Montag, 20. Mai 2019

"Magst du auch so gerne Schokokekse wie ich?"

Bildquelle: https://www.thebestsocial.media/de/doch-schlauer-als-erwachsene-16-weise-momente-mit-kleinkindern/

Vergangenen Samstag besuchte ich eine Freundin, und als ich anschließend heimkehrte, hielt es mich nicht zu Hause. Ich musste noch mal raus, in die Sonne, unter Menschen, ich wollte Bewegung, Ablenkung und dafür ein bisschen weniger Karussell im Kopf. Weil sie so still war, so ruhig, so traurig, und sagte "Aua, das tut mir auch weh", als ich sie an mich drückte. Das wurde ich irgendwie nicht los. Ungefähr vier Stunden lief ich draußen herum, immer die Musik im Ohr, fremde Menschen, die einen anlächelten oder auch nicht. Ich dachte an die früheren Jahre, an die Jahre dazwischen und an das Jetzt.
Müde saß ich irgendwann auf einer Bank und wartete auf die U-Bahn. Neben mir ein älterer Herr, überaus akkurat geschnittenes Haar, glatt gebügeltes Oberhemd, sorgfältig gepflegt und - in Jogginghosen und Badelatschen. Ich fand das irgendwie cool.
Ich hatte die Kopfhörer abgenommen, schaute irgendetwas nach, da sprach er mich an. Eine sehr bedachte Ausdrucksweise, sehr ruhige Stimme, immer ein Lächeln um die Mundwinkel, und er wies auf die Menschen, die versuchten, unbedingt noch in die U-Bahn zu kommen.
"In zwei Minuten kommt doch schon die nächste U 6."
"Ja und in fünf Minuten noch eine U 6."
Er nahm die dritte U 6 und bis dahin amüsierten wir uns über die hektischen Menschen, philosophierten über Formel 1 und den Fußball, bis er sich verabschieden musste. Er nahm Platz in der Bahn, wir lächelten einander an, dann fuhr er heim zu seiner Frau.
Ich lehnte mich zurück, ich fühlte mich irgendwie besser und dachte.. "Du solltest öfter ohne Kopfhörer laufen."

In solchen Momenten denke ich, es kann alles so einfach sein, so entspannt. Ist es nicht scheißegal, woher jemand kommt und wohin er fährt? Wie belastbar wir sind oder auch nicht? Wieso hegen wir spontan Vorurteile, nur weil jemand anders aussieht, woanders herkommt? Wieso erniedrigen wir Menschen, anstatt ihnen zu helfen?

