Samstag, 30. Januar 2016

Es wäre dann aber was mit Liebe.

Als der Dezember so bescheiden schön zuende ging, sagte ich mir: "Vielleicht muss das ja so, dass ein beschissenes Jahr auch mit Trara zuende geht. Dafür beginnt das neue Jahr entspannter, so als Einklang für ein eben gutes, neues Jahr."
Heute haben wir den vorletzten Januartag und ich kann für mich statuieren: So wie das Jahr zuende ging, so begann es auch.
Und so, wie Nicola ihre Voice-Memos abhört, habe auch ich die Stimmen in meinem  Kopf, Stimmen von Personen aus meinem Umfeld, die ich zwar nicht auf Zelluloid oder sonst irgendwas gebannt habe - aber dennoch höre:

1. Dass du so oft krank bist, ist doch nicht normal. Du tust zu wenig für dich.
2. Du solltest dich mehr um deinen Sohn kümmern. Du verkennst anscheinend den Ernst der Lage.
3. Immer, wenn ich was vorhabe, passiert bei dir irgendwas.
4. Du hast nur dein Leben in M im Kopf.
5. Du müsstest... Du solltest...
6. Du hast uns deinen kranken Sohn überlassen und wir dürfen das jetzt richten.
7. Ich bin hier der einzige, der ständig Kompromisse macht. Ihr hingegen nehmt alle nur, auch du.

Ich wusste schon, warum es mir in früheren Jahren fast unmöglich war, um Hilfe zu bitten. Warum ich es nicht wollte. Warum ich lieber alleine kämpfte. Warum ich lieber mit Provisorien lebte - und das zumeist nicht mal schlecht.
Weil ich es mir nie nie nie im Leben vorhalten oder vorrechnen lassen wollte. Noch niemals bin ich auch nur auf die Idee gekommen, jemandem zu sagen: "Ich habe für dich dies und das und jenes getan, siehst du mal!" So wie ich auch nie nie niemals auf die Idee kommen würde, eine Gegenleistung zu erwarten oder zu erhoffen. Wenn ich etwas tun kann oder helfen kann - dann tu ich es einfach und laber nicht lange rum. Weder davor noch danach, dann mache ich einfach, und ich vergesse es dann auch wieder.
Früher ist es mir oft schwer gefallen, Nein zu sagen. Aber das habe ich irgendwann auch gelernt. Lernen müssen. Schließlich kann man nur bedingt aus einem Krug schöpfen. Wenn er leer ist, ist er eben leer. Ich kann auch nicht alles (leisten), und ich denke, ich muss es auch nicht. Mutter Theresa bin ich nicht - aber ein Mensch mit Gefühl und Verstand. Dachte ich jedenfalls.
In den letzten Jahren ist mir oft gesagt worden: "Du musst nur mal was sagen - ich helfe dir gern. Weil du es verdient hast."
Anfangs fiel mir das unglaublich schwer. Ich habe mich da richtig geniert, weil ich auch dachte: Um Hilfe bitten ist Schwäche. Stück für Stück erkannte ich: So schwer ist das gar nicht, um etwas zu bitten - aber es kann das Leben mitunter tatsächlich leichter machen.
Allerdings ist das Leben wie ein Bumerang: Es kommt alles zu dir zurück - und oft ist das leider eben nicht so schön, lustig oder rosarot. Vielleicht ist es keine Schwäche, um Hilfe zu bitten, aber es fühlt sich trotzdem nicht immer richtig an.

Am Mittwoch habe ich um die Kündigung gebeten - für Sohn und mich. Diese Aussage habe ich nicht aus Trotz getroffen, ich stehe immer noch dazu. So wie ich auch immer noch zu meinen Antworten stehe:

1. Ich tue schon auch viel für mich; interessanterweise wird das dann jedoch gern als Egoismus ausgelegt.
2. Ich bin dankbar für Sohnemanns Job und damit die Chance, dass er wirtschaftlich selbständig ist. Aber um ihn als Mensch kümmert sich niemand, keiner, keine einzige Sau. Oder wer von euch allen kümmert sich darum, dass genug zu essen da ist (vor allem Gesundes), dass finanzielle Engpässe ausgebügelt werden, dass über Kummer und Sorgen gesprochen wird, egal ob live vor Ort zu Hause oder am Telefon; dass er nicht nur zu Hause vor der Konsole sitzt etc.? Wer gibt ihm im Büro Tipps oder Hilfestellungen und wird dann vom Chef angeschnauzt, dass ich in den 2 Bürotagen für ihn da zu sein hätte und nicht für andere, wir hätten schließlich genug zu tun? WER von Euch kümmert sich denn, während Ihr mir das jede Woche vorhaltet - in einer Tonart, bei der ich dann noch ruhig und gelassen bleiben soll?
Wer schläft nachts oft nicht oder unruhig und schaut tagsüber, ob es ihm gut geht soweit?
Nach all dem, was ich gesehen und erlebt habe, weiß ich: Für ihn als Mensch interessiert sich absolut niemand, ausgenommen meine Eltern und ich. Niemand fragt, wie es ihm geht oder wie er zurechtkommt. Ob er Hilfe brauchen könnte.
Jeder ist sich selbst der Nächste.
Im Übrigen: Ich sehe die Söhne alle 10 - 14 Tage für 3 Tage. Das ist vermutlich mehr, als andere ihre Kinder sehen, die nicht in der Nähe wohnen. Und Sohn wird 26 in ein paar Tagen. Ich lasse ihn nicht alleine, aber an die Hand genommen werden muss er auch nicht. Er braucht nur Menschen, die ihm was zutrauen. Da zähle ich für ihn nicht: "Ich weiß, dass du an mich glaubst. Aber du bist ja auch meine Mutsch und du liebst mich. Da ist das ja klar."
3. Nicht alles liegt in meiner Macht; manchmal passieren Dinge auch dann, wenn ich selbst sie nicht erwarte. Ungeachtet dessen hielt ich mich immer für einen "pflegeleichten" Partner, der nicht viel fordert, nicht viel erwartet, aber jedem seinen Freiraum zugesteht, tun und lassen zu können, was er möchte. Aber so ist die Welt: Sie sieht, was sie gibt; aber sie sieht nicht, was sie dafür bekommt.
4. Wenn das so wäre, wäre mein Leben entschieden leichter. Aber dann wäre ich auch nicht ich.
5. Ich muss überhaupt nichts.
6. Ja genau. Ich miese kleine egoistische Kuh. Aber: siehe 2.
7. Dazu sage ich nur: siehe 3.

