Dienstag, 26. April 2016

Das bisschen Biwak ist doch nicht so schlimm, sagt mein Mann

Wenn ich in den letzten Wochen etwas "maulfauler" geworden bin, dann vor allem deshalb, weil ich an anderer Stelle viel (möglicherweise zuviel) geredet habe. Ja ich bin eine Frau; eine Gattung, der man ja ein gewisses Mitteilungsbedürfnis nachsagt. Ich bin aber zugleich auch ein Nordkind - vermutlich rettet mich dies - denn meistens... sage ich nichts. Oder nicht viel. Man muss ja auch nicht immer reden - auch ich kann genießen und schweigen.

In den letzten Monaten aber habe ich unendlich viel geredet.
"Denk an das deutsche Sportabzeichen, du brauchst das für den Zoll!"
"Hol dir endlich einen Termin für die Theorieprüfung, ich denk, du willst den Führerschein?"
"Wie war das denn nun mit dem Joggen? Wolltest du nicht bisschen Kardio machen vor dem Test bei der Polizei?"
Und so weiter und so fort. Habe nicht immer nur die Memory-Funktion übernommen, sondern gleichzeitig auch Konsequenzen aufgezeigt. Ach was, aufgezeigt - angedroht habe ich sie ihm! Über die Wochen und Monate hinweg war ich manchmal regelrecht schockiert von meinem Sohn, wie antriebslos der wurde. Dass er zwar dieses und jenes wollte und auch glaubhaft versicherte, es läge ihm totaaaal am Herzen - aber die Aktionen sprachen dagegen. Besser gesagt: Es folgten eben keine Aktionen. Oder nur halbherzige.
Irgendwann sagte er dann: "Jetzt kann ich die Leute irgendwie verstehen, die schon ewig lange zu Hause sind und eines Tages nicht mehr den Arsch hochkriegen. So wollte ich eigentlich nie werden."
Er hatte wenigstens schon mal ein Ziel. Eins, das ihn vermutlich auch davon abhielt, es all seinen Freunden gleichzutun: "Ich kenne grad irgendwie keinen, der nicht kifft."
"Und du? Schon mal probiert?" habe ich betont gelassen nachgefragt, während mir die innere Schreckhitze bis unter die Haarwurzeln schoss, weil meine spontane Phantasie recht merkwürdige Blüten kreierte und vor meinem inneren Auge spontan eben dieses Bild entstand: zugekifftes, arbeitsloses Kind liegt oberkörperfrei aufm Sofa und daddelt wahlweise am Handy oder an der Playstation. Manchmal ist es ein Glück, dass Phantasie und Realität meilenweit auseinanderklaffen!
"Ich doch nicht", antwortete der Sohn, "das kann ich mir gar nicht leisten, da bestehe ich keinen einzigen Eignungstest."

Zeitig genug im Voraus wusste er: Ab 4. April bin ich beim Bund. Dreimal dürft Ihr raten, wann mich die WhatsApp erreichte: "Können wir dann noch mal durchgehen, was ich alles brauche? Vielleicht hast du ja noch eine Idee?" Genau. Am späten Sonntagnachmittag, den 3. April.
Gnarf!
"Wo willst du noch was besorgen, wenn dir noch was fehlt???" habe ich geantwortet, dann frei aus dem Bauch heraus aufgelistet, was ICH einpacken täte, wäre ich er, und dann sicherheitshalber noch mal gegoogelt, was das Internetz dazu so hergibt - und ihm einen Link geschickt "Lies da mal nach, da schreibt einer, der selber beim Bund war. Blasenpflaster und so kannste dir jetzt zum Sonntag freilich abschminken!"
Als ich nach 20 Minuten nachfragte, ob er denn schon mal gelesen hätte, da hatte Sohnemann nicht nur gelesen, sondern bereits eine WhatsApp-Gruppe mit drei Typen vom Bund gegründet und so ein paar Internas ausgetauscht.
Manchmal überrascht er mich eben doch noch!

Nun ist er ja seit etwa 3 Wochen beim Bund und mit - ich gebe es zu - latenter Genugtuung verfolge ich, dass er sich - wenn überhaupt - nur noch an den Wochenenden meldet, weil er einfach zu müde ist. Gab es früher kopfschüttelnde Zeiten, wo ich sah, dass er oft zwischen 2 und 5 Uhr früh online gewesen war (nein, ich kontrolliere meinen Sohn nicht - ich stellte nur fest!), so ist er jetzt maximal 21 Uhr zuletzt online. Betreibt einen geregelten Tagesablauf von 4.30 Uhr aufstehen und 20 Uhr Dienstschluss. Salbte bereits in der ersten Woche die ersten Blasen - aber offenbar findet er sich erstaunlich gut zurecht. Kommt wohl auch ganz gut zurecht. Kein Jammern, kein Klagen, und wenn er dann so paar Sachen erzählt, von denen ICH weiß, dass ICH jämmerlich in die Knie gehen würde (aber ich bin ja auch eine zarte Frau, ich darf das *kreisch*), dann erinnere ich ihn gutmütig: "Denk dran, du bist jung und du brauchst das Geld!"