Aufmerksam geworden durch einen Kommentar meiner Nichte las ich einen Bericht der AfD, respektive des BR über ein Gewaltverbrechen im vergangenen Jahr in Bayern. Sie bedienten sich des Berichts, aber natürlich gaben sie ihn ganz anders wieder. Schon beim Lesen konnte ich mich des Gefühls eines Bildzeitungsniveaus nicht erwehren - und dann las ich auch noch vereinzelte Kommentare. Das hätte ich einfach bleiben lassen sollen. Es ist erschütternd, was dem Elfjährigen passiert ist - darüber nachdenken darf ich nicht. Ehrlich gesagt, erschütterte mich aber auch, dass die meisten (bekennenden) AfD-Wähler lediglich den Post der AfD lasen, ohne den verlinkten Beitrag des BR aufzurufen. Was aus meiner Sicht zwar nicht die Tat verändert oder beschönigt, aber die Polemik weglässt, mit der der Post durch die Blauen inszeniert worden ist, die einfach nur dazu dient, die Leute aufzubringen nach dem Motto "Seid Ihr blind und seht das nicht - mit uns wird alles anders." Anders kann ichs irgendwie gerade nicht beschreiben. Ich fragte mich, soll ich was dazu sagen, ja, nein, letztlich sind wir alle erwachsen, wir haben alle ein Recht auf unsere Meinung und alle die Freiheit, wählen zu dürfen, wen wir für richtig empfinden. Es wird sowieso kein überzeugter Blau-Anhänger seine Meinung ändern. Oder mehr nachdenken.
Aber es erschüttert mich, wenn jemand schreibt, dass die Leute mit den zwei Buchstaben wieder her sollten. Das kann niemand ernst meinen - aber ich fürchte, er tut es doch. Auch wenn ich weiß, Trolle im Netz gibt es genug.
Es erschreckt mich auch, wenn die Leute blind kommentieren "Die Eltern gehören bestraft, die holen sich die Gefahr ins Haus." Nur weil im Post von "bei sich aufgenommen und Integrationshelfer" geschrieben wird - was aber gar nicht der Wahrheit entspricht. Sie wohnten lediglich im selben Haus. Ins Kinderzimmer geschlichen hat er sich auch nicht - und ob er "Stirb Stirb Stirb" gerufen hat, bezweifel ich. Macht die Darstellung einen Unterschied? Ja - ganz offensichtlich, wenn man die inzwischen knapp zweitausend Kommentare und über sechstausend Likes betrachtet.
Jeder weiß auch, wie schwierig die deutsche Sprache ist. Sieht man ja auch bei den Rechtschreibkünsten der ach so supertollen Deutschen. Jeder weiß auch, wie umständlich die deutsche Bürokratie ist.
Ich erinner mich da noch an meinen 1. Antrag auf Elterngeld - ein ungefähr 10seitiges Pamphlet und die Dame vom Amt meinte damals "Geben Sies erstmal her, wir korrigieren eh immer noch was, aber dann haben wir es erstmal und fordern nach, was uns noch fehlt." Stolz wie Bolle war ich, dass bei mir nix nachgefordert oder nachgefragt werden musste. (Manchmal hat Genauigkeit ja doch was Gutes ;))
Und warum soll ich jemandem nicht helfen, der Probleme mit seinen Formularen hat? Wie soll ich ahnen können, dass derjenige eines Tages auf mein Kind losgeht? Ich erinner nur noch mal an 2013, als der Paketbote (ein deutscher Hühner-Landwirt, übrigens) viel zu aufdringlich wurde und dann noch mit Blick auf meinen Jüngsten meinte, dass Kinderarme bei Kannibalen übrigens eine Delikatesse seien. Und warum? Weil der mal dringend musste und fragte, ob er mein Badezimmer benutzen dürfe. Hätte ich Nein sagen müssen? Oder sagen müssen "Kack doch in den nächsten Busch?"
Warum soll ich immer erst mal von etwas Schlechtem ausgehen, wenn ich Pakete für Nachbarn annehme, egal welcher Herkunft? Der mit Migrationshintergrund übrigens, der hat sich ganz freundlich ganze dreimal bedankt für die Annahme eines Paketes, während hingegen der Deutsche auch nach drei Tagen noch nicht da war, um es abzuholen, sondern darauf wartete, dass man es ihm brachte. (Seitdem überlege ich mir, für wen ich was annehme.)
Jemandem beim Formular auszuhelfen - ist das nicht einfach auch Nachbarschaftshilfe? So wie man sich Mehl oder Eier borgt?
Ja, ich habe Angst im Dunkeln und ich habe auch Angst spätabends allein auf der Straße. Wenn ich kann, vermeide ich das. Woher das kommt, weiß ich - und es hat überhaupt gar nichts mit Menschen anderer Kulturen zu tun. Es hat etwas mit einem Mann zu tun, der übrigens deutsch war. Es schützt mich gar nicht, obs ein Deutscher ist oder nicht - das hatte es damals vor vielen Jahren ja auch nicht.
Beschönigen.. will ich gar nichts. Es gibt viele Probleme mit Integration, es gibt No Go-Areas in Großstädten und auch ich halte es noch heute immer noch für falsch, 2015 so vielen Menschen die Einwanderung erlaubt zu haben, ohne einen Plan zu haben, wie ich das Ganze umsetze und löse - für alle Beteiligten. Es soll aber bitte auch niemand so tun, als hätten wir keine deutschen Kriminellen und keine deutschen Arbeitsscheuen und Sozialschmarotzer, die lieber mit weniger Geld leben, aber dafür nicht einen Finger krumm tun.

