Dienstag, 21. Juli 2020

Lonely Hearts


Da sind wir nun wieder zurück, nach zehn Stunden Fahrt, unzähligen Bechern Kaffee, kleinen Pausen und vor allem der Musik, so lange, bis der Player schlappmachte und der Mann anmerkte: "Das Kabel liegt irgendwo in irgendeiner Tasche irgendwo im Auto."
Ich liebe es ja, nach Hause zu kommen, die Tasche, den Koffer abzustellen, die Wäsche zu sortieren, die noch so wunderbar nach Meer atmet, dass die Waschmaschine rummelt, während wir alle Fenster öffnen, Sonne und Wind in den angestaubten Raum hineinlassen.. In solchen Momenten wird mir bewusst, wie privilegiert wir sind, wir gut wir leben und wie gut wir es haben. In solchen Momenten fällt es mir etwas schwerer zu lesen oder zu hören, wie eingeschränkt manch einer sich derzeit (immer noch) fühlt. Nachvollziehen kann ich es nicht wirklich, denn Einschränkungen.. Haben wir die wirklich noch? Begegnungen sind längst wieder möglich, jederzeit mit jedermann, wenn man sie denn wollte. Oder... könnte. 

Heute Abend hat der Mann mir die Reisetasche wieder vom Schrank auf den Boden gestellt, denn schon morgen gehe ich wieder auf Reisen. Und bei dem Gedanken daran krampft sich in mir etwas zusammen. Ich habe keine Furcht vor morgen, aber ich habe Furcht vor dem Ausmaß noch nicht bewältigter Konflikte und vor dem, das dieses noch-nicht-gelöst im anderen bewirkt. 
Ich habe ein Versprechen gegeben, von dem ich mir in jenem Moment sicher war, es einlösen zu können. Und im Grunde glaube ich immer noch daran. Aber seit Tagen habe ich das Internet rauf und runter gesucht, nach Lösungen gesucht, Kontakte gesucht - und noch nicht gefunden. 
Tagsüber gelingt es mir, mich abzulenken, mich wegzudenken, doch wie sehr es mich beschäftigt, sehe ich an den Farben der Träume in der Nacht. Von Bedrängnis, von Not, von Morden. 
Ich möchte die Zuversicht in mir wieder mehr entfachen, so weit, dass sie mich auch nächtens zu tragen vermag. Dass ich selbst erst einen Sprung wagen kann, wenn etwas anderes geregelt ist, damit kann ich gut leben. Ich fühle mich nicht zurückgehalten, nicht gehindert, nicht eingeschränkt. Dass ich selbst noch warten muss, lähmt mich nicht. 
Aber dieses "noch ein halbes Jahr so, dann brech ich zusammen" - das macht mir den Kopf schwer. Die Vorstellung, wie sich bestimmte Situationen anfühlen müssen, das bringt mich um die Ruhe in meinem Kopf, in meiner Seele, nach der ich mich so gesehnt hatte in diesen Tagen am Meer. 

"...you're walking alone to find better day
although you hold on to yesterday.
You wonder how you got there, in this game
fighting yourself and your name.
It's hard enough to deal with your inner demons
live in oblivion
with a dream of stars.

Lonely hearts keep rolling on your side
you can hardly ever take things just the way they are.
And you gotta believe 
try to believe 
everything has its own time..."

Früher dachte ich immer, es ist so leicht, so einfach, von sich selbst abzugeben, von der eigenen Fülle an Hoffnung, Zuversicht und dem Denken, das nach vorn gerichtet ist. Im Grunde ist es auch leicht, nur.. Inzwischen habe ich verstanden, dass dieser Schatz in einem selbst nicht endlos ist. Er will gehütet werden. 
Wenn mir etwas Unangenehmes bevorsteht, dann spreche ich mir immer wieder Mut zu, indem ich mir sage "Denke einfach an einen Tag in der Woche danach. An diesem Tag in der folgenden Woche ist alles überstanden, ist das Schlimmste überstanden und alles andere kann dann in Ruhe werden."
Das versuche ich mir auch jetzt immer wieder zu sagen. Es ist nur nicht einfach. Es ist gar nicht einfach, wenn Du das nicht für Dich selbst denkst, sondern für jemanden, der Dir alles bedeutet. Und vor allem, wenn Du nicht weißt, wann diese nächste Woche beginnt. Während die Uhr tickt.

3 Kommentare:

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Ich glaube zu ahnen, um wen du dich so sorgst. Ich wünsche dir ganz sehr, dass keine schlimmen Bedenken wahr werden.
Liebe Grüße von Clara

Dies und Jenes hat gesagt…

Liebe Helma,

oh schon wieder vorbei deine Tage am Meer. Hoffe du konntest sie trotzdem genießen.

Ja ich versteh hier auch so niemanden mehr. Immer jammer, Gemaule wie schlecht und die Maske und die Einschränkungen... und das Kind von der Kollegin hat nur ne 3 in Deutsch, und das der einen hat einen Ausbildungsplatz aber da verdient das Kind ja später mal nix echt ey... sind wir doch jetzt einfach mal dankbar dass wir das alles in Deutschland geboren sind und hier lieben dürfen.

Ich weiß nicht was die drückt aber ich drücke Dir ganz fest die Daumen.

Liebe Grüße Ursula

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, ja - Du liegst richtig.

Liebe Ursula, ja die Zeit verging einfach zu schnell. Es ist echt irre, wie sehr ich Raum & Zeit vergessen kann, wenn ich am Meer bin. Und so überlege ich, wann ich hier und da doch mal ein verlängertes Wochenende einbauen kann..
Mit dem Verdienst... Sohn I hatte dieser Tage einen Rentenbescheid bekommen und bei der darauf abgedruckten Summe wurde mir doch.. etwas schwummrig. Und wenn man dann besieht, wie viel der Junge arbeitet.. Der Bedarf an Sozialdiensten ist da, mehr als das, aber er wird unglaublich schlecht bezahlt. Es kann ja aber auch nicht nur Studierte geben? Denn die putzen einem im Alter nicht den Hintern oder reichen einem das Essen oder bringen Dich zur Arztbehandlung, soviel steht schon mal fest.