Freitag, 10. Juli 2020

Abhängigkeiten


Ich habs schon ziemlich lange nicht mehr gesagt bekommen, aber heut war wieder einer der Tage, an dem ich mir sagen ließ, dass man sich ja vielleicht doch mal trennen sollte.
Und mit der Gleichmütigkeit eines Mulis antwortete ich: "Ja, mach mal."

Nicht zum ersten Mal fühle ich mich ein bisschen an die Zeiten der Ehe erinnert: Der Ex hat so oft mit Scheidung gedroht, aber nie damit gerechnet, dass ich eines Tages von mir aus gehen würde, und zwar unwiderruflich.
Und hier.. Es ist nur eine dienstliche Verbindung. Eine, in der ich mir tatsächlich jeden einzelnen Tag vordergründig private Sorgen, Frust, Ärger anhöre, zuhöre. Eine dienstliche Verbindung, in der ich nicht nur meine jobtechnischen Aufgaben erledige, sondern mindestens genauso viel Privatkram, der nicht meiner ist. Die gerne auch in den späteren Abendstunden oder an den Wochenenden zum Telefon greift und meine Nummer wählt. Auch wenn ich tatsächlich mal krankgeschrieben oder im Urlaub bin. Ich lasse es zu, nicht weil ich mich nicht abgrenzen kann. Sondern weil ich es den Umständen zuschreibe, die sicherlich alles andere als entspannt sind.
Nur letztlich kann ich nichts für genau diese Umstände, die man(n) sich selbst ausgesucht hat. 
Und dass man als Assistenz jegliche Launen zuerst und ungefiltert abbkommt, erlebe ich nicht nur in diesem Unternehmen. Meist kann ich es abfangen - aber niemand ist allein auf der Welt. Jeder von uns hat auch Sorgen, eigenen Kummer, eigene Schwächen - und seine eigenen Stärken. 
Aber das interessiert nicht. Niemand interessiert. Niemand außer er selbst und die Menschen, an die er aktuell sein Herz gehangen hat. 
Das alles ist nicht neu, aber im Moment kann ich weniger gut damit umgehen, gesagt zu bekommen, wie sehr jeder nur an sich selbst denkt, auf niemanden Verlass sei und jeder mache, was er wolle. Nur weil du nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehst und nicht auf den Punkt genau immer gerade der Erwartung entsprichst. 
An diesem Punkt bin ich aufgestanden und habe sein Zimmer verlassen. Ich konnte es mir nicht mehr anhören. Da war nicht mal Frust oder gar Wut. Da war nur Leere.
Gemischt im Bewusstsein, dass es völlig egal ist, was du leistest, was du gibst, was du erreichst. 
Alles wird gegenstandslos, löst sich auf im Nichts, sobald du nur ein einziges Mal nicht erwartungsgemäß funktioniert hast. 
Im Moment kann ich auch weniger gut mit der Aussage umgehen, dass in unserem Unternehmen sozialistische Zustände ausgebrochen seien, nur weil Eltern von Kleinkindern Arzttermine wahrnehmen oder auch mal ganz ausfallen. Dass niemand so tough sei wie man es einst selbst war, als man noch "mit 40 Fieber als Angestellter zum Dienst kam". 
Ich frage mich.. Wofür soll man das tun? Wofür soll man bis aufs Blut alles geben - wofür?
Du bist viel schneller ersetzt als du vergraben werden kannst - und du bist schneller vergessen als du glauben wollen würdest. Deine Gesundheit kann dir niemand zurückgeben - auch nicht jemand, der die allermeisten Dinge nicht mit Empathie, sondern Geld löst.
Ich kann im Moment nicht gut damit umgehen, dass schlecht über Menschen gesprochen wird, die nicht im Raum sind. 
"Du bist das Vorbild. Wenn du so über Mitarbeiter sprichst, dann glauben der eine oder andere, dass sie das auch dürfen."

