Mittwoch, 29. April 2015

Regretting Motherhood

Dieses Schlagwort turnt ja seit neuestem durch die Gazetten. Ich muss sagen, momentan mangelt es mir ein wenig an Zeit, Geduld und Muße, mich so richtig wirklich auf Themen einzulassen, die tiefer gehen als zum Beispiel die Frage "Was ziehe ich heute an"?
Der Frühling hat sich ja nun durchgesetzt, jedenfalls in den Tieflagen, und mit ihm erwachte auch der spontane Unternehmungsgeist. Was heißt: Zwischen Job, Vergnügen und.. äh.. Vergnügungen passt derzeit nicht wirklich viel.
Nun war ich ja die vergangenen drei Tage wieder in L bei der Jugend und habe meine Zeit mit all den Dingen verbracht wie ich das ja immer tue - das Söhnerundumwohlfühlprogramm - wo ich mich erst aufrege, mich verständnislos und unnachgiebig zeige - und am dritten Tag mit einem guten Gefühl des Wohlgeordnetseins und vor allem der immer wiederkehrenden Hoffnung heimfahre, dass eines Tages doch noch ein Wunder geschehe. Und sei es nur dieses, dass wenigstens EINMAL ein Begrüßungskäffchen für mich bereitsteht.

Gestern Abend schloss ich die Bürotür hinter mir und begab mich auf die hunderte Kilometer lange Reise nach Hause. Raus aus dem Regen und der doch - für einen Frühling jedenfalls - bittrigen Kälte hinein in den Süden, dessen Himmel immer mehr aufriss, mich  sonnig begleitete und mich bei stimmiger Musik und einer phasenweise fast leeren Autobahn über das eine oder andere sinnieren ließ.



So zum Beispiel über die Mütter, die bereuen, jemals Mutter geworden zu sein. Die Gründe hierfür mögen wohl vielschichtig sein wie die Menschen eben verschieden sind. Die Gründe mögen nachvollziehbar, respektabel, akzeptabel sein - aber das ist gar nicht mein Thema.
Gefragt habe ich mich - und nur mich selbst: "Habe ich es je bereut, Kinder bekommen zu haben?"
Ich dachte an die ersten drei Jahre mit einem Schreikind, das uns keine einzige Nacht zur Ruhe kommen ließ. Ja, da kann man irgendwann doch mächtig verzweifeln. Schlaf ist etwas Elementares. Und ein Schreikind partout nicht beruhigen zu können, egal was man anstellt, zwei Stunden Schreien in der Nacht aushalten zu müssen, während die Nachbarn an die Wand trommeln oder aus dem Haus gegenüber (!) nach Ruhe brüllen - doch, das war... schwierig.
Habe ich es da bereut, das Kind bekommen zu haben? Ganz ehrlich? Nein. Heute denke ich, ich hatte irgendwie gar keine Zeit, darüber nachzudenken. Der Job, der Haushalt, das Versorgen des Kindes - das musste irgendwie geschafft, bewältigt werden, egal wie. Den Tag überstehen. Aufatmen, wenn der Tag zuende gegangen war, das Kind im Bett lag, gebadet, gewindelt, satt und eigentlich.. fröhlich. Bis der Zeiger ein Uhr zeigte. Konnte man die Uhr nach stellen.
Kurz vor seinem dritten Geburtstag war schlagartig Ruhe. Warum - wir wissens bis heute nicht. Damals schwor ich mir: "Nie wieder ein Kind." Ich war dankbar, dass ich ihn hatte - und ich war glücklich mit meinem Kind. Doch noch mal wollte ich das Ganze nicht durchstehen müssen.
Aber ach... Man vergisst ja so leicht..
Als der Große fünf Jahre alt war, kam der Kleine. Ein Sonnenscheinchen, das so einfach glücklich zu machen war: essen und schlafen.
Ich dachte an die Sorgen um den Großen, bei dem Epilepsie diagnostiziert wurde (was sich im Übrigen ein paar Jahre später als Fehldiagnose herausstellte.), an die Diagnose "Die Intelligenz Ihres Kindes liegt im untersten Durchschnitt, mit der normalen Schule ist er völlig überfordert, das wird so nichts." Da war er in der 1. Klasse und ich am Boden zerstört. Meine Mum, die Erzieherin, fing mich auf: "Das sagt nur der Arzt. Warte ab, ob die Lehrer auf dich zukommen." Sie kamen nicht.
Heute hat er einen guten Realschulabschluss, zwei abgeschlossene Ausbildungen, einen Führerschein und einen ungebrochenen Optimismus. Mein großes Kämpferherz mit einer wunderbaren Seele. Dass er keine Ordnung halten kann, ach na ja, man kann eben nicht alles haben. Das, was er ist und was er gibt, bedeutet mir mehr. Alles andere bringt ihm dann mal die Freundin bei ;)
(Habe ich übrigens gerade heute bei FB gelesen: "Mom, what is marriage?" - "Marriage is just a fancy word for adopting an overgrown male child who cannot be handled by his parents anymore!" *kreisch!!*)
Seither gilt übrigens für mich: Keine wichtigen Diagnosen bzw. Entscheidungen mehr von nur einem Arzt. Immer eine Zweitmeinung - manchmal auch eine dritte, je nachdem.
Und genau an diesen Punkt kam ich bei der Frage: Habe ich es je bereut, Mama geworden zu sein?
Eben deshalb nicht: Sie haben mich einiges gelehrt. Sie haben mich jeden Tag gefordert. Sie haben mich zum Lachen gebracht, zum Weinen, zum Verzweifeln - und zum Überschäumen vor purem Glück. Sie haben mich gelehrt zu kämpfen, mich durchzubeißen, mich bei Ämtern, Behörden, Ärzten durchzusetzen, gar zu widersprechen und den eigenen Kopf zu behalten. Mir nichts mehr gefallen zu lassen.
Sie haben mich vor allem eines gelehrt: bedingungslose Liebe. Und die elementarste Angst um Leib und Leben.
Eine so tiefe, innige, wunderbare Liebe, von der ich selbst niemals geglaubt hätte, dass ich je so empfinden könnte. Eine Liebe, die unkaputtbar ist. Eine Liebe, die über allem steht, auch wenn sie nicht mein Denken und Handeln dominiert. Sie sind immer bei mir, egal wo sie sind und mit wem. Sie sind immer bei mir, egal wo ich bin und mit wem. Sie sind die einzigen, und ja, über diesen Punkt habe ich lange nachgedacht, für die ich am Ende mein Leben geben würde. Weil ich es nicht ertragen könnte ohne sie. Nicht wenn ich es verhindern kann.

