Dienstag, 24. März 2015

Darf man? Soll man? Muss man?

Zuerst mal möchte ich mich wirklich bedanken für die Kommentare zu meinem letzten Post. Eigentlich hatte ich schon eher gedacht, geglaubt, dass der Grundtenor der Kommentare lauten würde: "Ach Mensch, du hast wirklich zuviel Zeit, dass du dir das Leben noch mit so nem Quark vermiest."
Letztlich ist es ja auch so, nicht nur angesichts des Berichts zur Tafel, den ich kurz vor dem Schreiben meines Posts las, auch jetzt wieder wird mir das bewusst, wenn ich höre, dass es einen Absturz eines Flugzeugs der Gesellschaft German Wings gegeben hat. German Wings. Erst letzte Woche ist der Liebste mit dieser Fluggesellschaft unterwegs gewesen. Ich habe immer Angst, wenn er unterwegs ist, sei es mit Auto oder Flieger (ich hab selber sowieso Flugangst). Angst, die ich eigentlich nie nach außen zeige, die ich versuche, mit mir selbst abzumachen, um den anderen mit sowas nicht zu zermürben.
Es ist ja, wie ich schon gesagt hatte, auch nicht so, dass ich mich selber nicht zu beschäftigen wüsste. Es ist auch nicht so, dass ich selber nicht auch gerne mal allein bin, außerhalb der Dienstzeit, dass ich Zeit für Dinge habe, die MIR gefallen und an denen der Liebste ohnehin nur herumnörgeln würde.
Insofern hat mich - Ihr mögt es mir bitte verzeihen - der Kommentar von Goldi am meisten angesprochen: Es geht nicht um Kontrolle, es geht auch nicht darum, dem anderen nichts zu gönnen oder ihm nicht den Raum oder das Gefühl zu lassen, dass er frei darin ist, Unternehmungen für sich selbst zu bestimmen - auch wenn sich Zeitfenster verschieben. Doch auch ich empfinde es als ein Zeichen von einem gewissen Respekt, einer gewissen Wertschätzung mir gegenüber, wenn er mir gerade in Zeiten von Whatsapp & Co. zumindest ein Zeichen gibt "Wird länger heut". Dass man die Zeit aus den Augen verlieren kann, ist mir durchaus bewusst. Dass dies aber an jenem Abend nicht so war, konnte ich ihm gegenüber fundiert zurückweisen, woraufhin ihm nichts anderes einfiel als diese Reaktion: "Soll ich vielleicht wieder gehen?" Im Nachhinein muss ich selber darüber lachen, wenn ich jenen Abend und unser Verhalten reflektiere.
Es ist allerdings - und das muss ich zu seiner Ehre hinzufügen - auch so, dass ich an jenem Abend nicht nachtelefoniert oder über Whatsapp nachgefragt habe. Die Begründung dafür? Wir wissen ja alle, wie Männer am Stammtisch untereinander reden, tratschen (und das können sie mitunter echt noch besser als die Frauen selbst!) bzw. über Nicht- oder Nichtmehranwesende herziehen: "Haste gemerkt? Seine Marie hat geschrieben, da musste er schnell nach Hause. Ja ja, das Ehejoch..." Oder: "Der Olli kommt heut nicht, der darf heute nicht, hat seine Frau gesagt." Selbst vom Liebsten habe ich solche und ähnliche Äußerungen schon gehört, wenn auch über andere. Ich möchte gar nicht wissen, wie sonst noch geredet wird, wenn keine Frau dabei ist.
Das ist ja ähnlich wie die Männer in der Arbeit auftreten und über ihre Frauen lästern. Wo ich schon manches Mal anmerkte: "Wenn deine Frau wüsste, wie du hier redest! Zu Hause bist du vermutlich sooo klein mit Hut!" und der Raum zwischen Daumen und Zeigefinger misst keinen Zentimeter.
Ich will nicht so eine sein, die ihrem Partner etwas vorschreibt. Ich will nicht so eine sein, die um ihren Partner kreist und hysterisch alles mit Argusaugen überwacht - und ich will als solches auch nicht angesehen werden. Weil das nicht die Wahrheit ist.
Ich will aber auch nicht vors Loch geschoben werden, frei nach dem Motto: "Ich kann nicht wegen ihr."
Hat es so oder so ähnlich schon gegeben - und das brauche ich nicht.
Außerdem erwartet er im Gegenzug genauso, dass ich mich melde, dass ich Bescheid gebe, weil er sich ja nur Sorgen macht.
Übrigens, das Foto mit dem roten Kleid: Ich hatte es ja schon mal in diesem Blog, es ist vom letzten Sommer - und ja, die Kaffeetasse fehlt noch, aber ich hab irgendwie bis heute nicht die Zeit und Muße gefunden, ein entsprechendes neues aufzunehmen. Und die Fußstellung, die Miss Anonym (lieben Dank für Deinen Kommentar!!) anmerkte: Der Liebste wundert sich immer, dass ich, wenn ich Klamotten anprobiere, immer auf Zehenspitzen stehe, mich so drehe und wende ;) Es ist aber schon optisch wirklich ein Unterschied! Hat nix mit ner Fußkrankheit oder Fußverrenkung zu tun :D Ich weiß jedenfalls schon, warum ich kaum flache Schuhe besitze.

