Mittwoch, 30. September 2015

In Zukunft sehe ich.... schwarz!

Es ist fast vollbracht: Noch in dieser Woche wird die Schneeflocke getauscht. Nach einigem Hin und Her haben wir uns dazu entschlossen, zumal wir bekennen mussten, dass die Wahl eines Benziners nicht unbedingt die glücklichste ist, wenn man im Jahr rund 30.000 Kilometer und mehr fährt. Zumal dieser Benziner zwar nicht die kleinste Maschine besitzt, aber für längere Strecken auf Dauer eben doch zu klein ist.

Ich war immer ein Fan der Ringe, der Liebste sowieso - und so.. ist es wieder einer mit Ringen geworden - klein und handlich für mich und in Sportausführung für ihn.

Bildquelle: http://autopazar.com.de/media/Gebraucht_Audi_A1_2012_Schaltgetriebe_Diesel_Brillantschwarz_zu_Verkaufen_Deutschland.jpg
Ich bin aufgeregt. Doch. Jetzt bin ich schon ganz schön aufgeregt! Mein erster eigener kleiner Audi. Die Herrin der Ringe sozusagen. Waaahhh!! Ich bin aufgeregt - sagte ich das schon??

Gestern Abend haben wir die Schneeflocke ausgeräumt, durch die Wäsche geschoben ("Sag mal, wann warst du eigentlich das letzte Mal in der Wäsche? Das Zeug [Fliegengedöns und so, Anm. der Redaktion] geht ja gar nicht mehr runter!" - "Äh...") und sämtliche persönlichen Dinge (der selbst gefertigte Glücksbringer von Sohn II zum Beispiel, doch, ich hänge an sowas) raus genommen, ihn sozusagen bereitgemacht für den Tausch.
Bitte wünscht mir Glück - denn laut meiner eigenen, ganz persönlichen Statistik wäre dieses Auto eigentlich wieder dran mit... Aber nee, positiv denken! Irgendwie ist dieses Auto ja auch wie dafür gemacht, diese blöde eigene Statistik positiv zu brechen! Na oder?

Montag, 28. September 2015

Zwei Menschen. Und zwischen ihnen der Augenblick.



Manchmal kippt es in nur einem einzigen Augenblick.
Manchmal ist mit einem Mal etwas zerstört.
Der Augenblick.
Das Geschirr. 
Das Band zwischen zwei Menschen.
Und noch mehr?
Und manchmal... ist es nur ein einziger Augenblick, der alles wieder zusammenfügt.
Das Geschirr.
Die Menschen.
Das Band zwischen ihnen.

Manchmal ist ein Blick von oben wie ein Blick von außen.
Manchmal schaut man den anderen an - und begreift, dass zerbrochen und gebrochen zwei völlig verschiedene Dinge sind. 



"Lets living like we care"

Sonntag, 27. September 2015

City Lights

Berlin ist bunt. Berlin ist laut. Berlin ist groß. Berlin ist voller Gerüche. Berlin ist voller Farben.
Ich mag Berlin.
Ich könnte mir vorstellen, dort eines Tages zu leben.
Aber Berlin ist auch anders: Nirgendwo habe ich so viele Menschen gesehen, die in Parks schlafen, ihr bisschen Hab & Gut neben sich, eingerollt in eine Decke oder auch nur in den schmutzigen Mantel gehüllt. Die an den Hauptstraßen ampelaufwärts laufen, zwischen den Autos, immer einen Pappbecher in der Hand, dankbar für ein wenig Geld. So viele Gut- und Besserbetuchte und dazwischen die Punks, die Studenten und die ganz Armen.
Eine Stadt voller Gegensätze.
Eine interessante Stadt.
Eine erschreckende Stadt.
Das Regierungsviertel sauber, geradlinig - und hinter diesen Linien, so scheint es, beginnt das Leben. Das echte Berlin.
Das, wo sich Menschen aller Kulturen bewegen. Wo sich neben einer völlig verbrannten Häuserzeile ein winzig kleiner Künstlerladen findet - und ich mir Farben kaufe. Leinwände. Weil da auf einmal wieder ganz viel in mir ist, das raus will.

Sonntag, 20. September 2015

Und manchmal passieren wunderbare Sachen....



...ohne dass man selbst überhaupt auch nur irgendetwas dazu getan hat.
Als ich mir gestern Badewasser einließ, kam der Liebste dazu und überreichte mir die Post. Darunter ein dicker gelber Briefumschlag, die Handschrift erkannte ich nicht sofort.
Liebe Goldi, ich habe mich wahnsinnig über Deine Überraschung gefreut!! Gerade erst bei Ikea ein paar Kerzen mit Schokoladenduft gekauft (sagte ich schon, dass ich die Duftkerzen von Ikea liebe?), so kam nun noch Deine handgemachte (!!) Schokoladenseife dazu - und so wurde unsere kleine Wohnung gestern zum süßen Duftschlösschen ;) Ganz zart und zurückhaltend - aber wunderbar.
Natürlich hätte ich Dir auch eine E-Mail schreiben und Dir darin danken können - aber irgendwie... war mir danach, das hier zu tun.
Die andere Seife hat genau den Nerv des Herrn Blau getroffen - also war für jeden etwas dabei - und das war einfach nur eine völlig unerwartete, aber umso schönere Überraschung!

Am Abend haben wir Freunde von Herrn Blau besucht, ein Paar aus Schweden, das erst vor einem Jahr noch mal umgezogen war. Ist schon irre, dass es nur ein paar Kilometer braucht, um den Mietpreis um mindestens satte fünfhundert Euro sinken zu lassen. Doch deshalb raus aufs Land? Ich kann mich dafür immer noch nicht begeistern... Sicherlich tu ich das nicht jeden Abend und vielleicht auch nicht regelmäßig, aber ich liebe das Gefühl zu wissen, wenn ich jetzt vor die Tür gehe, dann braucht es nur etwa fünf oder zehn Minuten und ich bin mitten in der City, unter Tausenden Leuten.
Die Straßen selbst in der Nacht hell, überall Stimmen, an jeder Ecke schnuppert es nach anderen Gewürzen. Ich liebe den Gedanken, mich irgendwohin setzen und den Leuten zusehen zu können. Das Skizzenbuch dabeizuhaben und etwas aufzuzeichnen oder mit einigen Stichworten die Gedanken und Empfindungen des Augenblicks festzuhalten.
Aber auf dem Land?
Wo insbesondere im Herbst und im Winter die Gehwege ab siebzehn Uhr hochgeklappt sind?
Wo es sicherlich ruhig ist, jedoch diese Beschaulichkeit die Inspiration in mir ersticken würde?
Ich kann mich nicht dazu durchringen...
Doch über kurz oder lang werden wir eine Entscheidung treffen müssen. Es ist nicht das ehrenwerte Haus, das uns nervt. Es ist eher... Dass uns die Möglichkeit des Rückzuges fehlt. Des Rückzuges und aber auch des Ausbreiten könnens von Malzeug und überhaupt.
Aber wer weiß, vielleicht passieren ja auch hier ganz bald kleine Wunder. Warum nicht daran glauben und weiter die Augen offen halten?

Freitag, 18. September 2015

So ein ehrenwertes Haus

Ich weiß, geht mich nicht wirklich was an, aber... Das isses jetzt wohl, oder wie? So pennt der Zwutsch von nebenan jeden Morgen und jeden Nachmittag, so dass sichergestellt ist, dass sein durchdringendes Geheule (doch wirklich, das klingt wie wenn Du auf ne Hupe trittst) frühs und nachmittags nicht zu überhören ist. (Ich mag Kinder, sogar fremde, aber ich muss ja nicht jedes mögen. Auch wenn der Kleene nix dafür kann, weil ich ja eigentlich seine Mutter.. äh.. nicht ausstehen kann.)
Übrigens nein, ich habe nicht vergessen, wie machtlos man als Eltern sein kann, wenn das Baby oder Kleinkind nachts Schreikrämpfe ausführt, die mit nichts zu beruhigen sind. Doch diesen unterliegt der kleine Kerl von nebenan ja nicht: Nachts ist es weitestgehend ruhig - aber ich würde auch permanent heulen, wenn ich so schlafen müsste.
Auf die Frage des Liebsten kurz vor meinem Einzug im letzten Jahr an die Nachbarin, warum sie ihre beiden Kinderwagen immer vor ihrer Tür und nicht im Erdgeschoss im extra dafür bereitgestellten Kinderwagenraum abstellt, schon auch wegen Fluchtweg und so, gab sie lediglich die schnippische Antwort: "Stell du sie doch runter, wenn sie dich stören", woraufhin er zornig entgegnete: "Am Samstag ist Umzug. Stehen die Wagen dann immer noch da, schmeiße ich sie über die Brüstung."
An jenem Samstag standen die Wagen dann nicht da, doch sonst... jeden Tag.
Was insgesamt immer dann besonders lustig ist, wenn ich gut bepackt nach L fahre oder von dort komme - oder mit dem Wocheneinkauf. Yay!
Fluchtweg versperrt oder nicht - ihr egal. "Die macht das extra", argwöhnt der Liebste. Während ich ja nur vermute, dass sie schlichtweg nur zu faul ist, ihren Sohn und ihre Tüten in die dritte Etage zu tragen - da interessiert die auch der Lift nicht. Und die vierte Mietpartei auf unserer Etage inzwischen offenbar auch nicht: Jetzt stehen gerne mal drei und vier Kinderwagen in diesem schmalen Gang. Plus irgendwelche Taschen, Tüten - und ein paar vollgekackte Windeln auf dem Fensterbrett. [Hier muss ich ja immer lachen, wenn ich das im Vorbeigehen sehe; andere stellen sich Blumentöpfe aufs Fensterbrett, sie sich halt den Dünger.] Ist vielleicht zum Mitnehmen für die Heimgärtner im Hause gedacht? Nicht coffee to go, sondern Kacke to go? Muhahhhaaa!

Die Mieter von oben, die uns seit Anfang August täglich mit Hämmern, Bohren, Klopfen versorgen, erzählen bei jeder Beschwerde wöchentlich dasselbe: "Ist nur noch diese Woche."
Der Liebste beschwert sich erst beim Mieter, dann bei der Hausverwaltung, dann beim Eigentümer. Nix passiert. Ja wie auch. Umbauen und renovieren - klar, verursacht nun mal Krach. Aber anhaltend 6 Wochen? Samstags, sonntags, abends? Irgendwann.... wirste eben doch närrisch. Oder sind wir einfach nur... äh... kein Leben mehr gewohnt? Leider kann ich mir tagsüber nicht mal Kopfhörer aufsetzen - weil ich dann nicht mehr telefonieren kann. Also auch nix.
Wie gesagt, das hören wir jetzt seit sechs Wochen. Der Liebste hat ja eh schon Ohrgeräusche - ich kriege jetzt mittlerweile auch welche. Kann aber auch an der Telefongewalt liegen: Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht aller fünf Minuten (!) das Telefon klingelt. Ich habe den falschen Job - eindeutig. Und dann noch in der Home Office-Variante, wo eben keine Abstimmung ohne Telefon möglich ist... Ich! Ich als eine Person, die Telefonieren echt nicht ausstehen kann! Gnarf! Ich hörs mittlerweile klingeln, obwohls gar nicht klingelt. Insofern guckte der Liebste ganz verwundert, als er letztens abends meinte "Soll ich uns ne schöne Platte auflegen?" und ich antwortete: "Oooarrr nee, ich finds grad so schön still hier!"
Wenn ICH schon keine Musik mehr hören will.... ;)
Andererseits... Ist das alles Pipifax: Der Kleene ist irgendwann mal groß oder wir wohnen nicht mehr hier - und die oben dürften ja auch irgenwann mal mit ihren Bauarbeiten fertig werden. Da ist also Land in Sicht, ganz anders als bei Clara zum Beispiel. Also Helma, fasse dich in Geduld, trink deinen Kaffee und mach deine Arbeit.

