Dienstag, 21. April 2020

Das große Räumen

Noch vor einigen Tagen hatte ich ja erzählt, dass der Mann und ich uns endlich geeinigt hätten. Über das Neugestalten des blauen Ziggenheims, in dem die Ziggenheimern sich aber nun doch nicht richtig austoben darf.
Der Mann sagte zwar gerne: "Immer lehnst du alle meine Vorschläge ab!" Die Realität ist aber, dass ich mich seinen Vorschlägen beugen muss. Jedenfalls, wenn mir dauerhafter Friede und Harmonie auch künftig wichtig sind.
Das einzige, wo ich mich durchsetzte, ist, dass es keine Tischdecken auf dem künftig wieder eingeräumten Esstisch gibt.
"Frag mich das noch mal in fünfzig Jahren", sagte ich auf seine entsprechende Frage und weigerte mich standhaft, mir wie bei alten Leuten eine Decke auf den antiken Holz-Esstisch zu mölen.
"Dann leg ich sie eben drauf", murrte er.
"Dann nehm ich sie wieder runter", lächelte ich.
"Dann leg ich sie eben wieder drauf", beharrte er.
"Dann nehm ich sie eben wieder runter", blieb ich entspannt, aber bestimmt.
"Wir können das Spiel gerne endlos spielen", murrte er.
Aber er kennt mich zu gut. Er weiß, dass ich da stur bleiben kann - also wird ers von vornherein lassen, weil ihm endlos viel zu anstrengend würde. 

In der Umsetzung der eigentlichen Pläne aber... Maximal bei der Farbgebung in Flur und Lebensraum hat er zugestimmt, ansonsten wurden alle meine Ideen ins Nirvana geschickt.
Ein Mann beklagt oft und gern, dass Frauen viel zu viel Nippes und Kramscheiß anhäufen und das Haus bis auf den letzten Zentimeter verdekorieren würden.
Darüber kann ich hier tatsächlich nur müde lächeln. Was er sich hier alles aufhebt und weiter aufheben will, da wundert mich gar nicht, dass unser Keller aus allen Nähten platzt.
"Ich versteh nicht, warum du immer alles gleich wegschmeißen willst", reagiert er vorwurfsvoll.
"Weil ich keine Luft kriege", verteidige ich mich. "Überall ist irgendwas, das kein Schwein mehr braucht."
Ich wage es zum Beispiel nicht zu sagen, dass wir diesen blöden Brotbackautomaten und so ne komische Küchenmaschine gar nicht brauchen. Er hatte das schon, bevor ich einzog. Haben wir es benutzt seither? Also seit nunmehr fast sechs Jahren? Nie! Nicht ein einziges Mal! Um ein eigenes Brot zu backen, braucht es keinen Brotbackautomaten - und die Küchenmaschine brauchts auch nicht. Wofür? Was kann die mehr als sein kleiner Häcksler und sein Pürierstab? Nix! Dafür benötigt Reinigung der zwölftausend Kleinteile einen halben Tag, weil man eben auch nicht alles in die Spülmaschine stellen kann. Ich krieg da n Vogel! Genauso wie vermutlich er bei meinem Kleiderschrank. Erst letztens hatte ich zwei oder drei Tüten voll entsorgt - und nur gut zehn Tage später, also vor zwei Tagen, kamen noch mal zwei Tüten dazu. Ist mein Schrank jetzt leer? Eher... etwas luftig, würde ich sagen *kreisch*
Aber wenigstens trenne ich mich eben auch von Dingen, die nicht mehr schön sind oder nicht mehr gefallen oder schlichtweg einfach nicht mehr passen. Nicht nur, was Klamotten betrifft.
Bevor ich einzog, hatte mir der Mann passend zu meiner antiken Kommode einen antiken Schreibtisch vermittelt. Anfangs haben wir uns beide darüber gefreut. Inzwischen haben wir längst festgestellt, dass der Tisch zu groß ist für unseren Lebensraum. Und wenn im Zuge der Umbaumaßnahmen die Kommode in den Schlafraum weichen muss, dann findet sich dieser Schreibtisch nirgendwo mehr wieder.
Also muss er weg. Ich bin da tatsächlich schmerzbefreit. Von mir aus kann er auch auf den Müll. Denn in aktuellen Zeiten wie diesen werde ich diesen Tisch sowieso nicht los, nicht mal, wenn ich ihn verschenke. An wen soll ich ihn auch verschenken? Mit meinem kleinen Schwarzen kann ich den nirgends hintransportieren. Meine Söhne brauchen keinen, hätten auch gar keinen Platz. Bei meiner Freundin hier ums Eck dasselbe (würde auch stilistisch nicht passen). Und fremde Leute dürfen sich den dank Kontaktbeschränkung auch nicht holen. Oder doch? Weil maximal eine fremde Person kontaktieren darf? Ach wat weet ick.
Ums Eck ist auch ein Wertstoffhof. Hänger organisieren, Tisch drauf, ab zum Wertstoffhof. So wirds werden. Vorher müssen wir nur sämtliche Schubläden ausräumen, schauen, was man überhaupt noch braucht und wo mans dann unterbringt. Alles wird in den neuen Schreibtisch nämlich nicht passen. Das Malzeug, also die Stifte, schon mal nicht.