Dreimal ist mir beim Lesen der Kommentare der Kragen geplatzt, dreimal hab ich etwas geschrieben. Und wie wirklich immer bei kontroversen Themen keine Antwort bekommen. Wie auch. Dann müssten die Leute ja nicht nur Text lesen, sondern auch antworten - und wer antworten will, muss (oder sollte zumindest) nachdenken. Aber das.. scheint viele auch zu überfordern.
Wenns den Kopf anstrengt, ist es schon zuviel (verlangt). Und solche Leute wählen eine Partei, die das Leben aller verändern kann. "Mir scheißegal, ich bin Protestwähler", höre ich öfter.
Ja dann wählt doch die Tierschutzpartei oder die Freien Wähler! Dann nehmt Ihr den Alteingesessenen auch die Stimme, aber Ihr gebt sie nicht den Falschen. Die sind Euch zu klein? Man hat doch bei der kackblauen Partei gesehen, wie schnell man stark wird. Dann geht das auch bei anderen.

Leider Gottes sind nicht alle Kinder so unbedarft wie der Junge im Twitter-Zitat. In dem Alter machts noch die Erziehung.

Mittwoch, 15. Mai 2019

Szenen einer Partnerschaft: Schönheit im Auge des Betrachters

"Meinst du, du wirst mich immer lieben?" frage ich, während ich kritisch in den Kalender schaue.
"Natürlich. Auch dann, wenn du hässlich bist und Warzen hast."
"Hässlich? Hast du jetzt gerade hässlich gesagt?"
"Na ja, du weißt doch, wie ich das meine."
"Ich dachte eigentlich, ich könnte nie hässlich für dich werden, egal, wie ich mal aussehe."
"Ich meinte auch nicht hässlich. Ich meinte, wenn du so Warzen im Alter kriegst oder so."
Ich muss wirklich lachen und winke ab: "Lass gut sein, Komplimente kannst du einfach nicht."
"Waaaaas? Kann ich nicht? Und was habe ich gestern zu dir in der Küche gesagt?"
"Das Brot ist alle!"

Dienstag, 14. Mai 2019

Oops I did it again



Im Januar war ich noch Bild 1 - das war der Ursprung, den ich so nicht mehr wollte. Im April war ich dann Bild 2 - einen Friseur hier in M ausprobiert, zum allerersten Mal und... äh.. nun ja. Technisch hat sies super gemacht, aber optisch wars irgendwie nicht das, was ich wollte.
Also versuchte ich mich letzte Woche bei meinem bisherigen Haus- und Hof-Friesemeister - und bin jetzt Bild 3. Etwas, das ich nun so gar nicht wollte. Ich werde wohl beim neuen Friesemeister bleiben..

Das Blöde ist, es dauert jetzt wieder rund 1 Jahr, bis ich da hinkomme, wo ich hinwollte.
Das Gute ist, es dauert nur rund 1 Jahr.

In der Firma wurde letzte Woche natürlich sofort gefrozzelt: "Du bist ganz schön oft alleine unterwegs im Moment, fährst hierhin, dahin... Und jetzt haste dir auch noch das Haar abschneiden lassen. Bei Frauen hat das ja einiges zu sagen."
Nö. Bei mir nicht. Bei mir heißt das lediglich, dass mir grad mal wieder nach Veränderung war. Wie immer aller zwei Jahre. (Alle anderen Veränderungen brauchen bei mir viel länger, das weiß man doch eigentlich, wenn man mich kennt ;)) 

Aussehen sollte das Ganze übrigens so:

Bildquelle: https://www.leithprimary.org/damen-frisuren-pagenschnitt/damen-frisuren-pagenschnitt-25-schon-frisuren-mittellang-frauen-bild/
Nun ja. Mit ein bisschen Geduld und Spucke komm ich da vielleicht sogar im Sommer schon hin. Und bis dahin... könntsch mir die Zeit mit ein bisschen Kaffee trinken und tanzen und so verbringen ;)

Montag, 13. Mai 2019

Die hohe Kunst des Pizzabodens aus Blumenkohl




Es gab Zeiten, da hatten wir nur Bücher und Zeitschriften zum Lesen und dachten im Traum nicht daran, dass es eines Tages so selbstverständlich sein würde, uns in einer virtuellen Welt so zu bewegen, als sei sie ein Zuhause.
Ich hab sie vom ersten Moment an geliebt, diese virtuelle Welt. Es ist genial, wie sich nunmehr Menschen kennenlernen können, die sonst einander vermutlich niemals begegnet wären.
Das denke ich über den Mann, der sich gerade nebenan die Zähne putzt.
Das dachte ich über mein Gegenüber vom vergangenen Samstag.
Das denke ich über all die Menschen, die ich über das Netz kennenlernte und denen ich irgendwann auch in der Realität begegnete.
Wilde Zeiten, mitunter, aber gute Zeiten. Viel Möglichkeit, über alles Mögliche zu reden, zu lachen, Spaß zu haben. Viel Möglichkeit für mich  zu lernen.