Donnerstag, 17. September 2015

Mitten unter uns

Wir leben ja in einem Rechtsstaat, jedenfalls möchten wir das glauben. Bislang hat der Liebste bei Kenntnisnahme von abstrusen Gerichtsverhandlungen und -entscheidungen in Amerika den Kopf geschüttelt und gesagt: "Ich weiß schon, warum ich da nicht hin will."
Gestern Abend haben wir eine Reportage angeschaut, die leider durch den Liebsten vorzeitig beendet wurde (fuck you, Championsleague!).
Unter anderem wurde hier ein junger Mann porträtiert: Jung, gesund, ausgebildeter Polizist und schwul. Warum ich letzteres hinzufüge, erkläre ich gleich noch.
Dieser junge Mann wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm folgendes: An einem Tag X erwarb er in einem kleinen Laden (ich nehme an, ohne Überwachungskamera, aber ich verweise hier nochmals auf das vorzeitige Ende der Sendung) ein Sixpack und noch irgend ne Kleinigkeit, und als es an das Bezahlen ging, wurde die junge Verkäuferin mit Pfefferspray attackiert und die Waren sowie etwa ein Zehntel aus der Kasse entwendet. Die junge Frau rettete sich aus dem Laden und rief um Hilfe. Just zu dieser Zeit anwesend: ein Polizist und zwei junge Männer, vielleicht die Söhne. Der Dieb konnte nicht gestellt werden, der entkam mit seinem blauen Auto.
Der Tatbestand war klar, die Beweislage allerdings ließ kräftig zu wünschen übrig: Von allen anwesenden Zeugen, also vier, wurden unterschiedliche Angaben zum Kennzeichen des Fluchtfahrzeugs gemacht. Man war sich einzig in der Farbe einig: dass es blau war.
Warum man jetzt auf jenen jungen Polizisten aufmerksam wurde, entzieht sich meiner Kenntnis (vielleicht kam das ja noch im anderen Teil der Reportage, den ich eben nicht... na Ihr wisst schon) - Fakt ist: Man wurde auf ihn aufmerksam.
Die Gegenüberstellung ergab: Die Verkäuferin erkannte in ihm den Tatverdächtigen, die anderen drei Zeugen konnten dies nicht bestätigen.
Die labortechnische Untersuchung ergab: keine Rückstände von Pfefferspray auf seinen Händen oder der Kleidung, auch keine Faserspuren seiner Kleidung. Argument des Richters: "Dann haben Sie eben ein nicht fusselndes T-Shirt getragen." Jeder, der sich zwar nicht mit der labor- und biochemischen Analyse auskennt, aber ausreichende Sendungen wie "Autopsie" oder "Anwälte der Toten" geschaut hat, weiß, dass das praktisch unmöglich ist. Dieb und Verkäuferin haben nach der Pfeffersprayattacke miteinander gerangelt - und das alles ohne jegliche Spuren?
Das vermutlich schwerwiegendste Argument in dieser Verhandlung (oder soll man sagen: Indizienprozess?): In der ersten Vernehmung wurde dem jungen Mann eine U-Haft angedroht, würde er nicht gestehen. Dann müsse er bis zum Zeitpunkt der Anklage hinter Gittern. Der junge Mann lächelt in die Kamera, es ist ein resigniertes Lächeln: "Was glauben Sie denn, was einem als Polizist hinter Gittern passiert, der auch noch schwul ist? Glauben Sie mir, in dem Moment hätte ich so ziemlich alles unterschrieben - allein aus Angst."
Zwar hat er anschließend dieses Geständnis zurückgenommen - geholfen hat es ihm nicht mehr.
Aus meiner - zugegeben laienhaften - Sicht spricht für ihn, dass drei Zeugen ihn NICHT als Täter identifiziert haben. Dass die Angaben aller zum Kennzeichen widersprüchlich waren. Dass es auch keine Seltenheit ist, dass Opfer oder Zeugen Täter fälschlicherweise "wiedererkannt" werden. Würden sie ihn alle wiedererkannt haben, OK. Doch nur eine von vieren hat ihn wiedererkannt, sagt sie.
Und nun wurde er in einem Prozess zu  6 Jahren verurteilt, seine Chance auf Wiederaufnahme des Verfahrens gleich Null.
Und ich sitze da auf meinem Sofa und starre fassungslos auf den Bildschirm, in ein Gesicht eines Mannes, der um sein Recht kämpft, um Gerechtigkeit und dessen Zukunft fraglich ist. Ein junger Mensch, dessen Zukunft - gelinde gesagt - im Arsch ist, zumindest die Zukunft, die er sich irgendwann mal für sich vorgestellt hat. weil die Justiz keine Fehler zugeben kann und will, solange sie nicht muss. Und wenn sie muss, wie in einem anderen Fall, dann zahlt sie 25 Euro pro Tag Entschädigung. Für ein versautes Leben ohne (momentan) echte Perspektive.
Man weiß um solche Dinge, auch, dass Recht haben und Recht bekommen zweierlei Dinge sind. Nicht selbstverständlich - leider.
Es ist dennoch was anderes, wenn einem das so bildlich bewusst gemacht wird. Wenn diese Unterschiede ein Gesicht bekommen, ein echtes.

Mittwoch, 16. September 2015

Wie geht es uns denn jetzt eigentlich?

In den letzten Tagen bin ich von der einen oder anderen Seite gefragt worden, wie es Junior und mir denn eigentlich körperlich geht. Wie sich die Medikamenteneinstellung insbesondere bei Sohnemann bemerkbar gemacht hat?
Junior ist vermutlich sehr gut gemeint mit Schilddrüsenhormonen versorgt worden, denn die letzte Blutuntersuchung trug einige rote Zahlen:
"Was bedeuteten die?"
"Die passen irgendwie nicht zueinander, sagt der Hausarzt."
"Inwiefern?"
"Das weiß ich nicht mehr."
"Und was heißt das jetzt für dich?"
"Dass ich ein anderes Medikament bekomme."
Letzte Woche war er dann wieder beim Spezialisten und der eröffnete ihm dann, dass sich die gravierende Überfunktion nun in Richtung Unterfunktion bewegt. Äußerlich sichtbar ist derzeit vor allem, dass der Tremor weitestgehend verschwunden ist. Er wirkt ruhig, wesentlich ruhiger als noch vor wenigen Wochen, und er sagt: "Ich bin immer noch nur müde."
Symptom der Krankheit, aber sicherlich vor allem auch ein typisches Stress-Symptom: Den Zweitjob hat er während seiner Krankschreibung im Juli gekündigt, Bus-und-Bahn-Terror unterliegt er nicht mehr, auch er fährt inzwischen wieder ein eigenes Auto. Im Job bei uns entsteht Stress vor allem in seinem Kopf durch den Druck, den er sich auch selber macht. Aber es ist, was das Arbeitsklima betrifft, bei uns wesentlich ruhiger und entspannter als es im Callcenter war. Kein permanenter Zeitdruck von früh bis spät, kein Zielerreichen mehr, das mit den Worten abgetan wird: "Wir haben jetzt ein neues Ziel: 4 Minuten 58." Kein Gehetze von einem Job zum anderen, keine Wochenendschichten mehr. Mit anderen Worten: So langsam kommt er endlich zur Ruhe, innerlich und äußerlich - und nun macht sich der Stress der letzten 24 Monate bemerkbar. Die Existenzangst, die Angst vor dem Versagen, die Angst vor der Abwertung durch den Vater, der Druck im letzten Job.
"Wenn ich abends heimkomm", sagte er gestern, "dann lauf ich meist noch bisschen um den See, esse mit [dem Bruder] was und dann schlafe ich oft auch schon ein. Nicht mal mehr auf das Zocken habe ich manchmal noch Lust oder die Energie dafür. Ich rauche sogar weniger, weil mir das manchmal zu anstrengend ist."
Ich finde das alles nicht beängstigend - ich finde das normal. Eine normale Entwicklung, und ich sagte dazu, dass ich davon ausgehe, dass dies noch einige Wochen so weitergehen, es dann aber besser werden würde. Dass ich ihm wünsche, dass er sich auch wirklich die Zeit und Ruhe nähme, die er im Moment brauche.
Kommende Woche steht das Telefonat mit der Schmerzärztin an, die auch mich vor Jahren "behandelte". Die sich auf Verhaltenstherapie spezialisierte. Ich wünsche ihm, dass die Besuche bei ihr ihm genauso gut tun werden wie mir damals, 2009, wenn auch in anderer Hinsicht. Dass er gezielt seine Seele entmüllt und sich von Lasten befreien kann.

Und mir? Seit der Behandlung der Unterfunktion habe ich drei Kilo abgenommen. War das mein Ziel? Jein: Es sollte nur nicht (unkontrolliert) noch mehr werden - und offenbar ist dieser Prozess gestoppt.
Nun beginnt der Herbst - eigentlich der Beginn der "kalten" Jahreszeit, in der sich der Schmerz im linken Körper deutlicher bemerkbar macht. Es gibt Tage, da ist das so; es gibt Tage, die deutlich entspannter sind. Insgesamt ist es im Moment ruhiger als sonst, und manchmal denke ich: Wer weiß schon, wie alles miteinander zusammenhängt? Einfach mal schauen, was in den nächsten Monaten passiert.

Doch Fazit zunächst: Es geht uns gut. Es geht uns besser als noch vor wenigen Wochen. Und das genießen wir.

Dienstag, 15. September 2015

Ist das Alter tatsächlich eine miese Gegend?

