Freitag, 6. Mai 2016

Die Gattung der Gemeinen Tinnitosa Mimosa

Mal eins vorweg: NEIN, ich mache mich hier NICHT lustig über Tinnitus-Patienten! Ich weiß das durchaus einzuschätzen, diese Belastung, auch wenn ich selbst nicht unter Tinnitus leide.
Aber was soll ich sagen... Ich leide trotzdem!
Nämlich unterm Patienten!
Es gibt sie ja, diese Co-Abhängigkeit oder - wie formuliere ich das mal in meinem ganz persönlichen Fall - diese Co-Betroffenheit.

Seit der Mann unter anerkanntem Tinnitus leidet (sowohl körperlich als auch mental), leide auch ich!
Warum? Er sagt, er habe immer schon sehr gute Ohren gehabt. Jetzt aber hört er ALLES. Überdeutlich ALLES. Selbst den allerleisesten Pups - den würde er nicht riechen, aber hören! Selbst drei Zimmer weiter! Und wir haben doch nur zwei, aktuell jedenfalls noch.
Und ich muss jetzt aufpassen, und zwar auf die Dezibel, mit denen ich lache und spreche.
Ich muss jetzt auch aufpassen auf die Dezibel, mit denen ich in der Küche zu Werke gehe - und selbst darauf, wie hart meine zarten Finger auf die Tastatur trommeln.
Manchmal sage ich was in ganz normalem Umgangston zum Mann - und er verzieht das Gesicht: "Nicht so laut, bitte!"


Whaat??
Laut? Ich? Ich - der so oft gesagt wurde, ich sei die sanfteste Stimme, seit es Susi von Herzblatt gab? Ich - der man so oft sagt, sie möge doch lauter sprechen, man verstünde sie gar nicht?
Ich - der selbst der Mann so oft sagt "Redest du nicht mehr mit mir?", weil er meine zart gewisperte Antwort gar nicht gehört hatte? Obwohl dreimal wiederholt?

Nun ja.
Es ist nicht einfach, das kann ich Euch sagen!
Die lebhafte Seite jedenfalls wird hier fast erfolgreich unterdrückt - und entsprechend nur noch im Office in L ausgelebt. Vermutlich hört man mich da über alle drei Etagen lachen, laut, lebhaft, herzlich. Weil, ich muss das ja echt ausnutzen!
Anfangs schützte der Mann sich mit Ohrenstöpseln, nicht nur zu Hause, nein, auch in seinem Büro und überhaupt. Selbst nachts schlief er damit, weil er darauf besteht, dass ich schnarche!
Manchmal fand ich ihn morgens auf dem Sofa statt im Bett neben mir, weil er meinte: "Du hast echt sooo geschnarcht!"
Anfangs habe ich mich darüber lustig gemacht, später, weil er partout nicht davon abzubringen war, dass ICH schnarche, bestand ich auf einem Beweis. Eine Tonbandaufnahme sozusagen.
Hat er auch gemacht.
Was soll ich sagen...
Ich habe mir sein Handy mit der Aufnahme fast in den Gehörgang gequetscht, weil ich nix gehört habe. Ich schwörs! Die Katzenbesitzer oder -liebhaber unter Euch werden wissen, wie das Schnurren einer Katze klingt, wenn sie sich wohlfühlt. So in etwa schnurre ich manchmal nachts, wenn ich aus dem Tiefschlaf komme und übergehe in den leichten Schlaf, der es mir ermöglichen würde, bei Gefahr im Verzug aus dem Bett zu springen. Oder der es mir ermöglicht, auch mal nachts aufzuwachen und nicht gleich wieder einschlafen zu können.
An einer solchen Stelle habe ich mich wirklich mal köstlichst amüsiert, als der Mann neben mir lag, auf dem Rücken, beide Arme von sich gestreckt, im Hals ein deutliches musikalisches Intermezzo - und dann wacht der auf, stupst mich an und sagt: "Orrr du schnarchst schon wieder, hör auf!"