Ich bin müde vom Kämpfen. Und ich bin müde vom Weinen, dem heimlichen meist.
Dafür arbeitet es in mir, was ich tun kann und was ich tun werde.
Letzte Nacht träumte ich, dass mich jemand umarmte und während dieser Jemand seinen Mund auf meine Wange legte, sagte er: "Darf ich dir einen Brief schreiben? Ich würde dir gerne einen Brief schreiben." Und fügte dann hinzu:


"Es wäre dann aber was mit Liebe."


Sonntag, 24. Januar 2016

Ein Schelm, wer Arges dabei denkt

Normalerweise wird im blauen Ziggenheim in den Werbepausen immer auf "Mute" geschalten. Weil Herrn Blau die stimmpenetranten Redner auf den Zeiger gehen. 
Aber so entgeht einem vielleicht auch das eine oder andere Schmankerl?




Weil ich gestehen muss: Mein Hirn vernahm lediglich "...und noch viele andere Vögel-Vorteile".
Ähm.
Ja.
Fällt das jetzt in die Kategorie "Freud'sche Verhörer" oder eher in die Kategorie "Ich habe eine selektive Wahrnehmung; ich höre nur, was ich hören will!" ?

Samstag, 23. Januar 2016

Ich werde nie mehr dieselbe sein



It's not your fault,
It was me who chanced it all.
You whispered to my heart
That I'm forgiven.

I've been missing your smile
& I wish you were here
& I'll never be the same
when you're gone.

I've been missing it all
& I wish you were here
& I'll never be the samewhen you're gone.


Aufgegriffen

Mein Blog ist ja eher ein kleiner Ausriss aus meinem Alltag. Oder umreißt wenigstens ein wenig meine Alltagsgedanken. Blogstöckchen verfolge ich nur sehr selten, weil ich - wenn ich mir das erlauben darf zu sagen - nur mit den wenigsten etwas anfangen kann.
Heute aber habe ich ein Stöckchen gefunden, das ich mir aufgehoben habe. Ich meine, was soll ich Euch sonst erzählen - von gut heilenden OP-Narben und schlechten Nierenzuständen, die mir das dritte Antibiotikum in rund vier Wochen (und damit womöglich doch noch eines Tages eine Fellzunge oder wenigstens Eselsohren) und glatte 5 Kilo weniger seit Jahresbeginn bescherten? Nee, das finde ich auch nicht so prall als Thema. 

Außerdem finde ich, dass man mit einem guten Blogstöckchen... ja auch viel über sich sagen kann. Oder?
Probiern mers.

Was bewirkt für Sie Kunst?
Diese Frage erinnerte mich an die Geschichte vom Kaiser mit den neuen Kleidern. Vermutlich bin ich ein totaler Banause, weil ich bis auf eine Ausstellung mit Fotografien sonst mit keiner etwas anfangen konnte. Eher kichernd oder kopfschüttelnd vor den Kunstwerken stand und befand, dass die Leute einfach nur zu feige waren zu gestehen, dass das Dargebrachte gut und gern den Werken der Vorschulkinder entsprach. Übrigens, bei meinem Hausarzt hängt ja auch so ein riesengroßes Bild an der Wand. Was sehen wir darauf? Lauter bunte Kreise, alle gleich groß und schön in einer Reihe und manche übereinander, bis das Bild voll war. Kostenpunkt: 469,00 Euro. Ich muss mich jedesmal dazu zwingen, nicht den Stift aus der Tasche zu holen und unter das Preisschildchen "Vergiss es!" zu schreiben.
Kunst... 
Musik ist Kunst.
Und das ist meine Passion (so wie das Schreiben). 
Musik gibt mir alles, was ich brauche. Es hebt mich hoch, es belebt mich, befreit mich, hilft mir auf die Beine, streichelt meine Seele und bringt all die Bilder in meinem Kopf zum Laufen. 
Allerdings bin ich kein Fan rein klassischer Musik. Herr Blau würde gern mal mit mir in die Oper gehen. "Wenn keiner versteht, was die da eigentlich singen, was soll mir das dann geben?" habe ich zweifelnd gefragt.
Richard Gere hätte ich in "Pretty Woman" also schon mal nicht beeindruckt. 
Zumindest bin ich offen für Erfahrungen: Das nächste Weihnachtsoriatorum in der Kirche werden wir uns gönnen. Ich werde mich schön warm anziehen und für alle Fälle das Buch "Anleitung zum Entlieben" von Conni Lubek einpacken. Das ist manchmal stimmungsvoll - und manchmal recht lustig. Erinnere mich übrigens grade an einen Heiligen Abend vor 9 Jahren; mein damaliger Freund und ich saßen in den hinteren Reihen auf den Kirchenbänken und erlagen einem Lachflash (was das Thema war, weiß ich nicht mehr). Man muss ja auch nicht alles immer so ernst nehmen.

Fünf Worte, die Ihrem Geist nah sind
Freundlichkeit. Liebe. Wärme. Zuhause. Geborgenheit. 
Keine Ahnung, ob ich die Frage richtig interpretiert habe. Die fünf Worte sind die, die mir spontan am nächsten im Sinn waren. Die letztlich auch elementar für mich sind.

Was könnte Freiheit für Sie sein?
Das wiederum erinnert mich an ein Zitat von Hans Kasper, das ich sehr lange bei mir trug: "Die Freiheit ist eine Treppe mit tausend Stufen, kein Fahrstuhl."
Freiheit ist für mich vor allem die innere Freiheit. Wirklich ich selbst sein zu können, ohne mich zu verbiegen, mich permanent anpassen zu müssen und Eigenes an Verhalten, Träumen und Wünschen komplett aufgeben zu müssen. Das hatte ich 16 Jahre lang, mit mir nicht mehr.
Freiheit ist für mich im Gegenzug auch, die anderen so sein zu lassen wie sie sind. Ich muss mich ja nicht mit jedem verstehen und auch nicht mit jedem auskommen - mit mir muss man das schließlich auch nicht. 
Ich habe gelernt, "Nein" zu sagen zu näheren Begegnungen mit Menschen, die mir nicht liegen. Und auch "Nein" zu sagen zu einem Urlaub mit Menschen, die mir nicht liegen. Auch nicht dem anderen zuliebe. Das heißt nicht, dass der andere diesen Urlaub nicht machen dürfte (Menschen sind schließlich kein Besitz). Aber ich würde mir die Freiheit herausnehmen, da nicht mitzufahren. Dann lieber allein ans Meer. Aber dann achte ich darauf, dass ich nicht wieder dieses Erdgeschosszimmer bekomme ;)

Haben Sie ein Lebensmotto?
"Egal wie dunkel der Raum auch ist: Liebe und Hoffnung sind immer möglich."

