Dienstag, 24. Oktober 2017

Lady (not) in Red



Wenn ich bildlich beschreiben sollte, wie ich mich in den letzten Tagen fühlte, dann... würde ich sagen.. Jogginghosen, zerknittertes T-Shirt, wilde ungekämmte Haare, ungeschminkt, ein Raum voller leerer Flaschen, irgendwo ein Sofa, irgendwo in einer Ecke ich, die Beine nachlässig irgendwo runterhängend, der Blick müde, der Körper antriebslos - und der Geist wie gelähmt von all dem, das der Kopf sagt, was zu tun wäre und zu dem man sich dennoch einfach nicht aufraffen kann.
Nachts wälze ich mich ruhlos, schlaflos hin und her, überlege tausend Wege, lege mir abertausend Möglichkeiten zurecht, wäge ab, zwinge mich in den Schlaf, träume von längst Vergangenem.. und manchmal habe ich zwischendrin ein wenig Angst, dass mich alles überrollt, dass mir alles aus der Hand gleitet und dass ich ganz am Ende auch mich selbst verlier. Aber diese Angst fühle ich nur nachts zwischen den Träumen, wenn ich erwache und auf die weiße Wand starre, an der sich das schwache Licht des Radioweckers bricht.

Andere sagen über mich, ich sei so stark - und dann sehe ich mir selber zu und denke: Wenn ich stark wäre, wie kann es dann sein, dass Niederschläge mich so aus dem Tritt bringen?
In dieser einen Woche war ich froh, dass ich die wichtigsten Dinge erledigen konnte, zuallererst den Job. Und den Anruf bei einer meiner längsten Freundinnen. Das liebe ich so an ihr oder uns: Wir haben uns seit Ewigkeiten nicht gesehen, genau genommen vor einem Jahr zu ihrem Geburtstag. Das war auch der Moment, in dem wir das letzte Mal miteinander gesprochen hatten.
Aber keiner ist sauer auf den anderen oder enttäuscht vom anderen. Jeder weiß um den anderen und dass es nur einen Anruf braucht, nur einer Zeile bedarf. Wenn man kann. Man ist selten beieinander und dennoch nie voneinander weg.
Und dann schickt sie mir einfach so eine Postkarte und dazu ein Tütchen Badesalz der Marke Schokolade und rosa Pfeffer. Dabei habe ich weder Geburtstag noch gab es sonst irgendeinen Anlass. Vor allem kam es in einem für mich genau richtigen Moment, um mich wenigstens - bildlich! - aus der Sofaecke zu erheben und den Blick wieder neugierig werden zu lassen.
Sie liest ab und an in meinem Blog, dennoch vergewisserte sie sich über das eine oder andere noch einmal und am Ende sagte sie: "Gibt es eigentlich auch etwas Positives zu berichten?" und ich antwortete ohne zu zögern: "JAA! Ich habe gestern Post bekommen mit einer herrlichen Postkarte drin und einem wunderbaren Badesalz!" und dann haben wir beide gelacht.
Vielleicht lag in genau diesem Moment neben wenigen anderen positiven Impulsen der Woche genau der Antrieb, der mir gefehlt hatte. Das Vermögen, wieder mit mehr Hoffnung und etwas mehr Zuversicht nach vorn zu schauen und vor allem dem Jungen wieder etwas mehr Standsicherheit einzuhauchen.
Die Entlassung der drei Mitarbeiter zieht tatsächlich doch etwas größere Kreise - und der Ausgang ist derzeit noch ungewiss. Er birgt jedoch eine winzige Hoffnung, an die sich der Junge klammert. Er, den nichts so sehr beflügelt wie ihm entgegengebrachter Respekt, Achtung - und Wertschätzung. Klingt so selbstverständlich - und ist es so wenig...
Dennoch haben wir beide uns wieder auf die Beine gestellt, online alle erforderlichen Anträge gestellt, Bewerbungen zusammengestellt und versendet. (Was bin ICH froh, dass heutzutage so vieles, wenn nicht gar alles online möglich ist...) Auch habe ich mein Haushaltsbuch wieder hervorgekramt, wiederbelebt, Zahlen geprüft, Ausgaben geprüft und festgestellt, dass vielleicht sogar beides möglich ist: dem Jungen helfen und parallel dennoch am eigenen Wunsch basteln. Erkannt, dass die eine oder andere Angst vielleicht doch nicht so begründet war.
Was am Ende bleibt, ist Hoffnung. Es ist immer vor allem immer nur die Hoffnung darauf, dass die Dinge sich zum Positiven wenden, so oder so.
Letzte Woche waren wir in der Oper. Ich hatte mich für ein taubenblaues, bodenlanges Kleid entschieden und als wir die Treppe hinaufstiegen, fragte ich mich urplötzlich, warum ich eigentlich nicht das bodenlange rote Kleid gewählt hatte. Es hätte definitiv besser gepasst.