Ich will soviel wissen, aber nicht alles blind glauben. Wenn ich Dinge lese, die mir irgendwie nicht schlüssig erscheinen, hinterfrage ich sie. Nicht alles und jedes, aber... das eine oder andere eben.
Dabei will ich gar nicht streiten, sondern einfach nur.. lernen.
Und ich lerne. Zum Beispiel über Zusammenhänge von Klima, Landeis und Meereis ;) Ich erfahre aber auch, dass ich offenbar anstrengend sein kann - wenn ich Themen nachlese und dann kommentiere.
Worauf nicht jeder Lust hat.
"Ich will nicht diskutieren, ich will nur was teilen, aus reinen Info-Zwecken... damit alle Seiten zu Wort kommen."
Wenn aber Informationen weggelassen werden, die zum Thema, zur Meinungsbildung wichtig wären?
Bin ich dann zu genau? Wollte ich es zu genau wissen?

Mein AfD-Kollege schickt mir schon lange keine Videos oder Textausschnitte mehr, weil ich möglicherweise auch ihm zu anstrengend geworden bin. Ich hab mir die Videos und die Textausschnitte angeschaut, aber ich hab sie kommentiert. Oder argumentiert. Jetzt schreibt er nix mehr, wir grinsen uns nur noch an, wenn wir uns mal über den Weg laufen.

Hänge ich mich zu sehr rein? Verstehe ich es falsch, dass ein in die virtuelle Welt geschriebenes Wort nicht immer eines Kommentares bedarf? Wozu schreib ichs dann da rein? Könntsch doch auch zu Hause ganz analog in ein Tagebuch kritzeln? Ich sag ja nicht zu allem und jedem was - nur zu Themen, die mich interessieren. Oder um einer Person beizustehen, auf die sich grad drei, vier andere gestürzt haben. Ist es okay, eine Meinung zu haben, aber noch mehr okay, wenn jeder die für sich behält? Und wozu haben wir dann beispielsweise soziale Medien? Um uns virtuell zuzuwinken und lustige Bildchen auszutauschen? Stay connect - aber nicht zuviel?
Gestern sagte ich zu jemandem, dass ich dieses "neugierig, wach, intensiv" könnte - aber auch nicht jeden Tag. Weil das selbst mir zu anstrengend würde.
Wenn ich über Dinge nachdenke, die ich lese, kommentiere ich sie ganz oft mit einem Schmunzeln. Weil ich oftmals das Gefühl hab, ich sitz jetzt hier in einem Cafe bei einer Tasse Kaffee, und wir ratschen. Einfach so. Das ist das, was ich darin sehe - einen Austausch. Nicht mehr und nicht weniger.

Aber.. wer weiß. Vielleicht sollte ich einfach das tun, was ich am besten kann - und still sein :)


Sonntag, 12. Mai 2019

Szenen einer Partnerschaft: Ich wollt, ich wär ein Kranich

Wir lümmeln auf der Sofalandschaft, zappen durch die Programme, erfahren auf einem Zwischenstopp irgendeiner Doku, dass irgend so eine Kranichart mit irgendeiner Art Tanz um die Liebste buhlt. Und trotzdem der dann einmal geschlossene Bund bis zum Ende des Lebens reicht, wirbt der Kranichmann jedes Jahr erneut um seine Liebste.
Ich wende den Kopf zum Mann, die Augenbrauen bedeutsam erhoben, und grinse vielsagend.