Letzte Nacht las ich bei Frau RRP diesen Post, den ich jetzt nicht verlinke, weil er nicht für die Allgemeinheit bestimmt ist. Die darin ungestellte Frage beschäftigt mich aber seither: Ist das Alter wirklich eine so miese Gegend? Oder ist es eher die Gegend, die wir doch selber gestalten?
Zunächst denke ich ja, dass es auch so ein Generationending ist: Unsere Großeltern sind andere "alte Menschen" gewesen als es heute unsere Eltern sind und morgen eben wir. Es wiederholt sich vieles, ja. Aber irgendwie ist es trotzdem anders. Ob es damit zusammenhängt, dass heutzutage das Leben doch wesentlich offener, freier ist als es das noch vor dreißig oder fünfzig Jahren war? Ob wir uns damit selber... jünger fühlen? Oder liegt es an dieser "Trimm dich jung"-Einstellung, die uns seit gefühlt ewigen Zeiten vermittelt wird und die uns suggeriert, dass wir nur jung gesehen werden wollen?
Ich meine, betrachte ich mich im Spiegel, sehe ich auch die Veränderungen. Die einzelnen Silberfäden im Haar. Die Veränderungen der zarten Haut um die Augen herum oder zwischen den Schlüsselbeinen. Manchmal ziehe ich mit den Fingern an meinen Wangenknochen und stelle mir vor, man würde das so liften - und dann muss ich lachen, weil ich dann einfach nicht mehr ich bin. Faltenfrei, aber grotesk.
Bei Ina Müller war übrigens letztens die Jutta Speidel zu Gast, und zuerst war ich ein wenig erschrocken: "Huch, ist die aber alt geworden!" Bis mir dann auffiel: Sie hätte sich vermutlich einfach nur weniger stark schminken lassen sollen - das hätte wesentlich natürlicher gewirkt - und damit frischer, weniger maskenhaft.
Doch Alter ist ja nicht nur äußerlich.

Quelle: http://pix.echtlustig.com/1306/aelter-werden-ist-unvermeidbar-
-erwachsen-werden-ist-optional.jpg
Das Altern findet auch im Kopf statt: Als wilder Teenie gibt es kaum andere Themen als Mode, Parties, Jungs und Mädchen. Als junge Mama gibt es für diese kaum andere Themen als ihre Babies. Als Mitt- oder latenter Enddreißiger endlich genießt du dein Leben und nach der 40 fängst du an zu klagen, dass es das jetzt womöglich gewesen war. Die bis dahin allgemeine Frage "Und? Als was arbeitest du?" (Eine Frage, die ich übrigens zu den unmöglichsten Fragen zähle.) wandelt sich in "Und? Welche Pillen nimmst du?" Die Pumps von einst wurden getauscht gegen Birkenstock, weil man so besser den Kindern hinterherrennen konnte und sich dann daran gewöhnte. Sie sind ja einfach so bequem und gesund und überhaupt! Während er zufrieden sein Wohlstandsbäuchlein streichelt und das spärlicher werdende Haar von rechts nach links pattet. Oder umgekehrt. Und während du noch überlegst, wie du unverfänglich auf ne hoffentlich ordentliche Party zum 60. anspielst, berichtet er stolz, dass er auch mit seinen Vierzig noch nicht zum alten Eisen gehört.
Doch Moment, stopp. Das kann so, das ist auch manchmal so - aber das ist nicht bei jedem so.
Du kannst mit 30 ein vermotteter Oldie und demgegenüber eine taffe 70erin sein, die auf Etikette pfeift und ihr Leben lebt, wie es ihr gefällt. Mit oder ohne Pillen, die sich aber lieber mit nem Glas Prosecco in der Hand fotografieren lässt als mit der Hand auf der Pillendose und einem verdrießlichen Lächeln.
Ich glaube, das liegt ganz an einem selbst. Wie das fast immer so ist.
Und deswegen lächle ich insbesondere über die männliche Gattung in meinem Umfeld, die sich um "den Rest ihres Lebens" sorgt, anstatt einfach zu genießen, was sie haben und dass es ihnen gutgeht.
Wenn es etwas gibt, vor dem ich keine Angst habe, dann ist es das Alter.
Jedenfalls bis jetzt gilt das so.

Montag, 14. September 2015

...and see, what happens




 
Wenn ich eines am beginnenden Herbst liebe, dann diese verkuschelten Abende in der Badewanne oder auf dem Sofa, eine Tasse Kakao, ein bisschen Schokolade - und eine Badewanne voller Zusatz, die erste von den vier Tüten von Frau RRP (ich hoffe, ich habe mir die richtige Reihenfolge gemerkt, auf jeden Fall die erste und die letzte ;))
Und wenn ich die Musik dazu durch die Wohnung perlen lasse, fühle ich, dass es gut war, mich zurückzuziehen, mich latent zu verkriechen, genauer auf den Dienstschluss zu achten, anschließend das Handy auszustellen. Keine Nachrichten schauen oder eben nur wenige, keine Nachrichten im web lesen, keine Begegnungen zulassen, die ich nicht will. 
Stattdessen ein Buch lesen.
Ab und an den Mann von der Seite betrachten und daran denken, was für ein Glück es sein kann, dass wir hier nebeneinander auf dem Sofa lümmeln, meine Füße unter seinen Beinen, die Ruhe, die Stille im Haus, sobald es Abend geworden ist. 
Essen zubereiten und in der Badewanne liegen, die Augen schließen: Warten auf den Mann kann zuweilen auch etwas unglaublich Entspannendes haben. 
Beim Gemüsetürken um die Ecke den leckersten Schokokuchen ever einkaufen und lächelnd die Frau in der Backschürze darauf hinweisen, dass sie mir zehn Euro zuviel zurückgegeben hat.
Ruhe in der Bewegung, Ruhe in der Stimme, Ruhe in meiner Brust. 
In der Nacht ein Uhr eine Alternative für Junior aus dem Netz wühlen, der dank ausgefallener Bahn den Fernbus verpasste. 
Drei Nächte später in der Nacht ein Uhr mit Junior telefonieren, dem vermutlich Herz über Kopf geht und der Blutdruck in den Keller sackt: "Leg dich auf den Boden und die Beine hoch und atme tief und langsam ein und wieder aus."
Ich sorge mich - aber in diesem Moment bin ich vollkommen ruhig. In mir. Hör seine Stimme ganz nah an meinem Ohr, fast wie früher, wenn er neben mir lag. "Ich glaub, mir gehts wieder besser."

Bei Anna  las ich vor kurzem die Frage nach dem Wie: "...plötzlich weiß ich nicht, wie ich das überstehen soll."
Was mir hilft, muss nicht Dir helfen. Was mir guttut, muss Dir nicht guttun. 
Du bist ein Sommerkind - ich bin es auch.
Der Sommer ist voller Leben, voller Farben, voller Menschen.
Ich liebe das.
Aber der Herbst ist genauso voller Farben.
Das liebe ich auch.
Und er ist zuweilen voller Stille - und im Moment brauche ich genau das.
Außer in der Musik.
Tagsüber Musik, die mich in Bewegung bringt. Nachts Musik, die mich zur Ruhe bringt.
Im Moment fühle ich viel mehr Kraft in mir als noch im Sommer. Und im Moment habe ich viel mehr Lust auf alles. Im Moment halte ich auch Nähe viel besser aus. Das Miteinander.
"Bin aus den Nachtsorgen gekrochen wie ein Vogel aus dem Ei.
Hab die Schale durchbrochen und spaziere jetzt frei."

So frei, wie ich es jetzt gerade sein möchte. 

Danke Anna, hierfür. Es ist genau das.


Lieb mich, wenn Du kannst



Manchmal denke ich, dass es schade ist, dass ich in meinen Singlezeiten noch nicht bloggte. Liebe Frau I., warum hast Du mich nicht einfach eher darauf gebracht? :)
Im Frühjahr 2003, als ich mich zum ersten Mal ins web begab, um überhaupt mal jemanden kennen zu lernen, da habe ich das alles doch ziemlich... ernst genommen. Ich habe mir tatsächlich die Mühe gemacht, auf alles und jeden zu antworten und das zumeist so ausführlich, dass mir jemand irgendwann mal begeistert schrieb: "Es ist der helle Wahnsinn!! Ich hab mir mal Deine E-Mail ausgedruckt, kannst Du Dir vorstellen, dass die zwölf Seiten lang ist?" (Er war wirklich begeistert davon - und ich habe natürlich nicht jeden so zugetextet.) Einen Stapel ausgedruckter E-Mails von verschiedenen Leuten habe ich heute noch; schade auch, dass ich mir nicht mehr davon aufgehoben habe. So mit einigen Jahren Abstand ist es irgendwie doch ganz witzig, ab und an mal nachzulesen, was man alles so von sich gegeben hat. An manches davon denke ich heute noch ab und an.
So wie der eine, der mir mal schrieb: "...Du schreibst sehr schön und ich finde es auch erfrischend, dass Deine Rechtschreibung so gut ist. Aber nicht jedes ß wird mit ss geschrieben. P.S. Sorry, ich bin Lehrer." Witzigerweise achte ich seither bis heute darauf, also bei anderen ;)
Ich habe mich auch nicht mit jedem getroffen - das wäre schon rein logistisch gar nicht zu bewältigen gewesen. Aber das Interesse daran hatte ich auch gar nicht. Erst mal abwarten und gucken, wer der andere überhaupt war. Wobei ich da weniger an die Gefahr dachte, nach dem ersten Kaffee oder Wein abgemurkst in der nächsten Ecke zu liegen. (Wenn ich heute allerdings an so manche Situation denke, dann kann ich wem auch immer danken, dass ich eben keinem verkappten Irren begegnet war.) Vielleicht sah ich nicht in jedem Typen den potentiellen Nächsten - aber getroffen habe ich mich nur mit jenen, die ich mir zumindest vorstellen konnte. Ja ich weiß, ist total oberflächlich, war aber trotzdem so.
Überhaupt muss ich sagen, dass ich übers Netz weitaus mehr Männer kennen gelernt habe, mit denen ich tiefergehende, interessante Begegnungen und Dialoge hatte, ohne dass sie auch nur irgendwas mit Sex zu tun gehabt haben. Und ja - ich persönlich glaube daran, dass eine Freundschaft zwischen Mann und Frau tatsächlich möglich ist, auch wenn der Mann nicht schwul ist. Gut, vielleicht auch nur, solange einer von beiden ignorant genug bleibt - oder wenn man irgendwann schon mal ein Paar gewesen war. Man kann und man muss nur nicht auch mit jedem befreundet sein.

