Donnerstag, 19. September 2019

Szenen einer Partnerschaft: Fuchs, du hast das Handy gestohlen!

Es war vor einigen Tagen, da haben wir uns zwar in der Nacht gemeinsam ins Bett gelegt, aber während der Mann tatsächlich totmüde war und zu schlafen begehrte, überlegte ich, mein neues Lieblingsspiel Knots zu spielen. Viele Lösungen gehen mir leicht von der Hand, zu leicht manchmal, aber manche verursachen mir manchmal auch ein Gehirnknäuel.
Und das reizt mich.
Der Mann gähnte mehrfach betont und herzhaft: "Lass uns endlich schlafen."
Ich knipste also das Licht aus, er umarmte mich betont innig - und während er mir den Rücken zudrehte, tastete ich auf dem Tischchen herum nach meinem Handy.
Nanu?
Hatte ich es nicht grad erst dort abgelegt?
Verflixt.
Wo war das Handy?
Als er zu kichern begann, warf ich mich auf ihn. "Du hast mir mein Handy gestohlen! Und ich dachte noch, orr, ist das süß, wie er mich umarmt! Dabei wollteste nur das Handy."
Wir balgten uns, ich kniete förmlich auf seiner Brust: "Gib! Das! Handy! Wieder! Her!"
"Kannst du mir nicht lieber was vorsingen, so zum Einschlafen?" fragte er.
Also legte ich mich neben ihn und sang leise und zärtlich in sein Ohr:
"Fuchs, du hast das Handy gestohlen, gib es wieeeeder her! Sonst muss ich den Papa holen mit dem Schießge-we-he-her!"
Natürlich hat er mich kichernd aus seinem Bett geworfen und natürlich hat er gesagt "Wenn du jetzt nicht gleich Ruhe gibst, steh ich auf und hol dir ein Glas Wein, dann schläfst du wenigstens endlich."
Tja nun.
Natürlich hat nicht er gewonnen :)

Dienstag, 17. September 2019

"We Think Too Much And Feel To Little"



...und außerdem tanzen wir viel zu wenig...

Gestern Abend habe ich eine Reportage vom WDR gesehen. Eine Reportage über junge Eltern, die sterben müssen - und ihre (kleinen) Kinder zurücklassen müssen.
Was mir vor allem ganz sehr im Kopf geblieben ist, ist jene tapfere starke Mama, die ihren Mann bis zu seinem Ende begleitet hat - auf eine sehr liebevolle, zugewandte Art. Beide wussten wohl von Beginn der Krankheit an, dass er keine Chance auf Heilung hatte.
Zwei Monate nach seinem Tod hat sie in seiner Heimat Italien auf der Trauerfeier eine kleine Rede gehalten. Wie dankbar sie ihrem Mann ist für all die Dinge, die sie durch ihn gelernt hatte.
"Sagt Eurem Chef, Euren Kollegen, wie gern Ihr Euren Job macht und wie viel Spaß es Euch macht. Sagt Euren Liebsten, dass Ihr sie liebt. Genießt Euer Leben."
Ihre Worte, die Art, wie sie es vorbrachte, das ist mir unter die Haut gegangen.