Drei Dinge aus Ihrem Kühlschrank
Nürnberger Würstchen. Weichkäse. Ingwer.
Ich liebe schwarzes Körnerbrot mit Weichkäse, am liebsten den Bergkäse vom Discounter. Und da oben drauf Marmelade oder Birnen-Feige-Senf. 
Ingwer kenne ich erst seit Herrn Blau. Am liebsten mag ich Ingwer in der Karottensuppe mit Koriander, Creme fraiche und Avocado.
Die Würstchen hat sich der Mann gekauft. 

Ihre größte Herausforderung?
Eigene Grenzen überschreiten, vor allem dann, wenn ich es selber eigentlich nicht will. Und ich habe festgestellt, dass manche Grenzüberschreitungen gewisse Ängste trotzdem nicht besiegen. 
Ich bin schon mal mit dem Flugzeug geflogen, mit einer Seilbahn gefahren und auf einen Turm gestiegen: Angst vor Höhe habe ich noch immer und lehne diese auch, so gut es geht, ab. 
Genauso versuche ich noch immer, beengte Räume zu meiden. Was nicht immer möglich ist - so wie gestern auf dem Weg zum Hausarzt. Eine U-Bahn-Linie mit Behinderungen, also die andere U-Bahn-Linie doppelt voll. Menschen so dicht gedrängt und ohne Rücksicht auf Verluste, dass ich kaum noch atmen, dafür aber jede Pore am Hals des Mannes vor mir, neben mir zählen und den Atem eines Mannes in meinem Nacken spüren konnte. 55 min später beim Doc hatte ich einen Ruhepuls von 101.

Ihre angenehmste Beschäftigung?
Das ist unterschiedlich. Manchmal male ich gern. Manchmal lese ich gern. Manchmal puzzel ich gern. Ich mache vieles gern, ohne sagen zu können, dies oder jenes davon wäre mir das liebste. 

Gibt es in Ihrem Tun Rituale?
Bei dieser Frage musste ich spontan an meinen Großen denken. Er ist, seit er klein war, ein Mensch, dem Wiederkehrendes irgendwie Stabilität und Geborgenheit bedeutet. Das hat sich so "ausgewachsen", dass er noch heute sehr an den Gewohnheiten hängt - und kurzfristige Veränderungen ihn eher verunsichern.
Ich dagegen... Ich glaub, das ist mein Naturell, dass ich mich mehr oder weniger spontan umstellen kann. Zwillinge halt. 
Aber ich hab festgestellt, dass ich mich sehr schnell an Schönes gewöhne - und das dann auch vermisse, wenn es nicht so ist. Ich mag zum Beispiel abends nicht so einschlafen, dass man sich hinlegt, "Nacht" sagt (oder auch gar nix), sich rumdreht und einschläft. Ich mag es vielmehr, dem Mann einen Kuss zu geben und meine Hand in seine zu verhaken - oder meine Hand auf seinen Bauch zu legen. 
Ich mag es, den Tag entspannt in Flanellhosen zu beginnen und eine Tasse Kaffee genüßlich in der Hand zu halten.
Sind das jetzt Rituale? Ich glaub nicht, weil, es ist ja nicht jeden Tag und nicht jeden Abend so - dann fehlt es mir, aber es irritiert mich nicht :)

Haben Sie einen Plan?
Nein. Ich glaube, ich hatte noch nie einen Plan. Ob ich deswegen auch nie so wirklich zielstrebig einen Weg gegangen bin? Wie auch immer. Ich habe keinen Plan - aber Träume, die ich mir Stück für Stück erfülle. Manche sind erfüllt, andere sind noch in der Warteschleife - oder es sind neue entstanden. Das ist ja irgendwie auch das Schöne am Leben: dass Wege sich immer wieder neu ergeben können und es jeden Tag in eine andere Richtung gehen kann. 
Ich glaube, hätte ich einen Plan, dann wäre ich zu starr. Würde krampfhaft (andere sagen dazu ehrgeizig) festhalten an dem, was ich unbedingt will, und könnte mich dann nur schwer davon lösen oder wäre am Boden zerstört, wenn der Plan misslingt.
So bin ich nicht. So war ich auch nie. Ich bin wohl doch eher der Schmetterling, von dem eine Freundin einst sprach. 

Auf welche drei Dinge möchten Sie nicht verzichten?
Auf ein schönes Zuhause - weil das meine Ruheinsel ist. 
Auf Musik - weil dann meine Seele verkümmern würde. 
Auf Milchkaffee, den ich in einem Straßencafe trinken und bei dem ich nebenbei die Beine baumeln lassen möchte - ohne Angst haben zu müssen, das vor mir, neben mir, über mir Furchtbares passiert. 

Wie treffen Sie Entscheidungen?
Das hängt davon ab, worum es geht. Sachliche Entscheidungen funktionieren bei mir schnell, spontan und zackig. Ja oder Nein, kein vielleicht-mal-sehen-irgendwie-irgendwo-irgendwann (deshalb habe ich eben auch konsequent den gemeinsamen Ring abgelegt und bleibe auch dabei).
Wir sind zum Beispiel gerade dabei, Wohnungen zu besichtigen. Ich muss da nicht rumeiern: Ja oder Nein weiß ich, sobald ich aus der Tür gehe - und sage das auch. Glücklicherweise sind Herr Blau und ich fast immer derselben Meinung. 
Entscheidungen, die Beziehungen zu Menschen betreffen, treffe ich hingegen erst, wenn ich in mir selbst den Knock-Out-Punkt gefunden habe. Meine Schmerzgrenze ist sehr schnell erreicht bei Menschen, zu denen ich keine oder nur eine geringe Bindung habe. Bei anderen hingegen... muss dann schon erst eine ganze Menge passieren, ehe ich endgültig meinen Hut nehme. 

