Freitag, 24. Juli 2020

All the Love in the World


Würde der Tag heut nicht so anstrengend gewesen sein, würden alle Sachen schon wieder eingepackt und ich nicht so müde sein - ich hätte mich spontan mit diesem Titel im Dauerrepeat in meinen kleinen Schwarzen geschwungen und würde mich auf den Heimweg nach M gemacht haben.
Ich bin früher so gerne nachts gefahren. Ich mag die Sommernacht. Sie verspricht soviel mehr als ein Tag zu halten vermag.. Sie ist voller Geheimnisse, in jedem Winkel. Sie ist still. Na ja sagen wir.. solange ich sie nicht mit "meiner" Musik fülle. Und dieser Titel hier, ein Zufallsfund wie zumeist - und natürlich ist es jetzt wieder nix mit sich zeitig schlafen zu legen. Das ist so ein Titel, wo ich barfuß auf der Straße tanzen würde - und nachts würde die Straße auch nur mir gehören. 
Also freu ich mich ganz arg auf den Samstagabend, von dem der Mann schon versprochen hat, dass wir ausgehen werden. Wir werden auf dem Heimweg dann nicht die U-Bahn nehmen, nicht den Bus, sondern einfach nach Hause laufen - und dann werden wir auf der Straße tanzen. Da bin ich mir grad ganz sicher. 

Es muss viel mehr L(i)ebensfreude in die Welt..


Donnerstag, 23. Juli 2020

Stimmen

„Haben Sie später darüber gesprochen?“ Die Ärztin fragt ruhig, geduldig und ihr kommt unwillkürlich der Gedanke, ob die Ärztin im Privatleben auch so ruhig und geduldig sein mochte. Ob sie wohl Kinder hatte? Ob sie einen Mann hatte? Wie sie wohl sein mochte, wenn sie abends heimkam? Nur schwer vermag sie sich vorzustellen, wie ihre Ärztin sich in die Küche stellt und Fleisch brät.

„Ich habe ihn erst ein Jahr nach unserer Trennung wiedergesehen“, antwortet sie schließlich. „Und wir… wir haben nicht über uns gesprochen. Oder so. Er hat nicht gefragt, ich habe nichts gesagt. Er hat mir von einer anderen Frau erzählt.“ „Wie war das für Sie?“ „Ich weiß nicht“, sie zieht die Schultern noch, verharrt in dieser Position. „Ich wünschte ihm, dass er glücklich sei. Und mit mir… ging das ja ganz offensichtlich nicht.“ „Hat er Ihnen das gesagt?“ „Nein.“ Sie schaut zum ersten Mal der Ärztin in dieser Stunde klar und offen in die Augen. „Das musste er so nicht sagen. Er sagte, er sei glücklich. Er sagte, es gehe ihm gut. Und er sagte, er spüre mit dieser Frau endlich, was Liebe bedeutet.“
Sie schaut zum Birnbaum hinaus, ein Blick, den sie oft und gern verschenkt, wenn sie nachdenkt, wenn Erinnerungen erwachen und sie die rechte Zeit dafür bekommen möchte, diese zuzulassen. Sonnenschein gibt es heute keinen. Irgendwie trotzdem ein trostloser Anblick, denkt sie. Trostlos fühlt sie sich selbst jedoch nicht.
„Wie ging es Ihnen damit? Mit dieser Aussage?“
Sie antwortet nicht. Sie schaut noch immer auf diesen Birnbaum, doch vor ihren Augen hat sie das Bild, wie sie nebeneinander gesessen haben, auf dem Fußboden vor ihrem Sofa. Sie haben Tee getrunken und Kekse gegessen, über den mageren Körper hatte sie eine lange Strickjacke gezogen und die Haare zusammen gebunden. So wie er ihr Haar am liebsten mochte. Sie hat seinen Geruch geatmet, sie hat seinen Geruch geschmeckt und sie hat die Wärme seines Körpers an ihrem Arm gespürt. Wie vertraut er sich anfühlte, wie vertraut er schmeckte und wie vertraut seine Stimme klang nach diesem Jahr, in dem sie sich nicht sahen oder voneinander hörten.
Sie hat ihm zugehört, wenn er von der anderen Frau erzählte, sie hat ihm geantwortet, wenn er fragte.
„Warum haben Sie ihm nicht gesagt, was Sie für ihn noch immer fühlten?“
„Hätte es denn irgendeinen Sinn gemacht? Hätte es denn irgendetwas geändert?“
„Warum haben Sie ihn nicht gebeten zu schweigen? Sie hätten sich auch über andere Dinge unterhalten können.“
„Ja.“
Ja. Warum eigentlich nicht? Warum hat sie ihm zugehört, wie er von dieser anderen Frau erzählte und dabei wünschte, alles sei wie vor einem Jahr? Das kann sie nicht beantworten.
„Was ist dann passiert?“
„Nichts. Er ist gegangen, wir haben uns ganz normal verabschiedet.“
„Sonst ist nichts passiert?“
„Ich habe mir nicht die Arme aufgeschnitten oder sowas, falls Sie das denken. Ich habe mich anschließend nur fürchterlich übergeben. All den Tee, all die schönen Kekse. Ein Jammer.“
Einen Moment schweigen sie beide.
„Es ist ähnlich wie in Ihrer Ehe gewesen. Jemand verletzt Sie und Sie lassen es zu. Sie schauen zu und wehren sich nicht.“
„Es war nicht seine Schuld. Er wusste ja nicht, dass ich… dass ich ihn immer noch liebe.“
„Aber Sie wussten es. Und Sie haben nicht reagiert. So wie in Ihrer Ehe nicht. Sie mögen sich gegen die Verletzungen gewehrt haben, aber Sie haben nichts unternommen, dass es auch aufhört.“
„Ja. Ich weiß. Ich weiß, dass ich selber schuld bin.“
Die Ärztin beugt sich vor.
„Es geht hier nicht um Schuld“, antwortet sie eindringlich. „Es geht darum, dass Sie Verletzungen durch andere zulassen. Und wir müssen herausfinden, warum das so ist.“
„Ich bin müde. Darf ich jetzt gehen?“
„Wir haben gerade erst begonnen.“
„Ich bin trotzdem müde.“
„Malen Sie eigentlich immer noch?“
Überrascht schaut sie auf.
„Ja. Warum?“
„Wann haben Sie das letzte Mal gemalt? Und was?“
„Das Gesicht einer Frau. Die Hälfte ist verdeckt von ihren Haaren. Die andere Hälfte ist… groß, eigentlich… zu groß. Der Mund… Das Auge…“
„Sie haben sich selbst gezeichnet?“
„Ich weiß nicht“, sagt sie überrascht, „der Gedanke ist mir noch gar nicht gekommen.“
„Große Augen… Wissen Sie, Sie haben manches Mal so große Augen, als würden Sie erstaunt die Welt entdecken und erst jetzt feststellen, was es alles Schönes in ihr gibt. Dabei bin ich mir sicher, dass Sie um all dieses Schöne bereits wissen. Es ist nur… Vielleicht schauen Sie bewusster. Vielleicht nehmen Sie bewusster auf. Und je bewusster Sie aufnehmen, umso mehr lassen Sie es an sich heran.“
„Ich bin wirklich müde“, wiederholt sie nun, „ich muss jetzt wirklich unbedingt gehen.“
„Erlauben Sie mir, dass ich Sie später noch einmal anrufe?“
Sie zuckt die Schultern, unschlüssig.
„Gut. Dann… entlasse ich Sie für heute.“
Also geht sie, fährt sie heim, sie verkriecht sich in ihrem Bett, presst die Hände auf die Ohren, um den Stimmen zu entgehen, die die Erinnerung hervorgeholt hat.

***

Und nun sah er ihr zu und ihm fiel wieder ein, warum er sich in sie verliebt hatte, damals, vor wenigen Jahren.

Es war ihr Lachen.
Es war ihre Begeisterung, die ihn mitriss, die beinah kindliche Freude über die kleinen Dinge.
Es war diese Mischung aus Mädchen und Frau, diese wechselnden Rollen, die sie nicht spielte, die ihr nicht bewusst waren, diese Rollen, in denen sie ihm immer wieder begegnete und es ihm möglich machte,  sie immer wieder aufs Neue zu entdecken. Bei all den Sorgen und Problemen jedoch, gegen die sie beinah täglich ankämpften, hatte er fast dieses Mädchen in ihr vergessen. Sein Mädchen. Er ist froh, dass er diesen Tag mit ihr teilen konnte. Sie ist dankbar, dass er bei ihr ist.

Als sie spätabends die Galerie verlassen, zieht sie die Schuhe aus, läuft barfuss zum Auto und wirft sich in den Sitz. “Würden Sie mich nach Hause fahren, junger Mann?” “Tut mir leid, das geht nicht. Meine Frau kommt gleich. Meine wunderschöne Frau. Sie würden Sie mögen.” Sie schaut ihn an, dann lacht sie unvermittelt und hebt die Arme, um ihn zu umarmen.