Diese Woche steht Biwak auf dem Programm. Ein 15 km Marsch in voller Ausrüstung, die irgendwas um 40 Kilo wiegen soll. Die ersten 500 m sind in dieser Ausstattung zu sprinten - und weil Kameraden niemals im Stich gelassen werden, sind die, die sich anschließend in den Sand schmeißen und sagen, dass sie nicht mehr können, aufzuheben und mitzutragen. Zusätzlich zum Eigengewicht und dem Gewicht der Verpackung. Er hat nicht gejammert - aber er gab zu, dass er ein bisschen Respekt davor hatte. Wie man ihn eben vor allem hat, das man (noch) nicht kennt.
"Ach was, ihr Mädchen", hat Herr Blau es belächelt, "da geht's euch heut schon viel besser als uns damals. Wir hatten nur ne Filzdecke. Ihr kriegt sogar nen Schlafsack."
Ich bin ja nun nicht so der Freund von "wir früher, da war alles noch viel härter"-Ansichten.
Früher... Früher standen auch die Frauen zum Beispiel am Waschbrett und taten nicht einfach nur die Wäsche in den Automaten und drückten auf den Knopf - und trotzdem steigt die Zahl der Menschen, die völlig ausgebrannt sind. Trotzdem steigt die Zahl der Stresserkrankungen. Weil das Leben zwar einfacher geworden ist, sich die Form des Stresses aber verlagert hat.
Oder ist der Mensch von heute einfach nur... verweichlicht? Vielleicht, in gewisser Weise.
Früher kämpften die Frauen ums Überleben ihrer Kinder, und tun wir Frauen im Grunde heute nicht genau dasselbe? Die Mittel sind vielleicht anders und die Umstände sowieso, der Effekt aber... mag wohl derselbe sein.

Was nächste Woche ansteht, habe ich vergessen, aber dann folgen zwei Wochen Schießausbildung. Damit - so hoffe ich - wird es ein bisschen entspannter für ihn, so dass er eventuell doch noch beim Bund das deutsche Sportabzeichen erwerben kann. Bis Juni hat er dazu noch Zeit, legt er es bis dahin nicht vor, wird seine Bewerbung beim Zoll null und nichtig.
Ich bin gespannt, ob die paar Wochen ausgereicht haben, um den Jungen in Gang zu bringen.
"Wenn nicht, ist auch nicht so schlimm", sinnierte er am Wochenende. "Dann verlänger ich beim Bund und bewerbe mich im Herbst noch mal bei der Polizei. Genug Kardio dürfte ich bis dahin ja dann trainiert haben." Damit dürfte er dann vielleicht doch den Arzt-Check bestehen, bei dem er im Januar durchgefallen war, weil sein Puls sich nicht innerhalb einer vorgegebenen Zeit auf einen vorgegebenen Wert regulierte.

Nun ja, wir werden sehen. Wichtig ist ja erst mal, dass er überhaupt in Gang gekommen ist.
Apropos...
In Gang kommen.
Ich muss doch noch packen.
Ich muss doch gleich los!

Montag, 25. April 2016

Ein ewiger Kreis



"I Love Leo". Gestern war wieder einer dieser entspannten Sonntage, an denen man sich mit Freunden im Kaffeehaus trifft, etwas isst, trinkt. Sagte ich schon, dass ich diese Sonntage liebe?
Und dann entdeckten wir dieses kleine Kleinod von Café, irgendwo am Ende einer Häuserzeile kurz vor dem Englischen Garten. Eben "I Love Leo" - so heißt es tatsächlich.
Eins, das nicht gar so rettungslos überfüllt war wie all die anderen Cafés, von denen man denkt: Die sind zwar schön, weiß aber auch nicht jeder. Tja denkste. Auch zum Sonntag mit Mistkackwetter hats die Leute vor die Tür getrieben. Oder besser gesagt: aus der einen in die andere.
So weit bin ich, glaube ich, noch nie für ein Stück Kuchen und einen Milchkaffee gelaufen, zwar im Mantel, aber im kurzen Rock und Stiefeln - und scheiße nee, ich habe gefroren! Blöder Schnee - und das so kurz vorm Wonnemonat Mai, das glaubt einem doch kein Mensch! Auch jetzt rieselt es dicke Flocken - und das, obwohl meine Wetter-App ihre Meinung änderte und aus "Schnee am Mo-Die-Mi" kurzerhand Regentage mit irgendwas um sechs Grad vermeldete. 
Echt blöd, dass ich morgen auf Reisen gehe.
Noch blöder, dass ich seit etwa 10 Tagen Sommerreifen drauf hab. Mäh!

Ja, ich habe gelesen, dass Prince gestorben ist - habe aber trotzdem nicht meinen whatsapp-Status oder mein Profilbild geändert. Weil ich keinen Bezug zu ihm hab, musikalisch nicht und auch sonst nicht. Natürlich ist es immer traurig, wenn sich jemand für immer verabschiedet, aber wenn ich ehrlich sein soll, hat mich der Abschied, von dem Nieselpriem schrieb, betroffener gemacht. Obwohl ich keinen von ihnen kenne. Prince nicht, Nieselpriem nicht - und Jessica auch nicht. 
Aber eine junge Frau mit einem kleinen Kind... Insbesondere als Mama denkt man an die eigenen Kinder, die immer die Kinder bleiben, egal wie erwachsen sie geworden sind. 
Leben und Sterben, der ewige Kreislauf, eins gehört zum anderen, das weiß man alles vom Kopf her. Das Schwierige an diesem Abschied ist, dass er für immer ist. Dass er der einzige ist, der nicht umkehrbar ist. Und je frühzeitiger er passiert, desto schmerzhafter ist das doch.
Fühlt es sich nur für mich so an, dass in den letzten Monaten so viel... "gestorben wird"?
"Wir sind jetzt in dem Alter, wo das immer häufiger passiert", empfindet es Herr Blau, aber ich weiß nicht, ist das so? Achten wir jetzt mehr darauf als vielleicht noch vor zehn, fünfzehn Jahren?
Eigentlich glaube ich das nicht, weil ich nicht auf Abschied fokussiert bin. Grundlegend nicht, in meinem Lebensprinzip nicht. Egal, ob ich 20, 30 oder 40 Jahre alt war. Ich bin es auch jetzt nicht. 
Und dennoch lese ich momentan gefühlt öfter, dass da jemand gestorben ist, den man entweder aus den Medien kennt - oder man liest es in verschiedenen Blogs. Oder es geschieht in der eigenen Familie.