Was beeindruckt Sie?
Ich schätze es sehr, wenn Menschen in ihrem Leben etwas erreicht haben, ohne sich mit Ellenbogen durchs Leben geboxt zu haben. Die das Erreichte genießen, ohne es zur Schau zu stellen, ohne ihre Menschlichkeit, Güte und Verständnis für andere zu verlieren. Die einfach... Mensch bleiben.

Was bedeutet Zeit für Sie?
Zeit zum Lesen. Zeit, um in der Badewanne zu liegen. Zeit, um meinem Ich seinen Raum zu geben.

Schreiben Sie noch mit dem Füller?
Ja. Aber selten. Und nur besondere Briefe.
Eine Bekannte von mir erzählte mal, sie schriebe ihre Gedanken, die ihr so tagsüber in den Sinn kämen, auf kleine Zettel, manchmal Packpapier - und fast immer mit einem Füller. Dieser Gedanke gefiel mir sehr. 

Was verzeihen Sie am ehesten?
Ich glaube, ich bin da... insgesamt ein eher verträglicher und vor allem nicht nachtragender Mensch. Was war, ist vergessen, wenn man es bereinigt hat. Außer in der Liebe. Schweizer Uhrwerk, sage ich da nur ;) Nur Gewalt in jeder Form, die verzeihe ich niemandem. 

Was bringt Sie in Rage?
Ungerechtigkeit. Lügen. Hinterhältigkeit. 

Wofür sind Sie dankbar?
Für mein Leben. Für das, was darin war und was darin ist. Na ja, nicht für alles. Aber für das meiste darin. Ich bin dankbar, dass gerade alles so ist wie es ist. Für die Begegnungen mit wunderbaren Menschen und dafür, dass die meisten von ihnen immer noch da sind. Für die Möglichkeiten. Für die geöffneten Türen. 

Was sagen andere über Sie?
Oh, diese Palette ist sehr breit, da ist von allem was dabei - suchen Sie sich was aus.

Was kann Ihnen den Tag retten?
Hier denke ich an einen Tag im Dezember 2014, als ich auf dem Weg vom Zahnarzt am Büdchen in der U-Bahn einen Kaffee kaufte und der Verkäuferin "Wunderbare Weihnachten" wünschte. Sie hat daraufhin so herzlich gelächelt, dass jegliche Müdigkeit aus ihrem Gesicht wie weggewischt war. Das hat mich den ganzen Tag begleitet!

Welcher Künstler/ Buch/ Ereignis hat die Kraft, Sie aus dem Alltag zu entheben?
Das ist nicht an jemand Bestimmten gebunden. Bei mir ist es im Grunde nur die Musik. Dann kann ich sofort ganz woanders sein - egal, wo ich gerade wirklich stehe oder liege. 

Gibt es für Sie Ideale?
Nein. Gab es auch noch nie. Weil ich noch nie ein anderer sein wollte als ich selbst.
Als ich etwa zwanzig, einundzwanzig Jahre alt und mein Haar noch blond war, wurde ich oft mit Claudia Schiffer verglichen. Ich fand das ganz schlimm! Es gab für mich kaum einen anderen Menschen, dessen Personalität ich so flach fand wie den von Claudia Schiffer. 
Aber es gibt Menschen, die mich beeindrucken und von denen nehme ich mir dann manchmal etwas mit auf meinen eigenen Weg. 

Danke. liebe Lady, für diese Fragen - auch wenn ich jetzt müde bin :)

Donnerstag, 14. Januar 2016

SMS für mich

"Ich bekomm kein Auge zu und muss in nicht einmal 2 Stunden aufstehen, kannste vergessen, dass ich das bestehe [...] Ich hab heute Morgen darüber nachgedacht, was Du immer zu mir gesagt hast: "Was soll werden, wenn ich nicht mehr da bin?" und wirklich, bei dem Gedanken wurde mir ganz anders. Ich hab dann immer sofort im Gedächtnis, wie Du ankommst und mich umarmst oder mich anlächelst [...] Egal was war, Du hast mich NIE im Stich gelassen. Du bist für mich echt der wichtigste Mensch, den es gibt, und die einzige Person, der ich 100 % vertraue, immer die einzige, mit der ich über alles reden kann. Ich will einfach, dass Du weißt, dass ich Dich über alles liebe! [...]"

Mir ist oft gesagt worden, ich nähme den Söhnen zuviel ab, ließe sie nicht wirklich selbständig sein - und ich weiß, dass die, die das sag(t)en, recht haben. In gewisser Weise. Denn viele Dinge, die ich heute für sie tue, tue ich vordergründig deshalb, um sie finanziell zu entlasten. Warum? Weil ich es kann - momentan. Weil ich ihnen ersparen möchte, was ich selber durchlebt habe. Jahre der völligen Mittellosigkeit, des ewigen Kampfes ums Überleben, des Kampfes darum, die Kinder so versorgen zu können, dass sie zwar wissen, dass nicht alles möglich war und warum, aber dass sie nicht die Sorge und die Belastung spürten, die mich tags um den Verstand und nachts um den Schlaf brachten.
Der Jüngere war damals 7, der Ältere 13 und mit dem, das der völlige Lebensumbruch mit sich gebracht hatte, waren wir alle gefordert. Noch mehr wollte ich ihnen nicht zumuten, und später, als sie größer und groß wurden, hatte ich mich so daran gewöhnt, eigene Sorgen und Kummer kaum teilen zu können, dass ich es auch nicht mehr tat.
Erst jetzt, seit vielleicht ein oder zwei Jahren, spreche ich eine deutlichere Sprache - auch dem Vater gegenüber, belege mit alten Kontoauszügen, wenn Sohn I mich zweifelnd anschaut: "Der Vater sagt etwas anderes, und wem soll ich jetzt glauben?"