Mittwoch, 22. Juli 2020

Die Last der Erinnerung



Dieser Titel hier.. Das war sozusagen Liebe auf den zweiten Blick. Ein Zufallsfund der letzten Nacht, wirklich reingehört aber habe ich erst heute im Lauf des Tages - und vor allem auf dem Weg ins Büro. Und jetzt kann ich nicht mehr damit aufhören..


Aus "Endlich!" von Ildiko von Kürthy


Zum Buch selbst gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Eigentlich eins wie das andere: Ihre Protagonistin ist immer etwa in der Mitte ihres Lebens, entweder Single oder auf dem Weg dahin mit den üblichen Aufregern um die Bauch-Beine-Po-Fraktion, die Bequemlichkeit der - wenn vorhanden - eingefahrenen Beziehung, und nebenher immer noch mit kleinen Seitenhieben auf die Welt des vermeintlichen Glamours. 
Aber es gibt einige wenige Dinge in diesem Buch, die etwas in mir in Bewegung brachten. 
Der Segen des Vergessens.
Die Wunden, die nicht heilen, weil sie nicht vergessen werden können.

Ich hatte es mir schon länger vorgenommen, doch erst heute habe ich jemanden angesprochen, und dieses miteinander sprechen fühlte sich wie eine Ergänzung des Ganzen an. Sie sagte zu mir, dass sie in den vergangenen Tagen zum ersten Mal den Mann an meiner Seite gesehen hätte, in meinem Handystatus - und dass sie ganz verwundert gewesen war, weil wir irgendwie nichts miteinander gemein hätten. 
"Es gibt nichts, worin ihr euch gleicht, die Wangen nicht, der Mund nicht, die Augen nicht, die ganze Gesichtsform  nicht."
"Du meinst, wir passen nicht?" amüsierte ich mich.
Sie lächelte.
"Eigentlich nicht, nein. Man muss etwas gemeinsam haben."

Eigentlich passen wir ja auch nicht. Er ist der Rationale, bei dem immer derselbe Mechanismus einsetzt: Was ist das Problem und wie löse ich es ? Er denkt nicht nur lösungsorientiert, er handelt auch so. Ausschließlich alles wird auf Problemlösung fokussiert. Emotionen spielen - wenn überhaupt - in dem Moment nur eine untergeordnete Rolle. Schlimmstenfalls werden sie zur Seite geschoben, sofern sie ihm hinderlich werden könnten. 
Als wir uns zum ersten Mal begegneten, trafen zwei verschiedene Welten aufeinander.
Er, der Realist, der Macher, der seinen Weg fokussiert und straight vorangeht.
Ich, der Träumer, der zwar auch macht, aber der seinen Weg summend entlangschlendert, hier und da eine Blume pflückt, sich auch mal ins Mohnblumenfeld legt und Steinchen zur Seite schiebt, die im Rücken pieken. 
"Ich kann auch genießen", sagt er und ich weiß, dass er es kann. "Aber ich kann es erst, wenn alles perfekt ist." Diesem Anspruch unterlag ich nie. Ich fühle mich nicht getrieben, alles jetzt und sofort umzusetzen, jeden Augenblick zu optimieren und aus allem immer nur das Allerbeste herauszuholen. 
Insofern.. waren unsere ersten Jahre keine glücklichen, keine unbeschwerten Jahre. Wir haben nur den Moment gelebt, bis wir uns wieder voneinander trennten und zurückließen. Bis wir uns anderen Begegnungen, anderen Menschen überließen und trotzdem nie zur Ruhe fanden...

Noch heute ist ihr dieser Moment gegenwärtig, als er sich zu ihr beugte und auf die Wange küsste und sie spürte: Er ist anders, er ist… besonders.

„Du Augenmensch“, hatte U. später gelacht und den Kopf geschüttelt.

Sie hatte mitgelacht und nicht geantwortet. Darauf zu antworten, käme ihr gleich, als habe sie ihn oder sich selbst zu verteidigen – es gab aber nichts zu verteidigen.

Ob es sein Lächeln war, ob es sein Geruch war, ob es sein offener Blick war oder einfach nur das Gefühl, dass sie in ihm etwas von sich wiederfand, das vermag sie bis heute nicht zu sagen. Sie weiß nur, dass jene Faszination noch immer in ihr lebt, mit jeder seiner Rückkehr vom Meer, wenn er im Badezimmer steht und sich den Bart abschabt und sie seinen leicht gebeugten Rücken betrachtet, während sie auf dem Wannenrand sitzt und ihm zusieht, um nicht einen einzigen dieser kostbaren Momente zu verschenken, in denen sie zusammen sein können.

Sie liebt es, seine Hemden auf ihrer nackten Haut zu spüren, seine Shorts zu tragen, ihre Musik zu hören, während sie Obst zerschneidet und darauf wartet, dass er mit dem Hund vom Lauf zurückkehrt.

Es gibt so viele Dinge, an die ich mich erinnere. Manchmal mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks, ganz gleich, wie lange her etwas auch gewesen sein mag. Doch wenn ich in eigenen alten Aufzeichnungen lese, dann erst wird mir bewusst, wie vieles.. mit der Zeit tatsächlich in Vergessenheit geraten ist. Wie vieles tatsächlich nicht mehr gegenwärtig ist..

„Dieser andere Mensch, wir sollten ihm einen Namen geben, oder auch Ihr jetziger Partner – glauben Sie ihnen heute nicht mehr?“

„Er heißt M.“ entgegnet sie gedankenverloren.

„Okay, M. Ihm und Ihrem Partner glauben Sie also nicht mehr?“

„Ich weiß nicht. Was M. denkt oder fühlt“, sie richtet den Blick wieder auf ihre Ärztin, „weiß ich nicht und es ist auch nicht mehr wichtig für mich. Er hat sich für sein altes Leben entschieden, ich mich für einen anderen Weg. Das wars. Er hat es sich eben einfach gemacht.“

„Zu bleiben… ist nicht immer der einfachste Weg. Und das wissen Sie.“

„Ja, ich weiß. Am Anfang ist es mir schwer gefallen, das zu verstehen. Ich muss die Dinge immer verstehen, damit ich sie akzeptieren kann. Ich fand ihn schwach, ich fand ihn feige. Doch letztlich… war es gar nicht wichtig, welche Entscheidung er für sich traf. Ich hatte die meine getroffen und die war ganz unabhängig davon. Ich hätte mit meinem Ehemann nicht mehr leben können. Oder wollen. Und schon gar nicht glücklich mit ihm sein können.“

„Haben Sie sich gewünscht, dass er zu Ihnen steht? Dass er Verantwortung übernimmt?“

„Wäre das nicht das Richtige gewesen, wenn es Liebe gewesen wäre?“

„Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“

„Mein Gott, ja, damals habe ich mir das gewünscht. Müssen wir das jetzt noch auseinander nehmen? Das ist doch alles lange her und längst vorbei!“

„Das ist Ihre Ehe auch“, antwortet die Ärztin sanft, „aber es lässt Sie bis heute nicht los. Und für Ihren Ex-Mann – wie heißt er eigentlich? – empfinden Sie sicherlich alles Mögliche, aber keine Liebe. Verstehen Sie? Sie leben nach einem ganz bestimmten Muster. Ein Muster, das nichts mit Ihrem Ex-Mann und auch nichts mit M. zu tun hat. Auch nichts mit Ihrem aktuellen Partner. Es liegt in Ihnen selbst. Sie sind auf der ständigen Suche nach Zuwendung, Nähe, Anerkennung. Das ist im Grunde nichts Schlechtes, im Gegenteil. Jedoch es wird vernichtend, weil Ihnen das schon verwehrt wurde, als Sie noch ein Kind waren, und es sich fortgesetzt hat in ihrer Ehe. Der Wunsch danach wurde zur Besessenheit und Sie stellen sich selbst sofort in Frage, wenn Sie nicht die Zuwendung bekommen, die Sie sich wünschen. Und das“, schließt die Ärztin, „ist der Kern unserer Arbeit. Wie können Sie von einem anderen Menschen erwarten, dass er sie bedingungslos liebt, wenn Sie es selbst nicht tun?“

„Mein Ex-Mann heißt D.“, antwortet sie nach einer Weile.

Ich schaue auf die alten Aufzeichnungen, finde mich darin wieder und irgendwie doch nicht mehr. Es ist so lange her, dass ich beinah glauben könnte, in den Aufzeichnungen eines anderen Menschen zu blättern, nur nicht in meinem eigenen vergangenen Leben. Und ich weiß nicht einmal, ob ich diese Schriften weiter fortsetzen könnte. Es ist nicht nur, dass soviel Zeit vergangen ist. Es ist nicht nur, dass ich tatsächlich vieles im Gestern zurückgelassen habe. Es ist vor allem, dass ich selbst in dieser Zeit weitergekommen bin, viel, viel weiter. 
Jetzt nach all der Zeit an die alten Aufzeichnungen anzuknüpfen, würde einfach nicht mehr passen.. 