Hups, der Mann hat Nachrichten geschrieben, gar nicht gesehen. Dann hat er angerufen - hups, gar nicht gehört.
Zurückgerufen - aber ich weiß schon beim Drücken auf "Anrufen", dass er nicht rangehen wird. Ist immer so. Der ruft an, Du rufst zwei Minuten später zurück - nix. Wahrscheinlich wurde er gerade beim Auflegen von Aliens entführt und zwei Stunden später zurückgebracht. (Kann mir auch durchaus vorstellen, wieso. Er war eins dieser Kinder, die alles zerlegten, was irgendwie nach Technik aussah. Er ist einer dieser Männer, die da nie erwachsen werden ;) "Nur so lernt man", verteidigt er das immer.)
"Ich hab grad was anderes gemacht und nicht gesehen, dass du zurückgerufen hast."
"Das habe ich gemerkt!"
"Bist du jetzt sauer? Ich ruf dich an, schreib dir Nachrichten und eeeewig kommt keine Antwort - und ich muss sofort reagieren, wenn du dich meldest?"
"Ja natürlich. So will es das Gesetz!" :)

Samstag, 11. Mai 2019

Oh wie schön ist Panama



Als ich 15, 16 Jahre alt war, im ersten Liebeskummer meines Lebens, da lief ich durch die Welt, sah die vielen Ehepaare und glaubte: Wenn ich selbst eines Tages verheiratet bin, dann hat das alles ein Ende, dieser Schmerz, diese Tränen, diese unerfüllte Sehnsucht. Für mich war die Ehe etwas, zu dem man Ja für den Rest des Lebens sagt.
Als ich 19 Jahre alt war, war ich verheiratet.
Als ich 32 Jahre alt war, hatte ich endlich verstanden, dass Schmerz, Tränen und unerfüllte Sehnsucht auch mit einer Ehe nicht enden - im Gegensatz zur Liebe.
Und ich wollte mehr. Oder nein, mehr wollte ich nicht. Ich wollte es anders - oder lieber allein leben.
Es ist jedoch sehr gut möglich, dass ich diese Erkenntnis eher fühlte als dachte - denn nachgedacht habe ich kaum, als ich die Augen schloss und sprang. Eine Entscheidung, gereift in neun langen Jahren.
Eine Entscheidung gleich einem gereiften Apfel, der eines Tages entweder am Baum vertrocknet oder von allein ins Gras plumpst - und nicht vorzeitig gepflückt wird.
Ich habe meine Entscheidung selbst in den dunkelsten Momenten nicht bereut, weil ich mir zumindest hierin immer sicher war: Sie war richtig. Eine Lehre, die ich mir bis heute mitgenommen habe. Tiefgreifende Entscheidungen, die mitunter alles verändern, werden nicht im Affekt getroffen. Sie werden auch nicht getroffen, weil andere Dir sagen, dass Du es tun solltest, weil es das richtige sei. Ich selbst musste erst an diesen Point of no return kommen, ich selbst musste es nicht nur wissen, sondern auch fühlen. Die Entscheidung musste nicht in meinem Kopf, sondern in meinem Bauch getroffen werden. Nur dann werde ich sie nicht bereuen.
Es gibt so einige Entscheidungen, die ich im Affekt traf - und die unwiederbringlich sind, die nicht umkehrbar sind.
Seitdem lasse ich mir Zeit.
Seitdem lasse ich den Menschen um mich herum ihre Zeit. Auch kleine Schritte sind Schritte.

Heut Nachmittag wurde mir ein Spiegel vorgehalten - und mir wurde klar: Mein Gegenüber hat recht. Auch nonverbal ist es möglich, Druck in einem anderen Menschen zu erzeugen. Auch nonverbal ist es möglich, in einem anderen Menschen das Gefühl zu erzeugen, versagt zu haben.
Dabei spielt gar keine Rolle, dass man selbst genau das gar nicht wollte.
Auch wenn ich immer sage "Lasst ihm die Zeit, die er braucht. Er macht sein Ding schon."
Ich sage das, ich denke das über meinen Sohn - aber es gibt auch Momente, in denen meine nonverbalen Reaktionen etwas anderes ausdrücken (können).
Und dass ich mich zuviel kümmere, zuviel abnehme, zuviel mitsteuere.
Dass er sich darauf ausruht, dass ich da bin. Dass ich tue. Diese Dinge höre ich nicht zum ersten Mal.
Der heutige Trialog jedoch.. brachte einen entscheidenden Gedanken hervor, den ich all die Jahre über mehr fühlte als dachte: Ich trage ihn nur auf diesem Stück seines Weges, auf dem ihm der Atem ausgegangen ist.
Oft betrachte ich ihn und denke, wie glücklich es mich macht, wenn er lächelt mit seinen wundervollen Grübchen, die ich so liebe. Und ich wünsche ihm ganz viel mehr Lächel-Momente. Dafür möchte ich alles geben. Nicht als Wiedergutmachung.. Ich war nicht bei ihm, als es ganz schlimm für ihn war. Als mir das klar wurde, schwor ich mir: Nie wieder.. das passiert mir nie nie wieder.. Ich war nicht bei ihm als er mich brauchte. Heute bin ich es. So lange, wie er es braucht.
Heute trage ich ihn, so lange, wie er es braucht.
Und ich weiß, dass er es kann. Dass er es wird. Wir alle wissen: Solange wir in einer schlimmen Phase stecken, regiert vor allem eins - unser Überlebenswille. Und nur weil die schlimme Phase endet, ist es anschließend nicht alles gut. Im Gegenteil: Erst dann spüren wir sie, diese überdimensionale Ermüdung. Wir machen nur noch das Aller-allernotwendigste. Weil wir nur noch das aller-allernotwendigste schaffen. Alles braucht seine Zeit.

