Freitag, 24. Oktober 2014

Einfach so. Einfach so?

Könnte man sie doch nur konservieren... Diese Augenblicke... Nachmittage wie diese, in denen ich  es schon ahne, fühle, atme, schmecke... diese wunderbare Ruhe in mir... Es braucht so wenig, um sich wohlfühlen zu können. Ein warmes, duftiges Bad, ein schönes Kleid, lange Stiefel, Rouge auf den Wangen und natürlich die Musik... Meine kratzige Stimme aus Hessen meinte prompt "Ach, warste wieder autistisch unterwegs?" und ich musste lächeln, weil er im Grunde recht hat - und irgendwie auch wieder nicht. Als ich heut Abend aus dem Haus trat, umschmeichelte er mich bereits, der streichelzarte Herbstwind, trieb er spielerisch ein paar Blätter vor mir her, wuselte mir zärtlich durchs Haar. In der City kannst du es an jeder Ecke, in jeder Straße riechen und schmecken, den zarten Geruch nach Kaffee, den süßen Geruch nach Mandeln oder Kastanien aus dem Backofen, und auf der Zunge liegt der Geschmack von Zimt, in den Augen spiegelt sich das gedämpfte Licht der Laternen, aus den Läden, während sich über dir der samtige Abendhimmel spannt..
Ich bin langsam durch die Straßen gelaufen, die Hände locker in den Manteltaschen, die Beine fest auf der Erde, den Kopf leicht zurückgelegt, den Kopf in den Wolken...
Hier und da bin ich eingekehrt, und beinah jedes Gesicht, das mir begegnete, lächelte mich an.
Oh Gott, das war so wundervoll. 
Ich hörte nichts außer der Musik, aber ich sah soviel... Menschen, die miteinander redeten, lachten, sich an den Händen hielten. Kinder, die in ihren Wagen schliefen. Menschen, die aufeinander warteten. 
Ich lief durch die Straßen, scheinbar ziellos, scheinbar planlos, in der Hand einen Becher Kaffee, dessen Karamell meinen Sinnen schmeichelte. 
Und mit einem Mal erinnerte ich mich. Ich erinnerte mich an jenen Augenblick vor acht Jahren. Einige Wochen zuvor war ich mit meinem Auto schwer verunglückt, heilte der Körper schneller als die Seele. Doch mir war etwas geblieben, an das ich mich halten, an dem ich mich aufrichten konnte: die Musik. Es ist immer und immer wieder faszinierend für mich, wie unendlich viel Kraft ich daraus ziehen kann und dass es insbesondere die sanften, melancholischen Klänge sind, die es machen, dass ich immer und immer wieder aufsteh und weitergeh... Bis hinein in die Stadt, mitten auf den Marktplatz. Ein wunderschöner, sonniger Tag im September, meine Musik und ich, inmitten all der Menschen, und mit einem Mal breitete sich diese unendliche Ruhe in mir aus, diese Stille in mir, wie wenn du weißt, du bist angekommen, und ich schloss die Augen und breitete meine Arme aus, legte den Kopf zurück und fühlte die Wärme und das Licht der Sonne auf meinem Gesicht..
Ich weiß nicht wieso, ich weiß nicht woher - aber in diesem Moment wusste ich: "Das Leben ist wunderschön. Du fällst hin und du stehst wieder auf, jeden Morgen stehst du auf, schiebst den Vorhang zur Seite und begrüßt den Tag, weil du weißt: Egal welche, aber er bietet dir neue Möglichkeiten." Und in dieses so sichere Gefühl mischte sich die Stimme die Zuversicht, die mich umarmte, so wie die Sonne, und die mich fühlen ließ "Es wird etwas Wundervolles passieren. Nicht heute, nicht morgen, aber es wird etwas ganz Wunderbares passieren." Kaum je zuvor oder danach habe ich mich so stark, so unbezwingbar, so fest und sicher gefühlt.  Als ich am Abend zu Hause war, habe ich mich in meine Kissen zurückgezogen und ich hatte geweint... Die Trauer um das Vergangene, um das Erlebte, um den Verlust - und die Erleichterung ob der Zuversicht..

 

Heute Abend war es wieder da: dieses unbändige Gefühl von Sicherheit, von Zuversicht, von unfassbar tiefer Ruhe in mir, die nicht beschreiben kann, woher sie kommt - und doch ist es da, hakt sich bei mir unter und nimmt einen Schluck von meinem Kaffee....

Heute Abend, als ich aus der U-Bahn stieg, sah ich für einen Moment mein Spiegelbild - und ich sah, dass ich die ganze Zeit lächelte. Einfach so. Einfach so?


7 Kommentare:

Bohli hat gesagt…

Lächle weiter.....du wirst viele andere dadurch auch zu einem Lächeln bringen. Schönes Wochenende ;-)

Anonym hat gesagt…

Es scheint, als wäre die halbe Blogosphaere heute von der wunderbaren Herbststimmung verzaubert worden... ;))

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Danke Bohli :)
Ja Miss April, da lag wohl was in der Luft - oder liegt immer noch :)
Vermutlich bisschen mehr als Karamell und Zimt :)

ganga hat gesagt…

Oh, was für poetische Worte. Dream a little dream ...

Ich wünsche euch ein schönes Wochenende
ganga

Nicola Hinz hat gesagt…

Also, bei mir lag sie heute nicht in der Luft - die herbstliche Zuversicht. Daher: Zu beneiden bist du! : )

Und was für eine schöne Schilderung - für eine stimmungsvolle innere Filmsequenz beim Lesen!

Liebe Grüße
Nicola

Anonym hat gesagt…

Hallo Helma,
Ich konnte dich richtig sehen, wie du durch die Strassen geschlendert bist mit deinem Kaffeebecher ich der Hand. Das hast du wunderschön beschrieben. Hoffentlich hâlt deine Stimmung noch laaaange an! Das wünsch ich dir!!;-)

Anonym hat gesagt…

Die Musik erinnert mich total an Unheilg. Gefällt mir sagenhaft!

*Die Seele ernährt sich von dem, worüber sie sich freut.*
Augustinus Aurelius