Aber gut: Wir haben das Thema inzwischen natürlich bereinigt.
Und was ich an ihm wirklich sehr liebe: Wir können uns zoffen, streiten, die Meinung sagen, auch mal etwas heftiger - aber wir vergessen uns dabei nicht. Kein Beschimpfen, kein Niedermachen - und vor allem keine körperlichen Übergriffe. Nichts von dem, das ich vor ihm erlebte. Nichts von dem, das meine Freundin seit wenigen Jahren durchlebt. Ich versuche immer, beide Seiten zu sehen, ich versuche immer, objektiv zu bleiben, doch wenn es darum geht, den anderen zu beschimpfen, ihn spürbar abzuwerten und ihn dann auch noch körperlich anzugreifen, dann brennen mir die Sicherungen durch. Und wenn ich dann höre "ein bisschen, nicht so derb", dann dreht sich mir der Magen um und ich weiß, dass sie beginnt, abzuschwächen.
Es ist und bleibt unentschuldbar, primitiv und abstoßend, wenn der Überlegenere den Schwächeren angreift (und ich formuliere das bewusst so, weil es auch genug Frauen gibt, die ihre Männer wie Dreck behandeln und auch schlagen). Ich glaube nicht daran, dass solche Menschen sich ändern können. Jedenfalls so lange nicht, wie sie auch nicht aktiv etwas tun, zum Beispiel ein Antiaggressionstraining absolvieren. Und eine Verhaltenstherapie.
Irgendwo habe ich mal gelesen: Ein guter Freund ist der, der dir nicht rät, was er an deiner Stelle tun würde, sondern das, was du an deiner Stelle tun kannst.
Doch an diesem Punkt fällt es mir unglaublich schwer, sachlich und objektiv zu bleiben. Eben auch aus eigener Erfahrung heraus. Wenn ich da in meine Vergangenheit zurückschaue, sehe ich, dass sich da absolut nichts geändert, gebessert hat - die "Stelle" wurde nur neu besetzt. Vielleicht ist er inzwischen auch... "ruhiger" geworden, aber will man auf sowas warten? Worauf wartet man?
Denke ich an mich, weiß ich, dass ich lange die Hoffnung hatte, es würde anders werden. Besser. Bis irgendwann die Resignation einsetzte, die Leere - und anschließend der Verlust jeglicher Empfindungen. Man sagt auch immer, wenn etwas vorbei ist, denkt man ab einem gewissen Zeitpunkt und mit einem gewissen Abstand vor allem nur noch an das Gute. Diese Partnerschaft ist die einzige, von der mir nur das Negative geblieben ist. Es gab ganz sicher auch gute Zeiten - aber ich weiß sie nicht mehr. Sie sind ausgeblendet, irgendwie. Und ich weiß noch heute, wie lange ich gebraucht hab, um in mir die Konsequenz zu finden: Egal, was danach kommt - jetzt gehe ich.
Wie soll ich jetzt und hier eine gute Freundin sein? Wie soll ich sachlich und objektiv raten? Wie helfen? Sie in ihrer Position fühlt sich hilflos - ich mich auch. Für mich ist die Lösung klar, aber ist es eine, die ich angehen würde oder ist es eine, die sie auch angehen kann?
Freundschaft bedeutet vor allem Begleiten, Zuhören - das habe ich inzwischen gelernt.
Und bis wohin ist das okay? Ab wann darf man etwas raten? Ab wann muss man eingreifen?

7 Kommentare:

Goldi hat gesagt…

Ui, da ist aber eine heiße Vermischung passiert. Mh, das dauert mit einer gescheiten Antwort, aber vorab: Ich freue mich riesig, das Ihr Euch "schön" streiten könnt.

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Liebe Helma, "schlimmer gehts immer" - natürlich gibt es zig Menschen, denen es schlimmer geht als Dir oder mir oder... Aber deshalb darf man doch trotzdem eigene Gedanken und Gefühle haben und sich auch mit Dingen auseinandersetzen, die einen beschäftigen?