„Warum bin ich es nicht wert?“ flüstert sie. „Warum bin ich es nicht wert, dass man sich auch um mich kümmert? Darum, was ich mir wünsche? Darum, was für mich wichtig ist? Warum kann man kommen und gehen, nur weil jeder es für sich gerade so entschieden hat? Warum gibt es für das, was mir so wichtig ist, immer Argumente dagegen? Warum komme ich immer zuletzt?“
Eine Pause entsteht. Sie weint so lange, bis sie sich vollkommen leergeweint hat und ihr der Ausbruch beinah schon wieder peinlich erscheint.
„Kommen Sie jetzt ja nicht auf die Idee, mir Pillen aufzuschreiben. Ich werde keine einzige nehmen.“
Die Ärztin beugt sich vor, sie lächelt.
„Ich wüsste gar nicht, warum ich das tun sollte. Sie beginnen endlich, sich selbst wahrzunehmen, Ihre eigenen Bedürfnisse. Ich werde den Teufel tun, Sie daran zu hindern.“
„Und wie geht es jetzt weiter? Was fange ich mit all diesen Fragen an, auf die ich keine Antwort bekomme? Alle sind sie irgendwo, aber keiner ist hier. Nicht hier bei mir.“
„Der nächste Schritt wird sein, wie Sie selbst Ihr Leben füllen. Das liegt in Ihrer Verantwortung, in Ihrem Tun. Und auch nur Sie entscheiden darüber, ob und wer Sie dabei begleitet, wer an Ihrem Leben teilhaben darf. [...] „Wenn wir erreichen können, dass Sie wieder in das Leben zurückfinden, von dem Sie immer träumten, dann ist es genau das, worum es von Anfang an ging.“
**
Was, wenn sie feststellte, dass das Leben so bunt und süß war und sie ihn darin gar nicht mehr brauchte? Was, wenn sie feststellte, dass das Leben, das sie führten, gar nicht mehr das war, wovon sie geträumt hatte?
**

Sie versucht sich vorzustellen, wie das Leben ohne ihn wäre. Würde sich viel verändern, wenn er eines Tages nicht mehr käme? Würde sie nicht wie beinah jeden Morgen ohne ihn erwachen, ohne ihn den Kaffee trinken, in ihren Buchladen gehen, spazieren gehen, abends lesen, schreiben, malen, Musik hören? Würde sie nicht wie beinah jede Nacht ohne ihn einschlafen, irgendwann, die Laken zerwühlen und viel zu oft aus wirren Träumen erwachen? Wie oft kann sie nicht mit ihm sprechen, obwohl sie es gerade braucht? Wie oft kann sie ihn nicht berühren, obwohl ihr gerade so sehr danach ist?
Was also wäre anders, würde er eines Tages nicht mehr zu ihr kommen?
Sie blättert gedankenverloren in diesem Buch.

Alles.

Alles würde anders. 

Ich bin dankbar um den Segen des Vergessens.  

Aufgeschnappt

Da bin ich nun wieder in L, und während der eine Junge schon schläft nach der langen Schicht, ist der andere noch immer im Dienst unterwegs und wird vermutlich irgendwann gegen Mitternacht nach Hause kommen. Und so lümmel ich hier auf meinem Sofa, schaue und lese herum und lese amüsiert einen Stöckchen-Post, von dem ich beschließe, es aufzusammeln und in mein eigenes Bloghäuschen zu tragen. 

1. Welches ist Dein Sternzeichen?
Öhm. Man sagt, mit dem meinen hätten die Menschen zwei Gesichter. Also ehrlich, ich hoffe, ich habe mehrere ;) 
Amüsiert hat mich, dass der Mann und ich eigentlich überhaupt nicht zusammenpassen (sollen).
Uns retten vermutlich unsere Aszendenten ;) 

2. Was ist das schönste Gefühl der Welt?
Wenn es denen, an denen mein Herz hängt, gut geht. 

3. Was ist der langweiligste Ort der Welt?
Oben auf einem Berg ;) Und hey, Clara, nein, ich bin nicht faul. Ich kann dafür stundenlang und kilometerweit am Strand entlanglaufen. Ein Gipfel gibt mir einfach nix, ich habs ja versucht. Der Mann steht da oben ganz begeistert und kriegt sich gar nicht mehr ein vor Freude und ich steh da und denke: "Öhm. Ja. Nett." Da ist einfach kein Funke. Nix. 

4. Wenn Du an einem beliebigen Platz auf der Welt leben könntest, wo wäre das?
Auch wenns langweilig ist zu hören: am Meer. Ich kann nur dort dieses unfassbare Glücksgefühl empfinden. Dieses Gefühl, dass alles gut ist oder gut wird. Dass ich frei bin. Dass ich ein Vogel bin, der tief über den Wellen fliegt. Dabei mache ich gar nicht fest, an welchem Ufer das wäre. 

5. Für Reisen: Bahn oder Flugzeug?
Ich bin ein Flugschisser. Unvergessen für mich der Moment auf dem  Nacht-Flug von Indien nach Deutschland. Ich mit Brechdurchfall aller fuffzehn Minuten auf die Bordtoilette. Und während du dich da mit blankem Allerwertesten quälst, diese Durchsage "Bitte nehmen Sie Platz und schnallen Sie sich an, wir haben unerwartete Turbulenzen."
Da lernst du das Beten: "Lieber Gott, wenn es dich wirklich gibt, dann lass mich BITTE NICHT SO unwürdig ums Leben kommen!"
Also wenn ich nur Bahn oder Flugzeug wählen darf, dann halt Bahn!

6. Glaubst Du an Liebe auf den ersten Blick?
Ja. Noch bevor ich es selbst erfuhr.

7. Blond oder brünett?
Ist mir sowas von egal. Ich will jemandem in sein Gesicht schauen und das Gefühl haben, etwas wiederzuerkennen. 

8. Wonach suchst Du in einer Frau?
Nun. Der eigentlich Befragte war ja ein Mann - ich bin eine Frau, also darf ich sicherlich umformulieren: Was suche ich in einem Mann?
Wie schon gesagt - ich muss das Gefühl haben, etwas wiederzuerkennen. 
Das ist schwierig in Worte zu fassen. Vielleicht möchte ich etwas von mir selbst im anderen wiedererkennen. Von der eigenen Sehnsucht. Denn ich kann mich von vielem bereichern und inspirieren lassen - aber eine Bindung entsteht für mich hieraus nicht. 

9. Wie sieht Deine Traumfrau aus?
Ich darf noch mal abwandeln? Danke :)
Ich fühl mich angezogen von Menschen, die sich in ihrem Wesen und in ihrem Denken etwas Kindliches bewahrt haben. Einen Mann, der etwas Jungenhaftes hat, finde ich sehr reizvoll. All die Abgeklärten, die glauben, schon alles gesehen und erlebt zu haben, die sehen meistens auch genauso aus und geben sich auch so. Das finde ich ermüdend. 
Aber eine Oberflächlichkeit gönne ich mir: Er muss bitte größer sein als ich - da stehe ich drauf. Auf große Männer.

10. Was würdest Du tun, damit sich jemand in Dich verliebt?
Nichts. Weil die Wahrheit ist: Du kannst niemanden in Dich verliebt machen. Entweder ist da was oder da geht nix. 
Und ich persönlich, ich kann mich auch nicht verstellen. Mein eigenes Ich drängelt sich immer wieder nach vorn. 

11. Gibt es jemanden, den Du aufrichtig hasst?
Nein. Hass bedeutet eine Menge negative Energie, die ich nicht besitze.

12. Gibt es etwas, das Du aufrichtig hasst?
Wie schon gesagt - Hass ist ein starkes Wort, eine starke Negativität. Aber wenn mich etwas richtig, richtig wütend macht, dann ist das Gewalt, gleich welcher Art. Physisch und psychisch.

13. Sammelst Du irgendetwas?
Erfahrungen! Muscheln. Strickjacken.

14. Was ist an der Wand in Deinem Schlafzimmer?
Nur Farbe. Aber Rain, sag mal, Wandtattoos? Echt jetzt? 

15. Wer ist Dein Lieblings-Comic-Zeichner?
Hm. Kein bestimmter.

16. Was ist Dein Lieblingscomic?
Als Kind habe ich die Mosaik-Hefte von Hannes Hegen geliebt. Und die Mama war so gnädig, sich immer ein Heft aus dem Kreuz leiern zu lassen :) 

17. Wer ist Dein Lieblingsmaler?
Da habe ich tatsächlich keinen. 

18. Glaubst Du an Inspiration durch Kunst?
Ja unbedingt. Wenn ich Bilder sehe, will ich auch solche malen und dabei kommt dann immer etwas ganz anderes heraus :)

19. Welche Art Restaurant hast Du am liebsten?
Die Studentenbars. Vermutlich, weil ich damit meine ganz persönliche Entdeckungsreise begonnen hatte. Damals, 2002. Stell dir vor.. Du lebst etwa 15 Jahre vor den Toren einer Stadt, ohne sie auch nur irgendwie ein bisschen näher kennengelernt zu haben. Eigentlich kaum vorstellbar - aber so war das wirklich. Für mich verbinden sich also die Studentenbars mit dem Erwachen... 