Ich war einige Jahre im Netz unterwegs. Mit Pausen zwischendurch, solange ich in einer Beziehung war. War diese beendet, folgte fast umgehend ein neuer virtueller Auftritt. Nicht um mich gleich in die nächste Begegnung zu stürzen - aber um mich abzulenken. Mich nicht mit mir und den Ereignissen beschäftigen zu müssen. War - auch wenns nicht gut war - meine Überlebensstrategie.
Ich wusste genau, ich konnte noch nichts und ich wollte auch noch nichts Neues eingehen - aber allein das Gefühl, dass ich es hätte können, das genügte mir für diesen Moment. Und vermutlich hätte ich meinen Blog auch mit so lustigen bzw. denkwürdigen Posts füllen können wie die Juliane.
Vom Papst Paul, der darauf stand, sich selber zu erniedrigen, und der einem die Füße küssen und lecken würde - gerne auch im Beisein einer Freundin. (Ein Fußfetischist wird übrigens in diesem Leben aus mir nicht mehr. Auf Zehen lecken stehe ich so gar nicht.)
Vom Typen, den ich tagelang allen Ernstes vom Wert des Lebens überzeugen wollte, dass da noch mehr sein musste, als die Bilder nackter Frauen an die Wohnzimmerwand zu pinnen. Auch dann, wenn man - den eigenen Argumenten nach - noch so fett und hässlich sei etc. Ach Gott, war ich scheiße naiv!
Und so weiter und so fort.
Insbesondere aber finde ich es vor allem deshalb schade, nicht schon damals gebloggt zu haben, weil ich selber meinen Weg gerne "nachgezeichnet" hätte. Den ich heute hätte nachlesen können, mich zurücklehnen würde können, um mir selber noch einmal zuzuschauen -  und so vielleicht weniger an mir selber zweifeln würde. Die Zeit vergeht und man vergisst so vieles. Zu vieles Wichtiges, auch wenn das Elementare im Bewusstsein verankert ist. Manchmal finde ich es gut, sich an Vergangenes zu erinnern, sich an Schritte zu erinnern - und an die Beweggründe. Für mich lässt sich so besser nachzeichnen, wie weit bin ich gekommen, was habe ich dazu gebraucht, wer war bei mir - und wer war es nicht? Ja gut, vielleicht denke ich auch viel zu viel.
Bei den späteren Internetauftritten wurden Zuschriften dann spärlicher. Na ja, ich empfand es als spärlich, zwei, drei Zuschriften am Tag zu bekommen; die ersten Jahre wars schließlich anders, da war ich wohl "verwöhnt". Dass das auch am Faktor "Alter" lag, diesen Gedanken lasse ich ohne Zweifel zu. Zugleich aber denke ich auch, dass es insbesondere am eigenen Auftreten lag. Verglichen mit dem verträumten, sehnsüchtigen Auftreten der ersten Zeit hatte ich mich aus den Erfahrungen in meinem realen Leben weiterentwickelt, dachte ich ernster, realistischer, ich hörte genauer hin, las genauer zwischen den Zeilen - und reagierte entsprechend. Und hier stellte ich ein Phänomen fest, das ich immer wieder bei Mrs. Candybeach lese: Der Mann im allgemeinen wünscht sich eine starke Frau an seiner Seite. Eine, die genau weiß, was sie will, die ihr Leben allein beherrscht und sich nicht an seine Knie hängt und damit jeden seiner Schritte beschwert. Die Realität jedoch sah im genauso allgemeinen so aus, dass der Mann mit so einer Frau überhaupt nicht umgehen kann. Er ist ihr schlichtweg nicht gewachsen! Er fühlt sich überfordert, tritt entsprechend großspurig auf, um eigene Defizite zu überspielen - oder kneift gleich ganz  - mit Verlaub - den Schwanz ein. Ich bin überzeugt davon, dass viel weniger klasse Frauen Single wären, wenn der Mann tatsächlich eine echte Frau an seiner Seite hätte haben wollen - und nicht das Puschi-Mäuschen, das kaum eine eigene Meinung vertritt, am liebsten auf Parties hängt, aber immerhin 90-60-90 vorzuweisen hat. Was zum Vögeln, was zum Vorzeigen, was zum Beneiden für die anderen, und nur heimlich bevorzugt der Mann die Frau mit mehr auf den Rippen und auch mit mehr im Kopf.
Bediene ich hier ein Klischee? Ja na freilich!
Es gibt sie auch, die anderen Männer, die Perlen vor der Sau - es gibt nur leider so erschreckend wenige davon. Oder sie haben sich gut getarnt - oder haben es genauso aufgegeben wie die desillusionierte Single-Frau. Oder sind eben leider schon vergeben.
Andererseits bin ich - als aktuell glücklicher Nichtsingle - davon überzeugt, dass jedem die Liebe begegnet, der sie auch ehrlich sucht. Früher oder später kriegt sie Euch alle. Das hat das Leben bis jetzt immer wieder gezeigt - im Realen.

Der heute publizierte Song übrigens ist in Wirklichkeit etwas langsamer, aber sonst hätte der User ihn dank GEMA wohl nicht veröffentlichen dürfen, und leider auch nicht vollständig. Vermutlich unnötig zu erwähnen, dass sich dieser Song im Original seit dem Wochenende in meiner Datenbank befindet - und mich in dem für mich genau richtigen Takt in diese neue Woche bringt.
Lets swing and drink some coffee. It's Monday, so what.

Sonntag, 13. September 2015

Hokuspokus - oder Das Ding mit dem positiven Denken



Ich hab heut morgen lange ausgeschlafen und nach dem gemeinsamen Frühstück überall ein wenig herumgelesen. Ich mag ja so Sonntage, die entspannt beginnen und hoffentlich auch so enden.
Auch wenn dazwischen ein Straßenfest gepasst hat. Bei unerwarteten gefühlten dreißig Grad. Schön wars.

Doch zurück zum Gelesenen. Heute fand ich in meinen Lieblingsblogs diesen Post hier http://candybeach-editorial.blogspot.de/2015/09/der-himmel-war-so-blau.html und insbesondere dieser Abschnitt hier hatte es mir angetan:
"Das Gesetz der Anziehung besagt, dass Menschen die Dinge im Leben anziehen bzw. "manifestieren", mit denen sie sich gedanklich am intensivsten beschäftigen, denn Gedanken sind angeblich eine Form von Energie, die Umstände und Gegenstände erschaffen kann. Wissenschaftlich ist das Konzept nicht. Und darüber hinaus ist es auch noch zutiefst bösartig und destruktiv, weil es Menschen auch für alles Schlechte, das ihnen im Leben geschieht, die Verantwortung zuschiebt. Wer krank ist, Opfer einer Straftat oder einer Naturkatastrophe, betrogen oder entlassen wird und keine Prada-Tasche hat, hat seine Gedanken einfach nicht unter Kontrolle, denn während positive Gedanken gute Dinge manifestieren, sind negative Gedanken genauso kreativ und führen zu Tod und Teufel. Und wenn es dazu kommt: Selbst Schuld!"
Ich bin keine Esoterikerin und ich kenne mich mit solchen Dingen auch nicht aus. Auch glaube ich nicht an einen Gott oder ein personifiziertes Wesen, das mir Dinge nehmen oder geben kann - aber ich glaube daran, dass es mehr Dinge gibt zwischen Himmel und Erde, die sich nicht rational erklären lassen - und die trotzdem passieren.
Vor Jahren wurde mir mal das Buch "The Secret" ausgeliehen mit der Maßgabe: "Wenn du es gelesen hast und einfach nur positiver denkst, wird es auch in deinem Leben wieder besser."
Er hat nur eines dabei übersehen: Pessimistisch, destruktiv bin ich schon von Haus aus nicht, auch niemals gewesen - wohl aber befand ich mich damals in einer Phase, die mir echt viel abverlangte, viel Kraft (von der ich nicht mal wusste, dass ich sie besaß - andererseits, was hat man für eine Alternative?), eine Menge an Aufgaben und Verantwortung für mein eigenes Leben und das meiner Kinder - und dass ich zu dem Zeitpunkt mit dem ganzen Scheiß so ziemlich alleine dastand. Da wird man sich auch mal Augenblicke der Schwäche gönnen dürfen? Oder wird im allgemeinen erwartet, dass man auch in Schwierigkeiten vor Lebenslust auf dem Tisch tanzt? So wie zum Beispiel im November 2008 mit meinem "Einzug" in die Schmerzklinik, die mir nach fünf Minuten (!) Anamnese einen Zettel überreichte: "Dieses Medikament nehmen Sie ab sofort in der und der Dosierung."
"Äh... Nein? Das ist nicht das, wofür ich hergekommen bin?"
"Das mag sein, aber damit wird erst mal alles einfacher werden."
"Und wenn ich es trotzdem nicht will? Für Pillen bin ich nicht hergekommen, die hätte ich auch zu Hause haben können."
"Ja schauen Sie sich doch mal an! So wie Sie da sitzen, erscheint angeraten, dass wir Sie erst mal auf Tabletten einstellen." Psychopharmaka, ja was sonst.
Da bin ich echt richtig zornig geworden: "Ja was glauben Sie denn, was ich heute hier an meinem ersten Tag tun würde? Samba tanzen auf dem Tisch? Seit drei Jahren nicht mehr richtig geschlafen, gesessen, gestanden, gelaufen dank Dauerschmerz im Körper, jetzt fünfhundert Kilometer von zu Hause weg mit dem Bewusstsein, dass ich über Weihnachten und Silvester hier bleiben muss, ohne meine Kinder, ohne meine Familie und ohne eine Ahnung davon, was mich hier erwartet?"
Ich habe diese scheiß kack Klinik, die nichts anderes konnte, als Patienten mit Pillen abzufüllen und ein paar Gruppenspielchen zu betreiben, die mich heute noch ein Schleudertrauma vom Koppschütteln kriegen lassen, im Januar 2009 ohne jegliche Erkenntnisse und ohne auch einen Fortschritt wieder verlassen, dafür mit einem Bericht in der Tasche, der mir vage Diagnosen und eine "mangelnde Compliance" bescheinigte.
Ich habe immer die Hoffnung gehabt, dass ich den Schmerz in meinem Körper eines Tages besiegen würde; na ja eigentlich war ich mir sogar sicher - und ich hab es bis heute trotzdem nicht geschafft. Ey Gurus, habt Ihr darauf vielleicht auch eine Antwort? Positiv gedacht und trotzdem nix erreicht?
Andererseits, vielleicht kann man eben auch nicht alles haben im Leben?
Denn zum Beispiel während meiner Ehe wusste ich immer "Das kann es nicht gewesen sein". Immerhin fünfzehn Jahre habe ich das gedacht, geahnt, irgendwie gefühlt -  und was immer nur gleich einer Ahnung war, begann nach diesen fünfzehn Jahren mit der Begegnung 2002  und endete im April 2003. Heute bin ich überzeugt davon, dass es gut war, dass es endete. Ich war noch nicht soweit. Damals aber dachte ich: "Das ist es noch nicht gewesen, das kann es noch nicht gewesen sein."
Und das war es auch nicht. Für meinen Weg noch nicht. Für den Weg, der mir so verzweigt und verästelt erscheint wie das menschliche Nervensystem. Und mit Dingen darin, von denen ich zuweilen dachte: Es gibt doch mehr zwischen Himmel & Erde... Oder?
Und heute?
Heute denke ich nicht mehr, dass "es das noch nicht gewesen sein kann".
Ich ruhe. Manchmal physisch, manchmal in mir. Wenns mir schlecht geht, gibt es nichts außer der Musik und einem schönen Zuhause, in das ich mich vergrabe. Mein Schneckenhaus. Um das zu pflegen, was in mir ist: Hoffnung. Ein schier unerschöpflicher Vorrat an Hoffnung. Vielleicht glaube ich nicht mehr ständig an die Erfüllung von Wünschen und Träumen - aber die Hoffnung darauf habe ich irgendwie... immer. Und ich habe gelernt, dass "ein Ziel erreichen" am Ende eines Tages ganz anders aussehen kann als zu Beginn gedacht, gewünscht, gehofft - und dass DAS manchmal genau das Richtige ist, das einem passieren konnte.
Und heute Abend ist mir wieder nach Tanzen.