Wir kommen aus dieser Welt ohnehin nicht lebend raus - und niemand weiß, wann die Zeit dafür kommt. Ich habe wohl auch darum keinen Plan für das kommende Jahr, ich habe auch keinen Plan für die nächsten zehn oder fünfzig Jahre.
Als ich mich vor 16 Jahren von meinem Ehemann trennte, da hatte ich vor allem Angst, dass ich es nicht alleine schaffen würde - und dass ich immer allein bleiben würde, weil alle in etwa meinem Alter vergeben wären. Trotzdem bin ich gegangen, weil das Bleiben keine Alternative war.
Man kann auch sterben, obschon man weiterlebt. Und das wollte ich nicht mehr.
Stattdessen ging ich mit nichts - und baute das neue Leben Stück für Stück auf. Ich habe nicht alles aus eigener Kraft geschafft, aber ich habe ganz viel allein geschafft, und diese Erfahrung nimmt mir niemand mehr.
Und die Liebe?
Ach, fragt bloß nicht.
Wenn ich daran denke, wie oft ich mich nachts zerfleischte, weil ich mich fragte, was ist falsch an mir? Man kann das Lieben auch in sich selbst nicht erzwingen, selbst wenn der andere noch so gut für einen wäre, selbst wenn man sich noch so sehr nach dem Lieben sehnt.
In Zeiten von Onlinedating und vorrangigem Mailaustausch habe ich mal eine ewig lange E-Mail an jemanden geschrieben, und der reagierte begeistert: "Ich hab mir das mal ausdrucken müssen. Zwölf Seiten! Soviel hat mir noch nie jemand geschrieben! Du bist der Hammer! :)"
Und er fügte hinzu: "So ehrlich, wie Du Dir die Liebe wünscht, wird sie Dir auch passieren."
An seine Worte habe ich oft gedacht - und irgendwann auch irgendwie eine Hoffnung entwickelt.
Eine Zuversicht.
Trotzdem hat es letztendlich dann immer noch zwölf Jahre gedauert, bis ich wirklich wusste "Das ist es jetzt und das  bleibt es. Vielleicht."

Und heute? Nochmal sieben Jahre weiter?
Heute genieße ich jeden einzelnen Tag. Ich stehe morgens auf und denke: "Na? Was gibts heute?"
Heute frage ich mich nicht mehr, ob wir morgen noch ein Paar sind und übermorgen noch immer zusammen leben. Ich frage mich nicht mehr, was ich tun würde, wenn. Ich weiß es.
Ich würde fortgehen von M und mir zunächst in der Nähe meiner Jungen ein neues Zuhause suchen. Die nächsten Jahre genießen und irgendwann an das Meer gehen. Irgendwohin ans Meer.
Malen. Schreiben. Lesen. In der Sonne liegen und die Sonnenbrille auf der Nase balancieren.
Mit einem anderen Mann zusammenziehen werde ich nicht mehr.
Irgendwann vor vielen Jahren hatte jemand zu mir gesagt: "Such dir einen Mann. Alles, was du brauchst, ist ein Mann."
Er hatte unrecht.
Ich habe gelernt, mir selber genug zu sein. Ich kann sehr gut mit mir allein sein.
Es wäre ein anderes Leben. Aber anders bedeutet nicht: ein schlechteres Leben. Es ist eine andere Art von Zufriedenheit und Glück.
Ich habe aber auch gelernt: Wenn ich glücklich sein will, muss ich selber aktiv werden. Und nicht darauf warten, dass es ein anderer für mich tut. Es hat auch mal jemand zu mir gesagt "Ich möchte derjenige sein, der dich glücklich macht." Heute weiß ich: Darum gehts gar nicht im Leben. Nicht ein anderer kann mich glücklich machen - sondern ich mich selbst, und dann kann ich dieses Glück in mir mit einem anderen teilen. Denn wenns ein anderer tut und ich verlass mich drauf und dann ist er nicht mehr da, was dann? Nein nein nein. So funktionierts nicht (mehr) für mich.

Schaue ich heute auf mein Leben, bin ich dankbar. Dankbar dafür, dass es so ist wie es ist.
Dankbar dafür, dass wir uns haben. Dass wir aneinander denken, nebeneinander liegen und auf den Herzschlag des anderen lauschen. Nachts beieinander liegen, meine Hand auf seinem Bauch oder in seiner Hand.

Ich bin aber auch dankbar für diesen Lernprozess, dass ohne ihn mein Leben zwar anders wäre - aber nicht zuende. Und ich immer in der Küche tanzen werde können, mit ihm und auch allein.
Weil ich es liebe, dieses Leben. Und schon seit ganz langer Zeit nicht mehr darüber nachdenke, was morgen sein könnte.

