Dienstag, 22. September 2020

Yoga auch für Abstinenzler

 "Manchmal muss man dich auch einfach mal zu deinem Glück zwingen", sagte der Mann hin und wieder. Und fügt dann gerne hinzu, dass ich ihm einfach auch nur mal vertrauen müsste. Wo ich dann oft auch denke: Hm tja, vertrau du mir doch erstmal. 

Zum Beispiel, was den Sport betrifft. Wie lange hatte er mich dazu bewegen wollen, mit ihm zu joggen. Was ich immer (na gut, meistens) ablehnte. Nicht nur, weil er auf einem ganz anderen Level tourt als ich, sondern auch, weil Joggen nicht mein Sport ist. Ich kenne meinen Körper und mich besser, ich weiß, was ihm guttut - und was nicht. Auch wenns der Mann bis heute nicht wirklich glauben will. Doch ehrlich: Würde er ernsthaft mit mir joggen wollen, müsste er quasi rückwärts laufen. Er kann ja nicht mal normal neben mir gehen, ohne dass ich ihn wie gestern Abend, als wir beide vom Yoga kamen, erst wieder fragte: "Sag mal, wieso rennst du so?" 
"Ich renne gar nicht, ich gehe ganz normal", wurde ich von der Seite angezischt.

Manchmal sagt er dann: "Schlag du doch was vor." Letzten Sonntag also schlug ich vor, wir könnten uns doch wieder mal beim Tischtennis duellieren. Das ist bei uns im Park gleich um die Ecke. Da, wo die Leute auch privat Fußball spielen können - was sie am Sonntag auch taten. 
"Geh du auf diese Seite", sagte der Mann noch, "wenn der Ball geflogen kommt, ist es immer noch besser, wenn ich den abbekomme."
Vermutlich hat er das Ziggenheimersche Gesetz immer noch nicht verstanden. Denn der Ball kam auch geflogen - und wer bekam den mitten ins Gesicht? Genau. Ich. Inklusive aufgeplatzter Lippe, aber ich glaube, die neue (teure) Zahnfee lohnt sich: Da ging nix kaputt, alles hielt wacker stand - und das war letztlich die Hauptsache.
Lust hatte ich dann irgendwie trotzdem nicht mehr so richtig, also auf nach Hause und ich schlug vor: "Ich mach uns jetzt erstmal was Leckeres zu essen." Natürlich mit Musik und ein bisschen tanzen und singen in der Küche. Allerdings nur bis zu jenem Moment, in dem ich mit der Fußsohle ein Ministück Scherbe auflas, das der Mann am Morgen bei seinem Glasbruch nicht umsichtig genug beseitigt hatte. Und dieses Minischeißstück bohrte sich gleich richtig tief unter die Haut, so dass es nicht mehr zu greifen war. Natürlich: Wenn ich was mache, mach ich es schließlich richtig. 
Unter Quetschen, Schieben und so weiter hat der Mann ("Jetzt beiß mal fest die Zähne zusammen!") den winzigen Zacken Glas dann schließlich doch "herausoperiert". Dem Himmel sei Dank. Immerhin hab ich ja rund dreißig Jahre ein Stück Nähnadel in meinem Fuß herumgetragen, da musste  nicht noch das Glas dazukommen. Nicht dass ich irgendwann noch ein ganzes Service mit mir herumtrage! 

Gestern Abend beim Yoga aber dachte ich einmal mehr, dass der Mann ab und an doch Recht hat und ich gar nicht bereue, dass er mich zu dieser Sportart überredete. Mir täte eher nur leid, dass ich nicht doch eher damit begonnen hab. Körperlich gehts mir natürlich noch nicht besser - aber ich fühle mich anders. Gestreckter. Aufrechter. Und das ist immerhin ein Anfang. 