Sein Tinnitus ist übrigens nicht das allseits bekannte Pfeifen im Ohr, sondern ein Brummen. Ein sogenannter Tiefton-Tinnitus. Möglicherweise heilbar sogar.
Ich kann wirklich gönnen, ehrlich, das schwöre ich, aber in dem Falle wünsche ich UNS BEIDEN, dass DAS gelingt!

5 Kommentare:

Goldi hat gesagt…

Mhh, ich kenne irgendwie beide Seiten. Ich habe schon immer "meine Begleitgeräusche" das man das Tinitus nennt ist mir dann, obwohl ich die Erkrankung kenne, erst im letzten Jahr klar geworden. Also das meine Begleitgeräusche eben nicht jeder hat. Je nach Belastung ist es vom Brummen über Fiepen eigentlich alles und immer.

Wenn es extrem ist, dann stört mich selbst das Atmen von Herrn Gold. So wie andere ständig Musik laufen lassen, geht bei mir nicht, das stresst und macht mich teilweise dann sogar aggressiv.

Ich habe mittlerweile für mich gelernt, dass das Problem eben nicht meine Umgebung ist, sondern mein Empfinden und entsprechend fahre ich mich dann auch runter, manchmal schwer, aber ich kann eben die Umwelt nicht auf stummschalten.

Das Schlafproblem ist für mich mittlerweile geklärt, ich schlafe mit In-Ears und Meditationsmusik ein, die sich dann nach einer Stunde ausstellt und dann übernehmen die Teile die Funktion von Oropax.

Herr Gold behauptet übrigens auch das ich Schnarche, dabei ist doch bekannt und wissenschaftlich erwiesen, dass Frauen gar nicht schnarchen sondern im Schlaf, liebliche, leise Lieder summen ^^. Da ihn aber auch Flugzeuge und Nachbarn stören schläft er mit Oropax und wenn es ihm dann doch zu laut wird, geht er aufs Sofa. Früher hatte ich dann ein schlechtes Gewissen, heute denk ich mir, wenn er da besser schläft soll er.

Aber an Tagen wo meine Geräusche schon sehr hoch sind, empfinde ich normale Lautstärke auch zu laut und werde selber dann noch leiser. Ziemlich wirr oder?

Ich wünsche Euch das es bei Herrn Blau aufhört, ansonsten sollte er lernen, dass er damit umgeht und nicht erwarten, dass Du und die Umwelt die normale Lautstärke auf null stellen, denn nicht Du und die Umwelt habt das Problem sondern er ;) Aber gut das kann man glaube ich jedem kranken Mann hundertmal erzählen, er sagt dann dennoch sei nicht so laut, selbst wenn man es auf ein Blatt Papier geschrieben hat ;)

~ Clara P. ~ hat gesagt…

Ich habe nun seit einem Jahr diesen Tinnitus, es ist ein Mix aus hohen Pfeifftönen, Brummen, Rauschen und was weiss ich noch. In der Anfangszeit war es so dermaßen heftig, dass ich tatsächlich alles überdeutlich gehört habe.

Ich ging in den Supermarkt und bin quasi wieder draus geflohen, weil ich die Geräusche der Kühlung in den Kühlregalen nicht ausgehalten habe. Beim Arzt zuckte man nur mit den Schultern - Tinnitus ist nicht behandelbar und man müsse irgendwie lernen damit zu leben. Abr wie ich das machen sollte - da wollte mir auch keiner bei helfen. Das hab ich mir mühsam selbst alles an Informationen von Betroffenen ergoogelt, weil die Ärzte das bis heute Null interessiert, wie laut es in den Ohren rauscht und ob man das mental überhaupt noch aushalten kann. Jedenfalls war das vor einem Jahr eine schlimme Zeit und ich wünsche so einen Tinnitus wirklich niemandem.

Was bei mir geholfen hat sind Entspannungstechniken und lernen, den Tinnitus zu "überhören". Das geht tatsächlich. Nicht ständig, aber einschlafen kann ich inzwischen problemlos, obwohl es wirklich sehr laut in meinen Ohren zugeht *seufz*

Im Endeffekt muss Herr Blau den Punkt finden, an dem er mit seinen Ohrgeräuschen gut umgehen kann und sie auch zu überhören lernt. Natürlich ist es keine Lösung, dass Du nicht mal mehr laut lachst.

