Dienstag, 14. April 2020

Der Ton macht die Musik

Da hamse mich nun auch drangekriegt.
Nach 4 von 6 nötigen Infusionen fällt auf, dass ja der geforderte Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Spritzen geben wäre vielleicht noch einfacher: Man macht sich nackig, stellt sich an die Wand, breitet die Arme aus und die Schwestern werfen die Spritzen wie Dartpfeile oder so.
Aber mit Infusionen sollte man doch genauer treffen.
Ich meine, ich verstehe hier und an der Stelle die Notwendigkeit des Mundschutzes und auch die Logik. Da brauchts keine Worte.
Was mich aber in Harnisch brachte, war die Art und Weise der Empfangsdame:
"Haben Sie Ihren Mundschutz dabei?"
"Welchen Mundschutz?"
"Den, den Sie letzte Woche von mir bekommen haben."
Letzte Woche hab ich die Dame in der Praxis gar nicht gesehen, aber geschenkt.
Ich lächle freundlich: "Da verwechseln Sie mich wahrscheinlich. Ich hab noch keinen Mundschutz bekommen."
Dass in der letzten Woche überhaupt niemand dort Mundschutz trug - auch geschenkt. 
"Natürlich haben Sie einen bekommen, das weiß ich ganz sicher! Den hab ich Ihnen gegeben, als Sie da saßen!" und zeigt aufs Labor. Da war ich zuletzt zur Blutentnahme vor etwa zwei Monaten - aber was solls.
"Dann gebe ich Ihnen jetzt eben noch mal einen!"
Und DAS regt mich auf, sowas! Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, hätte ich mich geäußert im Sinne von "Echt? Und ich hätt schwören können, ich hätte Ihnen schon einen gegeben" oder sowas.
Aber die Patienten da so abzukanzeln und denen zu unterstellen, dass sie döspaddlig sind, sowas kannsch überhaupt nicht leiden. Mir ist ja vieles oft wurscht, über das der Mann sich aufregt. Aber bei der Tonmusik bin ICH empfindlich!

Genauso wie am Wochenende, als mir in einer Diskussion  eine ostalgische, noch immer gut funktionierende Gehirnwäsche von anno dunnemals attestiert wurde. Nur weil ich anders denke als der Gesprächspartner? Man kann mir Naivität oder Gutgläubigkeit oder auch mangelnde Informiertheit vorwerfen. Realistisch betrachtet stimmt das eine wie das andere je nach Situation. Aber dieser sich bei Gelegenheit immer wieder wiederholende Vorwurf, ich sei ja immer noch so hirngewaschen und bei mir habe diese Art der Gehirnwäsche offenbar nachhaltig funktioniert - sowas macht mich aggressiv. Und zwar so, dass ich die Diskussion irgendwann abbrach und sagte "Ich geh jetzt hier raus, das wird mir jetzt zu blöd."
Ich lasse mir gerne ein Gegenteil beweisen bzw. Fakten aufzeigen, die ich noch nicht kenne. Aber ich lasse mich nicht abkanzeln. Da bin ich tatsächlich empfindlich. Und ich glaube, am meisten regt mich neben dieser herablassenden Einschätzung auf, dass mein Gegenüber denkt, nur seine Sichtweise sei die richtige. Und alle anderen die Unwissenden - oder eben Ost-Geschädigten. Natürlich war die DDR ein Unrechtsstaat, darüber muss man gar nicht diskutieren. Doch wenn ich mich zurückerinnere, erinnere ich mich an Momente aus der Kindheit. Von Unrechtsstaat habe ich da oben auf der Insel genau genommen gar nichts mitbekommen. Es war auch zu Hause nie ein Thema. (Wobei ich denke, dass das Selbstschutz meiner Eltern war. Man konnte mir nicht trauen! In meiner Unbedarftheit habe ich einfach immer alles erzählt. Zum Beispiel, dass mein Vater die Unterkleider meiner Mama gehasst hat. Er fand die höchst unsexy und morgens, als sie sich ankleiden wollte, lupfte er daran, um zu sagen: "Und DAS findest du toll?" Er hat wohl ein bisschen doller dran gezogen, denn das Unterkleid zerriss. Und genau das habe ich dann im Kindergarten zum besten gegeben "Der Papa hat der Mama das Kleid kaputtgerissen!". In dem Laden, wo meine Mama als Erzieher wirkte. Mein Vater schüttelt heute noch den Kopf, wenn er erzählt, wie oft die Kolleginnen zu meiner Mama gingen "Sag mal, was war denn bei euch wieder zu Hause los, die Helma hat da was erzählt?")
Das sind so Sachen, an die ich mich erinnere. Dass meine Eltern oft Geldsorgen hatten, davon wussten wir Kinder im Grunde nichts. Sie haben uns da einfach rausgehalten. So wie sie uns eben auch aus politischen Themen rausgehalten haben.
Insofern.. kann man mir sicher einiges nachsagen. Aber nicht von oben herab und so tun, als sei ich einfach ein bisschen dumm - da sehe ich rot.