Der Jüngste ist jetzt seit drei Wochen beim Bund - und hat inzwischen seine Einstellung zum Krieg und zum Leben revidiert. Von wegen "Ins Gras beißen müssen wir doch alle mal, ist doch egal, wo."
Inzwischen haben sie in Bild und Film zu sehen bekommen, was Kriegsführung bedeuten kann.
Und es hat ihm zunächst gehörigen Respekt vermittelt - vor dem Leben. Weil wir eben nur dieses eine haben.
Dennoch überlegt er, sich eventuell als Soldat auf Zeit verpflichten zu lassen. Sicher ist er sich darin noch nicht, weil er weiß: Jeder, der länger als ein Jahr beim Bund bleibt, ist automatisch auch zu Auslandseinsätzen verpflichtet. Ich will mein Kind nicht verlieren. Kein Vater, keine Mutter will das. Aber erst recht will ich ihn nicht verlieren in solchen sinnlosen Kriegen um Macht und Geld für die Gierigen der Welt, die selber immer sicher und geschützt hinter Panzerglas Auto fahren und in ihren Wolkenkratzern Kaffee trinken, während für sie draußen die Kinder anderer sterben oder ihnen Arme, Beine weggerissen werden - oder ihre Seele auf dem Schlachtfeld zugrunde geht. 

Ich wünsche mir, Sonntage so wie gestern verbringen zu können. Entspannt in den Kaffeehäusern sitzen, mit beiden Händen die Tasse Kaffee zum Mund führen, lachen, bis die Tränen in die Augen schießen und der Bauch schmerzt; mir den Kuchen genüßlich auf der Zunge zergehen lassen und mit den Söhnen ab und an ein bisschen darüber schnaken, wie ihr Tag so war und obs was Neues gibt. 
Jeder Mensch sollte das Leben genießen können. Und dürfen. 


Freitag, 22. April 2016

Wenn Du Lachst




Letztens in einer Kabarett-Veranstaltung gewesen.
Wir haben viel gelacht.
So oft habe ich ihn von der Seite angeschaut, ihm beim Lachen zugesehen und gedacht: "So ist es am schönsten."

Mittwoch, 20. April 2016

Man weiß ja nie!

Ein bisschen bekloppt bin ich aber auch! Kaum habe ich das erste Vierteljahr dieses neuen Jahres mit dem gesundheitlichen Hick-Hack hinter mir, renne ich los und greife in den nächsten Misthaufen.
Und das auch noch freiwillig!
Na ja, so ganz freiwillig vielleicht auch wieder nicht.
Herr Blau ist schuld! (Na klar, wer sonst! :)) Immerhin will ER nach Indien - und ICH muss mit. Was bedeutet: ICH muss mich impfen lassen. Er ist nämlich schon keimfrei. Sagen er und sein Impfpass.
Und weil mein eigener Impfpass irgendwo zwischen all dem Umzugszeugs vor 1,5 Jahren verlustig gegangen scheint (oder aber er ruht in einer der noch nicht ausgepackten Kisten, die dank Platznot treu im Keller ausharren), wurde mir am Montag beim Doc empfohlen, eben nicht nur die Tetanusimpfung nachzuholen, sondern am besten gleich die Vierfachkombi mit Diphterie und so'n Kokolores. Man weiß ja nie!

Und ganz ehrlich: Wenn das, was ich seit dem Stich am Montag Morgen bis heute Morgen hinter mir habe, nur die lässige Variante des echten Virus' ist, dann gehe ich doch lieber in zehn Jahren wieder freiwillig zum Impfen. Jedenfalls musste ich mich krank melden, Herr Blau bot an, daheim zu bleiben, was ich aber ablehnte, und er schrieb mir später: "Bitte pass auf dich auf, ich brauch dich noch!"
Meine letzte Tetanusspritze bekam ich 2006 nach dem Unfall dank der Kopf- und Beinverletzungen und obwohl ich schwor, dass mein Impfschutz noch aktiv sei (was er auch wirklich war). Aber man einigte sich dann auf "Man weiß ja nie, es schad' ja nix!" und zack - hatte ich eine Nadel mehr drin. Ich kann mich jedoch nicht erinnern, dass es mich so umgehauen hat wie die letzten 1,5 Tage. Aber vermutlich hatte ich damals auch ganz andere Sorgen und überhaupt ja auch eine ich-schwebe-mal-auf-Wattewolke-sieben-Infusion intus.
Einmal mehr jedenfalls habe ich an meine Kollegin gedacht, die vor Jahren dank einer heftigen Angina ein recht heftiges Antibiotikum verabreicht bekam - und anschließend eine besondere, aber heftige Form der Schuppenflechte entwickelte. Wo Handflächen und Fußsohlen wie Wachs aussehen und sich auch so anfühlen und sie anfangs Probleme hatte, die Finger überhaupt zu beugen, ohne dass die Haut reißt. Zwar sind die aktuellen Erkenntnisse - aus Gründen - seither dahingehend gereift, dass es offenbar nicht am Antibiotikum lag, sondern vermutlich eher genetisch bedingt ist - aber nichts Genaues weiß man ja nie!
So ganz geheuer ist es mir jedenfalls nicht, dass es für alles und jedes heutzutage eine Pille gibt, wo man früher sagte: "Beweg dich einfach mehr an frischer Luft, sitze nicht so viel und achte auf deinen Wasserhaushalt!"