Sie sind beide mein größter Schatz.
Sie sind beide meine größte Liebe.
Auch wenn sie beide ebenso mein Aufreger sind.
Vielleicht lese ich auch deshalb so gern bei Frau Lavendel mit ihren Kindern: Niemandem hilfts, wenn man sich immer wieder beklagt - und doch ist es irgendwie beruhigend, dass jede Mum dieselben Dinge beklagt. Und dass uns alle eines vereint: die Hoffnung auf bessere Zeiten.
Aber bereuen?
Niemals.
Man wird doch auch mal Scheiße sagen dürfen, wenn was scheiße war.
Doch jemals hergeben?
Niemals.

8 Kommentare:

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Aus Deinen Worten klingt soviel Liebe für Deine Kids und ich finde es schön, dass Du sehen kannst, wieviel Du durch sie auch für Dich lernen konntest.

Und ansonsten - habe viel Spaß im und am Frühling. Hier ist es wieder kalt geworden :(

Liebe Grüsse
Clara

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ja Clara... Sie sind mein Ein & Alles. Ich werde nie nie niemals Eltern verstehen, die so ganz anders mit ihren Kindern umgehen. Aber alles will ich auch gar nicht verstehen: Auf Deinen letzten Post bezogen kann ich nur sagen, nein, wegschauen ist IMMER falsch.

JULiANE hat gesagt…

Ganz genau: Bereuen? Niemals!
Meine Kinder haben mich zu einem besseren Menschen gemacht (igitt! Klingt schwülstig, ist aber so!)
und unterm Strich ist man nicht von den Kindern genervt, sondern von den blöden Situationen, in die man durch sie hineingezwungen wird. So gehts mir jedenfalls.
Arbeite nun seit knapp 10(!) Tagen an einem Post zu dem Thema, aber Lucky, die kleine große Nervensäge lässt mir keine Zeit... Ätzend.
Bereue ich ihn?
NIEMALS :-)))

Goldi hat gesagt…

Dein Post ist so voller Liebe, wunderschön, Deine Kiddies und Du Ihr könnt stolz aufeinander sein :-*

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Juliane, ich denke, so ist das wirklich: Sie haben auch mich zu einem besseren Menschen gemacht. Ist doch wurscht, obs kitschig klingt. Aber wenn ich dran denke, wie ich vorher war... ;)

Liebe Goldi, ja ich bin sehr froh, dass ich sie habe :)

Lady Crooks hat gesagt…

Sehr schön und mit so viel Herz geschrieben!

Danke!

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Lady, ich danke :)

Anonym hat gesagt…

Liebe Helma, wunderbar von Herzen kommend. Hoffentlich lesen viele junge Mütter das!
LG Niggelo