Mittwoch, 29. Mai 2013

Die Stenografie der Unterhaltung

Auf meinem Tisch liegt so viel Arbeit, dass ich grad nicht weiß, wo ich beginnen soll. Unglücklicherweise hat mein Azubi ausgerechnet heute seinen Schultag, so dass ich nicht mal unauffällig was rüberschieben kann.
Was mach ich also zuerst?
Na klar - bloggen *hä hä*
Chef möge mir das verzeihen - doch angesichts des Pensums heute und der nächsten Tage werde ich vermutlich kaum dazu kommen und abends - wie zu oft in letzter Zeit - zum Schreiben zu müde sein.


Doch was mir schon seit einigen Tagen so im Kopf rumgeht und ich gerne mal zu virtuellem Papier gebracht hätte... Als ich letztens mit der Bahn unterwegs war (mir ist übrigens aufgefallen, dass ich öfter Bahn fahren sollte; immer nur im Auto unterwegs isoliert irgendwie), stiegen zwei Freundinnen ein (oder aus, so genau weiß ich das nicht mehr, ist ja auch schietegal) und die eine von denen biss in irgendwas Leckeres. Worauf die andere zu ihr sagte: "'N guten!" Spontan dachte ich an diverse Unterhaltungen mit meiner Jugend zu Hause, die auf ausgefeilte Fragen meinerseits gerne nur mit "Nö", "Nee", "Vielleicht", "OK" oder "Später!" etc. antworten und selbst ihre Fragen kurzgefasst werden "Gibts'n heute?"
Was mir also aufgefallen ist: Die Leute reden mehr und mehr in Kurzform. Immer weniger hört man einen ordentlichen Satzbau von wegen "Subjekt, Prädikat, Adjektiv, Verb". Zum Beispiel.
Am Anfang, als das Handy erfunden wurde und mit dem Handy dann auch die "short message", da fand man das geil und es wurde getippt, bis die Tasten glühten. Es hat ja auch nicht lange gedauert und dann wurde die short message tatsächlich zur Kurzmitteilung - "HDGL" war da wohl noch die verständlichste aller Abkürzungen. Oder "LG" in E-Mails: Das Tippen mit dem Handy wurde dank "T 9 - Worterkennung" dann wieder vereinfacht - die Kurzfassungen blieben. Nun mittlerweile auch im Sprachgebrauch (wahrscheinlich schon seit langer Zeit, aber na ja, wie gesagt, Autofahrten sind geil, aber isolieren).

Wenn Ihr mich fragt: Ich möchte nicht, dass jemand zu mir "'N guten!" sagt. Ich finde das blöd. Irgendwie klingt das auch blöd, meint Ihr nicht auch? Ich finde es schöner zu sagen "Lass es dir schmecken" oder zum Kellner zu sagen "Ich hätte gerne einen Milchkaffee"; ich finde es auch schöner, den Kellner dabei anzuschauen und anzulächeln, anstatt gestresst zu tun und während der Bestellaufgabe wie bekloppt ins Handy zu tippen oder E-Mails zu checken. Wo bleiben da die guten Manieren? Knigge würde sich im Grabe rumdrehen - oder glaubt jemand tatsächlich, der täte seine Anstandsformeln der Gesellschaft anpassen?
Überhaupt frage ich mich manchmal, wieso wir immer weniger Zeit haben, obwohl Fortschritt und allgemeine Entwicklung das Leben doch eigentlich erleichtern? Ich meine, ich wasche heutzutage (dank der Jugend) pro Woche ca. 4 - 7 Waschmaschinenladungen weg - und muss nur das zarte Neglige in Handwäsche tauchen. Was unsere Großmütter da noch am Waschbrett gerubbelt haben!
Wenn wir etwas auf den Herd stellen, muss vorher nicht mehr umständlich Feuer unter der Platte entzündet und gewartet werden - heute drücken wir auf den Knopf und tadaaa - die Kartoffeln beginnen im Nu zu kochen.
Wenn wir zum Einkaufen nicht kommen, schlagen wir das Internet auf und lassen uns das Gewünschte bringen, wahlweise Klamotten oder aber das Essen für heute Abend.
Warum also, zum Teufel noch mal, haben wir dann nicht mal mehr die Zeit, um richtige Sätze zu formulieren?
Ich persönlich finde, das hat einfach was mit Anstand und Respekt einem anderen gegenüber zu tun.
Auch wenn ich die Stenografie liebe und auch sehr gerne betreibe. Das aber nur, wenn jemand anruft und ich mir schnell mal was aufschreiben muss. Zeit ist nämlich Geld!

8 Kommentare:

trinidad hat gesagt…

Ich glaube das hat nichts mit Zeitknappheit zu tun, sondern mit den Hemmungen der Leute, miteinander zu kommunizieren. Im Bus starren alle wahlweise ins Handy oder in die Gratiszeitung, im Restaurant starrt jeder auf sein Teller, im Zug, Fitnessstudio etc hat jeder Stöpsel in den Ohren. Die Leute können oder wissen nicht mehr, wie miteinander umgehen. Deshalb gucken sie auch so verdutzt, wenn ihnen jemand beim Reden in die Augen schaut, wenn sie von Unbekannten angesprochen werden. Und jammer aber gleichzeitig, es sei so schwer neue Leute kennenzulernen...

JULiANE hat gesagt…

Auf diese furchtbaren Stammeleien wie "GUTN!" oder "FROS NEUS!" reagiere ich grundsätzlich nicht, egal, ob ich dann für unhöflich gehalten werde.