Jetzt ruht in meinem Kühlschrank schon die nächste Spritze, nämlich die Kombi Hepatitis A und B - die eigentlich wichtige Impfung für Indien, und Herr Blau freute sich: "Dann darf ich dich wohl mal pieksen?"
"Das hättest du wohl gern", habe ich ihn angeknurrt. "Das überlasse ich lieber der Frau Labor in 14 Tagen!" Sicher ist nämlich sicher - man weiß ja nie!

Montag, 18. April 2016

Schwarze Krähen



Erinnerungen können wie schwarze Krähen sein. Große dicke schwarze Krähen, die gefühlt um den Kopf herumkreisen, immer näher, immer dichter, dass man den Arm heben und sie verscheuchen möchte, bevor sie sich - gleich dem Film - auf einen niederlassen und lospicken.
Erinnerungen aber lassen sich nicht immer einfach so verscheuchen.

Auch meine Verdrängungsmechanismen funktionieren super, aber manchmal sind Erinnerungen, Taten, Worte trotzdem von einem Augenblick zum anderen wieder da. Bilder, die an einem kleben und die man einfach nicht losbekommt, so sehr man sich auch müht.
Momente, in denen man nach Atem ringt und sich verzweifelt fragt, ob man das, über das man nie niemals sprechen konnte und es vermutlich auch nie wird, je wieder in diese berühmte Kiste mit den sieben Schlössern zurückbekommt.

Gestern Abend schrieb mir meine Freundin von einem Film, der da und dort gerade liefe, eine Buchverfilmung, eine sehr schöne, eine gelungene, wenn auch traurige Geschichte.
Ich habe nicht umgeschalten. Den Film kenne ich nur vom Lesen der Kritiken - und ich wusste, jetzt hier in diesem Moment tut es mir nicht gut. Auch wenn zum Leben mehr gehört als eine Tasse Kaffee am Morgen, wohlig ausgestreckte Beine und die Musik. Ich weiß, dass zum Leben mehr gehört als ein paar rosarote Wolken und die Blümchenwiesestimmung, nach der ich mich im Augenblick so ein bisschen sehne. Ich weiß, dass das realitätsfremd wäre - und dass es vielleicht auch nicht richtig ist, sich eben der Realität zu entziehen. Aber andererseits habe ich das Gefühl, dass ich das so tun muss, weil es mich sonst erdrückt, dieses Leben. Es zerdrückt mich.
Nach gut acht Monaten ohne soziale Netzwerke, mit nur wenigen Nachrichten aus der Welt und aus unserem Land und mit nur wenigen Kontakten, die ich zulassen konnte, geht es mir inzwischen besser. Natürlich nehme ich nach wie vor Anteil - aber ich weiß auch, wie viel ich an mich heranlassen kann und wann der Moment gekommen ist, wo ich mich wieder mehr zurückziehe.
Früher fand ich es toll, viele Leute zu kennen - heute schätze ich mehr, nur wenige Menschen um mich zu haben, aber dafür verlässliche.
Menschen, deren Tür immer offen steht - egal, wie lange wir uns nicht gesehen oder gehört haben. Menschen, die nicht sagen: "Ist ja nett, dass du dich auch mal wieder meldest", sondern Menschen, die ihre Arme öffnen und ehrlich sagen: "Hey, schön, dich wiederzusehen; ich hab grad Kaffee gemacht, magst du auch?"

Schaue ich aus dem Fenster, macht mein Herz einen Hopser, weil ich mich so freue darüber, wie all die Knospen aufgeplatzt sind und ihr sattgrünes, noch so junges, frisches Blattgrün zeigen.
Zwischen all dem Regen der letzten Tage hat immer mal die Sonne hervorgelugt - und ich reagiere immer wieder völlig fasziniert darauf, sämtliche Lebensgeister erwachen, purzeln durcheinander und dann fühlt es sich so an, als könne mir nichts mehr in diesem Leben passieren. Ich lache viel mehr im Moment und bin fröhlich, bin vergnügt. So wie heute Morgen beim Termin, wo ich mir eine Mehrfachkombi Impfstoff abzuholen hatte: "Denken Sie dran, heute keinen Sport!"
"Na Gott sei Dank!"
So wie letztens mit Herrn Blau auf der Autobahn, so etwa siebzehn Uhr nach dem Einkauf: "So und jetzt hier lang, da auf die Autobahn drauf und dann zeig mir mal, was im kleinen Schwarzen steckt."
Nur um mich nach gefühlten dreihundert Metern zu erinnern: "Du hast aber schon gesehen, dass hier nur 120 kmh erlaubt sind?"
"Nu freilisch."
"Von 6 bis 22."
"Hab ich gesehen.
"Von s-e-c-h-s bis z-w-e-i-u-n-d-z-w-a-n-z-i-g!"
"Ja-ha, hab ich gese-hen."
"VON SECHS BIS ZWEIUNDZWANZIG!"
"Ach soooo, warte mal, das ist ja jetzt. Hättste doch auch gleich sagen können."