Montag, 21. September 2020

Einst im falschen Zug


In der vergangenen Woche überkam mich das Gefühl, alles würde mich überholen, während ich dabei war, immer langsamer zu gehen. Das lag nicht zuletzt daran, dass ich viel mehr Zeit in L genoss als sonst. Es lag auch an der Musik, die mich begleitete. 
Und da war diese Sache, diese eine, die mich schon seit Wochen, nein, Monaten begleitet, für die ich Lösungen wünschte und suchte.. Vermutlich habe ich mir in den letzten Wochen und Monaten gewünscht, dass zumindest eines vergehen würde - die Ungewissheit. Und vermutlich habe ich mir auch ein wenig Beschleunigung in manchen Dingen gewünscht. Nicht zuletzt, weil das Vorantreiben eben diese Ungewissheit besiegen würde. Und dann war da jener Morgen, an dem ich das Haus verließ, die Stufen hinabstieg und mich irgendwie so eine Ruhe überkam.. So eine Gelassenheit.. Diese Gewissheit, dass sich alles fügen würde. Dass alles so kommen würde wie es kommen sollte. Es war dieser Moment, in dem ich mich spürbar, fühlbar entspannte. 
Ich kann gar nicht sagen, woher das mit einem Mal kam, aber es war da. Und irgendwie.. fühle ich diese Sicherheit immer noch.. Ganz gleich, wie die Entscheidung ausfällt - es wird sein wie es ist.

Mit ähnlichen Gedanken begegnete ich heute Morgen auf Anraten meines Hausarztes nach ganzen zwei Jahren nochmal einem Doc, von dem ich mir auch diesmal nicht sicher war, wie ER mir begegnen würde. Vor dem ich mich wieder fast vollständig entkleiden musste (bei Gott, wie ich DAS hasse) und auf einer imaginären Linie laufen sollte, was ich inzwischen (wieder) nicht (mehr) kann. Der mich bat, auf der Liege Platz zu nehmen, was mir derzeit deutlich mehr Schmerz bereitet. Der mich bat, ihm den Rücken zuzuwenden, nur um mich energisch an Stellen zu berühren, von den ich glaubte, an die Decke springen zu müssen, in der Realität aber zusammenfiel wie ein Klappmesser. 
So viele Jahre, in denen ich mich mit der ganzen Problematik herumquäle und kaum einen nennenswerten Schritt nach vorn komme, nehme ich sehr bewusst auf, wenn mir ein Mensch wie heute dieser begegnet: Einer, der MICH sieht. Der mich ernst nimmt. Der nicht nur den Patienten in mir sieht - sondern einen Menschen, der sich seit beinah sechzehn Jahren quält, in unzählige Schubladen gesteckt wurde und der zu mir heute wiederholt sagt "Es ist Wahnsinn, wie Sie sich quälen. Da müssen wir doch was tun."
In diesem Moment erinnerte ich mich daran, dass mir das vor vielen Jahren, noch lange vor all dem Irrsinn, schon einmal jemand gesagt hatte. Der staunte, wie ich ein so fröhlicher, unbeschwerter Mensch sein konnte bei dem Leben, das ich bis dahin geführt hatte. Irgendwann damals habe ich dann auch begonnen, mich das zu fragen. Aber eigentlich wusste ich die Antwort schon. 
Ich liebe es, das Leben. Weil ich nur dieses eine habe und weil mir das niemand zurückgibt, wenn ich es verliere. Gibt es etwas anderes, das so voller Möglichkeiten ist wie dieses Leben? Wenn du feststellst, dass du im falschen Zug sitzt und weißt, dass du nur beim nächsten Halt aussteigen musst, um deine Richtung zu ändern? Na klar war das nicht einfach, es hat unfassbar viele Tränen und Schmerz gekostet, nicht nur mich - und mit der Erfahrung von heute würde ich rückblickend einiges anders machen. Heute würde ich vor allem die Menschen schützen, die am allerwenigstens für die Situation konnten. 

Heute Morgen stand ich am Bahnsteig, nach eben jenen zwei Jahren, und ich war unsicher: Bin ich hier richtig oder bin ich es nicht? Ich wusste es nicht mehr so genau, in diese Richtung fahre ich für gewöhnlich nicht und die S-Bahn nutze ich normalerweise nie. Die Karte hinter Glas war so wenig aussagekräftig und so habe ich beherzt jemanden angesprochen, als die Bahn schon einfuhr. Und der senkte sein Handy, er schaute mich an, er lächelte, das konnte ich selbst hinter seiner Maske sehen, und er erklärte mir, wo genau ich hin musste. 
Später, in der richtigen Bahn, lehnte ich den Kopf zurück, schloss die Augen und hörte die Musik.
Mir ging so vieles durch den Kopf. Wir haben nicht immer jemanden, der uns den richtigen Weg zeigt. Manchmal müssen wir uns auf uns verlassen, auf unsere Intuition. Manchmal können wir jemanden fragen, manchmal nicht, und manchmal steht jemand neben dir, den du gar nicht kennst und um den du gar nicht gebeten hast. Er ist aber trotzdem da und manchmal.. ist es nur ein einziger Blick, der eine Verbindung herstellt. Ein Lächeln. 