Ich drücke die Daumen, dass sein Brummton "behoben" werden kann und bis dahin sag ihm, dass tägliche Entspannungsübungen ab sofort Pflicht sind ;-)

Lg
Clara

Anonym hat gesagt…

Oh, das mit dem "Schnarchen" kenne ich auch. Seit Jahren versucht er mir schon einzureden, ich würde schnarchen und ihn nachts so quälen, der Handybeweis ergab aber eher ein "Röcheln"/Pfeiffen, was meinem allergischen Asthma geschuldet ist... Wenn er mich dann nachts wieder anstößt, weil ich angeblich so laut bin (dabei schlaf ich deswegen extra immer von ihm weggewandt), könnte ich...

Gute Besserung für den Tinnitus!

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Goldi, liebe Clara, ganz ehrlich: Lustig machen würde ich mich nicht über Tinnitus - nur aber mal zum Ausdruck bringen, dass das Ganze für den Co-Patienten auch nicht einfach ist.
Das mit den leisen Liedchen summen jedenfalls hat mich köstlichst amüsiert, werde ich bei passender Gelegenheit mal mit anbringen bei Herrn Blau :)
Sein Tinnitus-Arzt jedenfalls war am Freitag doch recht angetan vom bisherigen "Genesungszustand" und von der Mitarbeit des Patienten. Er hat viel gelesen in den letzten Wochen und die bittere Pille, dass in der Regel ER was tun muss, dass Ohrstöpsel gar nicht so gut sind, weil sich das Hirn dann umso mehr auf den Tinnitus konzentriert etc., längst geschluckt. Aktuell ist er mit allen möglichen Dehnungs- und Entspannungsübungen zugange und stellte fest, dass der Tinnitus tatsächlich spürbar leiser wurde.
Wir werden sehen, was die Zukunft bringt ;)

Ja Schneeweißchen - diese aggressiven Gelüste des Nachts kann ich seeeehr gut nachvollziehen, wenn man mal wieder ahnungslos und ruppig aus dem Nachtschlaf gezerrt wird und dank der Tonbandaufnahme eben auch weiß, dass man komplett unschuldig ist :D

Anonym hat gesagt…

Liebe Helma,
auch ich habe einen Hausfreund namens T. Er begleitet mich seit ungefähr fünf Jahren ... und er hört sich an wie ein unterirdischer oder weit entfernter Presslufthammer. Anfangs dachte ich, es seien Kanalarbeiten oder so was. T. ist immer da, wenn ich ruhig bin. Manchmal nur in der Waagerechten, manchmal als leichtes Vibrieren auch sitzend. In Stressphasen wird er nölig und nervt mehr. Aber T. ist ganz allein meine Sache. Und wird allein davon gesteuert, wie ich mit innerem und äußerem Stress umgehe. Meine Umgebung ist davon völlig unbenommen.

Dass Umgebungsgeräusche mich manchmal stören, ist eine ganz andere Sache. Ich beschwere mich über Musik, deren (fehlende) Harmonien mich unruhig machen. Oder über zu große Lautstärke aus falscher Richtung. Weil diese Geräusche in mir Stress auslösen. Grund ist dann aber nicht das Geräusch, sondern meine Empfindlichkeit, die ich schützen muss ... indem ich z.B. das Zimmer verlasse oder andere Vereinbarungen treffe.

Schnarchen ist ein Sonderfall. Fühle ich mich mit einem Menschen in Resonanz, kann er neben mir Bäume zersägen. Anderenfalls lausche ich genervt auf jeden Atmer.

Mein Gefühl: Es wird Zeit für die neue Wohnung. Und ein "eigenes Zimmer" für jeden von euch beiden. Für dich als "Oase", für ihn vielleicht als "Büro und Werkstatt". Schlafen weiterhin gemeinsam ... aber ich finde, dass "Wohnzimmer" entschieden überschätzt werden ...