"Das Zerbrechen einer Partnerschaft hat oftmals eine lange Vorgeschichte. Dieses Buch handelt von dem langen Abschied, währenddessen die Aufbrechenden jahrelang innere Qualen litten und wo die Entscheidung zu gehen über einen langen Zeitraum immer stärkere Konturen annahm. In diesem Buch erzählen die Aufbrechenden mit ihren eigenen Worten, warum sie gegangen sind. Paare gehen nicht wegen Streitigkeiten oder unterschiedlichen Persönlichkeiten auseinander; sie gehen, weil sie sich einsam, abgewiesen und in der Paarbeziehung verlassen fühlen. Sie gehen, um ihr sterbendes Ich zu retten."
Was sich hier sicherlich ein wenig theatralisch anhört, birgt dennoch eine ganze Menge Wahrheit im Kern. Als ich letztens auf Instagram diese Werbung für ein Buch auf nextory las, sicherte ich mir den obigen Text zwar als Screenshot, leider jedoch nicht den Buchtitel.
Nichtsdestotrotz beschäftigten mich diese Worte in den letzten Tagen. Irgendwie bei allem, das ich im Privaten tat: Essen zubereiten, backen, Geschenke überlegen, anfertigen, verpacken, versenden. Ordnung in das Zuhause bringen. Bügeln. Vollkommen alltägliche Dinge - mit einem einzigen, aber für mich wichtigen Unterschied: Ich mache sie heute mit und aus Liebe. Heute macht es mir Spaß, in der Küche zu stehen und Rezepte herauszukramen, mich an Altem und Neuem zu versuchen, herumzuexperimentieren. Oder es schön zu haben, wenn der Mann am Abend nach Hause kommt.
Ich dachte dabei oft auch an eine Freundin, die nun doch auf die Trennung vom Mann besteht, trotz der Eigentumswohnung, trotz der kleinen Kinder. Dachte an ihre Worte, wie erleichtert sie sich momentan einfach nur noch fühle - und ich wusste genau, wovon sie sprach. Die Erinnerung an diese Erleichterung lebt noch immer in mir, obschon es so viele Jahre her ist. Damals war mir bewusst: Entweder bleibe ich, dann wird irgendwann nichts mehr von mir bleiben.
Oder ich gehe und beginne nochmal ganz von vorn.
Für das Gehen entschied ich mich, weil Bleiben einfach keine Option war.
Wie meine Freundin heute wusste damals auch ich: Menschen ändern sich nicht. Sie sind wie sie sind. Doch wenn die Gräben zwischeneinander zu tief sind, dann wird man auf Dauer nicht miteinander glücklich sein können. Wenn das, was du jeden Tag tust, nicht (mehr) aus Liebe getan wird, sondern nur noch aus Pflichtgefühl, dann wird das Miteinander zur Belastung und dann hört man auf, glücklich miteinander zu sein.
"Du machst mich zu einem schlechteren Menschen", hat sie zu ihrem Mann gesagt - und diese Worte gehen mir seither in meinem Kopf herum.
Glücklich miteinander... Was genau macht das aus?
Dass er morgens, wenn ich erwache, mein erster Gedanke und nachts, wenn ich mich schlafenlege, mein letzter Gedanke ist? Dass ich es liebe, mir etwas für ihn auszudenken und ihn damit zu überraschen? Dass ich meine Gedanken und Empfindungen in erster Linie mit ihm teile?
Dass meine Zahnbürste neben seiner steht?
Dass er an den Wochenenden das Frühstück zubereitet oder mir abends manchmal ungefragt einen Kaffee auf den Tisch stellt und es in dem Moment genau das Richtige war?
Kann man da sein und doch nicht da sein?
Kann man einander vermissen, obwohl man nebeneinander sitzt?
In letzter Zeit sagt der Mann öfter, er würde das Uns vermissen. Er würde mich vermissen.
Während ich mit anderen Dingen hadere. Dass Angst und Sorge dominieren vor der Lebensfreunde. Dass das Lächeln hinter Masken verborgen bleibt und man sich maximal den Ellenbogen reicht, anstatt einander herzlich zu umarmen. Dass das Home Office Schutz bieten soll vor Ansteckungen und Kontakte möglichst online stattfinden.. Und Stück für Stück, schleichend und beinah unbemerkt schleicht es sich ein, dass der Mensch inzwischen lieber schreibt anstatt zu reden. Dass selbst das geschriebene Wort nach und nach weniger wird, weil selbst das irgendwann zu anstrengend wird..
Es ist Herbst geworden, endlich mit etwas mehr Kühle, die ich sehr genieße. Und während ich verträumt dabei zusehe, wie die Bäume hinter dem Haus mehr und mehr ihre rotgoldene Pracht auf den Rasen rieseln lassen, fühle ich, wie müde ich derzeit bin. Sehr, sehr müde.
Müde von der Angst der Menschen, die in allem eine Gefahr, eine Bedrohung sehen. Müde davon, dass in gefühlt "allem" ein Problem gesehen wird, dass gefühlt "nichts" mehr mit Leichtigkeit genommen werden kann.
Es ist anstrengend...
Und so ermüdend...
Ich liebe es, wie der Mann mich anschaut, wenn ich mich zurechtmache, wir uns an die Hand nehmen und das Haus verlassen. Dennoch würde ich an manchen Tagen einfach lieber.. überhaupt nichts machen wollen... Einen Tag vertrödeln so wie früher, vielleicht was Schönes backen, nebenbei Badewasser einlassen, Musik hören..
Während der Mann mich vermisst, vermisse ich genau diese Momente wie früher. Mir fehlt die Ruhe in meinem Kopf, die Gelassenheit.. Dann und wann ertappe ich mich dabei, wie ich gerne einfach ein paar Tage ausspannen würde, ganz allein, irgendwo..