Freitag, 11. September 2015

Lost & Found



Eigentlich wollte ich über etwas ganz anderes schreiben.
Zum Beispiel über die Sendung "maybritt illner" am vergangenen Abend - und dass mir unerklärlich bleibt, wie man so penetrant bei Gabriels Äußerungen klatschen konnte, der viel redete und trotzdem nichts sagte. Alles wie gehabt also. Der seit Monaten Entscheidungen mit aussitzt und jetzt die Verantwortung abschieben will auf andere EU-Staaten, die diesen chaotischen Wahnsinn, der bei uns eingezogen ist, nicht mitmachen wollen. Auch alles wie gehabt.
Ich wollte auch noch über andere Dinge schreiben, die mir irgendwie im Magen brennen - und jetzt sitze ich hier, summe immer noch leise und vergnügt vor mich hin - und schreibe nichts von alledem.

Stattdessen denke ich an die Begegnung heute Nachmittag, die irgendwie genauso war wie erwartet - und doch ganz anders. Für die ich mir ein Geschenk zu ihrem besonderen Geburtstag ausgedacht hatte - und selber eines überreicht bekam, von dem mich der Gedanke dahinter wahnsinnig berührte, auch wenn ich das vielleicht nicht so offen gezeigt habe. So ein bisschen nordische Unterkühltheit steckt wohl immer noch in mir, auch wenn es schon so viele Jahre her ist, dass ich nicht mehr dort lebe.
Ich denke an die Weißweinschorle, die wir tranken, und die mir hernach eine so wunderbare Leichtigkeit schenkte, dass ich nur wenige Stunden später mit ausgebreiteten Armen auf einer imaginären Linie dem Liebsten, der den Einkauf trug, und dem Freund folgte, vor mich hin singend, leise und nur zu mir selbst. Beide unterhielten einander, während ich nach hier und nach dort zeigte: "Schau mal, das Backsteinhaus da drüben, da könnte ich mir auch spontan vorstellen, eine Wohnung darin zu haben." Die Wohnung mit der gusseisernen Brüstung am Balkon und dem warmen Licht hinter der weit geöffneten Balkontür. Spontan sah ich mich dort sitzen, die Strickjacke über einem Sommerkleid, ein Glas Wein in der Hand und ein Buch im Schoß...
Ein neues Zuhause kann nur ein neues Zuhause für mich werden, wenn ich etwas sehe, entdecke und mir spontan vorstellen kann, dort zu leben. Das kann eine Wohnung sein, ein Ort - mit dem Menschen, an dem mein Herz hängt - oder auch allein mit meiner Musik und einem Wandregal voller Bücher, einem großen Holztisch, auf dem die Malsachen ausgepackt sind und es bleiben, einem Sofa der Bücherwand gegenüber und einem wunderbaren Holzfußboden, auf dem ich liege, während die Musik das Holz vibrieren lässt...
Ja ich weiß, hab ich schon oft genug gesagt.
Aber was soll ich sagen... Das sind halt so Bilder in meinem Kopf, die wieder und wieder aufleben, sobald ich den richtigen Menschen begegne oder die richtige Musik höre. Insofern... Liebe RRP, dass jemand Dir so sehr die Musik genommen hatte, hat mich doch sehr berührt - und umso mehr gefreut, dass Du sie für Dich wiederentdeckt hast. In Deinem ganz eigenen Maß.

In diesem Augenblick brennt mein Magen nicht mehr: Dieser Nachmittag heute, dieser wunderbare Abend, haben mich einmal mehr darin bestärkt, mich noch eine Weile in meinem Schneckenhaus aufzuhalten, meine Seele zu streicheln und mich konsequent dem zu entziehen, das mir momentan nicht guttut. 

Hold onto safety

hold onto neutral grounds

precautions must be taken
as long as your heart’s still in the
lost & found....




Donnerstag, 10. September 2015

Kotz-Brech-Thema

Wie ich den hasse, diesen Scheißkackverein GEZ!
Als ich letztes Jahr von dannen zog, entrichtete ich brav die letzten, fälligen Gebühren - und Sohnemann war aufgrund seiner Ausbildung und seinem Anspruch auf Bafög ab September 2014 von der Gebührenzahlung befreit. Das bekamen wir sogar schriftlich. Insofern hat er natürlich die Zahlungsaufforderungen, die seit April diesen Jahres eintrafen, ignoriert. Genauer gesagt: weggeworfen.
Auch unter dem Aspekt, dass diese scheißkack-Gebühren, die sowieso kein Mensch nachvollziehen kann, mit welcher Berechtigung und warum in dieser Höhe, ab Oktober 2014 von seinem Bruder beglichen werden. In voller Höhe freilich, so als fleißiger Angestellter.
Bereits letzte Woche und auch diese trudelten Vollstreckungsbescheide ein, die wir - die Warteschlangen an den Telefonen scheinen endlos - per Fax übermittelten. Immerhin trau ich spätestens seit dem Osterpaketfiasko der DHL nicht mehr über den Weg - und der GEZ auch nicht. So frei nach dem Motto: "Huch, Schreiben verlegt" oder "Nö, hab ich nicht bearbeitet, liegt mir erstmals vor". Kennen wir ja alles schon. Per Fax also, hat man immer ne schriftliche Empfangsbestätigung für weniger Gebühr als ein entsprechendes Einschreiben.
Aber blöd sind die ja nicht. Wenns ums Geld geht! Immerhin muss der Stuhl, auf dem die vermutlich täglich irgendwelche Sprüche, sicher auch Beleidigungen etc. entgegennehmen müssen, erhalten und ordentlich gepolstert bleiben!
Nachdem ich dann heute doch mal jemanden erreichen konnte, wurde ich freundlich auf den Umstand hingewiesen, dass der Bafög-Bescheid von Junior ja nur bis August 2014 galt - und der neue nie eingereicht worden war.
Hmm.
OK.
Heißt also mit anderen Worten: Das Kind hätte ja inzwischen die Ausbildung abbrechen und "richtig" arbeiten gehen können. Hat es aber nicht. Und nen Bafögbescheid von September 2014 bis August 2015 gibt es auch.
"Den können Sie jetzt nicht mehr einreichen", wurde mir süffisant erklärt. (Mein geistiges inneres Auge sah förmlich die Miss ihre Fingernägel betrachten und einen Schluck Kaffee nehmen, die Augen zur Decke drehend - oh ja, auch da habe ich grenzenlose Phantasien!)
"Und warum nicht?"
"Weil Sie ab Antragstellung nur 2 Monate Zeit haben, die Dokumente einzureichen. Und die ausgestellten Bescheinigungen nicht älter als 2 Monate alt sein dürfen. Ihr Bafög-Bescheid ist aber älter als zwei Monate und rückwirkend gibt es auch keine Beitragsbefreiung."
"Wieso rückwirkend? Wir haben doch die Befreiung ab 01.09. beantragt, weil ich erst dann ausgezogen war und zu diesem Zeitpunkt noch kein aktueller Bafögbescheid vorlag. Den gab es erst im Dezember. Und wenn Sie ihn im April aufgefordert haben wollen, diesen Bescheid nachzureichen, sind doch auch mehr als zwei Monate vergangen. Überhaupt verstehe ich das Ganze nicht. Wie alt der Bescheid ist, ist doch irrelevant, wenn der Anspruch für den Zeitraum bestätigt wird, für den Sie jetzt hier Geld fordern. Ich kann mir ja vom Sozialamt auch eine aktuelle Bestätigung geben, dass er diesen Anspruch bis einschließlich August 2015 hatte."
"Nein, das geht nicht. Denn das Bafög-Amt wird Ihnen nur eine Kopie ausdrucken und auf der Kopie steht das Datum vom letzten Jahr. Und das ist dann eben älter als zwei Monate. Rückwirkend gibt es keine Befreiung."
Ebenso wurde ich darüber aufgeklärt, dass zwar die Fax-Benachrichtigungen eingegangen waren, jedoch die Bearbeitung 4 - 6 Wochen dauern und man Sohnemann dann eine Rechnung für September 2014 in Höhe von etwa 17 Euro schicken würde.
"Wissen Sie was", wurde auch ich dann echt ungnädig, "dann schicken Sie doch erst mal Ihre Rechnung und ich prüfe in der Zwischenzeit, was das Sozialamt hinsichtlich aktueller Bescheinigung dazu sagt." Vermutlich nix bzw. dasselbe wie die GEZ-Tusnelda, aber so leicht gebe ich mich trotzdem nicht geschlagen. Manchmal hätte ich doch nicht übel Lust.....

Changing Lines

Als wir am Dienstagabend zurückfuhren, war ich müde. Die Nacht zuvor hatte ich nicht mal schlecht geschlafen, auch nicht zu wenig. Aber ich war müde. Klebte wie ein toter Frosch auf meinem Bett und den darauffolgenden Dienstag auch auf meinem Bürostuhl. Und als ich am Abend den Liebsten abholen wollte zur Weiterreise, empfing der mich mit einer Kanne Kaffee.
Äh...
"Ich dachte, wir wollen gleich los?" war ich dann doch irgendwie... ungnädig. Mann, ich war müde. Jetzt schon - und vier Stunden Autofahrt standen uns noch bevor.
"Und ich dachte, zu einem Käffchen sagst du doch nicht nein! Aber ich kann ihn auch wieder wegschütten."
Eine ganze Kanne Kaffee! Frevel ohne gleichen. Nee, das geht nicht, ich beugte mich, wenn auch - zugegeben - immer noch ungnädig.

"Soll ich dich nicht doch mal ablösen?" fragte er irgendwann unterwegs.
"Nein wieso?"
"Na du fährst ständig über die Linie."
Hm. Im Nachhinein betrachtet erklärte das zumindest seine Angsthaltung mit gefalteten Händen im Schoß und einem sich stets vergewissernden Blick in den Rückspiegel beim Überholen von LKWs und Sonntagsfahrern.
Und ich, die schon mal dem Sekundenschlaf unterlag und erst in der Leitplanke wieder erwachte, sollte es ja auch besser wissen.
Dennoch muss ich zu meiner Verteidigung hinzufügen: Erstens mal überfuhr ich die Linie nur in ausgeprägten Kurven. Sagt der Liebste nicht selbst immer, dass man Kurven ruhig mal schneiden kann, sei besser für die Reifen? Na oder sowas ähnliches. Zweitens war es eine einzige Bemerkung seinerseits, bei der er selbst sich vermutlich nicht mal was dachte, bei mir aber Kopfkino mit roter Rundumleuchte auslöste - und mich fortan auf den Straßenverkehr konzentrieren, schweigsam werden und auch beim Angesprochenwerden nur wortkarg reagieren ließ. Jetzt nur noch daneben sitzen und sich chauffieren lassen - nee. Das wäre zuviel Zeit und Raum für noch mehr Kopfkino. Brauch ich nicht, muss ich nicht. Drüber reden? Bringt auch nix. Wie schon Amorsolalex mal sagte: "Nicht alles muss auch thematisiert werden." Manches muss man eben doch mit sich selber ausmachen. Auch wenn man fast platzt dabei.