Zu Deiner Freundin ob man ihr einen Rat geben "darf": Warum solltest Du das nicht dürfen? Letzen Endes kannst Du ihr aber raten, was Du willst - sie wird nur das umsetzen, was sie selbst auch "einsieht" und wozu sie bereit ist.

Solange Du sie zu nichts drängst, ist es doch okay, wenn Du sagst, was Du denkst. Sie kann doch selbst entscheiden, was davon sie mitnehmen möchte für sich.

Belastet Dich die Situation mit ihr denn persönlich oder geht es nur darum, ob Du ihr was raten darfst?

Schön, dass Du Dich mit dem Mann wieder vertragen hast.

Liebe Grüsse!

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Goldi, jein - empfinde ich in punkto Vermischung. Denn ob der Anlass für eine Diskussion, einen Streit oder auch eine Auseinandersetzung gering oder größer war - was ich mir persönlich immer wünschte und selber doch auch so lebe, ist eine respektvolle Streitkultur. Keine, wie ich sie früher erlebte oder wie ich sie aktuell mit der Freundin "mitverfolge". Auch diese beiden Menschen streiten oft aus nichtigen Anlässen heraus, gleichwohl artet es immer und immer wieder dabei aus.
Und bis heute habe ich nicht vergessen, wie verletzend, wie schmerzhaft Streitereien sind, die so enden wie aktuell bei meiner Freundin. Wie dankbar ich bin, dass ich diese Form der Auseinandersetzung mit dem Liebsten nicht habe, auch dann nicht, wenn ich im Unrecht war.

Liebe Clara, zum Stichwort "raten oder nicht"... In anderen Freundschaften habe ich begreifen, lernen müssen, dass auch dann, wenn sich jemand an Dich wendet, nicht zugleich auch gefragt ist, welche Sicht der Dinge Du selber hast, welche Erfahrungen Du hast. Mir war teilweise gar nicht bewusst, wie unzufrieden es den Gegenüber machte - weil er einfach nur jemanden zum Zuhören brauchte, NUR zuhören, nichts raten.
Zwar versuche ich immer, objektiv zu bleiben, aber ich spüre doch selbst auch immer wieder, wie sehr ich mich von eigenen Erfahrungen, Erkenntnissen leiten lasse.
Diese aber... muss wohl jeder Mensch selbst für sich machen. Ich sage niemandem, was er tun soll. Aber ich habe wohl immer viel vom eigenen Erfahrungs"schatz" mitteilen wollen. Das jedoch ist oft gar nicht gewünscht gewesen.
Insofern... hadere ich heute oft: Wie viel soll ich jetzt sagen, soll ich überhaupt etc.
Mich belastet ihre Situation, weil ich das Gefühl habe, eine Zeit in meinem eigenen Leben noch mal zu erleben. Es ist, als sehe ich mich in ihr. Und ich weiß, wie viel Schmerz mir das bereitet hat, was das auch für meinen Körper bedeutet hat (Magersucht war nur ein "kleiner" Teil dessen). Es belastet mich, weil ich nicht einschätzen kann, wie viel sie (von mir) will und wie weit sie gehen kann. Und es erinnert mich an meine damalige Freundin, die eben das mit mir ewig lange durchstand, ich trotzdem noch nicht die Konsequenz zog und sie sich irgendwann positionierte: "Ich hab gemerkt, du bist noch nicht soweit. Du beklagst vieles, änderst aber nicht wirklich was. Ich kanns irgendwie verstehen, aber irgendwie auch wieder nicht, dass man so leben kann. Deswegen möchte ich bitte von all dem Ganzen nichts mehr mit dir teilen, ich kann dir nicht mehr zuhören und dir beistehen. Ich muss das so machen, weil ich anfangen muss, mich selbst zu schützen."
Heute bin ich an genau diesem Punkt.
Ist grad alles irgendwie... schwierig zu erklären.

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Liebe Helma, ich verstehe glaube ich recht gut, was Du meinst.

Das Thema ist weitaus komplexer, als es im ersten Schritt erscheint. Natürlich kann ich Dir sagen "Helma, Du bist kein seelischer Mülleimer", aber das wird Dir nur hart vorkommen und wohl kaum helfen, weil es Dir eben nicht gut geht.

Ich glaube, das Problem hier ist, dass Du mit der Frau Mit-leidest. Du siehst wohl Dich in ihr, wie Du damals warst, fühlst Deine alte Verzweiflung und jetzt willst Du sie sozusagen stellvertretend für Dich selbst damals, nicht im Stich lassen. Vielleicht ist auch der Schmerz, den Du erfahren hast, als Deine Freundin Dich verliess, noch nicht ganz geheilt und er zeigt sich hier nochmal?