Ich weiß nicht, ob der Doc mir helfen kann, aber ich erwarte auch nichts. Doch was mir heute Morgen unfassbar gut tat: das Gefühl, ernst genommen zu werden. GESEHEN zu werden.
Wie er die Maske abnahm und mir gestattete, es ihm gleich zu tun. Jetzt noch sehe ich sein Lächeln vor mir. 
Ein Lächeln, mit dem ich noch immer das Gefühl genieße, nicht nur Patient Nummer XY zu sein. Sondern ein Mensch. Ein Mensch im richtigen Zug. 

"Cortison ist nix auf Dauer", sagte er und ich antwortete: "Ist es auch nicht, da sind der Dr. [Hausdoc] und ich uns einig."
"Der Dr. [Hausdoc] ist wirklich ein Guter, der passt auf Sie auf."
Wir lächelten.
Sie auch, dachte ich. Sie auch. 

Samstag, 12. September 2020

I'm On Fire



Ich besitze ein ziemlich gutes Namensgedächtnis - und noch besser kann ich Gesichter "speichern". Das liegt vielleicht daran, dass Menschen mich interessieren. Grundsätzlich zumindest. Man darf mich jedoch niemals nach meinem Zeitgefühl fragen oder irgendwas schätzen lassen. Da versage ich jämmerlich und ich liege auch fast immer voll daneben. Dass das aber durchaus auch mal positiv sein kann, erfuhr ich erst vor kurzem wieder mit dem letzten amtlichen Bescheid. Ich schätze es gar nicht, wenn Menschen beispielsweise wissen, dass sie viel zu schnell gefahren sind - und dann trotzdem prozessieren, um die Konsequenz zu umgehen. 
Wenn man schon Scheiße baut, soll man auch dazu stehen.
Insofern wappnete ich mich und rechnete ganz fest mit meinem ersten Fahrverbot. Bis ich vor gut zehn Tagen den gelben Bescheid im Kasten hatte: Ein teures Foto und ich rutsche auf meiner Punkteleiter eins weiter. Aber ich muss nicht vier Wochen pausieren. Was mich und vor allem meine Jungen dann doch irgendwie erleichterte ;) 
Und ich hätte schwören können, dass ich 160 statt 120 gefahren war. Ja klar könnte man mich jetzt den sinnlosen Raser schimpfen - aber hey.. Dreispurig und super gut ausgebaut, dazu noch angenehm leer - und ich voller Gedanken. Und wenn die Musik natürlich sehr viel lauter ist als etwaige Motorengeräusche, dann kann man auch schon mal ein Begrenzungsschild übersehen. Ich habs wirklich übersehen. Und zahle nun den Gegenwert einer mit Milchkaffees gefüllten Badewanne - aber darf weiter fahren.
Woran ich heute am frühen Morgen dachte, als ich mich schlaftrunken aus der Decke räkelte, um den Mann noch einmal ganz sehr an mich zu drücken und ihm einen Kuss zu geben, bevor wir beide uns auf den Weg machten und in entgegengesetzte Richtungen davonfuhren.

Musik. Es ist die Musik, die mir irgendwie alles gibt, von dem mir gefühlt gerade ein bisschen was fehlt. Ein bisschen Mut. Ein bisschen Hoffnung. Ein bisschen von der Zuversicht. Und vom Urvertrauen. Den Motor starten, Spot(ify) an, der kleine Raum füllt sich mit Musik und dann beginne ich mitzusingen. Egal ob nun bei 50 in der Stadt oder 100 im Randgebiet oder 200 auf dem Highway. Oder auch im Stau, während die Finger so tun, als würden sie ein Klavier bedienen. Ob die Leute rechts oder links von mir zu mir rübergrinsen, weil ich singe oder weil ich meinen geduldigen Beifahrerteddy (hübsch angeschnallt, natürlich) den Kaffeebecher halten lasse, manchmal auch meine Sonnenbrille, das ist mir wurscht. Wenn meine Musik erklingt, dann gibt es nur noch mich und meine Musik. 