"Ein Auto mit Fahrspurkontrolle wäre vielleicht gut, grad für dich, wenn du immer abends pendelst", hatte ich dann von einer Freundin zu lesen bekommen. Sie weiß noch nicht, dass wir ohnehin gerade dabei sind, ein paar Angebote zu checken. Der kleine Weiße war sicherlich mehr eine Schnellschussaktion im vergangenen Jahr, nachdem Sohnemann den Blauen rettungslos geschrottet hatte. Ich brauchte was Kleines, Bezahlbares, und zwar sehr schnell - und der kleine Weiße war perfekt. Aber eben auch ein Benziner mit einer kleinen Maschine. Nicht unbedingt geeignet für die Laufleistung, die ich nunmehr seit einem Jahr absolviere. Nicht wirklich geeignet auch für längere Strecken an den Gardasee oder auch auf die Heimatinsel, wenn man bis zu 900 Kilometer zurücklegt. Hab ich zwar alles schon problemlos geschafft - aber damals war ich eben auch zehn Jahre jünger. Ja, das Alter nagt, und so langsam merke das auch ich. Und da das Fahrzeug des Liebsten nur in den Sommermonaten ausgeführt werden kann, kam uns irgendwann doch der Gedanke, etwas Bequemeres, vielleicht ein bisschen schnelleres mit einer größeren Maschine zu erwerben. Und vor allem Diesel. Es wird sich bezahlt machen, denken wir uns. Ich hoffe es. Auch wenn mir der Gedanke im Bauch grummelt, dass ich da so ne Statistik habe: Jedes zweite Auto geht zu Bruch...
Aber vielleicht wäre der Neue (ja, wir haben da was im Auge ;)) ja auch wie gemacht dafür, diese blöde Statistik mal zu durchbrechen.

Sonntag, 6. September 2015

99 Luftballons

 Eigentlich hätten wir diese heute steigen lassen müssen - für jedes Jahr in diesem Leben einen Ballon. Haben wir nicht. Dennoch war der Opa völlig gerührt darüber, dass sie alle da waren - die Kinder, die Enkel - und die ersten Urenkel. Am Anfang hat er nur geweint mit jedem neuen Gast, der da kam, um ihm zu gratulieren. Den er nach dem Namen fragte und wie alt er sei.
Seinen Sohn hat er nicht erkannt, auch nicht mehr gewusst, dass dieser schon siebzig ganze Jahre alt ist. Nicht alle seiner Töchter hat er erkannt, ganz zu schweigen von den Enkeln, den Urenkeln. Und geweint hat er und darum gebeten, dass er nicht vergessen wird.
Nach dem ersten Sekt das Lösen der Anspannung, der Verwirrung, der Angst "Was muss ich denn jetzt hier eigentlich machen?" "Kuchen essen, Opa." Mit ganz viel Schlagsahne, auch ohne Kuchen. Das Schleckermäulchen.
Der Rückblick auf sein langes, erfülltes Leben ist so nicht mehr möglich, so viele Jahre sind ihm entfallen.  Dafür im Gedächtnis noch Kinderreime, die er immer wieder rezitiert, bei denen er lacht - glücklich wie ein Kind.
Fünf oder sechs Versuche, bis alle auf ein Foto passen.
"Ich finde das schön!" sagt er und lächelt.
Lieber Opa... Ich war sehr froh, sehr dankbar und sehr gerührt, dass ich heute dabei sein konnte, sehr berührt von Deinem sachten Kuss, dass ich Deine Hände halten konnte, die Haut inzwischen so dünn wie Papier.
Wenn wir nächstes Jahr noch einmal um diese Zeit zusammen sein können, dann, das versprech ich Dir, dann machen wir das mit den Luftballons. Dann mit einhundert Stück.

Freitag, 4. September 2015

Morgens, mittags, abends


"Geht es dir denn jetzt besser?" wurde ich vor zwei Tagen schmunzelnderweise gefragt und ich antwortete: "Weiß ich noch nicht, mal sehen."
Ich beobachte mich nicht ständig, aber ich spüre immer wieder, wie fragil meine Schutzwand ist. Und ich frage mich auch nicht permanent, ob das die Flucht einer Illusionistin ist vor der Realität. Ich frage mich auch nicht, wie viel ich aushalten kann oder muss. Erst recht frage ich niemanden anderen danach. Niemand hat mir zu sagen, was ich tun oder nicht tun soll, was ich fühlen oder nicht fühlen soll. Oder darf.
Momentan vergrabe ich mich in meiner Musik. Zum Leidwesen des Liebsten - aber ich glaube, irgendwie versteht er es. Auch wenn er es schade findet, sich so "draußen" zu fühlen.
Momentan brauche ich auch keine anspruchsvolle Musik. So wie ich auch nicht permanent anspruchsvolle Sendungen im TV schauen kann. Manchmal muss es einfach nur... was Leichtes sein. Etwas einfaches, schlichtes.
Und so hülle ich mich ein in die Musik, die ich aktuell morgens, mittags, abends, in jeder möglichen Pause höre. Beim Kaffee zubereiten am Morgen, beim eine Scheibe Brot abschneiden zum Mittag. Manchmal bewege ich mich im Takt der Musik, so wie vorgestern Abend mit dem Liebsten, bevor ich dann zu lachen begann: "Sorry, ich muss erst einen Prosecco trinken, damit der Körper biegsamer wird!" Ich schaue nur noch wenig Nachrichten, lese nichts mehr im Web und lese auch keine entsprechenden Blogbeiträge mehr. Bei Auseinandersetzungen bleibe ich ruhig und friedlich, lächle mit hochgezogener Augenbraue: Es kommt ran, aber ich lasse nicht an mich heran.
Am Sonntag fahre ich nach L und dieses Mal begleitet mich der Liebste. So wie er es auch in vierzehn Tagen tun wird, wenn wir anschließend zum Konzert nach Berlin fahren. Zum Konzert einer Band, bei der er vor ungefähr zehn Jahren war: Wir kein Paar mehr - aber er steht da inmitten der Menge und alles, woran er in dem Moment denkt, bin ich. Und er ruft mich an, aus dieser Menge, diesem Getöse heraus, wir können einander kaum verstehen, aber wir beide haben Gänsehaut. 
Noch mal zwei Wochen später fahren wir beide in völlig entgegengesetzte Richtungen.
Noch zwei Wochen später fahren wir gemeinsam übers Wochenende weg.
Gestern Abend sind wir ausgegangen, zum Afghanen in der Innenstadt; eine Küche, die wir beide noch nicht kannten. Sehr zu empfehlen, übrigens. (Und ich musste unwillkürlich daran denken, dass eine Welt auch wunderbar bunt sein kann, wenn man es zulässt.)
Wir saßen einander gegenüber, schauten einander in die Augen, wir sprachen über uns, während unsere Finger ineinander verhakt waren.
Wir fragten uns, warum wir all das nicht öfter taten, nicht schon eher, wo wir doch nunmehr ein Jahr miteinander leben.
"Es ist irgendwie doch auch sehr viel für mich", habe ich gesagt, "der Umzug, das Loslassen von den Söhnen, neue Stadt, neue Menschen, neue Eindrücke, du und ich in einem Lebensraum, mit dem wir beide spüren, dass er uns irgendwie zu eng ist. Ich muss das alles auch erst irgendwie verarbeiten, mich reinfinden, Luft holen können." Er versteht es deshalb so gut, weil es ihm genauso ging. Damals, vor rund 15 Jahren.
Wir haben Pläne. Und wir waren einander nah, sehr nah, so empfand ich es - und dennoch vergrub ich mich daheim wieder in meiner Musik.
Gestern Abend. Heute Morgen. Und jetzt.

Donnerstag, 3. September 2015

Reisende soll man nicht aufhalten...

...und darum habe ich mir soeben ein schnuckliges kleines Quartier gebucht und gleich auch die Anzahlung überwiesen.


...und wehe, das sieht nicht haargenauso aus, wenn ich hinkomme :)
In vier Wochen ist es soweit. Dann werde ich in L die Bürotür abends hinter mir zuschließen, noch einen gemeinsamen Abend mit meinen Söhnen verbringen und mich am nächsten Tag ganz entspannt auf die Reise begeben. Ganz allein, mit Kleid, Büchern und natürlich meiner Musik im Gepäck.
"Manchmal muss man einfach nur mal ans Meer fahren, um glücklich zu sein."
Und genau das habe ich vor.