Und ich mache jetzt hier mal einen auf Bloggerknigge:
Sehr geehrte Frau Ziggenheimer, sind Sie einverstanden, wenn ich Ihren Blog ..äh.. Ihr Blog in meine Blogroll aufnehme?
Mit freundlichstem Gruß,
Juliane

Frau K. aus P. hat gesagt…

Ja, das wir immer weniger zeit haben, obwohl heute alles so einfach geht, habe ich mich auch schon immer gefragt. Ich denke es liegt daran, dass wir viel mehr machen als früher. Wenn früher an der Arbeit ein Brief geschrieben wurde, dann kam 1-2 Wochen später die Antwort und man musste sich erst dann wieder damit beschäftigen. So ist das in allen Lebenslagen. Jeder erwartet auch sofortige Reaktion auf seine Anliegen. Geht ja alles schnell. Und so ist dann auch die Qualität, schnell. Aber wir lassen uns nicht stressen und bloggen erst mal ein bisschen. Die Arbeit schaffen wir schon. Geht ja alles schnell heute. :-)
Schönen Arbeitstag.
LG Susann

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

muhahhahah!!!!
Hey Trini - willkommen in meinem Blog!!! :) Und: Ich sehe es genauso wie Du!

Sehr geehrte Frau Juliane, ich würde mich wahnsinnig über eine Aufnahme in Ihren Blogroll freuen!
Mit herzlichen Grüßen
Miss Ziggenheimer ;)

Ein Willkommensgruß auch an "Alles schon mal dagewesen"!
Als ich meinen Post schrieb, insbesondere den letzten Part, gingen mir auch genau diese Gedanken durch den Kopf - aber hätte ich das jetzt auch noch hinzugefügt, hätte ich wichtige Dienste (Gehaltsüberweisung an mich) nicht mehr ausführen können - die Zeit saß mir im Nacken; ach ja, und meine Bank auch :)

Einen schönen Tag an alle Leser und Leserinnen und fleißigen Kommentatoren! und viele Grüße
Helma Z.

Anja Z. hat gesagt…

Ich spreche sehr gerne in langen sätze, ich mag das total und finde es süß.(bei einigen sachen)
wenn ich mal abkürze, gerade via message, dann nur um den berliner dialekt zu verstärken, das dann aber auch ganz bewusst. ;-)
die jugend darf man heute wirklich nicht zuhören, in berlin ist das ganz arg schlimm! da kommen manchmal buchstabenkonstellationen aus deren münder, mit denen ich manchmal gar nicht erst was anfangen kann..
hoffen wir, dass sich das alles irgendwann mal wieder ändert...
ausgeschriebene liebe grüße

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebes Fräulein Zyx :)
Das wiederum mag ich: Im geschriebenen Wort den Dialekt verstärken, auch mit Hilfe von Abkürzungen ;) Ich sage nur "icke" oder "wa?" :) Auch den rheinländischen Dialekt finde ich insbesondere im geschriebenen Wort total genial - oder wenn ich mich im Sächsischen versuche (dann aber gibts meist Ärger mit meinen gelben Seiten).
Wenn ich etwas aufschreibe, neige ich gerne auch dazu, derartige Satzakrobatiken zu veranstalten, dass der gemeine Schachtelsatz ein - mit Verlaub - Scheißdreck dagegen ist. Im Sprechen passiert mir das Gott sei Dank nicht. Aber das Wort - geschrieben oder gesprochen - ich liebe es, und demzufolge auch einen ordentlichen Satzbau. Ja, da kann ich richtig krümelkackerig sein. Meine Macke. Ohne Macke wärs doch aber auch langweilig :)

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Vielleicht solltest du wirklich erst dann auf die Wünsche deiner Söhne reagieren, wenn sie vernünftig vorgebracht werden - ansonsten Ohren zu. - Nur die Mütter können ihre Kinder erziehen - die Umwelt in der Schule macht es nicht.
Toitoitoi erst einmal, bei allem!

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, da hast Du natürlich recht - die Erziehung liegt bei mir. Ich wäge auch oft ab, bis wohin Flegeljahre gehen dürfen und ab wann ich mich mit ganzer Muttigewalt dagegenwerfen muss :)
Insgesamt mutiere ich, glaube ich, wohl gerade zur Oberzicke, weil heute ein Kollege mit vollgepackten Händen in meinen Rücken sprach: "Helma, mach ma Tür auf!"
Ich rieb mir die Ohren und blickte ihn erwartungsvoll an, während die Hand bereits sacht in Richtung Türklinke zuckte.
"Äh? Wie meinen? Mir scheint es so, da fehlt noch was?" und als er bloß frech lachte, fügte ich hinzu: "Ich dachte, ich muss nur meine Kinder erziehen?!"
Ich hab ihm jedenfalls die Tür geöffnet, bevor ihm alles zu Boden fiel - und was er ansonsten in den durchaus vorhandenen Bart grummelte, überhörte ich (selektive Wahrnehmung! mein Schutzfaktor) - aber manchmal denke ich schon, dass ich gar nicht wissen möchte, was sie so hinter dem Rücken über mich reden. Trotzdem lasse ich mangelnde Höflichkeit nicht durchgehen.
OK. Ich merks grad selbst: Ich BIN ne Oberzicke. Aber nur manchmal. Ich schwörs :)