Dienstag, 8. September 2009

Turnen Auf Dem Fensterbrett

Dass ich Höhenangst hab, hab ich Euch ja schon erzählt. Deswegen werden auch bestimmte Fenster meiner Wohnung niemals geputzt werden: Die sogenannten Oberlichter, die sich leider nicht öffnen lassen und nur erreichbar sind, wenn man auf das Fensterbrett steigt.
Ich und rauf aufs Fensterbrett? Niemals. Dann lieber regenwassergewaschene Oberlichter, Rollo runter und das wars. Dieser Trick funktioniert übrigens auch, wenn man grad mal keinen Bock auf Staubwischen hat ;-)
Doch heut Abend befasste ich mich weder mit Fenster putzen noch mit Staub wischen. Durch meine kleine Wohnung perlte die Musik und Mutter Helma stand in der Küche, putzte Gemüse und zerschnitzelte das Suppenhuhn: Ihr wisst schon, eine lecker Kraftbrühe für das vor Tagen an einem Virus erkrankte Kind.
Dem lecker Duft folgend, kam dieses Kind zu mir, erzählte mir von seinem Tag (was soll es schon geben außer Trickfilm & Co. - aber was will ich mich aufregen, ich war als Kind auch nicht anders), bis es auf einmal mitten im Satz stutzte und fragte: "Höö? Was macht der denn da drüben?"
Seinem Blick folgend wandte ich den Kopf und beinah fiel mir das Schälmesser aus der Hand.
Im Haus gegenüber hatte sich das Fenster zum Kinderzimmer sperrangelweit geöffnet, zwei Kinder - das war unübersehbar - quälten Playstation & Co., während das dritte, dem augenscheinlich langweilig geworden war, auf das Fensterbrett stieg, darauf herumtanzte und sich dann auf den Bauch legte, die Beine nach draußen baumelnd...
Der erste klare Gedanke war: "Verdammt, pennen die Eltern?"
Der zweite klare Gedanke war: "Wie oft ist dein Kind alleine, wenn du noch in der Arbeit bist und auch nur nicht weißt, was dein Kind veranstaltet?"
Und der dritte klare als auch finale Gedanke war: "Da kann man doch nicht zugucken!"
Vor meinem inneren Auge schlug das Kind bereits auf dem Gehsteig auf, mir wurde übel, im Kopf begann es zu hämmern und mir wurde ebenso bewusst: Fenster aufreißen und rüberschreien darfst du nicht, vor Schreck lässt es vielleicht die Fensterbank los...
Alles ließ ich fallen, Gemüse, Messer, Hühnchen.
"Spatzl, ich bin mal kurz weg."
Der Mann im fremden Hinterhof winkte ab: "Kenn ich nicht, lassen Sie mich in Ruhe."
Das brachte mein Blut zum Kochen, aber was will man da rumdiskutieren? Manchmal ist es einfach nur schade um diese Energie. Wenn man diese Energie richtig kanalisiert, findet man sogar auf Anhieb den richtigen Klingelknopf :-)
Entgegen kam mir ein Hosenmatz, der mir kaum über den Bauchnabel reichte, in Shorts und Socken und mit völlig unbekümmertem Blick.
Ich erkannte ihn sofort, es war einer der beiden Computerspielfans und mit Hilfe dieses Dreikäsehochs holten wir seinen Freund vom Fensterbrett.
"Es ist niemand da, wir sind alleine", entschuldigte er sich.
"Noch einmal und ich ruf die Feuerwehr", schnaubte ich ihn an, "dann dürfen deine Eltern das bezahlen, die werden sich freuen!"
Dass dem nicht so wäre, mussten sie ja nicht wissen, aber vielleicht würde es verhindern, dass dieses Kind noch einmal auf dem schmalen Fensterbrett herumturnte.
Zumindest für heute hat es gewirkt: Das Fenster wurde sofort geschlossen, der Turner verschwand um die Ecke in einem anderen Haus. Mir selber wurde nachgeschaut, bis auch ich meine Haustür erreicht hatte und einen Moment lang überlegte ich, ob ich wohl demnächst eine Stinkbombe in meinem Briefkasten oder einen platten Reifen finden würde. Heutzutage weiß man ja nie. Aber ehrlich gesagt: Lieber stundenlang einen Stinkgeruch vom Körper schrubben als ein Kind auf dem Gehsteig liegen sehen.
Doch was mich erst richtig in Harnisch brachte... Auf dem Weg zurück in meine Wohnung sah ich die eine oder andere Gardine, die sich bewegte. Da haben noch mehr Leute zugeguckt. Und keiner hat reagiert? Vermutlich dachte jeder: Da wird schon jemand gehen...
Aber wenn sich jeder auf den anderen verlässt... geht am Ende niemand. Und dann??
Jetzt gieße ich mir erst mal ein Weinchen ein... N Schokoriegel wäre mir ja lieber, aber davon haben wir leider nichts im Haus. Und mein Großer hat auf meine Bittsteller-sms, ob ich mich an seinen Schoko-Katzenzungen vergreifen darf, noch nicht geantwortet. Wahrscheinlich muss er sich erst in Ruhe überlegen, was er dafür von mir bekommt ;-)
Aber was solls, ich bleib auch beim Wein. Und geb mir anschließend die nächste autogene Runde ;-)
Na dann... gute Nacht auch... und gesunden Schlaf :-)

Eure Helma

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