Als ich meine Kinder auf die Welt brachte, wusste ich, dass wir als Eltern Verantwortung tragen. Aber ganz ehrlich? Mir war nicht bewusst, wie groß diese Verantwortung wirklich ist. Mir war - ehrlich gesagt - auch nicht bewusst, wie viel man zerstören kann.
Ich kann nicht ändern, was war; nicht ändern, wie es war. Auch wenn ich seit Jahren versuche, Erlebtes zu kompensieren, aufzuarbeiten, aufarbeiten zu lassen und wenn ich mich selber hinten anstelle, damit es den Söhnen besser geht, besser als mir damals und möglichst nicht in dem tiefen Fall, in dem ich mich einst befand, dann tue ich das nicht aus schlechtem Gewissen heraus. Ich will mir nicht erkaufen, was ich früher falsch machte oder versäumte. Ich will sie auch nicht bewahren vor Erfahrungen, die man selber machen sollte, um im Leben bestehen zu können. Aber wenn ich erlebe, wie "stark" und gesund Sohn II sich entwickeln konnte und Sohn I nicht, dann begreife ich einmal mehr die Verantwortung.

Dass die (meisten) Mütter ihre Kinder und deren Schutz anders empfinden als die (meisten) Väter, habe ich oft gelesen. Dass die Mütter und die Väter die Kinder auf ihre eigene Weise behandeln - und dass deshalb Mutter UND Vater wichtig sind für die Kinder. Jedenfalls, wenn es eine gesunde Beziehung zum Kind ist. Dass meine Söhne den Halt bei ihrem Vater nicht hatten und nicht haben, versuche ich nicht zu kompensieren. Weil ich das nicht kann. Aber eins wollte ich immer: dass meine Jungs wissen, dass ich da bin. Dass sie mit allem zu mir kommen können. Dass ich sie immer unterstützen werde - solange ich es kann. Ich muss nur noch die Balance lernen, sie zu unterstützen, aber sie dennoch loszulassen. Ich glucke nicht auf ihnen. Wirklich losgelassen aber habe ich sie wohl auch noch nicht, weiß nicht, kann ich nicht sagen.
Manchmal sage ich dann: "Mach doch einfach mal (wie du denkst), wenn ich nicht da bin, um mich fragen zu können, muss es ja auch gehen."

Gestern Morgen bin ich nun operiert worden. Mir gings danach nicht so gut. Die üblichen Begleiterscheinungen wohl, von denen ich nach jeder früheren OP verschont geblieben war. Übelkeit, Kopfschmerz - und, klar, Wundschmerz. Gepaart mit der Enttäuschung, dass die OP nicht vollständig geglückt ist. Der Fuß schlussendlich beidseitig aufgeschnitten, aber nur ein Teil konnte entfernt werden. Der andere steckt tief in der Gelenkkapsel und der Körper hat in all den Jahren eine Art "Schutz" herumgebaut, so dass eine Entfernung nur möglich wäre, wenn man die Gelenkkapsel öffnet, etwas Knochen abträgt und Gefahr läuft, Sehnen und Nerven zu beschädigen. Dieses Risiko erschien dem Chirurgen zu hoch.
Was meiner Freundin die Anmerkung per sms entlockte: "Das Gemehre am Fuß ist wohl sinnbildlich für Deine Ist-Situation... Nüscht löst sich leicht auf, aber Du bist dran."
Bis zum Abend hin war ich sehr müde und irgendwie durch den Wind, nicht einmal nen Tatort oder Krimi mochte ich sehen (ICH! als größter Krimi-Fan ever!), weil mir nur nach Berieseln, aber zum Nachdenken nicht wirklich in der Lage war. Wünschte meinem Jungen noch ganz viel Glück und Erfolg beim heutigen, knapp vierstündigen Test für eine mögliche Ausbildung beim Zoll. Die Alternative, falls es bei und mit der Polizei nicht klappt. Mehrere Eisen im Feuer, solange er keine Zusage von irgendwoher hat. Das bedeutet Stress für ihn in diesem Monat, heute hierhin, morgen dahin, viel Lernen und Vorbereiten, aber er ist jung, er schafft das; natürlich schafft er das - und ziemlich viel Geld für mich. Aber wenn er damit seinen Weg findet, wenn es damit möglich ist, ab 1. Februar tatsächlich die Ausbildung zu beginnen, mit der er sich seinen großen Traum erfüllt und der in letzter Instanz auch für mich vieles einfacher macht - dann will ich nichts diskutieren müssen. Dann will ich einfach nur... da sein.
Ich wusste immer, dass mein Sohn das weiß und dass er es schätzt. Er hat es nie gesagt, aber er hat es mir immer gezeigt.
Doch wie sehr er das schätzt, wie sehr er mich schätzt, das sagte bzw. schrieb er zum ersten Mal so deutlich letzte Nacht.
"Natürlich wirst Du das schaffen", habe ich ihm heute Morgen geantwortet. Per SMS, weil whatsapp nicht funktionierte. Einen Weg gibt es nämlich immer.

Dienstag, 12. Januar 2016

Am Ende der Gedankenschleife

Vor kurzem schrieb ich, dass ich noch nie Vorsätze für ein neues Jahr gefasst hatte - und dass ich auch jetzt nicht gedachte, damit anzufangen.
Genau genommen denke ich auch jetzt nicht daran. Jedenfalls nicht als Vorsatz, nur weil ein neues, noch taufrisches Jahr begonnen hat. Eins, von dem ich doch recht erschrocken feststellte, dass so einige Blogger 2016 bereits jetzt abhaken und unter der Kategorie "Next, please" ablegen möchten.