Mittwoch, 2. September 2015

Zurück zu mir

Irgendwo hörte ich vor einigen Tagen die Worte "Alles, was Augen hat, isst man nicht."
Ergänzen muss ich vielleicht: Früher habe ich immer Fleisch und Wurst gegessen. Nicht besonders viel, eher normales Essverhalten, würde ich sagen. Irgendwann wurde es immer weniger an Fleisch und Wurst. Begonnen hatte es mit der ersten Schwangerschaft, als ich eine Abneigung gegen Rindfleisch entwickelte. Über die Jahre hinweg aß ich auch sonst immer weniger Fleisch und Wurst, nur phasenweise entwickelte ich "Genussanfälle" hinsichtlich Würstchen und Teewurst. Sowie Fisch und Geflügel.
Gestern Mittag, als ich den Kühlschrank öffnete, lag da noch der Rest der Teewurst. Besser bekannt vielleicht unter dem Begriff  "Mettwurst". Warum die übrigens Teewurst heißt, weiß ich gar nicht, denn jeder weiß: Da ist alles drin, aber kein Tee.
Jedenfalls schnitt ich mir zwei Scheiben Brot ab und verbrauchte den Rest an Teewurst. Dazu gab es meinen obligatorischen Kaffee, und der Magen begann zu rebellieren. Nicht der Nahrungsmittel an sich: Das Brot war frisch, Kaffee und Milch waren frisch, die Wurst war relativ frisch. Aber mir kam jenes Zitat wieder in den Kopf, keine Ahnung wieso.
Doch der Magen verkrampfte und ich habe so lange über dem Toilettenbecken gewürgt, bis ich dachte, es ist doch nix mehr drin, gleich kommt der Magen selbst noch hinterher. Ich konnte einfach nicht aufhören zu würgen, so speiübel war mir.
Mir ist völlig bewusst: Ich habe mich selbst in etwas hineingesteigert. In diese Worte, in diesen Satz, in die Vorstellung dessen.
Heut hab ich mir wieder ein Brot geschmiert, heute mit dem frischen Käse, den wir gestern Abend noch eingekauft haben. Milch, Käse, Eier, das sind Dinge, auf die ich auch nicht verzichten würde. Eier wird ein Huhn immer legen und eine Kuh würde schreien vor Schmerz, würde man sie nicht mehr melken. Vor Jahren habe ich vor allem unter dem Aspekt der Preisstellung eingekauft: Das Geld war zu knapp. Heute geht es mir finanziell wesentlich besser - und mir ist irgendwann aufgefallen, dass ich inzwischen wie der Liebste einkaufe: Weniger, aber bewusster. Ob Bio nun wirklich auch Bio ist, kann man zwar nicht sagen, aber Eier, Milch, Butter & Co. kaufen wir nicht mehr nach dem Motto "Hauptsache, billig".
Und mir geht die ganze Zeit, auch nach dem Kommentar von Frau RRP im letzten Post, der Gedanke herum: Wo achte ich zu wenig auf mich? Wo denke ich zu wenig an mich? Wann habe ich zuletzt etwas nur für mich getan, außer ein Kleid zu kaufen oder die paar Stiefel mit der Schnürung vorn für das Konzert in drei Wochen?
Als ich Montagabend nach M zurückkam, war der TV aus, der Liebste hatte eine Platte von Fleetwood Mac aufgelegt und ich setzte mich zu ihm, legte irgendwann meinen Kopf in seinen Schoß. Mir war nach Weinen, aber ich habe nicht. Mir war nach Reden, aber ich habe nicht. Dennoch habe ich mich an diesem Abend entspannt. Die Ruhe tat mir gut, sie tat mir unendlich gut. In der folgenden Nacht schlief ich so tief und fest, als müsste ich den Schlaf der letzten Wochen nachholen.

Frau RRP hat sicherlich etwas anderes gemeint, als sie sagte, ich solle überlegen, welchen Ballast ich abwerfe. Aber heute ging mir den ganzen Tag diese Teewurst-Geschichte durch den Kopf. Wenn ich mich da so reingesteigert habe, ich mich selbst bis hin zum wahrhaftigen Erbrechen, steigere ich mich dann auch in andere Fragen so rein? Mache ich es mir selbst viel zu schwer?
Heute Vormittag flogen über unser Haus gleichzeitig etwa sieben oder acht Bundeswehrhubschrauber sowie ein weißer mit irgendwas Orangefarbenen. Ich stand da am Fenster und hatte so das beklemmende Gefühl in meiner Brust: "Was wäre, wenn dies keine Hubschrauber wären, sondern Flieger mit Munition an Bord, bereit, sie jederzeit auf uns abzuwerfen? Was wäre, wenn Deutschland, wenn Europa nicht mehr das sichere Flecken Erde sind wie in den letzten fünfzig Jahren? Was wird aus meinen Söhnen? Was wird aus den Menschen, die ich liebe? Wo ist das Mitgefühl füreinander, die Sorgfalt, die Fürsorge? Wo ist die Liebe zueinander und füreinander? Was ist verdammt noch mal passiert und was passiert heute, morgen oder in einem Jahr?"

Bildquelle:
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Ja, ich kann mich da hineinsteigern. So wie in die Teewurst. Seither kann ich nicht auch nur an Fleisch oder Wurst denken, ohne Brechreiz zu empfinden.
Ballast abwerfen. Lösen von Dingen, Situationen, die mir (gerade) nicht guttun. Wiederkommen, vielleicht, oder nie mehr.
Mein erster Schritt für heute: Meinen Facebook Account deaktivieren. In den letzten zwei, drei Wochen habe ich jeden Geburtstag verpasst, der mir angezeigt wurde - sie mögen es mir bitte verzeihen. Weil ich entweder zu wenig oder zu spät die Plattform betrat, die mich daran erinnerte. Aber ich kann sie nicht mehr betreten, ohne überall zu lesen, das Pro und Contra der Hilfe- und Schutzsuchenden. Nur eben kein sachliches Pro und Contra, sondern vor allem ein Stimmen-Like-Fang-Pro-und-Contra, und ich kann es nicht mehr ertragen. Scheinheiliges, verlogenes Getue zumeist, ich halts nicht aus.
Am Sonntag hatte mich meine Freundin gefragt, ob mir das Bloggen guttut und ich antwortete: "Normalerweise ja. Normalerweise immer. Aber im Moment fließt es einfach nicht. Ich kann nicht mal sagen, dass ich blockiert wäre, aber... es fließt irgendwie einfach nicht." 
Ich bin noch nicht so weit wie der Zaubermann, der nach gut zehn Jahren Bloggen aus persönlichen Gründen beschloss, damit aufzuhören. Ich finde auch, er muss es weder rechtfertigen noch um Verständnis bitten: Es war seine ureigenste Entscheidung, damit zu beginnen, und es ist seine ureigenste Entscheidung, damit aufzuhören. Es ist vor allem eine ehrliche Entscheidung. Eine authentische. Mir ist sowas jedenfalls allemal lieber als Blogger, die ständig ihr Häuschen wechseln, dem Ganzen einen neuen Namen geben und dann auf eine Plattform wechseln, die vor allem von getunten Fotos lebt, obwohl man doch prinzipiell ablehnt, Fototuning zu betreiben.
Die Entscheidung, das Facebook-Konto zu deaktivieren, ist mein eigener erster Schritt. Welche weiterhin folgen und in welche Richtung sie gehen, weiß ich noch nicht, kann ich grad noch nicht sagen. Doch so wie bisher geht es für mich nicht weiter.