Sonntag, 15. September 2019

Eine Stimme von vielen

Hier bin ich in eigener Sache unterwegs.
Die, die mich kennen, und die, die mich vielleicht schon etwas länger lesen, wissen, dass ich seit mittlerweile fast fünfzehn Jahren Schmerzpatientin bin. (Darüber möcht ich eigentlich gar nicht nachdenken und erst recht nicht die Jahre zählen - nicht dass mich doch noch der Mut verlässt nach all den Jahren.) Und die, die mich kennen und lesen, wissen auch, dass ich seit April 2018 deutliche neurologische Veränderungen zeigte - von einem Moment auf den anderen.
Veränderungen, die die Schulmedizin nicht erklären konnte - oder wollte. Nie werde ich die Stimme des Oberarztes im Klinikum vergessen, wie er sagte: "Genetisch, ja, das könnte sein. Aber man muss ja nicht immer gleich mit dem Teuersten anfangen. Wir fangen mal mit dem einfachsten an. Hier ist die Adresse einer psychosomatischen Klinik." Vielleicht war das eine Adresse, die ich noch nicht kannte und die mich noch nicht kannten. Jedoch diese Station habe ich bereits durchlaufen - zweimal stationär, zweimal ambulant. Seitdem weiß ich, dass Schmerztherapie nicht bedeutet, die Schmerzbekämpfung aktiv anzugehen, sondern dass man einfach nur lernt, damit zu leben.
Und das habe ich. Ich hab es gelernt und verinnerlicht. Ich mache weiter wie vor dem Schmerz, auch wenn ich heute nicht mehr weiß, wie das ist: schmerzfrei leben. Ich kann lediglich erzählen, wie es ist, das Leben mit einem Schmerz in einer Körperhälfte, der sich anfühlt, als habe man auf einer Seite ständig Zahnweh. Mal mehr, mal weniger - aber immer.. Jeden Tag, jede Nacht, jeden einzelnen Moment. Eines Tages ist er gekommen und seither nicht mehr gegangen.
Ich habe mich daran gewöhnt, ich habe ihn akzeptiert und angenommen. Verändert hat sich damit gar nichts - aber es ist wie es ist.

Mit den neurologischen Ausfällen oder Auffälligkeiten jedoch... Mit denen konnte und wollte ich mich gar nicht anfreunden. Wenn wir lernen sollen, mit allem zu leben, das wir nicht erklären können - wozu brauchen wir dann Ärzte, die mehr können sollten als Husten & Schnupfen und einen Armbruch zu behandeln?

Die Idee eines Heilpraktikers war schon öfter an mich herangetragen worden, aber ich habe immer abgewunken, da bin ich ehrlich. Und ich bin auch ehrlich, dass ich mich nie wirklich damit befasst habe, was ein Heilpraktiker kann und darf. Möglicherweise dachte auch ich, dass man nichts anderes tut als mit einer Wünschelrute zu wedeln oder sie vielleicht auch über einem Feuerchen anzubrennen - und sich dazu ein paar Zuckerkügelchen einzuwerfen und im Kreis ums Feuer zu tanzen.
Na ja, sowas in der Art vielleicht.
Warum ich mich dann im letzten Jahr dazu bringen ließ, doch zu einem Heilpraktiker zu gehen, kann ich gar nicht wirklich beantworten. War es vielleicht mein letzter Versuch? War es vielleicht jene Form der Resignation, nach der man sagt "Was hast du schon noch zu verlieren?"