Ja ich weiß, das allein ist nicht das Leben und das allein ist auch nicht die Realität. Im Moment aber brauche ich besonders das und versuche konsequent zu meiden, das mir nicht guttut. Genauso meide ich Trigger, die die schwarzen Krähen erwachen lassen. So gut ich es kann zumindest.
Das Leben mit seiner Wucht kommt von ganz alleine zurück, das war schon immer so. Aber dann halte ich es besser aus.

Sonntag, 10. April 2016

...

"Wenn du da bist, geht es mir gut.
Wenn du nicht da bist, falle ich.
Dann zerfalle ich ins Nichts.
Es ist besser, wenn du da bist.
Ich möchte, dass du immer da bist."

"Ich bin da."

Aus "Birnenkuchen mit Lavendel"


Heute gesehen.
Ein Film, bei dem man anfangs auf die Uhr schaut und denkt: Wie lange geht der eigentlich noch?
Ein Film, wo man anschließend immer tiefer im Sessel versinkt - und die Zeit vergisst.
"Wir sind jetzt so still", sagt meine Freundin.
"Ist das schlimm?" frage ich.
"Nö", antwortet sie.
Wir lächeln.

Samstag, 9. April 2016

Kling Klang



Als ich heute Morgen aufstand und das Fenster öffnete, begegnete mir statt Sonnenschein und milden Frühlingstemperaturen Nieselregen. Kalt war es, so dass ich nur zu gern noch einmal unter die herrlich warme Decke kroch und mir diese bis zur Nasenspitze hochzog. Die Beine ausstreckte und die Füße wohlig aneinander rieb.
Ginge es nach mir, wäre dies ein Tag, den man durchaus im Bett verbringen konnte. Mit frühstücken im Bett, Zeitung lesen - oder auch mal wieder ein Buch.
Wie wäre es zum Beispiel mit... Hector? "Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück"?

"Es war einmal ein junger Psychiater, der Hector hieß. Er trug eine kleine, intellektuelle Brille und verstand es, den Leuten mit nachdenklicher Miene und echtem Interesse zuzuhören.
Hector war ein ziemlich guter Psychiater. Und trotzdem war er mit sich nicht zufrieden. Weil er ganz deutlich sah, dass er die Leute nicht glücklich machen konnte... Kurz entschlossen begibt sich Hector auf eine Weltreise, in der Hoffnung, das Geheimnis des Glücks zu entdecken. Und allen, denen er begegnet, stellt er dieselbe Frage, die wiederum bei Männern meist Belustigung, bei Frauen eher Tränen hervorruft: 'Sind Sie glücklich?'
Warum träumen wir so oft von einem glücklicheren Leben? Liegt das Glück im beruflichen Erfolg oder im privaten? Hängt es von den Umständen ab oder von unserer Sichtweise? Am Ende seiner Abenteuer hat Hector dreiundzwanzig Antworten und erkennt: Nichts ist einfacher, als wahres Glück zu finden."

Beinah liebevoll habe ich über den Einband und die ersten Seiten gestrichen. Ich liebe es, ein echtes Buch in der Hand zu halten. Den Geruch der alten, papiernen Seiten. Sorgfältig Seite um Seite umzuschlagen.
Natürlich verbringe ich diesen verregneten Samstag nicht ausschließlich im Bett.
Schon deshalb nicht, weil mich der Kaffeeduft lockte.
Schon deshalb nicht, weil heut Nachmittag meine Freundin auf mich wartet - in der Innenstadt.
Schon deshalb nicht, weil es schade wäre um einen vermutlich wunderbaren Tag, den man eben nur im Bett verbrachte.

Donnerstag, 7. April 2016

Eins Komma Sieben Promille






Vor einigen Nächten konnte ich nicht schlafen, zappte mich durch die Programme, bis ich schlussendlich bei einer Reportage über Kinder in Russland hängenblieb. Kinder aus Gegenden irgendwo auf dem Land, wie vergessene Gegenden.
Kinder, die eingesperrt wurden, weil sie stahlen. Äpfel, Tomaten - um sie zu verkaufen für Alkohol.
Kinder, die eingesperrt wurden, weil sie Obst und Gemüse stahlen, um sich ein Hemd zu kaufen - weil die Mutter schwer krank und der Vater entweder tot oder abgehauen war.
Eingesperrt für mindestens ein Jahr oder länger.
Sie stehen morgens auf, sie bekommen Unterricht und zu essen, um alles andere, wie Sauberkeit, Ordnung, Geschirr abwaschen, Gänge und Zimmer wischen, müssen sie sich selbst kümmern. Wenn sie dann noch Zeit haben, spielen sie Fußball.
Ich hatte nicht den Eindruck, dass man sich tatsächlich um sie kümmerte.
Ich hatte eher den Eindruck, dass sie sich um sich selbst kümmerten.
Niemand fragte, was in ihnen vorging, was sie bewogen hatte zu stehlen oder auch gewalttätig geworden zu sein.
Irgendwo in der Mitte der Reportage begann ich mich zu fragen: "Ist Russland hart zu seinen Kindern? Ist es zu hart? Es sind noch so kleine dabei, keine acht oder neun Jahre alt."
Hilft es ihnen, weggesperrt und sich selbst überlassen zu werden?
Einer weint vor der Kamera: "Ich will nach Hause zu meiner Mama."
Er hat noch keinen Besuch von ihr bekommen und schon einige Monate eingesperrt.
Die Mutter, die sie in ihrem Zuhause filmen, hebt die Schultern, sie sieht müde aus, resigniert. Ihr fehlt das Geld, ihren Sohn zu besuchen.
"Vielleicht ist es ja gut so wie es ist", sagt sie, "damit er lernt, auf den rechten Weg zu kommen."