Dienstag, 1. September 2015

Fünf Tage

Fünf Tage, na genauer gesagt, sechs Tage war ich jetzt in L. Habe ein sehr entspanntes Wochenende mit meinen Söhnen gehabt, gekocht, gebacken, zugehört, zugesehen, unterstützt.
Gestern Abend, als ich nach der Exmatrikulationsfeier mit Sohn II zurück nach M fuhr, war ich müde und zugleich hellwach. Ein merkwürdiges Gefühl. Die Musik, die ich für gewöhnlich zum Autofahren höre, habe ich ausgeschalten, dafür Musik gehört, die ich für gewöhnlich nachts höre, wenn ich allein bin. Weil ich es liebe, wie Klaviermusik durch einen Raum perlt und die Brandung in mir beschwichtigt, bis sich auf der Wasseroberfläche nur noch Kreise ziehen.... In Bewegung bleiben also und dennoch.. zur Ruhe finden.
Den ganzen Sonntagnachmittag habe ich mit einer Freundin verbracht. Sie, die mit wenigen Worten den Finger dahin legt, wo es richtig weh tut. Zart und mitfühlend fragt sie, und trotzdem schmerzt es.
Bist du glücklich so wie es jetzt ist?
Fühlst du dich auf dem Weg geradeaus oder eher an einem Scheideweg?
Was konkret tut dir gut, was tust du für dich? Ist es das Bloggen?
Für mich war es irgendwie... schwierig, diese Fragen zu beantworten. Wohl nicht so sehr der Wortfindung wegen. Eher... Es ist schwierig, etwas zu beschreiben, das einem eher im Bauch herumgeht als im Kopf. Sehen, hören, fühlen - die Summe all dessen nicht ordnen, nicht bündeln zu können. Nicht filtern zu können. Die Haut zu dünn. Der Kopf zu voll. Das Herz birst.
Drei Fragen - und der Dunstschleier um mich herum zerreißt.
Ich weiß, dass ich ihr bedingungslos vertrauen kann. Dass ich alles sagen kann, ohne dass sie je ihre Freundschaft zu mir in Frage stellen würde. Ohne dass ich Gefahr laufe, missverstanden zu werden.
Ich glaube, sie hat mich verstanden, auch wenn diese fünf gemeinsamen Stunden letztlich zu wenig sind und waren, gemessen an der Zeit, die wir uns nicht sahen.
"Ich fühle mich so zerrissen", habe ich gesagt, "aktuell. Ich fühle mich hin und her gerissen zwischen dem, was von mir erwartet wird, was von mir gefordert wird, ob beruflich oder privat. Beruflich habe ich mir eine Position erarbeitet, in der das mir gegebene Vertrauen die wohl größte Anerkennung darstellt. Nur weiß ich manchmal gar nicht mehr, ob ich die Last dieser Verantwortung tragen kann. Oder wie lange ich sie tragen kann? Werde ich ihr gerecht? Kann ich ihr überhaupt gerecht werden? Ich frage mich nicht, was hinter meinem Rücken über mich gesprochen wird, aber ich frage mich, ob ich den Pflichten und der Verantwortung gewachsen bin. Und privat... Vor Jahren habe ich meinen Söhnen mein Wort darauf gegeben, dass ich immer für sie da sein werde. Vor meinem Umzug habe ich dieses Versprechen auf ein Papier gesetzt, habe einen Plan aufgestellt, wer was wie viel trägt. Ja, ich trage den Löwenanteil, aber ich trage ihn auch aus dem Gedanken heraus, dass insbesondere Sohn II sich auf seine Ausbildung konzentriert. Ich weiß, dass es ihnen gut geht damit. Vielleicht geht es insbesondere Sohn II auch zu gut? Fordere ich ihn zu wenig? Ja vielleicht. Doch was ich gebe, gebe ich, weil ich es kann. In meinem Kopf summiere ich nicht auf, was ich gebe und wie viel. Ich gebe das, was ich kann, was vertretbar für mich ist und was es braucht, um den Jungen auf den Weg zu bringen, den er sich für sein Leben vorstellen kann. Nie niemals will ich so sein wie der Vater, der sich jahrelang Gelder in die eigene Tasche steckte statt sie den Kindern zukommen zu lassen, der nie Unterhalt zahlte oder sich überhaupt an nur irgendwas beteiligte. Der in diesem Jahr das dritte Mal in den Urlaub fährt, respektive fliegt, und sich nicht zu schade ist, Sohn I dafür am Samstag morgen aus dem Bett zu klingeln und zu ihm zu sagen: Ich bringe dir dies und das mit, aber du musst mir dafür mal 50 Euro mitgeben. Du musst das verstehen, hat Sohn I auf meine fassungslose Frage hin versucht zu rechtfertigen, er hat einen neuen Job mit einem anderen Lohnsystem, da bekommt er erst in sechs Wochen seinen ersten Lohn. Ja und? habe ich gefragt, das ging dir doch im letzten Jahr ganz genauso. Hat er dich damals gefragt, wie du das finanziell machst? Hat er dich überhaupt jemals in dem einen Jahr gefragt, wie du das finanziell machst? Ob du zurechtkommst? Ob du Hilfe brauchst? Ob du überhaupt auch nur irgendwas brauchst? Hat er gewusst, dass du im Mai nur noch 1,53 Euro auf dem Konto hattest und du niemandem davon sagtest? Dass ich es nur wusste, weil ich mir ausrechnen konnte, dass nicht viel da sein kann? Weil man vier Wochen lang null Anspruch auf Geld hatte und nach sechs Wochen nur einen halben Monat Lohn bekam?
Fremdschämen. Fremdgrämen bis hin zum Infarkt oder wenigstens Magengeschwür.
Ich kann so nicht. Ich will so nicht. Ich bin so einfach nicht. Erst recht bin ich auch nicht jemand, der jeden Monat neu überdenkt, ob und wo er noch Geld einsparen kann. Muss das Fitnessstudio noch sein? Kann Sohn II die Fahrkarte nicht selber zahlen? Solange ich weiß und sehe, dass sein monatliches Einkommen aus Bafög und Kindergeld dasselbe ist, sind auch die Möglichkeiten dieselben. Er könnte nebenbei arbeiten gehen. Hat er aber bislang nicht gemacht. Dafür gestern ein gutes Zeugnis in die Hand bekommen. Eins, das ihm so vielleicht nicht viel nutzt, denn nun ist er staatlich geprüfter Sozialassistent, der keine Erzieherausbildung mehr anhängen will. Der Termin zum Eignungstest bei der Polizei ist im Dezember. Die mögliche Ausbildung startet im September 2016. Also drei Jahre verschenkt? Drei Jahre umsonst Zeit, Geld, Kraft investiert? Ja und? Ist er der erste, der einzige, der erkennt, dass die einst gewählte Berufsrichtung doch nicht die richtige ist?
Ihn jetzt mehr in die Pflicht nehmen - oder schauen, wo ich jetzt an ihm sparen kann? Um ihn... zu erziehen? Oder ihn in eine Richtung zu drücken, nur damit er Geld verdient und mich damit entlastet? Ist es das, was ich will? Was ich für meine Kinder wollte??
Und: Komme ich persönlich denn zu kurz? Ich finde nicht! Ich denke das nicht! Mir geht es doch gut, warum den eigenen Kindern nicht davon abgeben, bis sie ihren eigenen Weg gefunden haben?
Bin ich nicht die richtige Frau für einen Mann, weil ich nicht jeden Groschen in das eigene Leben stecke, sondern nur das, was überbleibt? Von dem ich denke, dass das immer noch genug ist? Auch wenn ich davon derzeit keinen Traum erfüllen kann?
Bin ich nicht die richtige Frau für einen Mann, der jetzt leben will und nicht irgendwann?
Bin ich so lange nicht die richtige Frau für einen Mann, bis meine Söhne auf eigenen Füßen stehen?
Wie oft habe ich in den Jahren als Single zu hören bekommen "Mit dir allein würde ich alles wagen. Alles machen. Aber da sind ja noch deine Kinder..." Solche Leute kann man doch nur in der Pfeife rauchen - oder etwa doch nicht? Ich priorisiere sie nicht ausschließlich - aber sie sind meine Söhne. Ein Teil von mir wie mein Arm, mein Bein.
Bin ich nicht die richtige Frau für einen Mann, weil das Leben mit mir nicht jeden Tag Sommer, Sonne, Sonnenschein ist? Weil es nicht jeden Tag unbeschwert und unbelastet ist? Weil ich auch mal was regeln, bezahlen muss? Weil ich gerne gebe, abgebe? Weil ich an mich denke, aber auch nicht nur an mich?
Und dann fahre ich nach Hause und denke daran, wie unendlich dankbar ich bin, dass ich auf dem Heimweg keine Angst haben muss, erschossen zu werden. Außer abgeschossen zu werden von so einem hirnverbrannten Autofahrer, der mit zweihundertfünfzig Sachen und Lichthupe und drängeln nicht akzeptieren will, dass ich gerade einfach nicht woanders hin kann, wenn ich nicht in den LKW knallen will?
Wie dankbar ich bin, dass meine Söhne keine Angst um ihr Leben, um das Essen, Trinken, um das Morgen haben müssen?
Warum anderen Menschen dieses Recht auf ein Leben nicht genauso einräumen? Warum ihnen keinen Platz machen hier, wo am Himmel Wattewolken dahintreiben - und keine Flieger mit Munition an Bord?
Doch warum darf ich nicht die Frage stellen, wie sich das hier und jetzt und in Zukunft gestalten soll? Habe ich mit meiner ethischen Verantwortung ausreichend gesorgt, wenn ich einem Menschen maximal 4 Quadratmeter zur Verfügung stelle und alles zusammenpferche, was nicht zusammenpasst?? Und das über Monate, ohne den verschiedenen Bedürfnissen wirklich gerecht werden zu können? Ein Arzt für mehrere hundert Menschen? Der eine Schwangere mit heftigen Zahnschmerzen nicht mal untersuchen kann, weil er keine Zeit für sie hat??
Habe ich meiner ethischen Verantwortung Genüge getan, wenn ich die Menschen aufnehme - und mich dann nur noch halbherzig kümmere? Weil Geld fehlt? Zeit? Möglichkeiten? Und nach ein paar Monaten schiebe ich sie wieder ab nach Hause? Hat sich für diese Menschen dann wirklich etwas verbessert? Habe ich dann wirklich etwas für sie getan, bewirkt? Oder ist es eher ein Pseudoakt der Hilfe, weil ich gar keinen Plan habe, ob und wie ich den Menschen in die Gesellschaft integriere, mich dafür einsetze, dass sie in Lohn und Brot kommen - weil ich nämlich gar keinen Plan habe, wie ich das anstellen soll? Weil unser bisherigesGesetz vielleicht hunderttausend, aber nicht achthunderttausend Hilfesuchende im Jahr berücksichtigt - und ich jetzt komplett überfordert bin und seit Wochen nichts anderes passiert außer Reden?
Wieso verabschiede ich in einem Atemzug den nächsten Vertrag über die Lieferung von Kampfmitteln - und zeige mich dann überrascht und erstaunt ob der Zahl der Menschen, die aus Angst, aus Not einfach nur noch fliehen MÜSSEN, weil es in deren Land knallt? Mitunter mit den Kampfmitteln, die ICH verkauft hab? Ich muss kotzen, wenn ich nur darüber nachdenke. Ist das Macht? Ist das Geld? Ist das Politik? Ich muss KOTZEN!
Ich bin mir fast sicher, dass sich für weitaus weniger Menschen als angenommen oder dargestellt tatsächlich die Frage stellt, ob man Menschen hilft. Diese Frage DARF sich gar nicht stellen! So nicht und so nicht! Aber ist diese humanitäre Frage allein damit beantwortet, dass ich all jene Schutz- bzw. Hilfesuchenden aufnehme, ohne mir jemals einen Plan zu machen oder gemacht zu haben, wie ich mich auch wirklich um all diese Menschen kümmern kann? Wie das gehen kann, dass Hunderte Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen und Ideologien buchstäblich zusammengepresst werden ohne jede Sicherheit für sie selbst und auch die anderen? Ohne die Gewissheit, ob ihnen hier auch wirklich geholfen wird? Und mit dem Gefühl, dass man sie kopflos hin und her schiebt wie einen Kegel? Mit all dem, das sie ohnehin schon durchgemacht haben? Dass ich Menschen auch in Zelten unterbringe, weil die Hotelgutscheine, die ich ausgebe, nicht gedeckt sind oder die Häuser voll? Und was passiert in acht Wochen, wenn es kalt wird?
Was hat ein Mensch zu verlieren, der nichts mehr hat? Was geht in einem Menschen vor, der nichts mehr hat und sich auch nicht willkommen, nicht angenommen fühlt?
Und was passiert, wenn fünf oder fünfzig dieser Menschen aufeinandertreffen?
Und selbst wenn es sich nicht um Menschen handelt, die vor dem Krieg geflüchtet sind, selbst wenn es Menschen sind, die von der Armut im eigenen Land geflohen sind - wer will denn darüber richten? Wer hätte je anders gehandelt? Wer hat je anders gehandelt? Wer von uns würde nicht genauso von zu Hause fortgehen, wo einen die Armut erdrückt, während es anderswo eher möglich wäre, ein besseres Leben zu führen?
Eine Zeitlang habe ich oft Sendungen über Auswanderer aus Deutschland geschaut. Eins war immer klar: Egal wohin Du gehst, Du musst ihre Sprache beherrschen und Dich ihren Traditionen anpassen. Du musst Arbeit haben und Geld verdienen, denn hast Du das alles nicht, musst Du wieder zurück nach Hause gehen.
Versteht mich bitte nicht falsch: Das gilt nicht, niemals nicht für Menschen, die vor dem Krieg, dem Terror, der Gewalt fliehen.
Ist andererseits dem Armutsland damit geholfen, wenn ihre Leute, ihre Fachkräfte mitunter abwandern? Natürlich nicht! Wer soll dort etwas aufbauen, wenn keiner mehr da wäre - um es überspitzt auszudrücken? Nach der Wende, da wollte mein Ex unbedingt weg aus dem Osten. Ich nicht. Ich habe damals gesagt: "Wir können doch nicht alle einfach abhauen. Auch hier ist eine Zukunft möglich." Und die war möglich! Wir im Osten haben genauso die Mehrwertsteuererhöhungen oder überhaupt die Steuererhöhungen mitgetragen, wir zahlen genauso den Solidaritätszuschlag und Ost wie West profitierten und profitieren von dieser Wiederzusammenfügung, die zumindest nach außen stattgefunden hat. Und wie ist das jetzt zum Beispiel in Mazedonien? Welche Zukunft ist in einem der ärmsten Länder der Welt möglich? Und wer kann helfen? Nur Deutschland und Schweden wegen ihrem Sozialsystem? Weil andere Länder auch arm sind? Und wiederum andere Länder ein mit Stacheldraht umwickeltes Stoppschild hochhalten?
Wie wird man Menschen gerecht und wie hilft man wirklich?
So viele Fragen in meinem Kopf und angesichts der täglichen erhitzten Debatten, die von keiner Seite mehr inzwischen sachliche Argumentationen zulassen, wage ich es gar nicht, irgendwelche Gedanken, was-auch-immer auszusprechen, weil ich nicht in irgendetwas und auch nicht zu irgendetwas gedrängt werden möchte, das nicht so ist. Keiner hört mehr einander zu. Nicht mehr wirklich. Du hast dafür zu sein oder Du bist automatisch gegen etwas. Sicher... was ist heute schon sicher? Nichts mehr... Schaue ich hinaus in die Welt, habe ich das Gefühl, dass mehr und mehr alles aus den Fugen gerät. Über Hintergründe mag ich dabei gar nicht nachdenken. Müsste ich aber vielleicht? Und was ändert es dann?
Schaue in hinein in meine eigene Welt...
Ob es daran liegt, dass ich mir.. ich weiß nicht.. ein Stück weit Sicherheit wünsche? Einen Halt?
Etwas, worin ich für mich Sicherheit und ein Stück weit Geborgenheit finde?
Etwas, woran ich glauben kann? Worauf ich vertrauen kann?"