Für die erste Stunde der Beratung habe ich 25 Euro bezahlt. Einen Schulmediziner muss ich zwar nicht direkt vor Ort bezahlen, aber ich bin mir ganz sicher, dass auf seiner Rechnung an die Kasse für rund fünf Minuten, die man maximal im Sprechzimmer sitzt, weitaus mehr als 25 Euro stehen.
Hier saß ich tatsächlich eine ganze geschlagene Stunde, sie forderte mich auf, ganz von vorn zu beginnen, schrieb sich alle Eckpunkte auf, dann folgte eine körperliche Untersuchung und am Ende standen vier fragliche Diagnosen auf ihrem Zettel. Alle weiß ich nicht mehr, ich weiß nur noch, dass da was von Borreliose, Parkinson und Schlaganfall stand - und sie mir eine Laboruntersuchung empfahl. Mit Kosten zwischen 120 und 270 Euro. Die Blutuntersuchung für 120 Euro genügte: Nachweis einer Neuro-Borreliose, bei der die Schulmedizin sich weigerte, diese zu behandeln: "Neuro-Borreliose gibt es gar nicht. Das ist eine Erfindung für Patienten, damit sie eine Diagnose haben. So wie zum Beispiel Fibromyalgie." Oder: "Das mit der Borreliose können Sie jetzt eh vergessen, das bringt jetzt nichts mehr" - und mir wurden für 100 Euro Vitaminpillen verkauft und für 30 Euro ein Vitamin D-Spiegel gemessen. Auch beim Schulmediziner übrigens. Lächerlich.

Die Crux ist: Eine Borreliose, ob nun Neuro oder nicht, muss mit Antibiotika behandeln werden. Grad wenn der Stich schon länger her ist (wie bei mir), dann wird auch die Behandlung sehr langwierig - und teuer. Doch Antibiotika verschreiben, das ist etwas, das der Heilpraktiker nicht darf. Weil er schlichtweg die Arzt-Zulassung nicht hat. Er kann sagen, was ich brauche, aber ich muss jemanden finden, der es mir verordnet.
Wir haben aber niemanden gefunden. Es gab Abende im letzten Jahr, da habe ich vor Verzweiflung geweint und nicht gewusst, was ich tun soll. Ich konnte auch nicht nachvollziehen, was daran so schwierig sein sollte. Wäre es nicht tatsächlich einfacher gewesen, mir einfach diese scheiß Pillenkur zu verordnen, anstatt sinnlos teure Untersuchungen auf mich zu nehmen (verschiedene MRT, verschiedene neurologische Messungen an Blutgefäßen und Nervenbahnen) und erneut eine Ärzte-Odyssee durchmachen zu müssen? Mit einer Bandbreite an Aussagen von insgesamt vier Neurologen von "Sie können ja gar nichts mehr!" über "Nein, am Alter liegts nicht; ich kenne keine Frau in Ihrem Alter, die so läuft wie Sie" bis hin zu "Na das sieht doch ganz gut aus."

Ende des vergangenen Jahres bot mir die Heilpraktikerin schlussendlich die Eigenblutbehandlung an. "Als Infusion." Kosten: irgendwas zwischen 65 und 80 Euro je Infusion. Anfangs zwei pro Woche, dann nur noch einmal und nach rund 14 Behandlungstagen legten wir eine Pause ein.
Eine Pause bis heute.
Das Zittern der Hand und des Kopfes hat vollständig aufgehört, bereits nach der 3. Behandlung.
"Das bestätigt die Infektion im Nervensystem", hieß es von Seiten der beiden behandelnden Heilpraktiker in L und in M.
Mein Gang ist deutlich besser geworden, heute sieht mir keiner mehr etwas an, der mich nicht kennt.
Nach Ende der Blutbehandlung war meine körperliche Verfassung schwankend. Es gab wechselnde Phasen zwischen super und deutlichen Rückfällen. Mir ist bewusst, dass mein Körper noch immer ankämpft und mit mir kämpft. Oder ich mit ihm. Wir wollen wohl beide nicht aufgeben ;)
Jedoch die Phasen, in denen es mir besser geht, werden länger - und die anderen werden kürzer.
Seit dem Ende der Blutbehandlung nehme ich weiterhin zusätzlich Präparate, die den Heilungsprozess unterstützen, auch eine Neuraltherapie haben wir ausprobiert.

Mein neuer Hausarzt ist begeistert vom Ergebnis.
"Echt? Mit Eigenblutbehandlung habt ihrs geschafft? Also darauf wär ich echt nicht gekommen."