Als die Lieblingskollegin und ich heute Abend weit nach Feierabend und als Letzte das Büro verließen und die Tür hinter uns abschlossen, uns für einen Moment ganz sehr in den Arm nahmen, da begann er im Kopf, der Urlaub.
Und als mein Junge heute mal für mich das Taxi spielte und währenddessen diesen Song in den Player warf, da begann der Urlaub auch in meiner Seele. Mit einem Mal fiel die Belastung von mir ab, rückte alles ganz weit weg von mir. Der fröhliche Abend in der Gosenschenke tat sein Übriges. Ich hatte fast vergessen, wie urig es dort ist. 
In meinen Gedanken bin ich schon auf Reisen, vergrabe ich schon meine Zehen im weichen Sand und warte einmal mehr auf die im Kopf längst zurechtgeformten Entwicklungen, mit denen es mir endlich möglich wird, einen weiteren Sprung zu tun.. 

Aber jetzt, jetzt muss ich endlich schlafen. Denn morgen früh geht es los - und ich freu mich sehr, sehr, sehr auf das Meer. 

7 Kommentare:

DrSchwein hat gesagt…

Einen schönen Urlaub wünsche ich Dir.

Juna hat gesagt…

Puh, im ersten Moment dachte ich "das hat der nicht gesagt", danke, dass ich mich im Blauen nicht getäuscht habe. Der andere, seufz, warum vergessen diese Menschen wo sie herkommen? Ich denke da nur an den letzten bei uns... Ja, man ist schneller vergessen als man begraben ist bei solchen Menschen. Ihr Vorwurf "alle denken nur an sich" kommt aus der eigenen Nase vor der sie besser mal ordentlich kehren würden...

Ach Mönsch, fühl dich feste umarmt. Habt eine tolle Zeit, hoffentlich besseres Wetter als in den letzten Tagen und lass dir ordentlich die Sonne auf den Pelz brennen. Trink schöne Latten, lass dich verwöhnen und sag dem Blauen, dass Dünen auch Berge sind, ganz besondere Berge, die verändern sich nämlich täglich ;-) und man kann hervorragend auf ihnen liegen und sich das Meeresrauschen anhören, das geht auf dem 2000er nicht ;-) Und wenn sie ihm zu flach sind, soll er sich auf den Bauch legen und hoch guggen, es kommt doch immer auf die Perspektive an ;-) Drück euch und habt ne schöne Zeit :-*

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Danke, Doktor :)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Juna, tatsächlich denke ich das wirklich: Der Vorwurf, den er jedem macht, sobald etwas nicht nach seinen Vorstellungen läuft, sollte wirklich eher an sich selbst gerichtet sein.
Schon vor drei Jahren habe ich mir etwas geschworen - aber ich kann es aufgrund von gewissen Abhängigkeiten noch nicht umsetzen.

Mein Glück ist, dass Herr Blau ja auch das Meer liebt. Gott sei Dank. Wäre es ihm zu wenig hügelig, kann er sich ja auch an meiner Hügellandschaft ergötzen :)
Ich danke Dir - und ja, ich werde die Tage wirklich sowas von genießen.

Juna hat gesagt…

Na dann ist er ja nicht wirklich an besonders hohen Bergen interessiert. Bei dir sind es ja auch "nur Hügelis" sehr schön proportionierte, aber keine Brocken oder gar Steilwände, nicht damit zu verwechseln, dass du ein steiler Zahn bist,aber stimmt schon und wenn es ihm noch zu wenig Anstrengung wäre, vor dir auf den Knien ist die Perspektive... ;-) ähm ich schweige jetzt besser, nicht das er noch ein gutes Gedächtnis hat :-*

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Liebe Helma, ich wünsche dir jeden Tag das Meer, wie du es gerade liebst und brauchst und haben möchtest: still, ruhig, bewegt, stürmisch, lauwarm, kalt und immer ganz nass.
Liebe Grüße von Clara
Und wenn Herr Blau auch das Meer liebt, dann kann er noch weitere Eigenschaften hinzufügen.

Dies und Jenes hat gesagt…

OH ja immer da sein, immer alles wissen und doch der Fußtreter sein boah ja ich hasse Abhängigkeiten dieser Art, aber eben kann ich es mir wirtschaftlich so gar nicht erlauben den Satz mit zwei Buchstaben zu sagen.

Ich wünsche Dir ganz wunderschöne erholsame Tage am Meer.

Zu Deinem letzen Post. Ja irgendwann mag man nicht mehr und versucht zu aktzeptieren und das beste draus zu machen. Vielleicht schaffen wir es ja und sitzen irgendwann einfach für immer am Meer nicht nur für Urlaube.

Herzliche Grüße
Ursula