20. Was ist Dein Lieblingsgetränk?
Aktuell liebe ich kaltes klares Wasser, dazu eine Zitrone aufschneiden und bisschen Saft hineinträufeln. Und wenn der Mann unbedingt will, trinke ich auch mal ein Glas Weißwein oder Rose mit. Aber mehr als ein halbes Glas schaffe ich selten, den Rest nimmt er sich dann. 
Wenn wir aber unterwegs sind, bevorzuge ich Cocktails. 
Unvergessen die Caipirinha-"Party" zur Zeit der Schmerzklinik anno 2008. Ich glaube, wir waren zu viert. Und weil im Angebot, bekam jede von uns einen halben Liter Caipi. Na ja. Nicht nur einen. Wir haben auf dem Heimweg zur Klinik gesungen, laut und falsch und fröhlich, und dann kamen wir die Treppe hoch, links umme Ecke und da verlor die eine den Halt und steuerte zielgerichtet in eine Gruppe von Aluminium-Abfallbehältern. War DAS ein Krach! War DAS ein Gaudi! Vor allem, weil die partout nicht wieder aufstehen konnte ;) 
Edit um 00.01 Uhr: Wie kann es sein, dass ich bei DER Frage NICHT an das Käffchen dachte?? Gibts doch gar nicht :) 

21. Was ist Dein Lieblingsfleisch?
Fisch und Geflügel.
Oh scheiße... Ich hab ja  noch Gulasch auf dem Herd. Moment!!

...Mooaarrrr!!!! Jetzt isser aber richtig schön durch - da wird sich die Jugend morgen wieder alle zehn Finger ablecken :) 

22. Was ist Dein Lieblingskleidungsstück?
Zur Zeit liebe ich Kleider in allen Längen. Die lassen sich so super kombinieren mit Turnschuhen oder DocMartens. Ich hab aber auch nix gegen Blue Jeans, Turnschuhe und Shirt.

23. Was ist Deine Lieblingsfarbe?
Muss ich mich wirklich entscheiden??? Ich liebe schwarz und meine Kolleginfreundin sagt immer, dass mir das total stünde. Ich liebe aber auch rot. Ich liebe auch weiß und blau. 

24. Was ist Deine Lieblingsblume?
Am allermeisten liebe ich Klatschmohn. Habe mir vorgenommen, mich mal umzuschauen, ob man die auch als Samen bekommt. 
Als wir Mitte Juni von unserer ersten Küstentour wiederkamen, haben wir bei einem Zwischenstopp ein so wahnsinniges Mohnblumenfeld gesehen, dass ich schier dachte, ich würde verrückt!!! Sowas habe ich wirklich vorher noch nie niemals gesehen - und ich bereue es immer noch von Herzen, den Mann nicht zu einem Stopp überredet zu haben. Ein Foto zu machen. Vom Mohnblumenfeld und dann nochmal ich mittendrin im Mohnblumenfeld.. Weil.. Mohnblumen und ich, das gehört genauso zusammen wie das Meer & ich. 
Und ich liebe unfassbar sehr Kastanienbäume. 
Unvergessen der "Strauß" Kastanienzweige als Geschenk zum Einzug in meine allererste eigene Wohnung damals nach der Ehe. Mitten im Februar und richtig geile Knospen. Glaubt ja auch kein Mensch - aber die waren echt. Und echt vom Gärtner. 

25. Was ist Deine liebste Jahreszeit?
Frühjahr und Herbst.
Am Frühjahr liebe ich es, wenn alle Knospen aufplatzen, wenn das erste satte Grün großblättrig an den Zweigen hängt. Die Kirschblüte! Letztes Jahr in Bonn - das war so geil, wirklich. Daran denke ich noch heute richtig gerne.
Am Herbst liebe ich all die rotgoldenen Farben der Bäume, der Sonne..
Es war im Film "Das Haus am See", da sagte der Vater zu seinem Sohn: "Es ist das Licht. Am Ende ist es immer nur das Licht."
Mehr muss man dazu nicht sagen.

26. Was ist Deine bevorzugte Tageszeit?
Nun. Zwar bin ich kein Morgenmuffel, aber morgens hab ich es gerne entspannt und ruhig. Mit Hektikern kann ich da nicht viel anfangen. Wenn der Mann also 5.30 Uhr joggen will, kann er das genauso genüßlich tun wie ich mich noch mindestens viermal rumdrehe, mich dann vom Kaffeeduft locken lasse und auch nicht wirklich gesprächsbereit bin, bevor die erste guten-Morgen-Tasse-Kaffee vollendet genossen wurde. Also zuhören kann ich dann schon, aber mehr als "Mmhm" oder "Hmmm" oder so bekommt man dann nicht von mir zur Antwort. 
So wirklich aktiv werde ich, glaub ich, erst gegen Mittag. Da mich der Mann das aber meist nicht lässt, habe ich bis mittags schon eingekauft, Ordnung gemacht und gebügelt. 
Meine eigentliche Zeit aber beginnt vermutlich erst gegen Abend.. Wenn der Mann bereits darüber nachdenkt, obs Zeit wäre, zu Bett zu gehen, dann lege ich mir erst noch Musik auf - und dann isses sowieso gelaufen. Mit Musik.. ist das ja auch so eine Sache.. Musik kann ziemlich viele Wunden heilen - aber auch alle wieder aufreißen. 

27. Wann ist die beste Zeit für Sex?
Na wenn man Lust hat? Glücklicherweise sind der Mann und ich uns in dem Punkt fast immer einig ;) Stell dir mal vor, du hast einen, der weniger Lust hat - oder einen, auf den du keine Lust mehr hast. Oder noch schlimmer, einen, der dich nicht mehr will. 

28. Bei welchem Film warst Du zuletzt im Kino?
Das war zum "Leberkäsjunkie" - ich liebe die Eberhofer-Reihe. Auch wenn sich das Thema langsam bisschen abnudelt, irgendwie. Aber mich erschreckt grad die Tatsache, dass ich vor einem Jahr zuletzt im Kino war. VOR EINEM JAHR!!! Was ist los mit mir?? Ich liebe doch Kino!? Ich liebe Popcorn, eine eisgekühlte Coke, Kuscheln, Schmusen, Gucken. Und wieso lasse ich dann gleich ein ganzes Jahr verstreichen?? Mir ist ja echt nicht zu helfen!

29. Welches ist Dein Lieblingsfilm?
Ich habe nicht nur einen Lieblingsfilm :)

30. Was ist Dein Lieblingssexfilm?
Ich schwöre, ich habe den Titel vergessen! 

31. Was ist Dein Lieblingswort?
Ich komm grad nicht drauf, ehrlich. Manchmal sag ich das zum Mann und dann muss der immer lachen. Vielleicht sollte ich nicht immer Musik hören beim Bloggen, das lenkt zu sehr ab ;) 

32. Welche Lieblingsband/Sänger/in?
Auch da bin ich nicht festgelegt. Wie könnte ich auch. Es gibt so viel unfassbar schöne Musik.

33. Welches Musikalbum ist immer in Deiner Rotation?
Mit Alben ist es schwierig. Es gibt nur zwei, die ich in Gänze mag, nein, liebe - und das vermutlich auch nur, weil ich etwas damit verbinde.
"Come away with me" von Norah Jones. 
"Eyes Open" von Snow Patrol.

34. Was für Sport magst Du?
Ich war Skater-Fan, bis ich stürzte und mir das Steißbein brach. Ich würde mir gerne Rollschuhe kaufen und da weitermachen. 

35. Wenn Du jemanden Deiner Wahl treffen köntnest, lebendig oder verstorben, wer wäre das?
Meine Großmutter. Ich würde sie bitten, mir ihre Strickjacke da zu lassen. Damit mir etwas von ihr für immer bleibt. Etwas außer das Foto auf meinem Bilderregal.

36. Glaubst Du an Gott?
Nun jaaaaa! Ich habe ihn angefleht - und er hat mich nicht mit nacktem Arsch im Flugzeug abstürzen lassen! Ich bin noch unsicher, ob ich einfach nur verdammtes Glück hatte oder ob da wirklich wer ist ;)
Vor ein paar Monaten hat mein Junge für jeden von uns einen Glücksstein gekauft. Den trage ich immer um den Hals, der Stein liegt in Höhe des Herzens. Meistens so, dass ihn niemand sieht. Aber er ist da.. Und er bleibt auch da. Vielleicht möchte ich ja daran glauben..

37. Was für schlechte Gewohnheiten hast Du?
Der Mann wird immer irre, sobald er sieht, dass ich an meinen Fingernägeln rumknispel. Das kann der auf den Tod nicht ab. Wenigstens kann ich ihn verstehen ;) 

38. Was war das Cleverste, das Du je getan hast?
Mich scheiden zu lassen.

39. Was ist das Dämlichste, das Du je getan hast?
Den falschen Mann nicht nur zu heiraten, sondern die Kinder mit dem zu haben. Ich hätte mir so viel lieber eine echte Familie gewünscht. 

40. Was war das Mutigste, das Du je getan hast?
Nochmal: mich scheiden zu lassen. Er hat lange mein Leben bedroht. Was ihn letztlich davon abgehalten hat, wird jedenfalls nicht Vernunft gewesen sein. 

41. Was würdest Du an Deiner Art zu handeln ändern wollen?
Ich wär in manchen Dingen gerne konsequenter. 

42. Was würdest Du an Deinem Aussehen ändern wollen?
Na ja, seien wir doch mal ehrlich: Natürlich stehe ich schon manchmal vorm Spiegel und denke "Öh! Das war aber gestern noch nicht da!" und dann strecke und ziehe ich da und dort und denke "Och ja, wär schon schöner". Aber auch ganz ehrlich: Perfekte Gesichter - gibt es etwas langweiligeres?
Ich will kein perfektes Gesicht. Keine perfekten Zahnreihen (aber gepflegt bitte sollen sie sein). 
Gestern habe ich ne Sendung mit der Katrin Weber gesehen. Früher mochte ich ihren Humor, inzwischen empfinde ich ihn als etwas zu bemüht. Aber viel schlimmer finde ich ihr Gesicht. Wenigstens hat sie ja noch Stirnfalten. Aber die Wangen.. Bei Botoxgesichtern finde ich so gruselig, wie irgendwann die ganze Masse nach unten sackt, was man vor allem auch am Mund sieht. Alle Botox-Uschis bekommen einen Entenschnabel, leider einen unschönen. 
Grad muss ich schmunzeln, weil mir einfällt, dass der Mann anfangs von mir glaubte, mein Mund sei aufgespritzt. Ja ne, mein Lieber, der ist echt und n Erbstück. Vom Papa, würdsch sagen. 

43. Werden Dir diese Fragen langsam zuviel?
Ja aber echt ey! Ich hab schon bei ungefähr der Hälfte gedacht, vielleicht wieder abzukürzen wie bei manch anderen Fragebögen - und in den 30ern dachte ich "Boar ey, hört das heute überhaupt nochmal auf?"
Aber ich hätte ja auch wesentlich kürzer und knapper antworten können. 
Immerhin, jetzt bin ich durch. Was gut ist, der Akku steht bei 13 % und ich hab keinen Bock mehr. Ich könnte jetzt noch ne Runde Medical Detectives gucken, so zum Einschlafen? N Käffchen dazu wär eigentlich auch nicht schlecht - ich kann da ja trotzdem einschlafen. 
Koffein um Mitternacht macht mir gar nix. 

Dienstag, 21. Juli 2020

Lonely Hearts


Da sind wir nun wieder zurück, nach zehn Stunden Fahrt, unzähligen Bechern Kaffee, kleinen Pausen und vor allem der Musik, so lange, bis der Player schlappmachte und der Mann anmerkte: "Das Kabel liegt irgendwo in irgendeiner Tasche irgendwo im Auto."
Ich liebe es ja, nach Hause zu kommen, die Tasche, den Koffer abzustellen, die Wäsche zu sortieren, die noch so wunderbar nach Meer atmet, dass die Waschmaschine rummelt, während wir alle Fenster öffnen, Sonne und Wind in den angestaubten Raum hineinlassen.. In solchen Momenten wird mir bewusst, wie privilegiert wir sind, wir gut wir leben und wie gut wir es haben. In solchen Momenten fällt es mir etwas schwerer zu lesen oder zu hören, wie eingeschränkt manch einer sich derzeit (immer noch) fühlt. Nachvollziehen kann ich es nicht wirklich, denn Einschränkungen.. Haben wir die wirklich noch? Begegnungen sind längst wieder möglich, jederzeit mit jedermann, wenn man sie denn wollte. Oder... könnte. 

Heute Abend hat der Mann mir die Reisetasche wieder vom Schrank auf den Boden gestellt, denn schon morgen gehe ich wieder auf Reisen. Und bei dem Gedanken daran krampft sich in mir etwas zusammen. Ich habe keine Furcht vor morgen, aber ich habe Furcht vor dem Ausmaß noch nicht bewältigter Konflikte und vor dem, das dieses noch-nicht-gelöst im anderen bewirkt. 
Ich habe ein Versprechen gegeben, von dem ich mir in jenem Moment sicher war, es einlösen zu können. Und im Grunde glaube ich immer noch daran. Aber seit Tagen habe ich das Internet rauf und runter gesucht, nach Lösungen gesucht, Kontakte gesucht - und noch nicht gefunden. 
Tagsüber gelingt es mir, mich abzulenken, mich wegzudenken, doch wie sehr es mich beschäftigt, sehe ich an den Farben der Träume in der Nacht. Von Bedrängnis, von Not, von Morden. 
Ich möchte die Zuversicht in mir wieder mehr entfachen, so weit, dass sie mich auch nächtens zu tragen vermag. Dass ich selbst erst einen Sprung wagen kann, wenn etwas anderes geregelt ist, damit kann ich gut leben. Ich fühle mich nicht zurückgehalten, nicht gehindert, nicht eingeschränkt. Dass ich selbst noch warten muss, lähmt mich nicht. 
Aber dieses "noch ein halbes Jahr so, dann brech ich zusammen" - das macht mir den Kopf schwer. Die Vorstellung, wie sich bestimmte Situationen anfühlen müssen, das bringt mich um die Ruhe in meinem Kopf, in meiner Seele, nach der ich mich so gesehnt hatte in diesen Tagen am Meer. 

"...you're walking alone to find better day
although you hold on to yesterday.
You wonder how you got there, in this game
fighting yourself and your name.
It's hard enough to deal with your inner demons
live in oblivion
with a dream of stars.

Lonely hearts keep rolling on your side
you can hardly ever take things just the way they are.
And you gotta believe 
try to believe 
everything has its own time..."

Früher dachte ich immer, es ist so leicht, so einfach, von sich selbst abzugeben, von der eigenen Fülle an Hoffnung, Zuversicht und dem Denken, das nach vorn gerichtet ist. Im Grunde ist es auch leicht, nur.. Inzwischen habe ich verstanden, dass dieser Schatz in einem selbst nicht endlos ist. Er will gehütet werden. 
Wenn mir etwas Unangenehmes bevorsteht, dann spreche ich mir immer wieder Mut zu, indem ich mir sage "Denke einfach an einen Tag in der Woche danach. An diesem Tag in der folgenden Woche ist alles überstanden, ist das Schlimmste überstanden und alles andere kann dann in Ruhe werden."
Das versuche ich mir auch jetzt immer wieder zu sagen. Es ist nur nicht einfach. Es ist gar nicht einfach, wenn Du das nicht für Dich selbst denkst, sondern für jemanden, der Dir alles bedeutet. Und vor allem, wenn Du nicht weißt, wann diese nächste Woche beginnt. Während die Uhr tickt.

Donnerstag, 16. Juli 2020

Baby I Love You


Vielleicht ist der Text ja doch ein bisschen schnulzig, aber.. Wir lieben ja beide irgendwie die alten Dinge, deswegen lieben wir auch uns :D Aber ob nun schnulzig oder nicht.. Es wäre genau das, was ich Dir nachts flüsternd ins Ohr singen wollen würde. (Aber dazu muss ich vermutlich noch ein bisschen Text üben ;)
Es ist aber auch ein Song, von dem ich mir vorstelle, wir würden nicht wie an manchen Abenden auf der Sofalandschaft lümmeln, die Musik hören und uns gegenseitig ansingen, sondern wir sind gerade auf dem Weg ans Meer, lassen Beine und Seele baumeln und schreien vor Freude. 

Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du das Leben führst, das Dich glücklich macht. Dass Du die Menschen darin hast, die Du auch bei Dir haben möchtest. Dass Du alles hast, um Dich "vollständig" zu fühlen. Dass Du Dir die Träume erfüllen kannst, die Du Dir am sehnlichsten wünscht. Dass Du nicht länger glaubst, schon alles gesehen und erlebt zu haben, sondern immer wieder Neues zu entdecken vermagst. 
Und ich wünsche mir, dass ich Dir dabei zusehen und Dich dabei begleiten darf. 
(Solange ich dafür nicht mit auf einen Berg steigen muss ;))

Alles Liebe zu Deinem Geburtstag.

Freitag, 10. Juli 2020

Abhängigkeiten


Ich habs schon ziemlich lange nicht mehr gesagt bekommen, aber heut war wieder einer der Tage, an dem ich mir sagen ließ, dass man sich ja vielleicht doch mal trennen sollte.
Und mit der Gleichmütigkeit eines Mulis antwortete ich: "Ja, mach mal."

Nicht zum ersten Mal fühle ich mich ein bisschen an die Zeiten der Ehe erinnert: Der Ex hat so oft mit Scheidung gedroht, aber nie damit gerechnet, dass ich eines Tages von mir aus gehen würde, und zwar unwiderruflich.
Und hier.. Es ist nur eine dienstliche Verbindung. Eine, in der ich mir tatsächlich jeden einzelnen Tag vordergründig private Sorgen, Frust, Ärger anhöre, zuhöre. Eine dienstliche Verbindung, in der ich nicht nur meine jobtechnischen Aufgaben erledige, sondern mindestens genauso viel Privatkram, der nicht meiner ist. Die gerne auch in den späteren Abendstunden oder an den Wochenenden zum Telefon greift und meine Nummer wählt. Auch wenn ich tatsächlich mal krankgeschrieben oder im Urlaub bin. Ich lasse es zu, nicht weil ich mich nicht abgrenzen kann. Sondern weil ich es den Umständen zuschreibe, die sicherlich alles andere als entspannt sind.
Nur letztlich kann ich nichts für genau diese Umstände, die man(n) sich selbst ausgesucht hat. 
Und dass man als Assistenz jegliche Launen zuerst und ungefiltert abbkommt, erlebe ich nicht nur in diesem Unternehmen. Meist kann ich es abfangen - aber niemand ist allein auf der Welt. Jeder von uns hat auch Sorgen, eigenen Kummer, eigene Schwächen - und seine eigenen Stärken. 
Aber das interessiert nicht. Niemand interessiert. Niemand außer er selbst und die Menschen, an die er aktuell sein Herz gehangen hat. 
Das alles ist nicht neu, aber im Moment kann ich weniger gut damit umgehen, gesagt zu bekommen, wie sehr jeder nur an sich selbst denkt, auf niemanden Verlass sei und jeder mache, was er wolle. Nur weil du nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehst und nicht auf den Punkt genau immer gerade der Erwartung entsprichst. 
An diesem Punkt bin ich aufgestanden und habe sein Zimmer verlassen. Ich konnte es mir nicht mehr anhören. Da war nicht mal Frust oder gar Wut. Da war nur Leere.
Gemischt im Bewusstsein, dass es völlig egal ist, was du leistest, was du gibst, was du erreichst. 
Alles wird gegenstandslos, löst sich auf im Nichts, sobald du nur ein einziges Mal nicht erwartungsgemäß funktioniert hast. 
Im Moment kann ich auch weniger gut mit der Aussage umgehen, dass in unserem Unternehmen sozialistische Zustände ausgebrochen seien, nur weil Eltern von Kleinkindern Arzttermine wahrnehmen oder auch mal ganz ausfallen. Dass niemand so tough sei wie man es einst selbst war, als man noch "mit 40 Fieber als Angestellter zum Dienst kam". 
Ich frage mich.. Wofür soll man das tun? Wofür soll man bis aufs Blut alles geben - wofür?
Du bist viel schneller ersetzt als du vergraben werden kannst - und du bist schneller vergessen als du glauben wollen würdest. Deine Gesundheit kann dir niemand zurückgeben - auch nicht jemand, der die allermeisten Dinge nicht mit Empathie, sondern Geld löst.
Ich kann im Moment nicht gut damit umgehen, dass schlecht über Menschen gesprochen wird, die nicht im Raum sind. 
"Du bist das Vorbild. Wenn du so über Mitarbeiter sprichst, dann glauben der eine oder andere, dass sie das auch dürfen."

Als die Lieblingskollegin und ich heute Abend weit nach Feierabend und als Letzte das Büro verließen und die Tür hinter uns abschlossen, uns für einen Moment ganz sehr in den Arm nahmen, da begann er im Kopf, der Urlaub.
Und als mein Junge heute mal für mich das Taxi spielte und währenddessen diesen Song in den Player warf, da begann der Urlaub auch in meiner Seele. Mit einem Mal fiel die Belastung von mir ab, rückte alles ganz weit weg von mir. Der fröhliche Abend in der Gosenschenke tat sein Übriges. Ich hatte fast vergessen, wie urig es dort ist. 
In meinen Gedanken bin ich schon auf Reisen, vergrabe ich schon meine Zehen im weichen Sand und warte einmal mehr auf die im Kopf längst zurechtgeformten Entwicklungen, mit denen es mir endlich möglich wird, einen weiteren Sprung zu tun.. 

Aber jetzt, jetzt muss ich endlich schlafen. Denn morgen früh geht es los - und ich freu mich sehr, sehr, sehr auf das Meer. 

Dienstag, 7. Juli 2020

Schlussakkord - End of Story

"Können wir kurz reden?" fragte sie und ich antwortete "Ja, ich bin nur grad unterwegs, kein Problem."
Sie sprach mit mir die letzten Ergebnisse durch, widersprach auch ihrer Information von letzter Woche. Da arbeiteten die Nebennieren zu wenig. So wenig, dass sie medikamentös nachhelfen wollte und mir das Rezept auch schon vorsorglich mitgab. Diese Woche heißt es: Alle Werte sind top. 
Ob ihr der Widerspruch bewusst war, habe ich sie nicht gefragt, ich habe einfach nur zugehört. Und eigentlich ist es ja auch immer gut, wenn etwas gut ist. 
Dass ihre Untersuchungen aber nunmehr abgeschlossen sind, alle Werte super sind und ich das Rezept von letzter Woche entsorgen kann und soll, dass ich mich - wenn ich möchte - irgendwann wieder vorstellen kann zur Nachkontrolle - und dass wir uns sonst nicht mehr wiedersehen (müssen). 
Vielleicht hatte ich im Erstgespräch etwas missverstanden oder fehlinterpretiert, kann schon sein. 
Als sie sagte, sie möchte alles neu aufrollen und anschauen. 
Nun also doch nicht. 
Ich könnte ja alles nochmal rheumatologisch und neurologisch abklopfen lassen, empfiehlt sie mir. Doch die Fäden wird nicht sie in den Händen behalten. 
Sie wird eine Zusammenfassung an den Hausarzt schreiben. Soll der halt gucken, ob und was gemacht wird. 
"Das Cortison hat gewirkt, na gut, aber Cortison wirkt ja auch auf den Bewegungsapparat, von daher ist das nicht ungewöhnlich."
Ungewöhnlich nicht. Nur dachte ich, es sei richtungsweisend. Zumindest das hatte der Hausarzt vor Wochen zu mir gesagt. Aber vielleicht habe ich den ja auch missverstanden. 
Für den Moment aber trank ich nur meinen Kaffee zuende, ordnete die hin-und-her-Gedanken, bis ein aufblitzendes Rotlicht mich aufrüttelte.
Verdammt.
160 statt 120 - das wird lustig. Ne, teuer. Und sportlich.

Der Mann raufte sich das Haar.
"Wieso telefonierst du während der Autofahrt??"
"Äh... Ich hab ne Freisprech?"
"Ja und?? Aber es lenkt ab, das hätte doch auch warten können, bis du angekommen bist."
"Ja nun.. Ich wollt halt schon wissen, wie es weitergeht." Nur dass es nun eben nicht mehr weitergeht. 
"Na toll. Aber wir müssen jetzt leiden!"
"Äh.. WIR?"
"Natürlich WIR! Wie machen wir das jetzt mit dem Urlaub und mit dem Wocheneinkauf?"
Ach sooooo! Na wenns nur das ist... könnenmer ja beruhigt sein.
"Keine Sorge. Soo schnell kommt der Bescheid nicht, immerhin fahren wir schon Freitag. Erstmal krieg ich ne Anhörung und eh dann der Bescheid kommt, ist der Urlaub längst vorbei. Und den Einkauf... Ist ja nun dem Kummer sein Kleinster."
"Und du kannst dann vier Wochen nicht pendeln."
"Ja dann hast mich halt vier Wochen lang am Hals."
Und die Jungen werden das auch überstehen. Sohn II verdient inzwischen ein paar Hunderter mehr als ich. Und für Sohn I hatte ich die Steuer fürs letzte Jahr gemacht gehabt, dürfte sich frei nach Adam Riese noch mehr lohnen als die zwei Jahre davor und schon für die gabs nen warmen Geldregen. Den Rest kriegen sie auch alleine gebacken. 



Aber ich... Ich sitze jetzt hier in der Küche, vor mir der Laptop, neben mir auf dem Herd schmurgelt das Abendessen für den, der grad zum Sport los ist, und für den, der miesgelaunt in seinem Zimmer die Stimmung auslüftet. Nachdenklich sitze ich hier und irgendwie.. tut es auch weh. Auch wenn ich mir im Vorfeld immer und immer wieder mantramäßig eingetrichtert hab: "Keine Erwartungen! Keine Hoffnungen!"

Ich muss mich einfach damit abfinden, dass es keine Lösung geben wird. 

Ich will keine Wege mehr gehen und nichts mehr ausprobieren. Ich hab wirklich, wirklich genug. 

Es ist wie es ist. So lange, wie es geht, gehts. Und wenns nicht mehr geht, dann werde ich eben strunzdumm sterben, aber eben nicht zweihundertjährig. 

Und mit diesem Gefühl muss ich grad alleine klarkommen. Werde ich auch.
End of Story.




Donnerstag, 2. Juli 2020

Was war das letzte Nacht?


Es heißt immer, wenn sich jemand nicht meldet, dann ginge es ihm gut. Meiner Erfahrung nach stimmt das so überhaupt nicht. Wenn es still um jemanden wird, kann es auch etwas ganz anderes bedeuten.

Mir ging so vieles durch den Kopf dieser Tage. Einiges, das mich selbst betrifft, anderes, das mich nicht betrifft und trotzdem berührt. "Hast du nicht genug eigenes?" fragt manchmal der Mann. Und dann fügt er hinzu "Dir hilft doch auch niemand." 
Erstens - finde ich - stimmt das nicht. Es stimmt nicht, dass mir niemand hilft. Allein wenn dir nur mal jemand zuhört, kann das ungemein helfen. Und selbst wenn es keine Sofortlösung gibt - allein das Wissen darum, dass dir jemand helfen will und das auch ehrlich so meint, allein das hilft erstmal ein ganzes Stück weiter. 
Und zweitens ist es so, dass mich Menschen interessieren. Dass mich ihr Schicksal interessiert, einmal mehr dann, wenn ich sie kenne. 