Überhaupt haben wir festgestellt, was wir alles ausräumen und begutachten müssen. Den herrlich großen Balkon. Den Keller. Die Kommode. Den alten Schuhschrank, in den nur 1/3 unseres Schuhwerks passt.
"Was machen wir damit?" hat der Mann gefragt.
"Ich kenne niemanden, der den gebrauchen könnte", habe ich vorsichtig gesagt. Und den gedanklich ebenfalls mit auf den Hänger und ab zum Wertstoffhof geworfen..
Der Schlafraum wird auch etwas anders als ich dachte. Er will seine alte Eck-Schrankkombi nicht aufgeben.
"Wieso soll ich das wegschmeißen und mir für teuer Geld was Neues kaufen? Dann lieber bau ich den um."
Das hat etwa drei Tage Auseinandersetzungen im blauen Ziggenheim bedeutet. Also wenn schon umbauen, dann bitte gekonnt und ordentlich und nicht "ich säge da mal was ab und dort was ab" und so.

Anfangs dachte ich noch, das ganze Umbau-Konzept würde lustig. Inzwischen denke ich, es wird uns vor allem einiges an Nerven kosten. Die liegen ja teils jetzt schon blank. Seit 1 Woche kein DSL mehr und die Reparatur soll bis zu 14 Tagen dauern. Seitdem laufen unsere Rechner auf jeweiligen Handy-Hotspots, überhaupt läuft alles über teils wacklige Hotspots und nicht immer will dann die Technik so wie wir das wollen oder brauchen. Fragt nicht, wie oft es von nebenan Gebrüll gibt, weil irgendwas nicht hinhaut. Ne Tür fliegt oder jemand hier wild durch die Zimmer stapft. Da helfen tatsächlich nur Kopfhörer, ruhig bleiben und ausmurren lassen.

Jedoch die Nerven scheinen derzeit überall blank zu liegen. Beispielsweise lesen Leute ihre Mails nicht richtig, erfassen ihre Aufgaben nicht - und wenn ich nachhake, weil ich manchmal durchaus auch gründlich sein kann *kreisch*, stöhnt der eine entnervt ins Telefon und der andere mault mich an "Ich hab jetzt gar keine Zeit, ich bin bloß dir zuliebe ans Telefon gegangen!"
Gut. Dann blamiert Euch doch, wenn Ihr halbfertige Arbeit abgebt. Wenn Ihr nur den ersten Satz einer Mail lest und überseht, was im zweiten Satz gefordert wurde. Und dass Antwort-Termin heute um 14 Uhr war, woran ich um 13.30 Uhr erinnere (da kam leider erst die Mail mit dem Termin) und dann noch mal um 14:03 Uhr.
Der andere Kollege bekommt eine Mehrkostenanzeige zugeschickt - und lässt sie unbearbeitet schlappe vierzehn Tage liegen. Was wir nicht dürfen. Im worst case zahlen wir die ganze Scheiße selber, wenn wir altbekannte Deadlines nicht einhalten. Von der Mail mit den Mehrkosten bekomme ich nur Kenntnis, weil der Chef mir letzten Samstag genau diese Mail weiterschickt. Und draufschreibt "Bitte Rücksprache". Warum er mit mir reden will, hat er am Montag schon wieder vergessen. Er hat andere Sorgen. Echte andere Sorgen. Also kümmere ich mich - und werde zum Dank dafür angeschissen. Weil ich ein, zwei fachliche Rückfragen habe.
Drei Tage lang laufe ich einem weiteren Kollegen hinterher, weil ich ein Fachprotokoll brauche und eine Auskunft zu einer anderen Mehrkostenanzeige. Letzteres sind maximal zwei, drei Zeilen.
Was ich bekomme, ist ein wirklich stümperhaft aufgesetztes Protokoll - und keine Auskunft zur Mehrkostenanzeige. Nach drei Tagen immer noch nicht.
In unserem Unternehmen gibt es glücklicherweise keine Kurzarbeit und im Home Office arbeiten außer mir nur die Mitarbeiter, deren Kinder aktuell nicht in die KiTa oder Schule gehen können.
Alle anderen können genauso weiterarbeiten wie bisher. Warum vor allem bei denen trotzdem die Nerven blank liegen, erschließt sich mir da gerade nicht.

Beim Mittagessen um fünfzehn Uhr liege ich auf der Ottomane und schaue hinaus auf das herrliche Grün der Bäume, während der Mann sich auskotzt über Kindergartengebaren in der Firma und nur mit Textbausteinen beantwortete E-Mails zu privaten Reklamationen.
Ich höre ihm zu und als ich mir auch etwas Luft mache, wird mir gleich das Wort gekappt: "Lass gut sein. Du bist selber schuld, wenn du in dieser Firma arbeitest."
Öhm....

Auf den einen oder anderen Seiten liest man ja auch gerne mal, dass Zeiten wie diese die Menschen eher wieder zusammenbringen würde. Ich bin mir da gar nicht so sicher. Die Menschen sind es gar nicht mehr gewohnt, so viel Zeit miteinander zu verbringen, gehen sich entsprechend auf den Sack und gegebenenfalls auch an den Hals. Leute werden immer gereizter und unentspannter. Ich fürchte, in etwa zehn Monaten gibt es keinen Baby-Boom, sondern eine Scheidungswelle.

Und jetzt muss ich in den Keller, nach den Kleiderschränken folgt hiermit die nächste wichtige Räumaktion.

Dienstag, 14. April 2020

Der Ton macht die Musik

Da hamse mich nun auch drangekriegt.
Nach 4 von 6 nötigen Infusionen fällt auf, dass ja der geforderte Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Spritzen geben wäre vielleicht noch einfacher: Man macht sich nackig, stellt sich an die Wand, breitet die Arme aus und die Schwestern werfen die Spritzen wie Dartpfeile oder so.
Aber mit Infusionen sollte man doch genauer treffen.
Ich meine, ich verstehe hier und an der Stelle die Notwendigkeit des Mundschutzes und auch die Logik. Da brauchts keine Worte.
Was mich aber in Harnisch brachte, war die Art und Weise der Empfangsdame:
"Haben Sie Ihren Mundschutz dabei?"
"Welchen Mundschutz?"
"Den, den Sie letzte Woche von mir bekommen haben."
Letzte Woche hab ich die Dame in der Praxis gar nicht gesehen, aber geschenkt.
Ich lächle freundlich: "Da verwechseln Sie mich wahrscheinlich. Ich hab noch keinen Mundschutz bekommen."
Dass in der letzten Woche überhaupt niemand dort Mundschutz trug - auch geschenkt. 
"Natürlich haben Sie einen bekommen, das weiß ich ganz sicher! Den hab ich Ihnen gegeben, als Sie da saßen!" und zeigt aufs Labor. Da war ich zuletzt zur Blutentnahme vor etwa zwei Monaten - aber was solls.
"Dann gebe ich Ihnen jetzt eben noch mal einen!"
Und DAS regt mich auf, sowas! Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, hätte ich mich geäußert im Sinne von "Echt? Und ich hätt schwören können, ich hätte Ihnen schon einen gegeben" oder sowas.
Aber die Patienten da so abzukanzeln und denen zu unterstellen, dass sie döspaddlig sind, sowas kannsch überhaupt nicht leiden. Mir ist ja vieles oft wurscht, über das der Mann sich aufregt. Aber bei der Tonmusik bin ICH empfindlich!

Genauso wie am Wochenende, als mir in einer Diskussion  eine ostalgische, noch immer gut funktionierende Gehirnwäsche von anno dunnemals attestiert wurde. Nur weil ich anders denke als der Gesprächspartner? Man kann mir Naivität oder Gutgläubigkeit oder auch mangelnde Informiertheit vorwerfen. Realistisch betrachtet stimmt das eine wie das andere je nach Situation. Aber dieser sich bei Gelegenheit immer wieder wiederholende Vorwurf, ich sei ja immer noch so hirngewaschen und bei mir habe diese Art der Gehirnwäsche offenbar nachhaltig funktioniert - sowas macht mich aggressiv. Und zwar so, dass ich die Diskussion irgendwann abbrach und sagte "Ich geh jetzt hier raus, das wird mir jetzt zu blöd."
Ich lasse mir gerne ein Gegenteil beweisen bzw. Fakten aufzeigen, die ich noch nicht kenne. Aber ich lasse mich nicht abkanzeln. Da bin ich tatsächlich empfindlich. Und ich glaube, am meisten regt mich neben dieser herablassenden Einschätzung auf, dass mein Gegenüber denkt, nur seine Sichtweise sei die richtige. Und alle anderen die Unwissenden - oder eben Ost-Geschädigten. Natürlich war die DDR ein Unrechtsstaat, darüber muss man gar nicht diskutieren. Doch wenn ich mich zurückerinnere, erinnere ich mich an Momente aus der Kindheit. Von Unrechtsstaat habe ich da oben auf der Insel genau genommen gar nichts mitbekommen. Es war auch zu Hause nie ein Thema. (Wobei ich denke, dass das Selbstschutz meiner Eltern war. Man konnte mir nicht trauen! In meiner Unbedarftheit habe ich einfach immer alles erzählt. Zum Beispiel, dass mein Vater die Unterkleider meiner Mama gehasst hat. Er fand die höchst unsexy und morgens, als sie sich ankleiden wollte, lupfte er daran, um zu sagen: "Und DAS findest du toll?" Er hat wohl ein bisschen doller dran gezogen, denn das Unterkleid zerriss. Und genau das habe ich dann im Kindergarten zum besten gegeben "Der Papa hat der Mama das Kleid kaputtgerissen!". In dem Laden, wo meine Mama als Erzieher wirkte. Mein Vater schüttelt heute noch den Kopf, wenn er erzählt, wie oft die Kolleginnen zu meiner Mama gingen "Sag mal, was war denn bei euch wieder zu Hause los, die Helma hat da was erzählt?")
Das sind so Sachen, an die ich mich erinnere. Dass meine Eltern oft Geldsorgen hatten, davon wussten wir Kinder im Grunde nichts. Sie haben uns da einfach rausgehalten. So wie sie uns eben auch aus politischen Themen rausgehalten haben.
Insofern.. kann man mir sicher einiges nachsagen. Aber nicht von oben herab und so tun, als sei ich einfach ein bisschen dumm - da sehe ich rot.

