Dienstag, 3. August 2010

Wo Wohnen Denn Ihre Eltern?

Es gibt Tage, da fragen mich Freunde:
Wieso tust du dies? Wieso tust du das? Wieso kommen immer erst die anderen, wo bleibst du?
Es gibt Tage, da frage ich mich das auch selbst.
Es gibt Tage, da wünsche ich, auch ein Egomane zu sein, der erst einmal genüßlich an sich selbst denkt und auch noch glaubt, vollkommen selbstlos zu sein.
Ich meine, wann bleibt mir schon mal Zeit auszugehen?
Wann bleibt mir Zeit, Leute zu treffen, ohne nach dem ersten Glas Wein am Tisch einzunicken?
Wann habe ich die Möglichkeit zu sagen: Danke, dass du mir hilfst?
Oder die Möglichkeit zu sagen: Danke, dass du das für mich getan hast?
Selten genug - wenn Ihr mich fragt!
Und genau genommen gingen mir diese Worte erst heute wieder durch den Kopf, nachdem ich schon die letzte halbe Nacht mit meinem Sohn gemeinsam am PC verbrachte, um einen Bafög-Antrag auf die Beine zu stellen. Neuland auch für mich behördengeplagten Bürger, der in seinem Leben mehr Papiere ausgefüllt denn damit erreicht hatte. Aber was will ich mich beklagen - glaubt man den einen oder anderen Kurzzeit-Auswanderern, so sehnen wir uns in nullkommanix nach dem wohlgeordneten deutschen Bürokratenstadl zurück.
Jedenfalls hatten wir, mein Sohn & ich, die Deadline vor Augen: noch exakt drei Tage plus Wochenende, um restlos alles auf die Beine zu stellen, das ihm entweder demnächst seinen ersten Arbeitsplatz oder aber ansonsten einen zweiten Ausbildungsplatz bescheren sollte. Schweißtreibend, kraftraubend - und als ich am frühen Morgen endlich ins Bett kroch, blieben immer noch genügend Fragen offen. Und an wem blieb das natürlich hängen? Eben!
Zwar klemmte sich das Kind heute Morgen selbst ans Telefon, um das eine zu klären, stieg anschließend geschniegelt und gestriegelt in den Wagen und fuhr zu seinem Vorstellungsgespräch (man - ich war stolz wie Oskar ;-)) - nur um nicht mehr wiedergesehen zu werden. Inzwischen durfte ich meinen Arbeitstag hinter mich bringen, meinen Zögling anlernen (Sturzgeburt: Sie kam eine Woche zu früh ;-)) und mich nebenbei durch den Behördendschungel wuseln, bis ich endlich die "richtige" und die richtig nette Dame vom Bafög-Amt an der Strippe hatte, die mir entspannt und überraschend ausgesprochen fachkundig (beim Telefonieren hatte ich echt unwillkürlich so ein Bild vor den Augen: Büromäuschen mittleren Alters, in perfekten Wellen onduliertes Haar, ein Kaffeepott und das angebissene Brot daneben, vielleicht noch ein angebissener Apfel zwischen all den Papieren und Dokumenten auf dem Tisch, am PC das Bild von Kind & Mann - oder nur Kind oder nur Mann ;-) - auf dem PC eines dieser unvermeidlichen Überraschungseierfiguren... wobei ich mir durchaus vorstellen konnte, dass die Realität höchstwahrscheinlich völlig anders aussah) alle Möglichkeiten aufzählte und als mich dann noch vergewisserte: "Und der Antrag kommt dann direkt zu Ihnen, oder?" da stellte sie mir doch glatt die Frage: "Das kommt drauf an: Wo wohnen denn Ihre Eltern?"
Jau!
DAS war ein Gefühl!
Dieses Gefühl hätte unbedingt einen richtig langen Moment genossen gehört! :-)
"Nein nein", wehrte ich schließlich bescheiden ab, "es geht nicht um mich, es geht um meinen Sohn. Er hat heut nur keine Zeit, sich zu kümmern und uns rennt grad bisschen die Zeit davon."
"Kein Problem!" wurde ich entgegen andererweitiger Behauptungen beruhigt, "den Bescheid bekommt Ihr Sohn ohnehin frühestens im Oktober, und was auch immer ihm zusteht, er bekommt es rückwirkend ab Antragstellung und auch immer für den vollen Monat bezahlt. Das heißt: Stellt der den Antrag am 30. August, bekommt er trotzdem für den ganzen Monat das Geld."
Noch mal: Jau!
Na das war doch mal ne Aussage! Erleichterung machte sich breit, so ganz neben der Belustigung: Drei Monate Bearbeitungszeit... Mann o Mann... Das müssten wir mal unserem Chef erzählen. Der kriegt schon schlechte Laune, wenn wir nur innerhalb von drei Stunden nicht das schaffen, was uns aufgetragen wurde ;-)
Und nun schaue ich auf die Uhr, es ist 19:42 Uhr und meine Söhne sind immer noch nicht daheim. Dabei steht Mutter Ziggenheimer schon in den Startpantoffeln, trommelt mit den Fingern auf dem Tisch (und zur Abwechslung auf der Tastatur meines PC) - immerhin ist heute Abgabetermin der Schulunterlagen und zumindest haben sie Ziggenheimer I. am Telefon versprochen, dass die Frist nicht ausläuft, sofern die Unterlagen noch heute im schulhauseigenen Postkasten landen - und wartet... und wartet... Ein Jahr Führerschein bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man im Großstadtdschungel zurecht kommt... Und wenn ich ihm dabei auch noch helfen soll, dann bitte möglichst so, dass ich wenigstens heute noch VOR Mitternacht ins Bett finde.
Wie sagte doch mein Zögling heut Nachmittag zu mir? "Na Sie habens aber auch nicht grad leicht, oder?" Wohlgemerkt: Sie ist erst den zweiten Tag bei uns :-) Jedenfalls: Das höre ich öfter mal und denke dann immer: Mensch Helma, und wann kommst du? ;-) Zumindest wärs ja schön, wenn ich das, was ich gebe, auch irgendwie zurückbekomme. Und wenns nur ausgebreitete Arme oder die eine oder andere Zuneigungsbekundung wären. Das macht mich nämlich nicht nur "reich", das macht mich vor allem auch stark.
Apropos "Stark"... Da fällt mir doch glatt der Song von "Ich & Ich" ein - kennt Ihr den eigentlich? Also ich finde den saugeil - den leg ich mir jetzt mal ein, drehe auf und putze meine Wohnung. Auf diesen Augen nämlich sind meine Kinder schon aus Prinzip blind ;-)

Keine Kommentare: