Mittwoch, 18. September 2013

Hingucker

Heute Morgen beim Doc sah ich eine junge Mutter mit ihrer drei- oder vierjährigen Tochter sitzen. Die junge Mutter hatte auberginerot gefärbtes Haar und zergnatschte ihren Kaugummi ungeniert mit offenem Mund.
Sowas kann ich ja so gar nicht haben - und ich finde, das ist eine ausgesprochen unschöne Art aufzufallen. Der wahre Hingucker aber war eher ihre Tochter. Ein niedliches kleines Ding - mit ebenfalls auberginerot gefärbten Haaren.
Oha. Ich enthalte mich hier meiner Meinung darüber, ab wann sich Menschen ihre Haare färben lassen (sollten). Ich fragte mich lediglich, ob sich dieser Mutter gegenüber schon einmal jemand geäußert hatte - vielleicht auch die Kinderärztin? Eine ältere Dame mit Haaren auf den Zähnen übrigens, die auf den zweiten Blick ganz sympathisch wird.
Ungeachtet dessen glaube ich schon, dass dieser Mutter im Doppelpack mit ihrer Tochter schon genügend Blicke folgen.

Die nächste Mama, die mir ins Gesicht fiel, passte kaum durch die Tür - und dass ich sie eine Zeitlang betrachtete, lag mitnichten an ihrer Körperfülle, sondern am rüden Umgangston mit ihren beiden Töchtern. Die Kleine durfte nicht ohne ihre Mutter in das Spielzimmer gehen - und sie ging trotzdem. Die Große stand schüchtern hinter ihrer Mutter und fragte leise: "Darf ich auch hingehen?" Ein geraunztes "Nein!" Eine noch leisere Frage: "Aber die Mimi ist doch auch im Spielzimmer!" Das Raunzen mit ein paar Dezibel mehr: "Ja und das ist genau das, was ich immer sage: Ihr hört einfach nicht! Ihr hört nicht auf n Sechser!" Stille bei der Großen, während die Kleine vergnügt im Spielzimmer saß und das Spielzeug herumwarf.
Und ich dachte so spontan bei mir: Vielleicht wird diese Frau oft beklagen, dass man sie ob ihrer unglaublichen Leibesfülle so anstarre, und vermutlich nie wird sie auf die Idee kommen, dass es eher ihre Umgangsweise sein könnte, die die Blicke auf das Trio lenkt..

Der dritte Hingucker des heutigen Tages war ebenfalls eine unglaublich dicke Frau - diesmal eine im TV. Und die Off-Kommentatoren überschlugen sich in den einstimmigen Meinungen: "Was für ein Arsch, echt, ist der 217 cm breit? Na aber sie steht wenigstens dazu!" oder "Echt, die ist Unterwäschemodel? Geil!"
Ich weiß nicht, was daran geil war. Die Frau konnte kaum laufen, weil ihr Skelett die Massen kaum noch zu tragen vermochte. Ich persönlich finde Frauen mit Size Zero nicht anziehend; ich mag es, wenn man sieht, dass man eine Frau vor sich hat. Ich mag es, wenn eine Frau feminin ist und Kurven hat. Eine Zweihundertkilofrau jedoch ist nicht feminin und hat auch keine Kurven mehr. Das ist einfach nur unglaublich viel Körper auf zu kleinem Raum. Und so modern wir alle auch sein wollen: Das ist auch in dreihundert Jahren immer noch nicht gesund und auch nicht schön.

Ich mag Menschen, die anders sind. Die Individualisten. Ich mag Menschen, die anders sind und zu sich stehen. Sie machen die Welt bunt und inspirieren. Glatte, perfekte Menschen sind langweilig für mich.
Aber nicht jeder Hingucker ist eben auch ein Individualist.

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