Montag, 13. April 2020

Square Rooms



Ja hätten wir die mal! In meiner kleinen süßen Wohnung in L habe ich zwei quadratische Zimmer und habe die mindestens aller 6 - 7 Monate gemalert und umgebaut. Meine Besucher dachten dann immer "So, das wars jetzt, noch mehr geht nicht" - aber i wo. Irgendwie fand ich immer wieder neue Möglichkeiten.
Die Räume hier in M sind jedoch rechteckig und mit ihrer Aufteilung.. schwierig zu gestalten. Also schwierig, wenn zwei Menschen zusammenziehen und jeder "seins" mitbringt. Wobei ich da den deutlich schlechteren Part hatte - denn ich zog in ein "bestehendes System" ein. Früher hat der Mann meine Wohnung und meine Ideen immer bewundert und gesagt "Wenn wir mal zusammen wohnen, darfst du alles gestalten."
Er hat nur nicht hinzugefügt, dass er sich.. nun sagen wir.. nur schwer von Dingen trennen kann.
"Das ist noch gut!"
"Das ist doch nicht kaputt!"
"Das hat mal fünfhundert Mark gekostet!"
Man kann sich aber nicht alles aufheben. Und zwanzig Jahre im selben Mief wohnen.. mag ich irgendwie auch nicht. Ich trag ja auch nicht zwanzig Jahre dieselbe Mode oder dieselbe Frisur. Auch dann nicht, wenn ich mich für Trends nicht interessiere. Ich setze meine eigenen *kreisch*

Nun ja. 2014 zog ich bei ihm ein. Erst 2018 konnte ich einen kleinen Teilerfolg erringen. Ein Regal durfte aus dem Lebensraum nur weichen, weil ich diesem eine Alternative bot: in der Küche. Dort macht es sich sogar ganz gut, konnten wir also beide gut mit leben.
Eingezogen in den Lebensraum ist dafür ein moderneres, in dem unsere Bücher und seine Vinyls ihren Platz gefunden hatten.
Seitdem ist alles wieder geblieben wie es war. Nicht mal mit Farbe an der Wand durfte ich mich austoben - und ich finde es soooo langweilig, wenn alles überall nur weiß ist.
Beispielsweise bin ich verliebt in zartes Hellgrau. Richtig kombiniert sieht das schon geil aus. (Und ist so leicht überzumalen, wenn mans überhat ;)) Wir haben also lieber gar nicht gemalert, weil wir uns einfach nicht einigen konnten.

Und jetzt.. Jetzt endlich haben wir einen Konsens gefunden. Vier freie, entspannte Ostertage waren nötig, um nicht nur die Notwendigkeit, sondern vor allem auch das WIE für Flur, Lebensraum, Nische und Schlafraum zu beschließen. Rechteckige Räume einzurichten, wenn keiner von beiden auf eigenes Mobiliar verzichten möchte, ist wirklich.. spannend. Umso erfreuter war ich, dass der Mann in vielen Dingen zustimmte. Bis heute morgen 2.30 Uhr haben wir dann sinniert, vorgeschlagen, Ideen beraten, dann beschloss ich: "Ich kann nicht mehr klar denken, dir nicht mehr folgen, ich geh jetzt ins Bett."
Um dann irgendwann nach neun heute Morgen aus dem Bettchen zu fallen, da saß der Mann schon längst auf dem Sofa und durchsuchte das Netz nach der Umsetzbarkeit unserer Ideen.
Zum Beispiel wünsche ich mir das Bett unters Fenster. Doch dann ist die Raumbreite schon ausgefüllt. Also muss vorn an der Tür Platz für meinen geliebten honigbraunen Antikschrank bleiben - und für eine Alternative zu seinem wuchtigen Ikea-Eckschrank *kreisch*
Damit einen der schmale Raum optisch nicht erschlägt, schlug ich ein offenes Schranksystem vor.
Und genau nach diesem erkundigte er sich am heutigen Morgen.
Uns beiden war das am Ende viel zu teuer. Und so entschieden wir uns, einen Teil anzukaufen, einen Teil selber zu bauen. Den halben Tag habe ich gesurft, mir Ideen und Inspirationen geholt, aufgemalt, verworfen, neu aufgestellt... Wenn die Platz- und Stellmöglichkeiten jedoch sehr begrenzt sind, aber Stauraum gebraucht wird, dann geht der Spaß erst richtig los ;)

Sonntag, 12. April 2020

Mit Geduld und Spucke

...na ja oder so ähnlich sagt man bei uns im Norden. Jedenfalls musste ich in den letzten Tagen öfter daran denken. Ich habe mir nämlich ein neues Kopfkissen gekauft. Der Mann tat das ja schon vor einigen Wochen. Sein und mein Kaufverhalten unterscheiden sich dabei in jeder Hinsicht.
Er liest und prüft wo-chen-lang, vergleicht Rezensionen und Preise, beratschlagt sich dann auch noch im Umfeld - und dann irgendwann entscheidet er.
Da bin ich ganz anders. Wenn ich irgendwelche Empfehlungen bekomme, belese ich mich maximal einen Nachmittag oder Abend - und am Ende entscheidet bei mir meistens der Preis. Bis heute rechne ich um in D-Mark und dann frage ich mich: Ist es mir das wert oder nicht?
(Hätte ich das mal heute beim Eis gemacht! Angepriesen mit "original italienisch" und "Sorbet! Vegan!" und die Geschmacksprobe war auch wirklich ultra lecker. Aber umgerechnet zwanzig Mark dafür, dass jeder von uns ein Eis in die Hand bekam... Huiuiuii! So langsam kann man gar nicht genießen, um wirklich jeden Bissen zu zelebrieren, sonst kann man die ganze Grütze aus der Waffel trinken statt schlecken.)
Jedenfalls hatte der Mann oft genervt "Kauf dir doch auch eins, ich empfehle es dir!", dann probierte ich drei, vier Tage lang mal sein Kissen aus und gab mich geschlagen.
Ich hab mir aber nicht das Gleiche gekauft. 90 Euro für so ein kleines Viereck mit einer kleinen Kuhle für den Kopf.. Ich hab mich jetzt auch nicht für billigste China-Ware entschieden, aber 45 Euro - finde ich - reichen auch. Außerdem mit 90 Tagen Testzeit angepriesen. (In Wahrheit sinds vermutlich nur 30, glaubt man den Rezensionen.) Die Variante, für die ich mich entschied, besteht aus drei ineinander angepassten Lagen, von denen man die mittlere rausnehmen kann, wenn einem das Kissen zu hoch ist. Nach dem Probeliegen am Nachmittag entschied ich, die mittlere Lage rauszunehmen. Das Kopfende ist etwas höher als die Seite, wo man mit der Schulter liegt. Ergonomisch geformt, sozusagen.

Die ersten zwei Nächte, so der Mann, hätte ich angeblich so ruhig geschlafen, dass er sich manchmal fragte, ob ich überhaupt noch lebe. Hatte ich mich monatelang nachts oft hin und her gewälzt, war oft erwacht, wieder eingeschlafen, erwacht... so legte ich mich jetzt abends schlafen und stand morgens oft wie hingelegt wieder auf.
Nach der dritten Nacht aber bekam ich derart Nackenschmerzen, dass ich kaum den Kopf zu drehen vermochte.  Etliche Rezensenten haben genau dasselbe beklagt und das Kissen postwendend zurückgeschickt.  So leicht wollte ich aber nicht aufgeben. Zwei, drei, vier Tage lang massierte der Mann die schmerzhaftesten Stellen, salbte mich mit Zeug, das an alte Omas erinnert - aber es half. Auch weil wir die Zwischenlage wieder eingebaut haben. Ich bin ja nun keine zarte Elfe, sondern habe für Größe und Breite einen entsprechend großen und schweren Kopf und breite Schultern *kreisch* - ich brauche als das Komplettpaket - und damit schlafe ich tatsächlich um Längen besser. Schlafe viel ruhiger, träume besser und ruhiger und muss nachts auch nicht mehr aufstehen. Hat sichs also doch ausgezahlt, bisschen Geduld zu beweisen. Wenn das also mit dem gesunden Schlaf so weitergeht, werde ich in Nullkommanichts wieder dreißig sein *harhar*

So und jetzt muss ich weiter "Merida" mit dem Mann gucken. Wir lieben ja Trickfilme - und seit der Mann ihn anlaufen lassen hat, gackert er die ganze Zeit vor sich hin "Haha, das bist sooo du, erkennst du dich auch wieder?" Na dann gucke ich mir das jetzt auch mal genauer mit an :)

Donnerstag, 9. April 2020

Und dann..



..war ich fertig mit Ordnung machen, der Mann war fertig mit Telefonieren - und dann habe ich ihn zum Tanzen aufgefordert. In unserer kleinen Hütte. Wie die Irren. Herrlich.

Thank God it's Friday!


..also na ja fast, beinahe - und da das Fußvolk heute mit einem unerwartet zeitigen Feierabend beglückt wurde, während der Mann im Zimmer nebenan immer noch arbeiten muss, mache ich das, was man an so einem Nachmittag auch machen kann: ein bisschen herumsurfen.
Ich meine.. ich könnt jetzt auch schon nen Kuchen backen oder das Abendessen vorbereiten. Oder schon ein bisschen bügeln. Und noch ein bisschen Ordnung machen.
Ja könnte..
Dann fand ich obiges Goldstück und schon allein vom Zusehen bekam ich Lust auf ein paar ordentliche Tanzeinlagen. Ich denke, wir müssen doch noch einen Tanzkurs belegen, der Mann und ich. Er hat ja sowas schon mal gemacht, damals, bevor wir uns kennenlernten. Wie konsterniert er über das so offensichtliche Balzverhalten der Frauen war, hat er mir dann später erzählt und ich habe mich köstlich amüsiert darüber. Ich selber war noch nie dort und hätte vermutlich eher immer mit der Angst gekämpft, dass ich immer "übrig bleibe" und dann mit jemandem tanzen muss..
Ich kann beispielsweise nicht mit einer Frau tanzen. Das wäre mir zu nah, viel zu nah. Tanzen hat für mich immer - unabhängig von der Art des Tanzes - etwas Erotisches. Das muss man ja gar nicht direkt mit dem Gegenüber verbinden, aber... Ja ne, ich kann das nicht. Da muss ich auch gleich an jene Sitzung denken, früher in den Jahren der Schmerztherapie, als wir uns verbunden fühlen sollten mit einer anderen Person im Raum. Verbunden durch ein imaginäres Gummiband. Tja was soll ich sagen.. Ich hatte immer eine extrem lange Leine, ich wollte den anderen weit genug weg von mir wissen. Damit fühlte ich mich am wohlsten. Während mein Gegenüber anschließend beklagte, dass ich immer weiter weg wollte, je näher man an mich herankam - und dass das sinnbildlich für dessen Leben war. Irgendwie war es aber auch sinnbildlich für meins. Es gibt inzwischen nur wirklich sehr wenige Menschen, die ich ganz nah an mich heranlassen kann. Es gibt nur sehr wenige Menschen, die ich ganz nah bei mir ertragen kann. Ich selbst bin auch nicht der Mensch, der permanent am anderen hängt. Das war nicht immer so. Sondern ist die Summe der Erlebnisse. Die Beziehungserlebnisse in Kombination mit den Single-Jahren.
Je mehr Nähe ich wünschte, desto weniger bekam ich.
Irgendwann habe ich mich daran gewöhnt und heute.. habe ich ein Bedürfnis nach Freiheit und Freiraum entwickelt, das ich insbesondere in den letzten Jahren weiter kultivierte.