5 Kommentare:

Anna hat gesagt…

Die Frau mit dem roten Kleid geht im blauen Kleid in die Oper... ach Frau Ziggenheimer... so geht das doch nicht. *seufz* [Ich konzentriere mich auf die wirklich wichtigen Dinge, wie du merkst. ;)]

Und sonst hoffe ich einfach nur für euch, dass endlich mal Ruhe einkehrt - im positiven Sinne. Und bzgl. dieser Worte: "Er, den nichts so sehr beflügelt wie ihm entgegengebrachter Respekt, Achtung - und Wertschätzung. Klingt so selbstverständlich - und ist es so wenig..." ich glaube, das gilt für so viele, wenn nicht gar für alle von uns. Respekt, Achtung, Wertschätzung - davon gibt's definitiv zu wenig. Jeder will es, nur wenige könnnen es einfach so und aufrichtig (ohne Schleimfaktor und ohne Hintergedanken) geben. Ich übe das jeden Tag - mehr oder weniger erfolgreich. ;)

gretel hat gesagt…

Nach dem ersten Abschnitt dachte ich "Scheiße" aber am Ende hab ich und du wahrscheinlich auch doch wieder das Gefühl - es wird! Es muss werden!
Stark sein heißt ja nicht, Rückschläge einfach wegzustecken, sondern immer wieder anzupacken - und das tust du definitiv. Aber man braucht eben auch immer mal wieder das Glück - ich wünsch es euch von Herzen!
Liebe Grüße

Nelly aus Sachsen hat gesagt…

"One of the downsides of being a strong woman is that people figure you don't need attention or nurturing, but they could not be more wrong. In fact, because we receive less, we actually need it more than most." **

(aus: Sensuous Sadie - It's Not About The Whip. Love, Sex, and Spirituality in the BDSM Scene)
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Freie Übersetzung:
"Einer der Nachteile eine starke Frau zu sein ist, dass Menschen annehmen man brauche nicht so viel Aufmerksamkeit und Nähe, aber sie täuschen sich. Denn weil wir weniger bekommen, brauchen wir sogar mehr als die meisten."

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ja Anna, ich habe auf der Treppe der Oper auch etwas an mir gezweifelt ;) Aber das Taubenblaue hatte ich einfach noch nie an (es gibt tatsächlich zu wenig Gelegenheiten für ein bodenlanges Kleid ;)), das Rote hingegen schon.
Natürlich brauchen wir alle Zuwendung und Wertschätzung - aber gerade diese feinsinnigen Menschen mit den unfassbar sensiblen Antennen sind die, die man am schnellsten zerstören kann, so ohne.
Schleimen kann ich gar nicht. Hey, ich bin eine aus dem Norden, die sagen entweder, was sie denken - oder halten einfach ihren Mund und denken sich ihren Teil. Also ist ein Kompliment auch immer ein ehrliches von Herzen :)

Ja Gretel, ich fühle mich wirklich wieder besser nach dem.. Tiefschlag, der doch unvorbereitet kam. Neben all den anderen Ereignissen, die einfach alles in Frage stellten und mich zwangen, darüber nachzudenken, wo und wie und überhaupt es weitergehen wird für mich persönlich.
Und da kann ich einfach auch nicht aus meiner Haut: Für mein Glücksempfinden brauche ich erst mal das Gefühl, dass es meinen Söhnen gut geht. Sonst zerfrisst es mich.

Ja Nelly, so ist das wohl. Allerdings war das bei mir schon so, als ich noch Kind war.

Bohli hat gesagt…

Du ahnst woran ich bei dem Satz mit den leeren Flaschen zwangsläufig denken musste

https://youtu.be/xJA8jvzT178

Kopf hoch, es wird.