"Du trägst ihn so wie früher den Jüngeren, und jetzt scheint es, als hole er sich diese Zeit zurück. Damals der Jüngere, heute ist er dran, der Ältere. Und du weißt, dass das nicht für immer ist. Bis er von alleine weitergeht."
"Ja", antwortete ich dankbar. "Ja genau."

Donnerstag, 9. Mai 2019

Schnelltest


Während ich - wie heute Nachmittag - seit über einem Jahr wiederholt höre, dass ich einfach nirgendwo reinpasse, dass nicht mal klassische Laborparameter zusammenpassen, fand ich diese Diagnose heute Abend ziemlich leicht:
Melone mit eindeutigem Vitamin D-Mangel!
Klarer Fall von zu wenig Sonne, Frollein!
Der Schnelltest hats gezeigt: Messer raus, zack, geteilt - alles klar.

Die hat übrigens auch so geschmeckt wie sie aussieht. Örks. Darf man sowas eigentlich reklamieren?

Montag, 6. Mai 2019

Das Löwenmädchen



Wir glauben immer, dass wir mit unseren Erfahrungen unsere Kinder schützen können vor all dem, das sie verletzen könnte. Wir glauben immer, dass wir mit unseren Erfahrungen das Richtige für unsere Kinder entscheiden.
Aber das Leben.. findet seinen Weg - und das muss es auch.

Ich gebe zu, streckenweise war der Film vielleicht ein wenig.. langatmig erzählt.. Aber es bleibt eine gelungene, eine besondere Geschichte über ein besonderes Mädchen, deren Mama bei der Geburt stirbt und deren Vater es zunächst nicht annehmen kann - bis er mit den Jahren mehr und mehr seine Hände schützend über der Tochter ausbreitet, so sehr, dass es ihr irgendwann zu eng wird darunter.. Sie sucht ihren eigenen Weg und sie geht ihren eigenen Weg, auch wenn das bedeutet, alles hinter sich zu lassen, ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen, und den Papa dazu..
Die am meisten berührendste Szene war für mich die Schlussszene.
"Er hat sie gemalt", flüsterte ich, noch bevor sie sein posthumes Geschenk an sie öffnete, und dann bekam ich eine wahnsinnige Gänsehaut.

Wie sehr wir jemanden lieben, können wir vielleicht nicht immer sagen, vielleicht nicht immer so zeigen - aber dass wir es tun, dass sollte der andere wissen.
"Das musst du doch fühlen, das musst du doch in meinen Augen sehen, wenn ich dich anschaue", ist nicht immer dasselbe.
Nicht immer..
Der andere sollte es immer wissen und fühlen, solange wir da sind. Wir verschenken soviel, wenn wir bis danach warten (müssen).