Aber ach, so tiefgründig wollte ich heute gar nicht werden, denn danach ist mir eher auch nicht. Draußen vor dem Fenster ist so herrliches Wetter, ich schreibe, nasche den letzten Zitronenkeks und in meinem Kopf rotieren immer noch etliche Ideen, wie wir unsere Wohnung umgestalten könnten. Zwar kann ich mit Provisorien ausgezeichnet leben, das aber auch nur, wenn sie gut sind. Halbfertiges hingegen macht mich irre. Räume, die sich nicht wohnlich anfühlen, machen mich irre.
Mindestens zwei Jahre habe ich um die Entscheidung gekämpft, dass und vor allem wie wir die Wohnung umgestalten. Und jetzt, wo ich den Mann endlich so weit hab, dass er meinen Vorschlägen zustimmt, dürfen wir in keinen Baumarkt und auch in keinen Ikea. Da könntste doch ausrasten! Ich hatte ja auch schon mal die Vorstellung, den Mann auf Wanderurlaub zu schicken, so ein, zwei Wochen - und wenn er wiederkommt, bin ich fertig mit allem. Nur - ich komme an kein verdammtes Material!
Und für die eine oder andere Vorstellung - so musste ich erst gestern Abend wieder feststellen - ist unsere Wohnung immer noch zu klein. Und die Wohnungen in M immer noch viel zu überteuert.
Dafür habe ich heute richtig geile Dachgeschosswohnungen in L gefunden! Kosten: Im Schnitt nur ein Drittel dessen, was man vergleichsweise in M berappen müsste. Doch auch in L schreitet die Preisentwicklung voran.
Im Kopf hatten der Mann und ich ja einige Modelle in den letzten Monaten durchgesponnen und würden wir nach L gehen, würde ich sogar die geliebte Freiheit des Home Offices aufgeben, um sie ihm zu überlassen. Vielleicht könnte ich mich dann doch mal dazu durchringen, ihn abends mit "Mein König" anzusprechen *kreisch* Davon träumt er nämlich schon lange. Aber nu ja. Hat halt jeder so seine Träume, nicht wahr?

Ich denke, ich werde jetzt ein bisschen Ordnung machen. Die besten Ideen kommen immer, wenn ich in Bewegung bin ;) Und mit cooler Mucke. Wenn die da oben kein geiles Lebensgefühl macht - welche dann?

Dienstag, 7. April 2020

We don't have forever. So celebrate Life. Enjoy being alive.



"Wann gibt es eigentlich wieder einen Post?" wurde ich gestern Abend gefragt.
"Wenn ich aufhöre, so müde zu sein", antwortete ich.
Die wöchentlichen Infusionen sollen eigentlich ein paar Werte auf die Beine stellen, den seit mindestens 3 Jahren leeren Eisenspeicher zum Beispiel - und vielleicht tun sie das auch, aber ich bin seither müde ohne Ende. Könnte schlafen ohne Ende. Wollte so vieles tun und... schlafe am Ende nur. Ob dieses Schlafbedürfnis auch so ein wenig zur noch mehr entspannten Haltung beiträgt, von der ich mich manchmal frage, ob bei mir eigentlich noch alles stimmt? Ich meine, wenn ich mich so umschaue und umhöre, wenn ich höre oder lese, was die Menschen derzeit und allgemein so aufregt, dann zucke ich meist nur mit den Schultern, scherze über das Meiste hinweg oder bediene mich meiner Lieblingsmusik. Und male. Oder lese Bücher. Die wenigen Fluchtmöglichkeiten, mich der Dauerbeschallung und Dauerversorgung mit dem gegenwärtigen Kotz-Thema Nummer Eins entziehen zu können. Zu dem sich die Kritik, die anfangs unterdrückt werden konnte, mehrt und leise, aber nachhaltig immer offener und auch fundierter wird.
Mich erschreckt, wie beeinflussbar Menschen sind.
Mich erschreckt auch, wie beeinflusste Menschen agieren und reagieren. Wie sie aufeinander losgehen und gegeneinander ins Feld ziehen, nur weil Nachbar A nach wie vor seine Liebhaber empfängt und Nachbar B im Erdgeschoss seine Grill-Party feiert, während Mütter mit ihren Kindern im Gemeinschaftsgarten im Sand spielen. Wie oft jemand die Polizei ruft oder ihr auf die Pinnwand schreibt, wohin sie bitte überall schauen soll. Adressen, Personen gemeldet werden. Oder wie Menschen einen Bogen umeinander machen bzw. erwarten, dass man diesen Bogen um sie schlägt - so als wüsste man nicht inzwischen, dass eine Übertragung gar nicht möglich ist, solange nur jemand an mir vorbeigeht. Wie viele mit Mundschutz und Handschuhen rumlaufen, so als wüsste man nicht, dass man sich einfach nur die Hände waschen muss, eben halt nur noch öfter bzw. regelmäßiger als sonst. Noch bis vor kurzem wurde begründet, dass ein Mundschutz einen Gesunden nicht schützt.
Inzwischen wird empfohlen oder gar verlangt, Mundschutz zu tragen, weil ja die Dunkelziffer so hoch sei und man ja selbst jemanden infizieren könnte. In Jena ist Mundschutz inzwischen Pflicht. In Österreich auch. Söder denkt inzwischen auch noch darüber nach, während immer mehr Menschen auf eine Lockerung hoffen und warten. Aber ehrlich: Wie soll ich mich infizieren, wenn ich seit dem 19. März zu Hause sitze und niemanden livehaftig kontaktieren darf? Wie soll ich eine Dunkelziffer sein oder werden, wenn ich das Haus maximal zum Einkauf und zum Arztbesuch verlasse? Oder noch zum Spazierengehen?