Zu Zeiten, in denen ich viel weniger Geld verdiente als ich das aktuell tue, da ging es mir finanziell nicht gut. Zukunftsängste sorgten mich, vor allem der beiden Kinder wegen; nachts konnte ich oft nicht schlafen, weil ich mir die Frage stellte, was morgen sein würde.
Damals quälte mich diese Aussage: "Vielleicht tust du ja nicht genug für deinen Job? Dann könntest du sicherlich auch mehr verdienen."
Arbeit habe ich niemals gescheut. Arbeit bedeutete immer auch Herzblut für mich.
Wo war ich damals, wo bin ich heute? Hätte ich jemals geglaubt, mich wirklich hocharbeiten zu können? Die Hierachie gab das doch einfach gar nicht her, glaubte ich.
Sie tut es aber doch.
Vor etwa acht Wochen habe ich das Gespräch mit meinem Chef gesucht und auf den Tisch gelegt, dass ich ein anderes Jobangebot bekommen habe. (Eigentlich zwei, aber von dem zweiten werde ich mich hüten, ihm das zu sagen.) Er hat mir daraufhin ein Angebot unterbreitet, das mir - offen gesagt - den Atem verschlug.
"Wer, wenn nicht du?" hat er gesagt.
Inzwischen hat der Chef bekanntgegeben, dass er sein Unternehmen verkauft und an wen. Er will noch zwei Jahre weitermachen, als Geschäftsführer, dann will er ganz aufhören.
Mir wird er die Prokura übertragen. Was ich bis dahin nur als (leeres) Gerede hielt, setzt er nun wirklich um. So hat er es allen offiziell mitgeteilt.
Entscheidend für mich war dabei die Aussage, dass er nach zwei Jahren komplett aufhört. Maximal Beratertätigkeit, wenn überhaupt. Das war das einzige Kriterium, das mich davon abhielt, das andere Angebot anzunehmen.
Ich finde es gut, gefordert zu sein und gefordert zu werden. Dinge entwickeln zu können. Neues lernen zu können. Verantwortung übernehmen zu dürfen.
Aber es fordert sehr und mir ist bewusst, dass auch das mich momentan ausbrennt.
Ich beginne zu begreifen, welche Dimension soziale Verantwortung im Dienst bedeutet - und wie leichtfertig hierbei meine Grenzen überschritten werden.
Morgens ist es noch dunkel, wenn ich den Laptop einschalte. Abends ist es längst schon dunkel, wenn ich den Laptop ausschalte. Und dann immer noch in meinem Kopf sortiere, was ich morgen als nächstes abarbeite, bevor mir die Terminstellungen um die Ohren fliegen. Und wenn man mich auf dem einen Handy nicht mehr erreicht, wird eben auf dem privaten angerufen.
Herzrasen von heute Mittag an, nicht zum ersten Mal, und der Mann, obschon er davon nichts weiß, fragt mich heute Abend, ob das jetzt immer so weitergehen soll und ob das die Prokura und das neue Gehalt wert seien? Nein, ums Geld geht es mir dabei gar nicht.
Aber.. Es ist die Summe des Ganzen..
Heute fragte mich eine Freundin, ob sie mir etwas Falsches gesagt habe, ob ich wütend auf sie sei, ich sei so still...
Da fällt mir wieder ein, dass ich sie eigentlich am vergangenen Wochenende hatte besuchen wollen.
Also schreibe ich umgehend, dass es nicht an ihr liege, ich einfach nur landunter sei..
Den Rest verschweige ich. Ich habe nicht die Zeit und nicht die Ruhe, ihr zu sagen, wie ich mich derzeit fühle. Als ich am Abend den Laptop (zunächst) ausschalte und noch ein Geschenk verpacke, denke ich immer noch über ihre Worte nach und frage mich auch, ob auch ich mehr und mehr dazu neige, mich zurückzuziehen. Mich daran zu gewöhnen, wenig Kontakt zur Welt draußen zu haben. Tagsüber arbeiten, abends noch ein bisschen bei FB oder Instagram surfen, einschlafen. (Oder Krimis schauen in den Nächten, in denen ich nicht in den Schlaf finde.) Damit bin ich derzeit.. völlig ausgelastet. Bin ich überhaupt noch gesellschaftsfähig? Will ich überhaupt noch Gesellschaft? Oder einfach nur noch meine Ruhe? Könnte ich einen ganzen Abend lang mit anderen Menschen überstehen, wenn da nichts kommt außer irgendwelcher Smalltalk? Wo ist meine Leichtigkeit von früher, mit der ich mir in solchen Momenten ein Getränk orderte und versuchte, die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, mit dem Spießchen das Obst darin zu erhaschen? Wo ist meine Leichtigkeit von früher, mit der ich mir das Leben so machte wie es mir gefiel? Wo ist meine Fähigkeit hin, "wie ein Schmetterling von einer Blüte zur anderen zu treiben", wie es einst eine Freundin von mir sagte?
"Hat die Blume einen Knick, war der Schmetterling zu dick" - fällt mir dazu grad ein. So fühl ich mich derzeit: Schwer. Nicht von der Körpermasse her. Sondern innerlich...
Es ist Herbst geworden, und mit sich gebracht hat er diese sanfte Melancholie, die ich eigentlich so liebe. Ich bin nur.. zu müde dazu im Moment. Und ich fürchte, das wird auch bis zu den Weihnachtstagen nicht wirklich besser werden.
Ich weiß nur eins: Ich bin immer noch verdammt froh, damals gegangen zu sein.
Heute ist jeden Tag alles, wirklich alles möglich. Und damals war es das nicht. Es hat nicht das Beste aus mir herausgeholt, sondern erdrückt.