Vor kurzem gab es Streit im Blauen Ziggenheim. Und mir fiel eines dabei auf. Stellt Herr Blau mir die Frage "Darf ich dich mal was fragen?", dann denke ich nicht mehr wie früher ein unbekümmertes "Nu freilisch, du darfst mich alles fragen!", sondern ich denke inzwischen: "Was habe ich jetzt wieder falsch gemacht?"
Beim Nachgrübeln in den stillen Momenten des Tages oder in den schlaflosen Momenten einer Nacht gelangte ich irgendwann an den Punkt der Selbstreflexion, dass sich diese negative Tendenz meiner Grundhaltung nicht nur auf meine Beziehung zu Herrn Blau erstreckt.
Wenn Chef am Telefon sagt: "Ich hab mir da meine Gedanken gemacht während der Weihnachtstage, aber lass uns reden, wenn du da bist", dann denke ich (inzwischen) nicht mehr: "Cool! Mal sehen, was für Gedanken - vielleicht noch einen Tag Urlaub mehr?" (Wir haben uns nämlich im vergangenen Jahr von 24 auf 25 Tage Urlaub erhöht - ja, da geht noch was. Denken wir. Also das Personal.) Sondern ich denke: "Bedeutet das Änderung der Jobkonstellation mit Sohn? Und wenn ja, was bedeutet das dann für mich? Was macht das dann mit mir?"
Wenn ich an die Operation am Mittwoch denke, dann denke ich nicht mehr automatisch: "Ich würde ja fast schwören, dass der Schmerz im Körper tatsächlich was mit der Nadel im Fuß zu tun hat - also kanns anschließend nur besser werden!", sondern ich habe die Befürchtung, dass ich zum einen während der OP erwachen könnte (Anästhesist: "Wir versuchens erst mal mit ner kleinen Narkose, das schont Ihren Kreislauf", was mir beinah sofort Bilder vor den Augen entstehen lässt, in denen ich mittendrin erwache und schreie: "Aaaaaaaahhhh Finger weg, das tut vielleicht mal weh!") - beziehungsweise habe ich die Befürchtung, dass danach alles noch mehr schmerzt im Körper, zumindest seit ich ich darüber belehrt wurde, was man da alles kaputtmachen kann.
Wenn jemand anderen eine glückliche Ehe wünscht, die unbedingt so kommen muss, weil diese anderen so ein tolles Paar sind, sie so eine tolle Frau, dann vermag ich nicht zu trennen, dass man anderen etwas wünschen kann, das man selber nicht auch leben muss und trotzdem glücklich sein kann - auf die eigene Weise. Sondern dann frage ich mich, ob ich lediglich die Interimslösung bin.
Wenn ich sehe, dass ich innerhalb von nur drei oder vier Wochen ganze sechs Leser verliere, dann denke ich nicht mehr wie früher: "Hui!", sondern frage nicht nur Herrn Blau, ob er das Leben mit mir möglicherweise langweilig findet, sondern auch mich, ob ich selbst langweilig (geworden) bin.
Es ist die Summe all dessen, wo ich mich vor wenigen Tagen abends fragte, wann das angefangen hat, dass ich diese negative Einstellung zu mir selbst eingenommen habe - und vor allem, warum.
Ich erinnerte mich zugleich daran, dass jemand vor Jahren zu mir gesagt hatte: "Du bist der positivste Mensch, den ich kenne" - und ich frage mich, ob dieser das heute auch noch so sagen würde.

Betrachte ich insbesondere mein Jahr 2015, dann empfinde ich vor allem die Sorge, die Belastung und den immensen Druck, der mir gemacht wurde und den ich mir in verschiedensten Situationen selber mache. Ob das dann irgenwie auch normal ist, dass der Himmel nicht nur wolkenlos und rosarot ist und mir dauerhaft die Sonne aus der Rückfront scheint?
Ob das dann normal ist, dass meine Seele Zeit braucht (und ich Geduld)?
Zweifel in mir sind nicht da, weil ich sie will oder suche. Sie sind da, weil ich immer wieder über etwas stolpere und darüber stürze.
Manchmal entwickle ich globale Fluchtgedanken - und erkenne zugleich: "Ich kann ja letztlich gar nicht vor mir selber abhauen." Mein Ich nähme ich ja mit. Was aber, wenn genau im Ich die Antwort auf vieles liegt? Warum lerne ich so langsam und warum reagiere ich so langsam? Eine Zeitlang wusste ich, dass ich nur zu Entscheidungen, die aus dem eigenen Lernprozess resultieren, auch konsequent stehen kann. Meine Scheidung zum Beispiel. Neun ganze Jahre dauerte dieser innere Prozess, dann ging alles verhältnismäßig schnell. Ich hadere nicht damit, dass es neun Jahre gedauert hat. Aber ich erkenne, dass Mechanismen in mir verhinderten, diesen Prozess zu beschleunigen - und dass diese Mechanismen offensichtlich heute noch funktionieren. Mehr oder weniger.
Beruflich und privat habe ich Menschen kennengelernt, die demgegenüber immer in Bewegung sein müssen. Die immer etwas bewegen wollen und müssen; die Gründe hierin mögen verschiedentlich sein.
Manchmal betrachte ich diese Menschen und denke: "Wann überholen sie sich selbst?"
Manchmal betrachte ich andere Menschen und denke: "Warum liegt ihr Augenmerk auf den Dingen, die sie (noch) nicht (erreicht) haben - und nicht mit Freude darauf, was sie (erreicht) haben?"
Warum glaube ich an das Glück der anderen, nur dem eigenen vertraue ich nicht? Wenn ein bisschen Neid gesund ist, wieso empfinde ich dann keinen, sondern freue mich vorbehaltlos?

Für 2016 habe ich immer noch keinen Vorsatz gefasst.
Aber am Ende der Gedankenschleife ist mir bewusst geworden, dass ich Negatives zu sehr an mich heranlasse  - und dass mich auch zuviel Negatives umgibt.
Mir ist auch bewusst, dass ich nicht das ewige Mädchen mit ihrem verträumten Blick sein kann.
Aber ich will mir einen Teil dessen bewahren. Ich habe das Kind in mir vernachlässigt und ein Stück meiner Unbeschwertheit aufgegeben. Verloren. Ein Verlust, den ich schon früher wahrgenommen habe, aber der erst jetzt beginnt, richtig zu schmerzen.
Und das ist es, was ich mir für mich selbst vorgenommen habe: mich selbst wieder viel mehr auf das Positive konzentrieren. Loslassen, was mich herunterzieht. Mich abwenden von dem, das mich "vergiftet".
Oder um es so zu formulieren: mich NOCH MEHR auf Positives konzentrieren. Eigene negative Gedankenströme wegzulenken und auf das Positive zu richten. Ich glaub, dass das auch für mich, der im Grunde der geborene Optimist ist, momentan nicht mehr so einfach ist. Aber immer noch bin ich mir selber wichtig genug, mich nicht völlig aufzugeben. Mich nicht völlig zu verlieren.