Mitte März gefror mir das Lächeln, als der Mann mir eröffnete, dass seine Firma so gut wie alle Angestellten ins Home Office geschickt hätte - und wir nun beide auf unbestimmte Zeit von daheim aus arbeiten würden. Mein geistiges Auge sah alle meine in den nunmehr fast sechs Jahren des Home Office gut gepflegten Angewohnheiten gefährdet - und in Konsequenz dessen mich mit der Schaufel im Garten eine ausreichend große Grube ausheben. Mindestens aber fürchtete ich ein wenig um die häusliche Harmonie.
Inzwischen nun läutete die vierte Woche des gemeinschaftlichen Eremitendaseins ein - und zumindest ich wundere mich, dass die Grube nicht mal ansatzweise gegraben wurde und wir uns darüber hinaus sogar immer noch gut verstehen. Dass wir immer noch harmonisch miteinander umgehen und keiner von uns wenigstens gedanklich die arthritischen Finger am Hals des anderen vergräbt. Ich denke, dass dies nicht nur auf meine allgemeine lecks-mi-am-Mors-Stimmung zurückzuführen ist. Sondern auch darauf, dass bei aller Arbeitsintensität auch der Mann ausgeruhter ist. Auch wenn er mindestens genauso müde ausschaut wie ich mich derzeit fühle. Immerhin steht er mindestens eine Stunde später auf als sonst, der Arbeitstag endet für gewöhnlich viel eher als sonst und wenn es das Tagesgeschäft zulässt, joggt er oder fährt mit dem Rad draußen rum.
Als er gestern Abend vor dem Fenster die Korbstühle frühlingsfertig zurechtmachte und nicht nur mit einem lecker Käffchen, sondern auch noch einem leckeren Eierlikörchen lockte, da dachte ich für einen Moment: "Ja.. Ja genau, warum eigentlich nicht." Ließ das Diensttelefon in der Schublade verschwinden, natürlich auf lautlos gestellt "Ach.. du hast angerufen? .. Hups, gar nicht gehört.", ließ mich im Korbstühl nieder, streckte die Beine aus und genoss den wunderbar milden Frühlingstag. Mit dem Grillgeruch aus dem Erdgeschoss und den Kindern im Sandkasten. Ich schloss die Augen, genoss das Vogelgezwitscher, während der Mann sich neben mir niederließ, die Socken auszog und ebenfalls die Beine hochlegte.
"Ruf mich mal an", begehrte er, "irgendwas stimmt grad meinem Mobile nicht."
Mit dem Blick auf seine nackten Füße wartete ich auf das Pling seiner Mailbox und sang dann irgendwas von "...und dann spra-hach der alte Weißfuuuußindiaaaaaner" und so ins Telefon. Amüsierte mich köstlich, als er erschrocken mit den Händen wedelte: "Lass den Quatsch! Ich hab meiner IT die Berechtigung gegeben, meine Mailbox abzuhören!"
Na dann, lehnte ich mich zufrieden zurück, konnte er ja noch froh sein, dass mein Text diesmal harmloser Natur gewesen war.
Wir verbrachten den Abend im Korbstuhl, bis es kühl wurde und wir zurück ins Haus gingen. Dort schlief ich irgendwann auf dem Sofa ein, während der Mann noch Börsennachrichten las und im Netz surfte. Und so.. in etwa vergehen unsere Tage.. Entspannt, gleichmütig, relativ unaufregend. Einem Gefühl gleich, wie wenn man genüßlich in einer Hängematte schaukeln und darauf warten würde, eines Tages wieder aufzustehen und weiterzumachen.
Es wird vermutet, dass die Menschen jetzt in dieser (inneren) Ruhe zu sich selbst finden und sich zurück auf eigentliche Werte besinnen. Auf dieses "Was ist wirklich wichtig im Leben?" und so. Auch das sehe ich etwas kritischer. Ich persönlich denke ja, dass die Leute aufatmen und innerhalb kürzester Zeit genauso weitermachen werden wie zuvor auch. Da nehme ich mich auch nicht raus.
Ich habe vorher nicht auf Kosten anderer gelebt oder fremde Leute angeschissen - ich werde es auch jetzt und auch nachher nicht tun. Bitte und Danke war mir zuvor schon wichtig und mein ganz persönlicher Rückzugspunkt ebenso. Ich kann immer noch Nein sagen, wenn ich etwas nicht möchte, ohne mich dafür millionenfach zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Rücksichtnahme ist noch immer kein Fremdwort für mich und buchstabieren kann ichs auch.
Aber ich würde mir wünschen, dass ich es schaffe, auch in Zukunft mehr darauf zu achten, mich insbesondere im Dienstlichen abzugrenzen. Dass ich nicht zulasse, wie oft ich angerufen werde, wenn ich krank bin oder gar Urlaub habe oder es nach 21 Uhr geworden ist. Nur um beispielsweise die Frage zu beantworten, wem man welche Post gibt und wo man was findet. Ich hab schon auch an Wochenenden oder freien Tagen den Chef angerufen, um ihn an etwas zu erinnern oder ihn auf etwas hinzuweisen. Aber ich muss noch durchsetzen, dass eine gereichte Hand nicht bedeutet, dass man mich ganz selbstverständlich und völlig vereinnahmen darf. Dass ich niemandes Eigentum bin. Dass mir Raum für mich selbst bleiben muss. Zum Malen. Zum Singen, während ich Essen zubereite, Gemüse schneide oder Kartoffeln schäle. Zum Tanzen auf dem Holzfußboden, während ich die Kommode und das Regal abstaube.
Wie sehr ich es liebe, mit dem Auto unterwegs zu sein, die Lieblingsmusik so laut es geht, das Fenster heruntergelassen, der herrlich warme Wind in meinem Haar und mit diesem wunderbaren Lebensgefühl. Wie sehr ich mich auf den warmen Frühling, die Kleidchen und die Sandalen freue. Wie sehr ich mich auf die Straßencafes freue und das Radeln auf dem Deich. Egal ob am Meer oder am Rand des breiten Flusses. Dass ich mir dafür die Zeit nehme, ohne an den nächsten Schritt zu denken.
Die vierte Woche Lock-Down und ich habe nicht mehr telefoniert als sonst. (Ich mag Telefonieren eh nicht so.) Ich habe nicht mehr Briefe geschrieben als sonst und auch nicht öfter gefragt als sonst "Wie gehts?" Ich wünsche nicht standardmäßig "Bleib schön gesund", sondern maximal, wenns passt "Lass es dir gut gehen" oder bei meinen Söhnen "Passt auf euch auf." Das aber eher im Sinne von zum Beispiel am Steuer. Jetzt, wo Sohn II auch noch ein neues Auto mit einer PS-Zahl hat, die fast doppelt über der meinen liegt. Und ich bin ja nun auch.. äh.. kein Schleicher. Woran er mich übrigens auch immer wieder gerne erinnert: "Das sagt mir die, die in drei Stunden von M nach L fährt!" Öhm. Tja nun. Man will ja auch ankommen, irgendwann ;)
Ich habe mir auch noch keine neuen Bücher gekauft, trotz Empfehlungen zaudere ich noch.
Lediglich meinen Kleiderschrank habe ich sortiert, aufgeräumt und natürlich das eine oder andere Kleidungsstück für die Kleiderkammer vorgesehen. Der Mann hat das wie immer kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen: "Was DAS alles mal für Geld gekostet hat!" Auf jeden Fall nicht viel, denn exquisit eingekauft habe ich noch nie. Sollte ich vielleicht aber mal? Mich auf ein paar Basics konzentrieren und dafür ein paar erlesene? Die man gut miteinander kombinieren kann?
Ich bin aber nicht nur Basic. Mal ist mir nach verspielt, mal nach romantisch, mal nach klassisch, mal nach sportlich und mal nach bequem. Es versteht sich von selbst, dass diese Stimmungslagen nicht in zwei Regalreihen seines Kleiderschrankes passen können.

