Montag, 17. August 2020

Late Night (It's Okay)



Ich wünschte, wir hätten an jenem Abend auf der Straße getanzt, anstatt in Streit zu geraten.  
Ich wünschte, ich hätte tatsächlich in den vergangenen Tagen die Sonne und den x-ten Milchkaffee dazu genossen.
Wobei.. Genau genommen war vielleicht von allem etwas in den vergangenen Tagen oder wenigen Wochen dabei. Dennoch. Es ging mir nicht gut in der letzten Zeit. Und was mir vor wenigen Jahren noch viel leichter fiel, wird zunehmend schwieriger. Es braucht inzwischen mehr Zeit, um mich wieder auf die Beine zu stellen. Liegts am Alter? Was weiß ich. 
Vor zwei Tagen wiederholte sich das denkwürdige "Jubiläum" des schweren Verkehrsunfalls zum 14. Mal, der Unfall, der mich verändert hat. Der auch meinen Weg verändert hat. Das ist es jedoch nicht, was mir auf der Seele und in meinem Kopf lastet. Den Unfall habe ich inzwischen verarbeitet, hinter mir gelassen. Nicht vergessen habe ich einige Episoden daraus. Unter anderem die Begegnung mit dem Neurologen, der mir empfahl, nur wenige Wochen nach dem Unfall wieder in ein Auto zu steigen und loszufahren. Auf meine Angst hin winkte er nur ab: "Natürlich haben Sie Angst. Weil Sie alles kontrollieren können wollen. Und der Unfall hat Ihnen gezeigt, dass Sie eben nicht alles kontrollieren können."
Ehrlich gesagt, habe ich absolut keine Ahnung, ob er recht hat oder nicht. Eigentlich empfand ich mich bis zu jener Zeit eher als jemanden, der mehr oder weniger in den Tag hineinlebte, ohne wirklichen Plan, ohne eine wirkliche Vorstellung, aber immer mit der sicheren Überzeugung: Alles wird schon.
Genau genommen lebe ich noch immer mit dieser Überzeugung, nur die Sicherheit ist sich nicht mehr ganz so sicher. Die Sicherheit hat irgendwann und irgendwo einen Riss bekommen und Angst hineingelassen. Angst um die Menschen, die ich so liebe. Diese Angst ist nicht grundlos, insbesondere aktuell nicht, und vermutlich ist es deshalb im Moment etwas schwieriger für mich. 
Umso mehr, je weniger ich selbst tun kann, um etwas zum Positiven zu verändern. 
Will ich also die Situation kontrollieren? 
Eigentlich... wünsche ich mir doch nur, dass sich der eine oder andere besser fühlt. Dass er sich gut fühlt. Dass er glücklich ist.. Das ist irgendwie so allgemein ein "Wunschdenken" von mir. Dass alle glücklich sind. Dass es allen gut geht. Und wenn ich etwas dazu tun kann?

Vor allem in solchen Phasen wie jetzt, in denen ich mich zurückziehe, um Situationen besser auszuhalten und mir auch Strategien zu überlegen, kann ich umso weniger andere Situationen ertragen. 
Wenn ich zum Beispiel noch einmal irgendwo lese, wie einer den anderen belehrt, warum es bitte schön eine Maske zu tragen gilt, dann bekomme ich einen Schreikrampf. (Stattdessen "begnüge" ich mich aktuell damit, Postings nicht mehr zu lesen und den einen oder anderen für ein Weilchen auf "Mute" zu stellen. Was bin ich doch für ein Revoluzzer, ach Gott.) Man darf erwachsenen Menschen durchaus zutrauen, eine Meinung zu haben, das eine oder andere (kritisch) zu hinterfragen und sich auch zu wundern. Die Meinung darf auch mal anders sein als die von anderen. Da braucht es nicht Dich oder Dich, um fünf Monate lang nicht begriffen zu haben, warum ich einhundertfünfzig Euro zahlen muss, wenn ich ohne Maske in einen Bus steige oder einen Supermarkt betreten will. 
Denn genau genommen gehts gar nicht wirklich um eine Maske. Sondern um all die Konsequenzen, die zum Beispiel Eltern tragen müssen. Die beispielsweise ihr Kind nicht mehr in die KiTa bringen dürfen, nur weil es mal einen ganz scheiß normalen Schnupfen hat. 2020 - das Jahr, in dem alle durchdrehen, weil einer Schnupfen hat. Was das für die Eltern bedeutet, egal, ob nun Home Schooling, reduzierte KiTa-Zeiten oder eben auch mal gleich ganz zu Hause bleiben, weil das Kind nicht angenommen wird, das hinterfragen die, die keine (betreuungsbedürftigen) Kinder (mehr) haben, am wenigsten. Da kotz ich ab, echt. Als wären mit Beginn dieser aktuellen Krankheitswelle alle anderen scheiß normalen Erkältungen vom Tisch. 
Heute Morgen sollte ich meinen Hausarzt für einen Termin anrufen. Schlechte Blutwerte, kommen Sie noch diese Woche, rufen Sie gleich mal früh an wegen einem Termin im Lauf  des Tages. Hab ich gemacht und während die Empfangsdame sprach, musste ich ein bisschen husten. Das muss ich immer, wenn das kleine Ding in meiner Brust nicht mehr gleichmäßig schlägt, sondern bisschen rumzappelt. 
Die Empfangsdame unterbrach abrupt ihren Redefluss: "SIND SIE ETWA ERKÄLTET???"
"Äh.. nein!"
Herrgott nochmal.

Eigentlich.. wünsche ich mir doch nur ein bisschen mehr Ruhe in der Seele. Und ich glaube, dem einen oder anderen würde das auch ganz gut tun.