Morgen ist die OP und inzwischen denke ich: "Labert nicht soviel, macht einfach euer Ding und holt die Nadelstücke raus, aber macht es gut. Wird schon werden!" Und die Hoffnung auf Besserung in jeder Hinsicht überwiegt auch wieder.
Meinen Ring habe ich schon vor 2016 konsequent abgelegt, weil er nicht hält, was er verspricht - und weil ich mich mit etwas, vor dem ich Pseudo setzen müsste, nicht zufrieden gebe. Ganzes, nichts Halbes. Kein Ja-nein-vielleicht-mal sehen. Dann gar nicht, und das endgültig.
Seit gestern begleitet mich eine Leserin mehr. Eine andere schrieb mir vor kurzem, dass sie schon länger hier mitlesen würde und dies so gerne täte. (Darauf habe ich noch nicht geantwortet, Mitzi, es aber sehr wohl gelesen :)) Wordpress-Feeds werden bei Blogger nicht erfasst, darum sehe ich das nicht - aber natürlich finde ich es schön, mich woanders wiederzufinden. Denn ich schreibe ja eben hier und nicht zu Hause im Buch mit Schloss davor. Ich mag dieses Gefühl, einen anderen Menschen "erreichen" zu können, mehr oder weniger. Ich mag es, mich in Gedanken anderer wiederzufinden - oder dieselbe Sache auch aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Ich mag es, teilhaben zu lassen - und das Gefühl, dass "genommen" werden möchte.
Mein Facebook-Konto bleibt geschlossen. Was dort vermutlich nach wie vor abgeht, kann ich mir vorstellen - und das will ich mir einfach nicht antun. Was in Köln passiert ist, entzieht sich meinem völligen Verständnis, ebenso aber auch bin ich der Meinung, dass es falsch ist, jetzt allein der Polizei die Schuld an allem zu geben. Zur Demo nach den Ereignissen der Silvesternacht wurden 1.700 Polizisten der Bundespolizei eingesetzt. 1.700. Das muss man sich erst mal vorstellen. Ob man Verständnis dafür gehabt hätte, wenn bereits zu Silvester "vorsorglich" 1.700 Polizisten eingesetzt hätte? Wo überall hätte man sie dann noch einsetzen müssen - vorsorglich? Aber ist das wirklich der Punkt? Worum geht es hier wirklich?  Wie konnte es überhaupt so weit kommen - und warum ist es so gekommen? Ich lese keine Berichterstattungen mehr. Weil es nicht um Berichterstattung geht. Seit ich ein Kind war, habe ich Angst im Dunkeln; Angst davor, allein auf der Straße und im Dunkeln unterwegs zu sein. Weil ich Angst davor habe, noch mal "ausgeliefert" zu sein. Wehrlos zu sein. Gegen einen, erst recht gegen mehrere. Deren Herkunft spielt überhaupt keine Rolle - hört doch bitte auf, so zu tun, als gäbe es keine oder nur wenige deutsche Straftäter!
Ich mag schwarze Kleidung, weil sie zu mir passt. Eine Zeitlang herrschten Schwarz und Grau in meinem Kleiderschrank vor - einfach nur, weil diese Farben zu mir passten. Nicht weil sie etwas ausdrücken sollten. Im letzten Frühjahr und Sommer habe ich mir bunte Sommerkleider gekauft, beinah so, als wolle ich trotzig demonstrieren, dass meine Gedanken und Gefühle farbenfroher seien.
Wir haben Winter, die Zeit der dunklen Farben. Eigentlich. Und ich stelle fest, dass ich helle Farben bevorzuge. Helle Jeans. Helle Blusen. Zartere Stoffe statt dicker Winterwäsche. Kleinigkeiten, die es mir aber ermöglichen, mich wieder als eine Frau zu fühlen, die es mag, sich zurechtzumachen und die das Leben liebt.
Denn das tue ich. Immer noch und ungebrochen.

Mittwoch, 6. Januar 2016

"Blinzle bitte einmal"

"Ich habe mir dieses Buch auf eine Empfehlung hin gekauft - und es innerhalb weniger Stunden durchgelesen. Es ist nicht nur, dass man wissen möchte, was hier passiert, wie es weitergeht; vor allem: Wie es ausgeht. Es ist vor allem, dass man mitlebt, mitfühlt, die jeweilige Situation erfasst und sich permanent fragt: "Was wäre, wäre ich an ihrer Stelle?"
Eine sehr nahe gehende Geschichte, die in keinem Moment ins Kitschige oder überzogen Sentimentale abweicht, sondern realistisch und dennoch mit viel Gefühl eine Hilflosigkeit beschreibt, die man sich für niemanden wünscht." 