Wie auch immer Helma, manchmal muss man einsehen, dass man nicht jedem helfen kann. Und oft muss man auch Grenzen setzen, wo man am liebsten die Arme weit aufreissen und "komm an mein Herz" brüllen möchte. Selbstschutz ist kein leichtes Brot, aber leider nicht immer unumgänglich.

Hast Du Deiner Freundin mal gesagt, dass es Dir damit schlecht geht? Dass bei Dir so viel hochkommt an alten Erinnerungen, die Dich sehr schmerzen? Vielleicht kann sie ein wenig Rücksicht darauf nehmen und vielleicht tut es ihr ja auch ganz gut, wenn ihr öfter auch über leichtere Themen als ihr Problem redet?

Und noch eins möchte ich anmerken - nur weil man jemandem etwas von seinen eigenen Erkenntnissen und Erfahrungen dalassen möchte, heisst das noch lange nicht, dass man diesem Menschen sagt, was er tun soll. Ich weiss, dass das viele Leute so empfinden, aber das stimmt so einfach nicht. Ich sehe das als "Buffet" voller Erkenntnisse und Erfahrungen - ich entscheide noch immer selbst, was ich davon für mich mitnehme. Und diese Wahl hat jeder, da muss man dem, der helfen will, nicht blöd kommen.

Sei lieb gegrüsst!

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Liebe Helma, etwas kam mir gerade noch (wenn es nicht passt etc, dann veröffentliche es einfach nicht)...

Hast Du eigentlich mal die Helma von damals in den Arm genommen und sie so richtig "lieb" gehalten? Sie hat soviel Verzweiflung, Schmerz und Kummer ausgehalten und dann ging noch die Freundin - sowas tut verdammt weh. Stell Dir mal vor, wie Du die Helma von damals tröstend in den Arm nimmst und ihr sagst, dass sie es schaffen wird.

Weisst Du, manchmal hat man einfach zuviel Mitleid mit anderen und zu wenig mit dem Menschen, der man selbst mal war.

Das zeigt sich ab und an in solchen Situationen und vielleicht erinnert Dich Deine Freundin an den Schmerz der Helma von damals. Vielleicht reicht es zu wissen, dass Du die Helma von damals bei Dir hast und dass Du ihr eine verdammt gute Freundin und Beschützerin bist :)

Lieben Gruss!

Anonym hat gesagt…

Schwierig zu raten ...

Ich kenne eine Person, die von sich sagt, sie sei die beste Freundin einer anderen Person. Von dieser Person hörte ich einmal folgendes:
ich werde ihm nie raten oder sagen, was ich für richtig oder falsch halte - was ich tun oder nicht tun würde - was ich von dem halte, was er plant oder tut - mich niemals in irgendeiner Weise einmischen oder äußern. Wenn er auf die Schnauze gefallen ist - dann bin ich da.

DAS ist für mich ein Verständnis von Freundschaft, welches mir vollkommen fremd ist. Ich würde mich nie zurücklehnen und darauf warten, dass jemand fällt - ohne zumindestens vorher zu sagen, meiner Meinung nach wäre Obacht angesagt.

Wenn es eine langjährige Freundin ist - dann würde ich einfach fragen: was erwartest Du? Nur mein Ohr? Oder darüber hinaus meine Sicht der Dinge?

Vielleicht ein praktikabler Weg?

LG
Mechthilda

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, Deine Worte habe ich letzte Nacht übers Handy gelesen (krieg ja immer ne Kopie ins Mailpostfach) - und mir haben die Hände gezittert.
Da steckt Unglaubliches drin, das ich so noch nicht betrachtet habe - aber muss. Und vor allem muss ich mit ihr sprechen. Ganz behutsam. Mehr möcht ich im Moment nicht dazu sagen. Unabhängig davon: Missbrauch einer Freundschaft habe ich zweimal erfahren, einmal sehr tiefgehend, das andere... zumindest ohne Folgen für mich. Geprägt bin ich davon dahingehend bis heute, dass ich unsicher darin bin, bis wohin Freundschaft gehen darf, ohne dass ich mich illoyal verhalte.

Liebe Mechthilda, die Erfahrung, dass die Kunst des Zuhörens darin besteht, KEINE Erfahrungen aufzuzeigen bzw. KEINEN Rat zu geben, die habe ich mit einer anderen Freundin gemacht - und sie hat es mir (leider) auch nie so direkt gesagt, ich habs auf anderem Wege erfahren. Aber Du hast völlig recht: Menschen scheitern oft daran, dass sie nicht miteinander sprechen bzw. etwas zwischen sich klären. Das muss ich und das werde ich. Danke dafür.