Einer von ihnen ist in meinem Kopf geblieben.
Tolja.
Tolja, der Junge mit den großen, irgendwie sehnsüchtigen Augen. Der Dreizehn- oder Vierzehnjährige, der von sich sagte: "Am Anfang habe ich hier mit niemandem gesprochen. Aber ich habe gemerkt, dass man dann hier nicht überleben kann. Also habe ich irgendwann angefangen, mit ihnen zu sprechen."
Tolja, der Junge, von dem die anderen sagten: "Am Anfang schlief der gar nicht. Erst wenn alle anderen schliefen, dann schlief auch er. Aber das ist wohl so, wenn man jemanden umgebracht hat."
Und ich denke: "Umgebracht? Mit dreizehn? Mit Absicht?"
Sein Vater vor der Kamera, der seinen Sohn nicht besucht und auf die Briefe des Sohnes nicht antwortet. Der den Brief in der Hand hält und sagt: "Jetzt schreibt er. So gut, so gebildet."
Ein armes Zuhause, ein verwahrloster Hof. Der Vater, der indirekt zugibt, seine Frau geschlagen zu haben, weil sie ihm kein Essen kochen wollte, wenn er abends heimkam. Die ihn verließ und ihm das Baby überließ etwa in der Tonart: "Kümmer dich doch selber um das Balg."
Die fortging, eine neue Familie gründete, zwei Töchter bekam und ihren Sohn nicht bei sich haben wollte. Die in die Kamera schaute und erzählte, wie ihre vierjährige Tochter sich vor ihrem Sohn das T-Shirt auszog und sie den Jungen daraufhin wegschickte mit den Worten: "Du kannst hier nicht mehr herkommen. Geh weg, ich brauche dich nicht."
Tolja beginnt zu stehlen, alle gemeinsam in einer Bande von Kindern und Jugendlichen. Wird jedoch gemeinsam mit einem Freund zu Unrecht von der Polizei aufgegriffen und verprügelt. Wofür sie sich am Dritten rächen wollen. Und ihn schlussendlich erschlagen - mit einem Ziegelstein.
Der am Ende der Reportage in die Kamera lächelt und sagt: "Ich weiß nicht, ob ich ein besserer Mensch werde, wenn ich hier rauskomme. Vielleicht. Ich werde es versuchen. Aber ich weiß nicht, ob ich das schaffe." Und dann lächelt er.
Im Abspann ist zu lesen, dass 91 % dieser Kinder wieder ins Gefängnis (zurück)kommen werden - als Erwachsene.

Am Ende der Reportage zieht sich für mich wie ein roter Faden durch: Alle Kinder haben eines gemeinsam - die mangelnde bzw. fehlende Liebe insbesondere der Mutter.
Ganz offensichtlich bildet sie in all den Schicksalen die Schlüsselfigur.
Rechtfertigt das Verstehen darum ihre Taten?
Es hilft der Mutter nicht, deren Junge erschlagen wurde.
Es wäre - wenn ich ehrlich sein soll - auch mir egal, wenn man einem meiner Söhne Gewalt antun würde.

Und dann denke ich an sie, meine Söhne.
Der eine hat mit 16 im Supermarkt gestohlen.
Der andere hat im Kaufhaus gestohlen und mit 14 gemeinsam mit einem Freund eine Flasche Alkohol geleert. Eine Einliterflasche, die sein Freund in eine Saftflasche umgefüllt und mit in die Schule gebracht hatte. Von dem die Lehrerin glaubte, sie trinken Waldmeisterlimonade.
Von dem mein Sohn später sagte: "Was das war, weiß ich nicht. Es war grün, hat wie Lakritze geschmeckt und in den Adern gebrannt."

Jeder von ihnen trank schlückchenweise innerhalb von drei Stunden ca. 500 ml Absinth, so stands im Klinikbericht. Beide lagen mit 1,6 und 1,7 Promille bewusstlos erst im Sportunterricht und dann in der Klinik, wo ich ihn das erste Mal sah, nachdem die Schule mich angerufen hatte und neben der Schulleitung auch die Polizei wartete.
Damals stand ich Kopf vor Sorge, ob auch das Jugendamt zu uns käme, was auf uns zukommen würde.

Und es kam nichts.
Deshalb nicht, weil im Alkohol keine Drogen waren.
Deshalb nicht, weil dieser Vorfall der einzige war, den Junior mir bot.
Dieses Kind, das mir damals und auch später sagte: "Ich war ein glückliches Kind. Ich hab alles gehabt, was ich wollte und was ich brauchte, und ich habe mich immer geliebt gefühlt."
Dieser junge Mann, der seinem Vater so ähnlich ist, äußerlich und auch in vielen Charakterzügen - auch wenn er mit seinem Vater nur wenig zu tun hatte.
Und der große Junge, der wiederum mir so ähnlich ist, äußerlich und auch in vielen Charakterzügen. Der seinem Bruder oft sagte: "Glaub bloß nicht, dass ich das deinetwegen mach! Ich mache das alles nur für die Mama!" Dieser große Junge mit dem noch größeren Herzen, der großen Seele, in der man wohnen kann, solange man ihn nicht enttäuscht, sein Vertrauen nicht enttäuscht.