Ich habe, glaube ich, schon mal über dieses Buch geschrieben, das ich mir vor genau einem Jahr kaufte und zu dem ich die obige Rezension abgab. Vergangene Woche wurde ich von der Sekretärin der Notfallambulanz in Vorbereitung der OP gefragt, ob ich eine Patientenverfügung besäße. Ich verneinte.
Warum eigentlich immer noch nicht? fragte ich mich in diesen Tagen, als es aktuell überhaupt darum ging, wie Herr Blau und ich eigentlich unser Leben geregelt wissen möchten für den Fall, dass.
Vor einem Jahr, nach dem Lesen des Buches, belas ich mich im Netz zu dem Thema Vorsorge etc.
Jetzt belas ich mich wieder dazu. Und musste erkennen: Es ist gar nicht so einfach, eine Verfügung auszustellen.
Was ist, wenn?
Mit dem Lesen verschiedener Muster über Verfügungen wurde mir bewusst, dass ich mein Leben, mein ganzes Ich, in die Hand eines anderen Menschen lege im Vertrauen darauf, dass dieser Mensch tatsächlich dafür sorgt, dass in meinem Sinne gehandelt wird. Solange ich lebe, wie ich lebe und wie für mich gesorgt wird - wenn ich das alles nicht mehr selbst bestimmen kann.
Ich muss mir darüber Gedanken machen, ob ich fremde Organe oder fremdes Blut annehmen möchte - und ob ich nach meinem Tod selbiges auch hergebe.
Das ist - offen gesagt - für mich die schwierigste Frage. Und ich bin mir nicht sicher, ob allein die Aufklärung dazu beitragen würde, mir eine gewisse Angst zu nehmen.
Die elementare Angst um das eigene Sein.
Was, wenn man mich zu schnell aufgibt?
Was, wenn man mich eher als "Ersatzteilspender" empfindet - und nicht als Mensch, der unbedingt leben will?
Ist es in jedem Fall überhaupt noch ein Leben, das ich gesichert wissen möchte? Oder laufe ich andererseits mit diesem Wunsch nach dem Leben Gefahr, auch dann noch leben zu müssen, wenn ich vielleicht gar nicht mehr will? So wie die 77jährige Patientin eines Altenheims, die seit Jahren im Koma liegt, inzwischen ihrer Zähne, eines Armes und eben ihres Bewusstseins beraubt - die aber nicht sterben darf, weil sie nicht sterben kann - und weil sie zu Lebzeit nicht verfügte, was sie in so einem Fall wünscht? Dass auch die Angehörigen einen ergebnislosen, verzweifelten Kampf führten, die Mutter in Würde gehen lassen zu können. Will ich das dann auch?
Wen bevollmächtige ich in dem Falle? Herrn Blau? Oder meine Söhne? Oder alle drei? All for one?
Sichere ich damit, dass mein Sein nicht allein an der Entscheidung einer einzelnen Person hängt - oder provoziere ich damit auch, dass bei drei Personen mehr gestritten als entschieden wird? Weil der eine Entscheidungen mit dem Kopf, der andere mit dem Bauch trifft und dem Dritten Lebenserfahrung fehlt?
Es waren unerwartet viele Fragen, die wir uns heut Abend stellen mussten.
Dennoch haben wir heute Abend sowohl eine Patientenverfügung als auch eine Vorsorgevollmacht ausgefüllt und gegenseitig unterzeichnet.
Schon morgen, auf dem Weg auf einer stellenweise womöglich vereisten Autobahn, kann mir etwas passieren.
Schon morgen, auf dem Weg in die Arbeit kann ein Terroranschlag verübt werden, vor dem seit zwei Tagen hier gewarnt wird - und der Herrn Blau mit einbezieht.
Alles mögliche kann jeden Tag passieren. Dass man sich nicht gegen alles und jedes versichern und schützen kann, ist uns bewusst.
Und vielleicht tritt dieser Tag X auch niemals ein.
Aber falls doch... Dann soll es dieses Papier geben, das  zunächst die wichtigsten Dinge regelt - und auf dem auch keine Unterschrift fehlt.
Und so ist es seit heute Abend.

Freitag, 1. Januar 2016

Alles Gute kommt von oben

Diesem ursprünglich biblischen Spruch kann ich nicht folgen.
Aber ich bin ja auch nicht gläubig - was Religion betrifft. 
Ich war siebzehn (ungefähr), als mir ein Vogel auf das frisch frisierte Haar kackte - und mir jemand sagte: "Du bist auserwählt für das große Glück!"
Also ich muss sagen: Ich hab in meinem ganzen Leben oft richtig viel Glück gehabt. Weil es mich immer noch viel schlimmer hätte treffen können - und ich aus so vielem mit einem blauen Auge oder wahlweise aufgeschlagenen Knien (einmal auch mit gebrochenem Hinterteil, aber das ist wieder eine andere Geschichte) herausgekommen bin. 

Daran musste ich letzte Nacht denken.
Durch diese Stadt hier führt ein Fluss. Mit etlichen Brücken. Auf einer davon waren wir - mit unserer einzigen Glücksrakete. Ist wie so ein Ritual für uns: Eine einzige Glücksrakete in den Himmel schicken, begleitet von stummen Wünschen, vielleicht auch Hoffnungen. Dieser ganzen Böllerei konnte ich ja noch nie was abgewinnen, und ich hasse diese Knaller, die einem gerne mal vor die Füße geworfen werden. Mir erschließt sich einfach nicht, was daran toll sein soll. Jedenfalls dann, wenn man keine zehn Jahre alt mehr ist. Und ich hasse diese Dinger, seit die mein eigener Bruder mir und seiner damaligen Freundin vor die Füße rollen ließ und sich freute, dass die Mädels kreischten und anschließend die Strumpfhosen rettungslos zerrissen waren. 
Nur diese eine Glücksrakete - die wünsche ich mir jedes Jahr. 
Und dann standen wir dort, hielten uns fest und schauten in den Himmel.
Dass da etwas geflogen kam, registrierten die Sinne eher als der Verstand - es ging zu schnell. Aus dem Dunkel, aus dem Nichts stürzte sich eine abgefackelte große Rakete mitten auf mein Gesicht - freilich mit der großen schweren Seite zuerst. 
Ja, ich gestehe: Ich habe mit den Händen mein Gesicht bedeckt (wieso eigentlich hält man affektiv fest, was schmerzt?) und geweint - vor Schreck, aber vor allem vor Schmerz. (Nein, die Nase ist nicht gebrochen; wie man das testet, weiß ich, seit Junior II als Einjähriger aussah, als wäre ihm eben dieses widerfahren und ich mit ihm schnurstracks die Kindernotfallstation aufgesucht hatte.)
Nennt man das jetzt auch einen Glückstreffer? (Oder trifft das nur für die Vogel-/Kacke zu, weil ja in selbige greifen auch den Griff ins Glück bedeuten soll?)
Oder nennt man das einen Zufallstreffer?
Oder einfach auch mal wieder zur falschen Zeit am falschen Ort? Ich meine, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, von einer Rakete getroffen zu werden - bei mehr als fünfzig Menschen auf einer Brücke, die alle nah beieinander stehen? 
Vermutlich ist es ja aber einfach passiert, ohne Sinn und Verstand, wie so manches hier und überall - und nicht alles muss einen tieferen Sinn haben.
Pech gehabt oder Glück zu erwarten, Fazit ist vor allem: Es hätte alles noch viel schlimmer kommen können. Ein, zwei Zentimeter weiter rechts oder links wärs buchstäblich ins Auge gegangen.
Insofern nehme ich mit Humor, dass andere heute einen Brummschädel vom Trinken haben und ich von einer Begegnung mit einer Silvesterrakete. Den Kopf möglichst wenig bewegen, die Augen auch nicht und Herrn Blau's Anzüglichkeiten ignorieren, mit denen er mich aufgrund der deutlichen Zeichnung im Gesicht heute Morgen begrüßte: "Hallo Harry Potter!"
Ja, ich finde auch, er ist zu nachlässig mit seinen Pillen - aber vielleicht hat er ja gute Vorsätze für das Jahr 2016 mit rübergenommen. Wir werdens sehen!