gerade die Wochenenden mit seinem Partner. Was ja auch verständlich ist - würde ich zum großen Teil auch so machen, wenn ich es könnte. Wenn wir es könnten. Nur... Was mache ich, wenn die heutigen Singles morgen fest vergeben und damit an den Wochenenden auch nicht mehr ansprechbar sind, während ich vielleicht noch immer hier lebe und mein Schatz am Ende der Welt? Denn trotz allem Verständnis finde ich es dennoch schade, dass selbst innigste Freundschaften "nach hinten runterfallen", sobald aus Singles Partner werden. Dass dann nur noch die eigene Beziehung zählt und sonst... nix mehr. Dass dann immer weniger Raum und Zeit und Platz bleibt für bestehende Freundschaften.

Nun... Ich hoffe, Ihr versteht das nicht als Jammern - das ist es nämlich nicht. Es ist eher... ein Fazit nach einem echt schönen Wochenende - und solche Momente, mit Menschen, die ich mag, einfach so zusammen zu sitzen, bisschen was essen und trinken, über Gott und die Welt reden, vielleicht auch ein bisschen übers Leben philosophieren, zu spüren, dass es oftmals gerade die Kleinigkeiten sind, die unser Leben bunt und schön machen, das genieße ich, solche Momente genieße ich, solange ich sie haben kann. Und wenn ich sie eines Tages nicht mehr haben kann, dann wähle ich Plan B. Wie der allerdings aussieht, kann ich jetzt noch nicht sagen. Weiß ich nicht. Aber DASS ich einen entwerfe, DAS weiß ich ;-) Übrigens musste ich unlängst lachen, als ich mit meiner kratzigen Stimme aus Hessen chattete und ihm vom Bahnfahren vorschwärmte. Dass es einerseits zwar schon ziemlicher Irrsinn sei, wenn man bedenkt, dass man trotz ICE und Geschwindigkeiten von schätzungsweise 140 kmh (jedenfalls fuhren die, wenn ich drin saß, kaum schneller) bis München zum Beispiel neuerdings 6 Stunden (!) benötigt, was insbesondere für chronische Schmerzpatienten wie mich zu einer Tortur werden kann, während man bei gleicher Durchschnittsgeschwindigkeit mit dem Auto in ca. 3 oder vielleicht 3 1/2 Stunden in München sein kann - ich aber bei Bahnfahrten vor allem an die eine oder andere Kontaktmöglichkeit dachte... So zum Beispiel saß mir irgendwann im letzten Jahr ein (selbstverständlich) gutaussehender junger Mann gegenüber, den ich gekonnt in ein Gespräch verwickelte mit der Einleitung, dass ich mir - am Haltepunkt "Jena Paradies" - die Anmerkung erlaubte "Nun... das Paradies hab ich mir schon ein wenig anders vorgestellt." Natürlich haben wir trotz angeregter Konversation keine Telefonnummern oder so was ausgetauscht, schließlich war ich auf dem Weg zu meinem geliebten Bären - aber es hat zumindest die Bahnfahrt kurzweilig gestaltet ;-) Und was meine hessische Kratzstimme betrifft, die sah ich förmlich den Kopf schütteln (wir haben beide keine Webcam, aber ich konnte es mir auch so lebhaft vorstellen) und dann kam die Bemerkung: "Du und Bahnfahren - klar. Da wird alles angequatscht, was nicht bei drei im Gepäcknetz ist." Darüber muss ich bis heute lachen. Ganz so ist es natürlich nicht - auch ein Zwilling wie ich wird irgendwann wählerisch und quatscht nicht wahllos alles an. Aber wenn sich die Möglichkeit ergibt - wieso nicht? Und übrigens, es gibt auch interessante Frauen - es muss nicht immer ein Mann sein ;-)
Erst gestern Abend - wie gesagt - in dieser spanischen Tapas-Bar philosophierten mein Gegenüber und ich über das Leben, über unser einziges und so wunderschönes Leben. Dass das Glas immer halbvoll, nicht halbleer ist (natürlich können auch wir das nicht immer so empfinden, grad wenns uns schlecht geht, aber wir versuchen uns immer wieder darauf zu besinnen und dann hilfts auch wieder auf die Beine). Dass wir Menschen den Augenblick genießen sollten, den Moment leben sollten. Niemand von uns kann sagen, was morgen geschieht. Niemand von uns kann wissen, was uns noch alles bevorsteht. In diesem Jahr werde ich vierzig Jahre alt und wer weiß, wie oft ich meinen Geburtstag feiern kann? Vielleicht ist morgen schon alles vorbei? Das ist nicht pessimistisch gedacht, bitte glaubt das nicht (und wer mich wirklich kennt, der weiß das auch ;-)). Es ist nur... Ich denke wirklich, wir sollten aufhören, uns selbst zu wichtig zu nehmen. Öfter versuchen, entspannt zu bleiben. Nicht alles das, was wir tun wollen, auf morgen oder nächste Woche oder nächstes Jahr zu verschieben. Was wissen wir denn, ob das alles morgen, nächste Woche oder im nächsten Jahr noch geht? Warum nicht jetzt? Wir können nicht alles im Voraus planen, wir können nicht alles vorhersehen. Und das ist - glaub ich - auch ganz gut so. Gelassen bleiben, spontan bleiben. Und ich hab festgestellt, dass ich in mancherlei Hinsicht auch mit Provisorien leben kann. So gut und so lange, dass ich zuweilen vergesse, dass es überhaupt ein Provisorium ist. Na und - wen kümmerts? Es muss nicht alles perfekt und bis ins Detail durchdacht bzw. konstruiert sein.
Und selbst wenn mein Leben morgen zuende wäre... Wenn ich auf die letzten Jahre zurückschau, dann seh ich, dass ich äußerst intensiv gelebt habe, intensiv mit den Gedanken, Emotionen, Empfindungen, die mich sowohl durch gute als auch durch schwierige Phasen begleitet haben. Aber ich habe GELEBT. So wie ich es immer wollte. Und allein dafür hat sich alles gelohnt, was für dieses Leben notwendig war... Auch wenn ich heute manches anders tun würde. Aber das... weiß man ohnehin erst hinterher.
So. Das war mein Wort zum Sonntag. Und jetzt leg ich mich ins Bett :-)
Gute Nacht, Eure Helma

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