Ich schaue auf meine Söhne und bin glücklich und dankbar, dass sie so sind wie sie sind.
Dass sie geworden sind, was sie eben sind - auch wenn sie beide irgendwie noch nach dem richtigen Platz in ihrem Leben suchen; der Platz, wo sie hin wollen, wo sie sein wollen. Beide so unterschiedlich wie sie nur sein können - der eine im Büro, der Gewalt völlig ablehnt; der andere, der inzwischen beim Bund ist, der Dienst an der Waffe sozusagen.
Es wäre zu einfach zu sagen: "Habt eure Kinder einfach lieb, seid gut zu euren Kindern, dann sind sie es auch zu anderen."
Dennoch komme ich nicht umhin, mich zu fragen, was aus einem Jungen wie Tolja geworden wäre, hätten ihm seine Eltern von Anfang an einfach nur Liebe entgegengebracht? Kein Mensch wird schlecht geboren - und er hatte so sehnsüchtige Augen. Litt so darunter, dass sein Vater ihm nicht schrieb und ihn nicht besuchte, weil seine Mutter ihn schon als Baby ablehnte.

Ich schaue auf mich selbst und habe erst vor einigen Jahren erkannt, wie essentiell die Liebe meiner Mutter für mich war und ist. Auch wenn alle immer dachten, ich sei ein Papakind. Heimlich habe ich ihre Schuhe angezogen, ihre Kleider. Ich wollte sein wie sie, nicht jammern, nicht klagen, ich wollte so sein wie sie - stark und sanft zugleich.
Und ich glaube, ich bin sehr viel mehr von ihr geprägt, habe sehr viel mehr von ihr, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
Sie ist meine Schlüsselfigur.

Montag, 4. April 2016

Reden wir doch mal über... Schuhe!

Frauenthema halt.
Heute Morgen, mit dem ersten.. na ja gut nein zweiten guten-Morgen-Kaffee wählte ich zur Morgenlektüre mal keine Zeitung oder den TV, sondern meine Lieblingsblogs.
Bei Anna stolperte ich dann über die Wahl der - in diesem Falle - Sneaker und was diese über einen selber verraten.

Insgesamt finde ich es ja ziemlich... wie soll ich sagen.. deutsch?, dass der Mensch immer versucht, die Menschen in Schubladen zu verpacken. Trägst du dies, bist du so eine. Trägst du das, bist du ne andere. Schläfst du auf dem Bauch oder Rücken? Dann bist du der und der. Und so weiter und so weiter. Und ich muss dann echt immer lachen, weil ich einfach in keine Schublade reinpassen will.
Ich ziehe an, was mir gefällt, bin mal durch und durch sportlich in Jeans und Chucks, oder eben auch mal im kurzen Schwarzen mit Chucks oder Heels (ja ich weiß, dass das "kleines Schwarzes" heißt, aber das klingt nach so edel, was ich wiederum einfach nicht bin. Ich bin die mit dem Wurstbrot in der Hand und nicht mit dem Gutfried-Teller vor sich.)
Ich bin immer so ein Mix-Dingens. Habe ich übrigens auch Herrn Blau gestanden, noch bevor er die vertraglichen Verhandlungen zum Eingehen einer Beziehung mit mir aufnahm: Im Buch "Warum Männer nicht zuhören und Frauen nicht einparken können" wird beispielsweise beschrieben, dass der Mann der typische Gasherd ist - ZACK AN, drei Minuten vollste Hitze, ZACK AUS. Während hingegen die Frau der typische E-Herd sei - lange Anwärmphase, dafür aber auch lange Abkühlphase. Mich hat das köstlichst amüsiert: "Dann bin ich wohl ein Kombi-Gerät!"

Insofern - weil noch ein bisschen Zeit bis Dienstbeginn war (man muss es ja auch zum Montagmorgen nicht gleich übertreiben, finde ich), stöberte ich ein bisschen auf der von Anna verlinkten Seite herum...


Und die Brigitte schreibt dazu eben:

"Die Chucks von Converse sind in den letzten Jahren zu wahren Turnschuh-Klassikern gereift. Ob zur Jeans oder zum Kleid, sie lassen sich vielseitig kombinieren und sind deshalb immer passend. Frauen, die sich für diese Schuhe entscheiden, gehen nicht nur in Sachen Mode auf Nummer sicher. Sie sind freundlich, offen und haben einen großen Freundeskreis. 
Modische Experimente liegen ihnen dagegen eher fern."