11 Kommentare:

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Ich habe ja gleich im Januar 1990 in einer renommierten Westberliner Firma angefangen zu arbeiten - Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Deswegen waren wir im ganzen Haus bekannt.
Als ich so ca. 3 Jahre dabei war, standen mehrere Frauen unten im Empfang und ich sagte: "Ich war die erste, die den Ostreigen hier eröffnet hat." - Da hat sich die Rezeptionsdame fast verschluckt vor Lachen: "Sie, Frau Himmelhoch, wollen aus dem Osten sein??? Nie und nimmer glaube ich das ihnen."
Ich fragte sie ziemlich barsch: "Warum, sind alle aus dem Osten nach Ihrer Meinung dumm oder haben einen Buckel oder welchen Grund meinen Sie???"
Und da gab es noch -zig andere gleichartige Sachen - und leider findet man so etwas auch heute noch.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Derjenige, mit dem ich mich gestern stritt (wobei er vermutlich sagen würde, dass das gar kein Streit war), ist selber Ossi. Mir gehts da gar nicht um Ost/West-Vergleiche, sondern einfach die Art und Weise, jemanden von so herablassend zu behandeln - sowas macht mich aggressiv.
Ich hasse das einfach, egal obs gegen mich geht oder allgemein. Wenn sich einer über den anderen stellt, egal, woher man kommt.

Grit hat gesagt…

Irgendwie war der Text weg ....

Grit hat gesagt…

Der Empfangsdame hätte ich auch was erzählt, liebe Helma. Solche rechthaberische Menschen
habe ich ganz besonders in mein Herz geschlossen. ;) Danke für den "Unterrock- Lacher" am Abend, den Kindergärtnerinnen hat es an Gesprächsstoff nicht gemangelt. Kindermund tut Wahrheit kund, herrlich! Ich rätsele ja immer von welcher Insel Sie kommen, Rügen, Usedom ...?
Viele liebe Abendgrüße, Grit.

Juna hat gesagt…

Uiuiui, der Tusse hätte ich ziemlich gepflegt erklärt was sie hat und das auch anschließend ihrem Chef mitgeteilt, wenn sie sich nicht entschuldigt hätte. Ich hab für verdammt vieles Verständnis, aber nicht für so ein Verhalten.

Die Argumente von deinem Gesprächspartner... ich finde es sehr bemerkenswert, wenn du solch eine Ruhe behalten kannst. Ich diskutiere gerne und auch kontrovers, allerdings beende ich mittlerweile genau an dem Punkt, an dem ich merke, da ist Meinung und überhaupt kein Wille zum Austausch, geschweige denn zum Reflektieren. Wenn jemand nur "raushauen" möchte, kann er das dann sinnvoller an ner Parkuhr tun, die steht da sowieso rum und hört geduldig zu.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Haha Grit, das amüsiert mich jetzt wirklich: Rügen? Oder Usedom? Oder Poel? Ich denke, über kurz oder lang kriegen Sies raus. Weil ich eigentlich kommenden Monat wieder nach Hause fahren wollte. Die Mama hat Geburtstag und es ist mir viel zu lange her, dass ich dabei bin.
Aber angesichts der aktuellen Entwicklungen wird das wohl auch in diesem Jahr nix. Zumindest nichts mit einem gemeinsamen Feiern. Ich werde aber in diesem Jahr hinfahren, da kann kommen, was will. Und dazu gibts bestimmt auch Fotos, die dann Ihre Frage beantworten ;)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ach Juna, so viel Aufregung lohnt sich für mich wiederum nicht. Ich war anfangs sehr perplex ob dieser Bestimmtheit - und angefressen ob des Tons. Deswegen aber extra bis "zur Chefetage"... Das ist mir schon wieder viel zu aufwendig :)
Und ja, ich glaube, genau das fehlt mir in der einen oder anderen Diskussion: Der Wille zum Austausch, zum Reflektieren. Ich diskutiere ja auch gerne (merkt man sicherlich ;)) - und kann meinen Standpunkt zuweilen auch ziemlich flammend verteidigen. Aber erstens nicht, indem ich andere "niedermähe", und zum anderen auch nicht auf Gedeih und Verderb. Wenn ich mich auseinandersetze, dann, weil ich verstehen will und mit anderen Sichtweisen auch den eigenen Standpunkt hinterfrage "Wusste ich tatsächlich um die einen oder anderen Fakten? Ändern die jetzt was für mich?" Manchmal bleib ich beim eigenen Standpunkt, manchmal wechsle ich die Ansicht ob der neuen Erkenntnisse :)

Grit hat gesagt…

Hallo Helma,
so laaannnge kann ich nicht in Ungewissheit leben, deshalb war ich neugierig und habe auf Ihrem Blog gestöbert. :) Es ist nicht Hiddensee aber ich glaube sie kommen von meiner Lieblingsinsel, dort wo ich schöne Urlaube seit meiner Kindheit verbracht habe.
Ein herzlicher Abendgruß, Grit.

Dies und Jenes hat gesagt…

Oh ja diese Töne - da könnte ich... wenn jemand sagt Sie haben doch.... dann bin ich schon mal auf Krawall gebürstet (ich hab mich soweit unter Kontrolle dass ich das erst mit nur ausmache und abwäge...) wenn ich überhaupt nix davon weiß.
Jo ansonsten lebe ich gerade bescheiden, zurückgezogen nur ins Büro und auf den Markt. Der Rest spielt sich zu Hause ab oder im Wald.

Schönen Restsonntag.

LG
Ursula

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Ursula, wir praktizieren das hier auch grad ähnlich: Arbeiten gemeinschaftlich im Home Office, aber glücklicherweise in getrennten Räumen, gehen spazieren (auch um beispielsweise Altkleider in den Containern zu entsorgen) oder einmal die Woche zum Großeinkauf.
Der Mann radelt oder joggt oder fährt Inliner, meine Übungen finden derzeit ausschließlich auf dem heimischen Fußboden statt ;)

waage0310 hat gesagt…

Ach Spatzl..man muß Dich einfach gern haben...Grüßle aus Hessen...schön, das es Dich gibt...:-) :-)