Montag, 26. Dezember 2016

"Manchmal wissen alle was und wissens doch nicht." (Lilyhammer)

Bildquelle: http://weheartit.com/entry/271591376/explore?context_user=thainasep1914&page=11

Das Jahr neigt sich immer mehr dem Ende zu.
In den letzten Jahren, das muss ich gestehen, habe ich zum Ende hin aufgeatmet und gedacht: "Gut, dass es vorbei ist. Jetzt kommt ein neues Jahr und es wird ganz sicher ein besseres."
Ob es nun auch immer so war oder eher doch nicht, ob alles war wie immer oder auch nicht - das mag je nach Blickwinkel so oder so gewesen sein.
Für mein Empfinden habe ich nur einmal mehr das Kindsein vermisst.
Die Unbedarftheit.
Das Entdecken wollen.
Einfach das.. Mensch sein.

Wann macht man dem anderen eine Freude, so außerhalb Weihnachten, Geburtstag?
Wie oft denkt man "Ich lieb dich wie verrückt" - und wie oft sagt man es?
Wie oft begegnet man sich an einer Kasse und schaut sich kaum in die Augen?
Wie oft lässt man sich einen Kaffee servieren und schaut sich kaum in die Augen, wegen dem Handy in der Hand?
Wie oft ist man versucht, am Klofräulein vorbeizuhuschen in der Hoffnung, dass sie grad unaufmerksam genug war zu bemerken, dass man einen Groschen einsparen wollte?
Wie oft hat man Blumen geschenkt bekommen und sich einfach nur gefreut, ohne zu denken: "Hat er ein schlechtes Gewissen?"
Wie oft schaut man Passagiere an, die in den Flieger oder die U-Bahn mit einsteigen wollen, und fragt sich: "Muss ich seine Tasche für verdächtig halten? Komm ich hier wieder lebend raus?"

Gedanken entstehen im Kopf.
Ängste entstehen aus Gedanken.
Ich meide die Medien, wenn es mir zuviel wird, und mir ist bewusst, dass die Welt nicht besser wird allein in der Vermeidungstaktik. Aber ich will sie nicht, diese eingepflanzten Gedanken, die Angst schüren. Ich will mich nicht fragen, ob ich einen Weihnachtsmarkt besuchen oder in eine Bahn steigen kann. Angst in der Dunkelheit hatte ich schon immer, schon als Kind, seit morgens auf dem Weg zum Bus der Mann in der Dunkelheit neben dem Baum stand, als habe er nur auf mich gewartet. Als habe er gewusst, dass da um diese Zeit jemand kommen würde. Der wohl einzige Morgen, an dem ich ohne meine Brüder zum Bus wollte. Bis heute vermeide ich es, allein in der Dunkelheit unterwegs zu sein. Bis heute fürchte ich mich allein in einer dunklen Wohnung. Verbrechen hat es auch bei uns immer schon gegeben, auch wenn die Dimension heute eine andere ist.

In diesem Jahr habe ich mehr Weihnachtskarten versendet als noch im letzten Jahr. Handgeschrieben, auch wenn meine Schrift dank Zitterpartie etwas schlechter geworden ist. Und wenn auch nicht in der Seelenruhe wie gehofft. Aber ich liebe es, Handgeschriebenes zu verschicken. Auch weil ich diese Sammelbildchen zum Beispiel bei FB nicht mag. Oder diese Kettennachrichten bei whatsapp.
Das Persönliche geht mir einfach zu sehr verloren.
Aber ein Bildchen ist natürlich leichter ausgewählt, Personen markiert und verteilt, als passende Weihnachtskarten auszuwählen, Adressen hervorzukramen und etwas aufzuschreiben, Briefmarken zu besorgen und die Karten aufzugeben.

Wann immer ich einen Kaffee oder auch mehr bestelle, schaue ich den Menschen in ihr Gesicht, in ihre Augen, wir lächeln uns an. Sage "Bitte schön" und "Danke schön" und kann auch, wie wir es in der Kindheit gelernt haben, in ganzen Sätzen formulieren "Ich möchte gern einen Milchkaffee, bitte."
Es war ein Inder übrigens, der mal zu uns gesagt hatte, dass er es so schön, so wohlklingend findet, unser "Danke schön." Nicht einfach nur ein hingerotztes "Danke", nein, ein "Danke schön". Es klinge wesentlich freundlicher und ehrlicher.
Dem Klofräulein habe ich heute meine gesamte vermünzte Barschaft auf den Teller gekippt, so wie auch schon mal zuvor einem Bettler in seinen Geigenkasten, und ihr noch ein paar schöne Feiertage gewünscht in der Hoffnung, da möge noch mehr kommen als die zum Teil unaussprechlichen Hinterlassenschaften von Nutzern. Sie hat mich angelächelt, sie mit ihren blauen Augen in einem freundlichen Gesicht voller Runzeln.
In Bussen, in U-Bahnen betrachte ich Familien mit Kindern. Kinder sind noch so... echt.
Dann denke ich an Churu, an all die Kinder und die Frauen, sehe mich wieder von ihnen umringt, wie sie mich berühren, meine Hand halten wollen, wie sie lachen, wie sie mich ansehen, spüre wieder diesen unvergesslichen Zauber und dieses wunderbare Gefühl frei von jeglicher Berührungsangst. Wo doch grad ich jemand bin, der es gar nicht mag, wenn man ihn einfach berührt. Und dann auch noch Fremde!
Dann lächle ich, dann lächeln manchmal die Eltern, zaghaft noch, weil unsere Sprachen einander so anders sind - aber wen interessiert das schon, denn ein Lächeln versteht jeder und überall..

Ich liebe es, wenn Herr Blau heimkommt und sagt: "Das ist so schön, wie du dich immer freust, wenn ich da bin."
Manchmal schaue ich ihn an, auf sein Lächeln, das ich so liebe, in seine blauen Augen, in denen ich versinken kann, und dann sage ich: "Hab ich dir eigentlich schon gesagt, wie sehr ich dich liebe?"
"Nö", blättert er in der Zeitschrift
"Na ja macht ja nüscht", zucke ich die Schultern.
Und dann lächeln wir.

Vermutlich hat Herr MiM recht und man muss zum Beispiel nur ein bisschen mehr auf die Kraft der (eigenen) Werte vertrauen.

3 Kommentare:

yellow snow hat gesagt…

Frau Zett,
Dein post ist so voll von Deinen täglichen Aufmerksamkeiten.
Alle Deine posts.

Wir lassen uns nicht unterkriegen,
selbst wenn wir wissen,
das alles an Bettler und Klofrauen gegebenes Geld
uns nicht retten wird.

Wir machen es trotzdem.

Gunda hat gesagt…

Hach, schöööööööön! *schnief*

Liebe Grüße
Gunda

A. hat gesagt…

Liebe Frau Ziggenheimer, ich beneide dich ein bisschen darum, dass du immer so wunderbare und vor allem "seelenvolle" Worte findest. Gäbe sonstwas drum, wenn mir das gegeben wäre. Und ja, finde auch, dass das Persönliche ein bisschen verloren geht. So von Herz zu Herz. Aber manchmal findet man Menschen, mit denen das klappt. Wenige. Aber es gibt sie und die sind besonders.

Lieben Gruß
Anna