Den gestrigen Abend haben wir in unserer Lieblingslokalität zugebracht. Coronaauflagenbedingt stehen weniger Tische zur Verfügung, hängen Plexiglasscheiben von der Decke, bedienen uns die Kellner mit Mundschutz, den wir selbst abnehmen dürfen, sobald wir uns auf unserem Platz niedergelassen haben. Ich liebe dieses Lokal, ich bin sehr gerne dort und ich bin froh, dass die "halbe" Schließung der letzten Wochen sie finanziell nicht in die Knie gezwungen hat. Höre mir geduldig an, wie schwierig es ist, einen ganzen Tag lang mit der Maske bedienen zu müssen. Wie schwierig es mit dem Atmen wird nach einiger Zeit, vor allem dann, wenn man eine Raucherpause eingelegt hatte.
"Dann rauch halt nicht", wäre ich versucht zu sagen, aber das kann vermutlich auch nur ein Nichtraucher so leichtfertig über die Lippen bringen. 

In manchen Städten gehen die Menschen auf die Straße, demonstrieren für ihr Recht auf Freiheit und gegen das vermeintliche Austesten der Regierung, mit welchen Mitteln sie wieviel erreichen kann. 
Es vergeht kein Tag, an dem man nicht medial diesem Thema ausgesetzt ist - und irgendwann fragt man sich, ob da etwas dran ist an dem stetig wiederkehrenden Misstrauen: "Wenn die Menschen mit einem Thema beschäftigt sind, übersehen sie das, was inzwischen neu geregelt wird."
In den letzten Wochen habe ich beispielsweise öfter über die Neuregelung des Intensivpflegegesetzes gelesen. Habe meine Stimme gegeben gegen diesen neuen Gesetzesentwurf, der vorsieht, dass beatmungspflichtige Menschen nicht mehr zu Hause gepflegt werden sollen. Schwarze Schafe, Finanzmittelmissbrauch und so, da muss man doch was dagegen tun. Immerhin belaufen sich die Kosten je Patient auf etwa 25.000,00 Euro im Monat - man kann ja der Solidargemeinschaft gar nicht zumuten, den ganzen Umfang mitzutragen.
Ah ja. Genau. Weil das in Pflegeheimen anders ist? Weil dort alle Schäfchen blütenweiß sind?
Und wie war das nochmal mit dem Pflegenotstand? 
Und wie war das nochmal mit dem Bonus von 1.500 Euro, den die Pfleger bekommen sollten? Versprochen, ohne zu regeln, wer das eigentlich bezahlt... Und sich jetzt drum streiten. Das ist so armselig, da würde man am liebsten sagen: "Steckt euch den Bonus doch sonstwohin."
Das kann aber auch nur leichtfertig sagen, wer eben kein Pfleger ist. 
CDU und SPD - der eine nennt sich christlich, der andere sozial. Und beide - und nur die beiden - wollen eine Gesetzesänderung durchbringen, die weder christlich, geschweige denn sozial ist. Denn wo bitte gibt es hier noch eine Entscheidungsmöglichkeit für denPatienten, ob er lieber daheim von seiner Familie  gepflegt werden möchte, wenn diese Entscheidung daran geknüpft ist, ob er dann auch monatlich zwischen 2.000 und 6.000 Euro dafür bezahlen kann? 
Ich hatte mich an der Petition beteiligt und war begeistert, wie viele mitgemacht haben. Wie viele Sturm gelaufen sind. Aber ich muss zugeben, mit der Zeit wurde ich auch ob der Entwicklungen mutlos. Schlichen sich Zweifel ein, ob die Summe der Menschen wirklich etwas bewirken kann - oder ob doch alles geschieht wie vorgesehen.
Heute Morgen, als ich mir ein Käffchen zubereitete und währenddessen hinaus in den Regen schaute, der gleichmütig von der Fensterscheibe perlte, da dachte ich... "Ich kann es mir leisten, mutlos zu werden. Ich kann es mir leisten, einen entsprechenden Zeitungsartikel zur Seite zu legen, weil ich nicht betroffen bin." Noch nicht. Man weiß nie, was kommt. Aber soll man nur Anteil nehmen und sich nur dann einsetzen, wenn man selbst betroffen ist? Wo bleibt der immense mediale Aufschrei, der vielleicht den letzten nötigen Druck auf die CDU als Vorantreiber dieses Entwurfes ausüben könnte? Kommt der nicht, weil jetzt alle mit der Coronakacke beschäftigt sind? Oder sein wollen?

Letzte Nacht, der Mann hatte sich längst schlafen gelegt, da las ich mich durch die Weiten des Netzes, hörte Musik, schrieb. Um eine ist es ruhig geworden. Ihr Blog ruht, ihr soziales Netzwerk ruht. Allein ihr Whatsapp-Status meldete: Sie ist noch da. Es war schon nach Mitternacht, als ich ihr schrieb und fragte, ob sie okay sei.
Was darauf folgte, brachte mich dazu, mir morgens 3 Uhr noch einen Kaffee zu kochen, mich lang auf das Sofa auszustrecken und in die Nacht hineinzuschauen. Es ist sehr schwer, einen Menschen weinen zu hören, so ganz tief von innen heraus von einem Schmerz überwältigt, und man kann nichts tun. 
Gegen das grenzenlose Gefühl von Einsamkeit eines Menschen kannst du nichts tun, nicht wirklich etwas tun, wenn du hunderte Kilometer weit weg wohnst. Nicht die Flasche Weißwein in die Hand nehmen und zu jemandem gehen kannst. Die Problematik ist sicherlich nicht coronabedingt. Meinem Gefühl nach aber offenbart der Lockdown etwas, das da ist, da war, und das man nicht sehen wollte oder nicht sehen musste, weil man sich mit anderen Dingen beschäftigen konnte. Andere Dinge, die mit dem Lockdown wegfielen und gerade die Menschen, die niemanden haben, in die Einsamkeit verdammten. 
Wir beklagen uns über Mundschutz, über monatelangen Schulausfall und Kita-Schließungen, während die Kinder nachmittags trotzdem zusammen spielen. Geht ja auch dort, wo es keine gesperrten Spielplätze gibt. Wir wissen von der Einsamkeit der Menschen in den Pflegeheimen, die ihre Angehörigen nicht mehr sehen durften. Wir wissen irgendwie auch, dass es Menschen gibt, die allein in ihrem Zuhause leben. Aber denkt man wirklich darüber nach, was das im Einzelnen bedeutet? Bedeuten kann? Wir hinterfragen die Sinnhaftigkeit von Entscheidungen, die einander widersprechen und weil wir uns in unseren persönlichen Freiheiten beschränkt fühlen.
Aber.. Wie gut geht es uns allen, die nicht allein in einem Haushalt leben? Die wenigstens ihre Kinder bei sich haben und/ oder einen Partner? Ihren Job, ihr Einkommen? 
Gerade ich.. Ich hatte das Glück, keine finanziellen Einbußen zu erleben. Ich hatte das Glück, den Job fortsetzen zu können - auch wenn ich dafür fast drei Monate nicht nach L tingeln und meine Jungen sehen konnte. Aber es ging mir gut. Ich hatte es gut. Wie oft habe ich innerlich gedacht "Bin ICH froh, dass meine Jungen erwachsen sind und ich mich nicht fragen muss, wie ich das mit Schule, Betreuung und überhaupt geregelt bekomme." Und vielleicht schmunzelt man hier oder da, wenn einer stöhnt: "Boar ey, ich dreh bald durch."
Man hört so Worte wie "Wenn du Kinder hast, dann kümmer dich doch auch und jammer nicht."
Natürlich bekommt man nicht seine Kinder, um sie anschließend in die Vollzeit-Kita zu bringen und von fremden Menschen  mehr oder weniger erziehen zu lassen.
Aber ohne Einkommen funktioniert das Leben mit Kind/ern auch nicht. Und macht man sich da wirklich mal Gedanken um die Belastung der Eltern, die ihren Job mit erwarteter Kraft fortsetzen sollen, nun aber auch den Part der Schule mit übernehmen und die Ganztagsbespaßung der Kinder?