Chucks besitze ich beide, die hohe und die normale Sneaker-Variante. In mehreren Varianten und Farben (hoffentlich liest Herr Blau das hier nicht :))
Und ich glaube, die Beschreibung passt auch insgesamt ganz gut zu mir. Modische Experimente habe ich sicherlich keine ausprobiert. Meine Haar beispielsweise waren mal blond, mal schwarz, mal braun, mal rot - aber grün nie. Auch nicht magentafarben, obwohl ich finde, dass es Frauen gibt, die richtig klasse damit aussehen. Auch die, die nicht bei Telekom arbeiten. Aber ich finde auch Tattoos ziemlich geil und habe trotzdem keins. Will auch keins. 
Zwar ist mir völlig wurscht, was gerade mal wieder Trend ist. Ich kaufe bzw. ziehe an, was mir gefällt und von dem ich denke, dass es zu mir passt - und ich trage meine Tasche übrigens immer noch am liebsten quer über die Brust (weil bequem, Hände frei und kein Klau-Alarm oder lästiges Nachschieben bei Wegrutschen) und nicht in der Armbeuge (es gibt kaum etwas, das ich affiger finde als das). Aus der Rolle gefallen bin ich eben aber auch nie. Individueller Mainstream also vermutlich, ha ha. Mir auch egal, wie man das nennt. 
Und Sicherheit ist generell ein Thema, das bei mir mit den Jahren immer größer geschrieben wird. Zwar habe ich keine Ahnung, warum, aber es ist eben so.

Bei der Beschreibung zu diesem Paar Schuhe, die ich mir übrigens letzen Sommer in Berlin kaufte, weil ich da ja noch doppelt benadelt war sozusagen und entsprechend "softes" Fußwerk benötigte, wenn eine Tour durch die Stadt länger als eine halbe Stunde dauern sollte, habe ich dann aber doch ein wenig lachen müssen!

"New Balance:
Trägerinnen eines New Balance-Schuhs fühlen sich meistens jünger als sie tatsächlich sind. Diese Frauen lieben Ruhe und Komfort, sind aber zeitgleich auch sehr ehrgeizig und teilweise perfektionistisch. Nicht nur im Job, auch in ihrem Privatleben legen sie Wert auf Genauigkeit."






Also was ja durchaus zutrifft, ist der Passus mit Ruhe und Komfort. Hierauf tätsch mich sofort ausruhen wollen, ha ha.
Was aber so überhaupt gar nicht stimmt: sehr ehrgeizig und teilweise perfektionistisch. 
Von wem reden die da?
Herr Blau täte sich hier ausschütten vor Lachen und vermutlich auch ein bisschen weinen, denn meinen beispielsweise sportlichen Ehrgeiz findet er zum Weinen. Dieser Ehrgeiz meinerseits nämlich beschreibt sich am besten mit "Kiel":



Und perfektionistisch? Da muss selbst ich lachen! Ich, die Meisterin der Improvisation!
Ich, die nie weiß, wo sie schon wieder die Brille hingelegt hat, die sie doch gerade noch in der Hand hatte. Oder den Autoschlüssel. Oder das Portemonnaie. Oder das Handy. Zwar verliere ich selten etwas (nur das Genie beherrscht das Chaos, jawohl!), aber ich bin eben auch nicht nur zu Ostern auf der Suche. Insofern... ergänzen wir beide, Herr Blau und ich, uns eigentlich perfekt. Er bringt mir Ordnung bei, ich ihm Gelassenheit. 
Nun sagen wir: Wir sind beide noch in der Testphase. Man kann ja auch nicht alles haben!
Es gibt hingegen jedoch wiederum Dinge bei mir, wo ich an Pingeligkeit kaum zu überbieten bin. Während Herr Blau gerne mal vergisst, was er dann und wann sagte, arbeitet mein Hirn mit der Zuverlässigkeit eines Schweizer Uhrwerks - und hält ihm prompt den entsprechenden Spiegel vor.
Mein Hirn ist quasi ein Zuckerberg-Imperium: Es speichert sämtliche Daten und Bilder, auch die, von denen Herr Blau glaubte, sie längst gelöscht oder sie überhaupt je "ins Netz" gestellt zu haben. 
Es gibt aber auch Tage, da bin ich anstrengend klinisch. Da putze und wische ich, dass es keine Freude mehr ist, da nerven mich die tausend kleinen Dinge, die Herr Blau uuuunbedingt aufheben muss - als Andenken oder so oder "weil das zu schade ist zum Wegwerfen". 
Ich erzähle Euch jetzt nix von unserem Küchenschrank! Was DA alles drin ist! Habe ich mich schon zigmal aufgeregt. Tausend Geräte für den technikaffinen Hausherrn. Da könnste blöde werden - vor allem, weil man 80 % davon nie nutzt! Nie!
Oder wenn meine kleine Kommode, auf die eigentlich nur zwei Bilder und zwei, drei Bücher gehören plus maximal eine Vase mit Frühlingstulpen, zusätzlich vollgeramscht ist mit seiner Zweitbrille, Zeitschriften über Autos & Computer, der aktuellen Post und/ oder Einkaufsbelegen und dem Kerzenanzünder. Da kriege ICH Plaque von! Obwohl mir als Chaotin das ja eigentlich egal sein müsste. Neehehe!
Aber ich sags ja: Ich passe einfach in keine Kategorie, und ich glaube, jeder von uns ist ein Mischexemplar. Wieso also versuchen wir dann eigentlich immer, den Menschen zu etikettieren und zu katalogisieren? 
Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich jetzt so viel geredet habe, dass mich grad eben wieder Kaffeedurst überkommt. Glücklicherweise besitzen wir nicht auch noch eine ultrahochmoderne Kaffeemaschine, für die ich erst den Technikkurs belegen muss. Wasser aufsetzen, Pulver in die Tasse, Wasser drauf, vieeeel Milch dazu, fertig ist der Lack. Ich bin zwar geruhsam und lasse mir oft und gerne Zeit, aber es gibt eben auch Dinge, die müssen einfach zackig gehen, sonst werde ich nervös.