Das Leben zu genießen - für diese Erkenntnis braucht es diese aktuelle Situation nicht. Entweder kommt diese Weisheit von allein mit der Zeit - oder sie kommt mit bestimmten Lebensereignissen bzw. Lebenserfahrungen, auf die man gerne verzichtet hätte. Wie oft hat sich der Mann echauffiert über Dinge, die mir maximal ein müdes Lächeln abringen konnten. Und wie oft sagte ich dann "Was du dich da aufregst.." So oft, dass ich mich tatsächlich fragte, wie durcheinander mein Hormoncocktail tatsächlich ist und ob sich die angeborene Arschruhe des Nordens noch in einem gesunden Level bewegt. Nur... Es ist nicht meine Aufgabe, anderen Menschen etwas vorzugeben. Wer sagt denn, dass mein Lebensprinzip das Richtige ist? Für mich ist es das Richtige - weil es mir guttut. Aber jeder Mensch hat sein eigenes Prinzip und solange er dies nicht auf Kosten anderer tut... Who cares?
Für mein Empfinden ist nicht das Wertvollste, was wir mit Geld bezahlen (können). Das Wertvollste, das wir haben oder bekommen können, ist.. Zeit. Zeit miteinander und füreinander. Ganz gleich, wen wir da vor uns haben. Den Mann. Die Frau. Die Kinder. Die Menschen, an denen unser Herz hängt.
Einem der Kommentatoren unter obigem Video bin ich gefolgt und habe mir die Kopfhörer aufgesetzt, die Augen geschlossen - und zugehört. Und ich konnte nicht aufhören, Gänsehaut zu haben.


"We don't have forever... So celebrate Life... Enjoy being alive."

Ich persönlich wünschte mir, Menschen würden aufhören, einander zu belauern, aufeinander loszugehen oder einander anzuschwärzen. Oder uns gegenseitig hochzuschaukeln. Uns allen täte es gut, ein bisschen mehr bei uns selbst zu bleiben, in uns zu ruhen. Glaube ich.