Dem Mann geht es ähnlich, bei ihm funktioniert es aber eher mit Sport als Musik. Ich weiß gar nicht mehr, wie lange er versuchte, mich zu überreden, auch mit zum Yoga zu kommen - und nun, nach etwa drei Jahren Überredungskunst (ja, bei mir muss man mitunter Geduld haben ;)) habe ich mich drauf eingelassen. Bisher ist es gar nicht mal so anstrengend wie befürchtet - aber ganz so untrainiert bin ich ja nun auch nicht. Dachte ich zumindest - bis ich mein Bein betrachtete und einen ziemlich großen, knubblig harten blauen Fleck zwischen Wade und Schienbein feststellte, von dem ich genau weiß, dass ich mich nicht gestoßen habe. Früher hat der Mann meinen Körper ja immer etwas argwöhnisch betrachtet, wenn ich mit blauen Flecken wieder nach Hause kam - inzwischen aber weiß er, dass ich dazu neige, ohne dass ich auch nur irgendwas gemacht hab. 

Und jetzt bin ich angekommen, höre immer noch meine Songliste rauf und runter, öffne Türen und Fenster weit und lasse die unerwarteten, unfassbaren Sommertemperaturen ins Haus und genieße es, genau hier und jetzt zu sein. 

Freitag, 11. September 2020

Wenn die Worte ausgehen


Die Tage vergehen und inzwischen meldet sich sanft die Melancholie des beginnenden Herbstes. Ich liebe diese Zeit, die getränkt ist von goldenen Farben, dem Geruch nach indischem Tee und Gebackenem. Langsam beginnt diese Zeit, in der ich beginnen möchte, Kastanien aufzusammeln und die großen langfingrigen Blätter der Kastanienbäume. Es ist diese Zeit, in der ich mich ganz groß und zugleich unfassbar klein fühlen kann. 
Und es ist eine Zeit, in der ich einfach nicht herausfinde aus meinem ureigensten, persönlichen Sorgenkarussell. Ganz gleich, wie oft ich denke und wünsche, einfach nur aussteigen, innehalten zu können. 



Manchmal blättere ich ein wenig in meinem Blog und fühle eine bestimmte Leichtigkeit, eine bestimmte Unbeschwertheit zwischen den Zeilen früherer Jahre, die mir inzwischen irgendwie verlorengegangen scheint. Zumindest für den Moment. Obwohl sie, wenn ich mich an das eine oder andere erinnere, überhaupt nicht leichter und auch nicht unbeschwerter war. Da fühlte ich genauso Sorgen - nur waren sie anderer Natur. Nur irgendwie schien es mir leichter gefallen zu sein, die Dinge, die ich für den Moment nicht ändern konnte, von mir wegzuschieben. Oder bilde ich mir das im Nachhinein nur ein? 
Ich bin nicht mehr sicher, muss ich gestehen. Mir ist bewusst, dass Rückblenden eine Vergangenheit gern rosa färben.
Tatsächlich ist es so, dass ich meistens in den letzten Tagen eines Jahres resümiere, für mich zusammenfasse - und ganz oft eine hoffnungsvolle Zuversicht an das neue Jahr richte. Es waren nur ganz wenige Jahre, von denen ich sagte, dass alles so bleiben könne wie es war. 

Dass sich meine Farben des Jahres ändern, spüre ich auch an meiner Playlist, die ich vor kurzem neu aufgestellt hab und Song für Song sorgfältig zusammentrage. Der Klang dieser Songs ist ruhiger, sanfter geworden - so wie ich mich auch fühle. Vermutlich ist das auch ganz normal angesichts der beginnenden Herbstmelancholie, eine Zeit, die ich unfassbar und ganz sehr liebe. Weil sie für mich ausschließlich Positives mitschwingen lässt. Niemand kann immer nur vor Glück und Freude tanzen. Man muss auch mal hinabsteigen vom Gipfel, um erkennen zu können, wie wohl es da oben tat. (Das ist natürlich eine Metapher, Liebster, solltest Du das hier lesen!)