Sonntag, 5. Mai 2019

Kindeswohl



Es ist grad nicht meine allerbeste Zeit.
Vor einigen Tagen kam ein Blutbefund ins Haus. Drei fragliche Diagnosen, nachdem ich die erste ergoogelte und las, dass es nicht heilbar ist, schlug ich die Seiten wieder zu und beließ es auch dabei.
Aus verschiedenen Gründen haben wir die Bluttherapie nun auch unterbrochen, vor vierzehn Tagen schon - und ob direkt abgebrochen, kann ich noch nicht sagen. Mir ging es tatsächlich gut, wenn auch mit den üblichen Schwankungen. Und ich sagte mir "Komm, du kannst das, du musst das jetzt auch ohne Hilfe schaffen."
Nach und nach wird langsam wieder deutlicher, warum ich überhaupt damit begonnen habe.
Dass mich das alles sorgt, kann ich nicht sagen, tatsächlich nicht - aber es stimmt mich nachdenklich.
Was haben wir erreicht? Haben wir überhaupt etwas erreicht? Wie geht es weiter?
"Achthundert Euro für nichts", kopfschüttelt der Mann. So pessimistisch sehe ich das nicht.
Es ist ja nicht alles wie vorher. Und ich glaube noch immer, dass mein Körper es auch allein schaffen kann. Vielleicht ist er ja nur ein wenig.. irritiert, dass man ihm von jetzt auf gleich nicht mehr hilft? Da darf man schon ruhig ein wenig verschnupft reagieren, denke ich.
Und reagiere meinerseits darauf, indem ich alles noch ein wenig ruhiger angehe. Mir mal hier, mal dort einen Tag freinehme, mich in die Badewanne lege, gefühlte Ewigkeiten lang, wieder mehr lese und nach einer Inspiration für ein neues Bild suche.. Die Leinwand, das dicke Papier, die Staffelei, alles steht und liegt bereit, es wartet nur auf mich...


Die ersten Tage im Mai haben mit unerwarteter Kälte begonnen, grad heut schaute ich gedankenverloren auf das viele Grün vor dem Fenster - und auf den einsetzenden Schneeregen.
Schnee. Im Mai! Und wenn ich es auch noch so bedaure, die Kleidchen bleiben damit im Schrank, die Strickpullover oder auch die geliebten Strickjacken meine treuen Begleiter.
Abends werden wieder mehr Kerzen entzündet, streamen wir uns vermehrt durch die Mediatheken, und so entdeckte ich am gestrigen Abend, dass derzeit "Kindeswohl" kostenfrei angeboten wird.

Was soll ich sagen... Abgesehen davon, dass Emma Thompson eine meiner Lieblingsschauspielerinnen ist, empfand ich diesen Film als sehr berührend... Sie in der Rolle einer Familienrichterin, die bei Streitigkeiten mit Eltern und um Kinder immer für das Wohl eines Kindes zu entscheiden hat. Wie im Fall des noch minderjährigen 17jährigen Adam, der nur drei Monate vor seinem 18. Geburtstag an Leukämie erkrankt. Seine Eltern und er als Zeugen Jehovas lehnen zwar nicht die Behandlung selbst, jedoch eine dabei überlebenswichtige Bluttransfusion ab.
Die nach einem - wie ich finde - wunderbaren Plädoyer für das Leben gerichtlich angeordnet und durchgeführt wird.
Adam überlebt zunächst - und empfindet alles auf den Kopf gestellt, er hat so unfassbar viele, tiefgehende Fragen, auf die er keine Antwort bekam - und die er sich nun von Emma erhofft. Indem er wiederholt ihre Nähe sucht, Grenzen überschreitet - und sie ihn aus Gründen der Professionalität zurückweist..

Natürlich hat mich das vorhersehbare Ende sehr berührt, mich hat jedoch ebenso berührt.. wie wichtig es ist, einander zuzuhören. Miteinander zu sprechen. Über Dinge, die wir denken, über Dinge, die wir fühlen. Warum wir uns verhalten wie wir uns eben verhalten. Warum manchmal anderes wichtiger ist als das eigentlich Liebste im eigenen Leben..
"Ich kann ihren Mann verstehen", sagt der Mann neben mir.
"Hm", antworte ich nachdenklich, "irgendwie schon. Aber ich kann auch sie verstehen. So einen Job macht man nicht einfach so. Sollte man jedenfalls nicht. Sowas sollte man immer mit Herzblut machen. Mit Leidenschaft."
Wenn es um einen Menschen geht, sollte man niemals etwas einfach nur so machen.. Und wenn doch, dann mit den Konsequenzen leben. Wenn das nur nicht zuweilen so schwierig.. und so schmerzhaft wäre.