Ich lese von "Risikopatienten", die sich ausgegrenzt fühlen, wenn man sagt "Sollen sie sich doch schützen, da muss ja nicht gleich ein ganzes Land in Quarantäne geschickt werden."
Ich lese von Risikopatienten, die genauso Wünsche, Träume und Hoffnungen haben wie wir alle. Bekomme einen tieferen Einblick in das Leben eines Menschen, dem es nicht so gut geht wie dir und mir. Was es konkret bedeutet, ein "Risikopatient" zu sein. Bekomme ein neues, anderes Verständnis für eine Situation, die ich als Außenstehender bislang auch eher nur von außen betrachtet hatte. 
Ich bin schon immer noch im Zweifel darüber, wieviel Quarantäne tatsächlich notwendig war - und warum wir diese jetzt mit Covid19 erlebten und nicht schon zu anderen Jahren, in denen Tausende Menschen gestorben sind. Ob das Ausmaß tatsächlich so notwendig war - und warum so viele Menschen hysterisch reagieren, wenn man vermeintlich zu nah herangerückt ist oder die Maske nicht richtig trägt. Der Mann sagt oft "Es ist ein Mund-UND-Nasen-Schutz, geht aber an vielen vorbei, wenn ich mich so umsehe." 
Vielleicht hat man das früher nicht gemacht, weil man diese Quarantäne tatsächlich gar nicht finanzieren könnte? Stellen wir uns vor, wir hätten mit jeder Grippeepidemie eine landesweite Quarantäne, was würde dann? Was würde mit unserer Wirtschaft und mit der Leistungskraft von Bund, Ländern, Krankenkassen? Wieviel ist ein Leben wert? Wieviel zählt der Mensch tatsächlich? 
Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen: Nichts. Auf einen Patienten, der dauerhaft erkrankt und nicht dauerhaft leistungsfähig ist, wird - Entschuldigung - geschissen. Du zählst nicht, weil du nur belastest, nur kostest, aber nichts in die vermeintliche Solidargemeinschaft einbringst. 
Warum haben wir von etwa 22.000 oder 25.000 Grippetoten aus der Wintersaison 17/18 nur erfahren, wenn man es googelt oder beim RKI nachliest? Und warum darf ich die einen nicht mit den anderen vergleichen? Wo wir doch von Covid19 sowieso noch keine Ahnung, Entschuldigung, Erfahrung hatten? 
Aber unterm Strich... Wir alle, die sich für jung - stark - gesund halten und bei denen die vermutete Wahrscheinlichkeit, schwer zu erkranken, gering eingeschätzt wird - wir können es uns leisten, über Mundschutz und Lockdown zu meckern, zu schimpfen, zu jammern über Beschränkungen unserer Freiheit. Und ohne darüber nachzudenken, wie sich das Ganze eigentlich anfühlt für diejenigen, die sich ohnehin schon benachteiligt fühlen - und das ganz offensichtlich zu Recht. 

Ja, ich weiß, das ist thematisch vielleicht ein etwas schwererer Rucksack zum Donnerstagmittag. Jetzt, wo der Sommer kommt und man vor allem eines wünscht: wieder mehr Leichtigkeit - im Umgang, im Leben, im Miteinander. Und wo das Wochenende kommt, wo man dem süßen Leben einmal mehr frönen will und darf und soll.
Doch diese und andere Gedanken ließen mich letzte Nacht nicht schlafen. 
Es war gegen halb fünf, als ich mich zwang, eher der Vernunft willen. Es war gegen halb fünf, als ich mich neben den Mann legte und dachte, wie froh ich bin, hier liegen zu können. Zu dürfen. Aus eigener Entscheidung heraus, ohne fremdbestimmt zu sein. Wir wissen gar nicht, wie gut es uns geht, bis man es uns genommen hat. 

Mittwoch, 1. Juli 2020

give me your love


"Selbst wenn wir allein sind, 
werden wir von den Menschen bewohnt, 
die uns gemacht haben."
(Paul Auster)


In mir mischen sich Eigenschaften meiner Mama, Eigenschaften meines Papas. Als ich von zu Hause auszog und heiratete, war ich Anfang zwanzig und dennoch vollkommen kindlich, den Kopf voller Träume und Wünsche an das Leben, die Seele voller romantischer Vorstellungen, die mit der Realität so gar nichts gemein hatten und in den folgenden Jahren fast vollständig erstickten. Ich wusste nicht, wie man ein Essen zubereitet, wie man ein Kind erzieht, ich wusste nicht, wie man eine Ehe führt und was von mir erwartet wurde - und der Lernprozess war sehr, sehr schmerzhaft. Eingezwängt in die Vorstellungen anderer habe ich das Leben geführt, das nicht mein Leben war. 
Noch heute erinnere ich mich an eine E-Mail vor siebzehn Jahren, als ich endlich, endlich den Schritt nach außen gewagt, den Sprung gewagt hatte: "Mir scheint, du bist jemand, der gar nicht er selber ist. Du hast dir eine zweite Haut so sehr übergestülpt, dass du glaubst, es sei deine eigene." Ich wusste, was er meinte. Aber damals wusste ich noch nicht, wie sehr recht er hatte. 
Zum allerersten Mal an mich selbst erinnert fühlte ich mich in der Begegnung 2002. Eine Begegnung, die ich gar nicht wollte, über die ich gar nicht nachdachte, und die sich doch mit einer solch wiederkehrenden Beharrlichkeit in mein Leben mischte wie zwei Farben, die ineinanderfließen, mehr und mehr. Und du schaust fasziniert darauf, wie sich das Rot in das Weiß mischt, mehr und mehr, und irgendwann nimmst du den Pinsel in die Hand und verteilst das ganze Rot in dem Weiß, in immer größeren kreisenden und doch zärtlichen Bewegungen... Es war wie ein Erwachen. Zaghaft, aber nachhaltig.

Give Me (your) Love.
Ich war über dreißig, als ich lernte, was ein Milchkaffee ist. Als ich lernte, was Antipasti und Tapas und Fingerfood sind. Wie wunderschön die Stadt war, vor deren Toren ich lebte. Ich entdeckte, wie viel Sehnsucht ich hatte, Sehnsucht nach einem erfüllten, fröhlichen Leben, in dem ich das, was zu tun war, mit Herzblut tun würde. Mit Liebe. Mit Geduld. Mit der Entspanntheit, mit der nur Menschen leben können, die in sich ruhen. Die um sich selbst wissen und sich nicht darum kümmern, wem sie in den Kram passen und wem nicht. Die wissen, dass sie nicht in jedermanns Kram passen müssen - und trotzdem nicht weniger wert sind. 

Grad klopft mir wahnsinnig das Herz, bis hoch in den Hals kann ich jeden einzelnen Schlag spüren..

Man sagt immer, man soll nicht zurückschauen, man soll sich auf das Heute fokussieren und nach vorn schauen, nach dem Morgen. Ich selbst, und das hab ich sicherlich schon öfter geschrieben, schaue aber ganz gerne mal zurück. Manchmal mit Wehmut, manchmal mit Demut, manchmal mit Scham - und ganz oft mit Erleichterung. Erleichterung darüber, dass das Leben von heute ein ganz anderes Leben ist als früher. Ich bereue nicht die Begegnungen, die ich zugelassen habe - auch wenn ich einiges heute anders machen wollen würde. Wenn ich jede Begegnung zu einem Ziegelstein metaphern würde, dann ist jeder einzelne Stein irgendwie notwendig gewesen, um mich wieder neu zu errichten. Den Putz abzuklopfen, der verbirgt, wer ich wirklich bin. Ich habe aber auch gelernt, dass nicht jeder Ziegelstein dafür gemacht ist, für immer an seinem Platz zu bleiben. Manchmal füllt sich eine Lücke und man ruckelt an den Steinen herum und spürt, dass irgendwo etwas nicht passt. Und du schaust dich um, nimmst wahr, begutachtest, setzt ein, prüfst, nimmst ihn heraus und suchst nach einem anderen, den du einsetzen kannst.. Und mit der Zeit lernst du mehr und mehr Achtsamkeit. Achtsamkeit, die dir verbietet, gedankenlos einen Stein zu entfernen und durch einen anderen zu ersetzen. Manchmal fällt dir auch einer vor die Füße, den du bis dahin so gar nicht wahrgenommen hattest. Aber du siehst ihn, hebst ihn auf und fügst ihn in die Lücke ein. Und siehe da.. er passt. 

Heute, denke ich, bin ich mehr denn je ich selbst. Dabei werte ich nicht zwischen positiv und negativ. Ich werte lediglich, dass ich mit dem zuletzt eingefügten Stein zum allerersten Mal das Gefühl habe, wirklich auch bei mir selber angekommen zu sein. In mir ruhen zu können. Nicht mehr von unerfüllter Sehnsucht zerrissen und gequält zu sein. Nachts nicht mehr ruhlos durch das dunkle Zimmer auf und ab zu wandern, aus dem Fenster zu schauen, weil du fühlst, da ist jemand und da ist doch niemand. 
Und manchmal, manchmal in Nächten, in denen du wach und aufmerksam in die Welt schaust, da befühlst du dein eigenes Mauerwerk, tastest mit den Fingerkuppen zart über jeden einzelnen Stein, jede einzelne Kante und du erinnerst dich an alles, an wirklich alles, was du mit jeder Begegnung gelernt hast. Was dir jeder einzelne Ziegelstein mitgegeben hat. Denn auch wenn der eine oder andere Stein nicht mehr an seinem Platz ist, so hast du nichts von dem vergessen, das er dir mitgegeben hat. Nichts von dem, das dich geformt hat. Das dein Mauerwerk geformt hat. Dein Mauerwerk, mit dem du dich heute stark, stolz und trotzig dem salzigen Wind entgegenstellst.