Es hat immer wieder Phasen gegeben, da hatte ich so viele Worte in meinem Kopf, die sich aneinander reihten, die raus wollten, die zu Papier gebracht werden wollten, selbst wenn ich es letztlich doch nicht vermochte. Und jetzt... sie sind nur nicht mehr da, ich fühle sie auch nicht mehr.. Es ist, als fielen sie mir aus dem Kopf mit jedem Morgen, den ich unter der Dusche stehe, die Augen schließe und mich berieseln lasse vom warmen Wasser. Über den Scheitel, über mein Gesicht. Manchmal so lange, dass der Mann schimpft oder zumindest knurrig wird. Gäbe es denn etwas zu sagen, zu erzählen? Ja, doch, genau genommen schon. Es ist ja nicht so, dass ich außer der eigenen Welt nichts anderes mehr wahrnehme. Nur dass das, was ich derzeit noch wahrnehme, mich eher erschüttert. 
So wie zum Beispiel die jüngsten Ereignisse in L. Dass Menschen einen Stadtteil zerlegen können und dafür sogar politischen Zuspruch ernten, nur weil sie von der vermeintlich "guten" Seite kommen. Nur da, wo Gewalt einsetzt, ganz gleich, ob sie sich gegen einen Menschen oder Werte richtet, gibt es kein gut und kein böse mehr. Gewalt ist immer abscheulich, und das lasse ich mir auch von niemandem ausreden. Verdammt, es gibt keinen rechtsfreien Raum, für niemanden. 
Als die Jungen erstmals ihren Führerschein in der Hand hielten und die ersten Strecken mit dem ersten eigenen Auto fuhren, da war es nur eine Frage der Zeit und der Gewöhnung. Natürlich, Gedanken macht man sich immer. Fahr vorsichtig, pass auf dich auf bitte- das ist für mich nicht nur eine Floskel, diese aber ist inzwischen eingebettet in ein gewisses Urvertrauen. Und das wird vermutlich eines Tages auch für jene Nächte zutreffen, in denen ich den Jungen im Einsatz weiß. 
Das wird hoffentlich eines Tages auch für den anderen Jungen zutreffen. Das ist mein größter Herzenswunsch.

Im Moment sind die Abende bei uns ruhig, entspannt, zumindest nach außen. Erstmals haben wir begonnen, die Serie "Suits" für uns zu entdecken. (Eine modernere Auflage von "Ally McBeal", wenn Ihr mich fragt - aber mir gefällt sie wirklich gut.) Ein ganzes langes verregnetes Wochenende konnten wir stundenlang damit zubringen, auf der Sofalandschaft zu lümmeln, manchmal übereinander, manchmal nebeneinander. Manchmal kommentieren wir oder stellen fest "So bin ich auch."
So wie gestern Abend, als jemand meinte, er müsse immer weiter, er könne nicht ruhen. 
"So bin ich auch", sagte der Mann, "ich muss immer weiter, ich muss immer Aufgaben lösen. Wenn die beendet sind, muss ich eine neue haben, damit ich aufstehen und weitermachen kann."
An ihn gelehnt, betrachtete ich ihn von der Seite. 
"Ich wünschte, das würde aufhören", fuhr er fort, "aber ich weiß nicht wie."
"Die Frage ist", antwortete ich nachdenklich, "wovor du Angst hast, wenn du gerade keine Aufgabe mehr hast."
Er bedachte mich mit einem kurzen Seitenblick.
"Das möchtest du gar nicht wissen."
"Und wenn doch?"
"Nicht heute Abend, bitte."

Am Ende.. dachte ich gestern Abend so für mich.. trägt jeder Mensch etwas mit sich herum. Etwas, das er nicht preisgeben möchte oder kann. Etwas, mit dem er nicht umgehen kann oder möchte. Etwas, für das er ganz allein eine Lösung finden möchte oder muss. Wir alle sitzen in unserem ureigensten Karussell, mal dreht es sich langsamer, mal dreht es sich schneller. Mal wollen wir es vorantreiben, mal würden wir am liebsten mitten während der Fahrt aussteigen. Womöglich aber.. braucht es tatsächlich einfach nur ein bisschen mehr Urvertrauen. Wieder ein bisschen mehr Sicherheit in der Zuversicht. zum Beispiel ich das "Gottvertrauen" darin, dass er seinen Weg gehen wird, vermutlich sogar besser als ich selbst. Ich darf nicht nur sagen, dass ich an ihn glaube (was ich tatsächlich tue) - ich muss es genauso verinnerlichen. Dann, so fühlt es sich an, werden auch die Worte wiederkommen. Und nicht nur die.