Sonntag, 18. Oktober 2009

Manchmal, Wenn Man Gar Nicht Weiß...

...wohin man gehen soll, ist es am besten, man bleibt, wo man ist.
Diesen Spruch habe ich irgendwo mal gelesen und auch auf einer dieser Papiertüten aufgedruckt gesehen, die man zuweilen beim Erwerb von Büchern mit auf den Weg bekommt.
Heute Mittag wusste ich jedoch genau, wohin ich wollte - heim. Heim in mein kleines Reich, ich freute mich darauf, neu erworbene Duftquellen in meinen eigenen vier Wänden aufzustellen, noch ein wenig mehr Ordnung zu schaffen, die Musik durch die kleine Wohnung perlen zu lassen, nebenbei Badewasser einzulassen, meinen Lieblings-Kaffee zu kochen, genüßlich etwaige E-Mails oder den Besuch virtueller Gäste zu checken...
Doch so wunderbar zuweilen Vorstellungen sein können - die Realität erwischt uns manches Mal eiskalt. Oder... siedendheiß. Wie in meinem Fall heut. Kaum sechzig Kilometer auf der Autobahn vorangekommen, erhitzte sich der kleine Grüne in null-komma-nix bis ins Nirvana, so dass ich das erste Mal in meinem Leben in die Verlegenheit kam, mit dem kleinen orangefarbenen Leuchtmäntelchen hinter der Leitplanke zu posieren, auf und nieder zu gehen und auf erhoffte Rettung in Gelb zu warten.
Der erste, der erschien, fragte nichts, schaute nichts, knibbelte nur kurzerhand das Abschleppseil an seinen Transporter und hätte mich mal eben für schlappe zweihundert Euro ins nächste Dorf geschleppt und mich an irgendeiner Pension abgeladen.
Abschleppen.
Abladen.
Aber doch nicht Helma. Hallo? Das passt doch nun wirklich nicht zu mir, also ehrlich mal.
Ich wehrte mich mit Händen und Füßen und gegen seine unter Augenverdrehen und mit ausreichend Herablassung in der Stimme vorgetragenen Argumente, dass es doch Sonntag sei, keine Werkstatt geöffnet habe und man mir frühestens morgen früh hilfreich unter die Arme greifen könne, stellte ich mich stur und taub, rief zwischendurch über den privaten Äther Hilfe heran, so dass der erste gelbe Geier wutschnaubend davonbrauste: "...die Rechnung kommt dann aber noch! Ausgerückt ist ausgerückt!"
Der zweite gelbe Engel nach knapp zwei Stunden machte seinem namen alle Ehre: Nicht bestellt, trotzdem gekommen, Problem angehört, Problem erkannt: "Junge Frau, Sie sind ja fast erfroren, ich bring Sie rüber zur Tankstelle, da gibt es heißen Kaffee für Sie!", dann die Motorhaube geöffnet, ein Griff - Fehler gefunden und nach dreißig Minuten war der kleine Grüne wieder einsatzbereit. Doch inzwischen hatte sich die Dämmerung gesenkt, ich war sowas von durchgefroren, bis zurück in die Heimat würde ich es vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr schaffen - und ob ich es nunmehr überhaupt so weit schaffen würde, dessen war ich mir auch nicht mehr sicher - also... trat ich die Rückreise an und verweile nun einen Abend länger dort, wo ich schon seit einigen Tagen verweile: fernab der Heimat... und irgendwie... trotzdem daheim...

Übrigens träumte ich letzte Nacht von einem weißen klapprig-kranken Pferd, das mich permanent verfolgte, so dass es mich beinah ängstigte, und während dieses Traumes hörte ich immer wieder einen Song, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt "Kiss Me" :-)
Heute nachgelesen, erfuhr ich, dass es Glück und Erhebung bedeutet, wenn man von einem weißen Pferd träumt. Doch was es bedeutet, wenn es alt und klapprig ist und es mir auf einem Pferdeschlachthof permanent hinterherrennt, DAS erfuhr ich leider nicht aus diesem Buch.
Wollte mich also ein kleines, bescheidenes Glück küssen, dem ich nicht über den Weg traute und dem ich beharrlich zu entfliehen versuchte?
Alles in allem... Der Tag heut ist komplett anders verlaufen wie gedacht, schon vom ersten Augenaufschlag an. Aber wenn man es genau besieht... habe ich irgendwie richtig Glück gehabt. Ein heißer, aber nicht geplatzter Motor, eine lecker Tasse Kaffee auswärts, einen sehr netten Menschen kennen gelernt... und zurückgekehrt zwar nicht nach Hause, aber dennoch einen Wohlfühlort.
Na dann... erhebe ich jetzt das letzte Glas Weißwein für heute und stoße mal wieder auf das Leben an. Manchmal... kann man doch einfach nicht genug bekommen, oder?


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