In der vergangenen Woche nun hörte ich, dass den Heilpraktikern die Anwendung der Eigenblutbehandlung verboten werden und nur noch den Schulmedizinern vorbehalten sein soll.
Ich persönlich bin sehr zurückhaltend, wenn ich zum Unterschreiben von irgendwelchen Petitionen aufgefordert werde. Auch der Mann sagt immer sofort: "Die wollen doch nur an deine Daten."
Hier jedoch habe ich überhaupt keinen Moment gezögert.
Diese Petition liegt mir persönlich grad aufgrund der persönlichen Erfahrungen sehr, sehr, sehr am Herzen. Und so betrachte ich mit wehmütigem Blick, dass die Zahl der Unterschriften nur sehr langsam, im Grunde zu langsam steigt. Auch wenn alle Petitionen geprüft werden, die keine 50.000 Unterschriften nachweisen können, so sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Befürwortung, je weniger Stimmen für die Petition eintreten.

Wenige Wochen zuvor habe ich gegen Spahns Idee unterschrieben, dass Beatmungspatienten nicht mehr zu Hause bleiben dürfen, sondern in - ich formuliers mal so - Beatmungsheimen untergebracht werden sollen. Um irgendwelchem Missbrauch vorzubeugen. Ich lach mich tot. Als wüsste niemand, dass wir nicht jetzt schon an Personalmangel in Pflege und Versorgung kranken - und wie die Zustände in Pflegeheimen jetzt schon sind.
Der Zulauf zu dieser Petition war enorm. Ich bin nicht persönlich betroffen - aber ich hatte unterschrieben, weil ich die Thematik wichtig finde. Mir ist auch bewusst, dass man es nicht immer allen recht machen kann. Aber nur um (finanziellem) Missbrauch vorzubeugen... Einen größeren Schwachsinn habe ich selten gelesen.
Als ich vor, ich glaube, drei Jahren den Mann nachts in die Klinik brachte und wir nicht wussten, was ihn und uns erwarten würde, er aber später die Rechnung prüfte und der Kasse meldete "Diese ganzen Untersuchungen wurden dort aber gar nicht gemacht" und die Kasse antwortete "das ist uns egal, die Klinik hats so gemeldet, also bezahlen wir das so" - was ist das dann? Und will mir wirklich einer erzählen, dass es sich hier um Einzelfälle handelt?

Diese weitere neue Idee von Spahn, den Heilpraktikern die Eigenblutbehandlung wegzunehmen, kann ich absolut nicht nachvollziehen. Mir ist nicht ganz klar, was wirklich dahintersteckt. Natürlich gibt es immer ein gewisses Risiko. Wenn die Mischung nicht stimmt. Wenn das Blutverdünnungsmittel vergessen oder falsch dosiert wurde. Wenn dann das Blut klumpt und ich entweder gleich beim Rücktransfer des Blutes sterbe oder anschließend eine Embolie entwickle.
Wenn so etwas passiert, dann macht es keinen Unterschied, in wessen Praxis ich sitze - dann stehen die Sterne so oder so nicht gut für mich. In einer Praxis kann mir der Schulmediziner genauso wenig helfen wie der Heilpraktiker - aber beide wissen, was dann zu tun wäre.

Wer hat hier eigentlich Angst vor wem?
Wird der Heilpraktiker dem Schulmediziner zu stark, auch wenn die allgemeine Anerkennung für den Heilpraktiker immer noch einiges zu wünschen übrig lässt?
Bei meiner Heilpraktikerin bin ich immer ungefähr eine ganze Stunde lang - beim Hausarzt tatsächlich nie länger als fünf Minuten.
Sie probiert aus - der Hausarzt probiert auch nur aus.

Ich persönlich bin für eine Kombination aus beidem, denn beide können sich absolut ergänzen - mit ihrem Wissen und ihrem Können. Mein neuer Hausarzt ist da völlig offen. Aber er hätte mir nicht helfen können - sie hat mir geholfen. Wo wäre ich heute ohne die Heilpraktikerin?
Wäre ich inzwischen komplett arbeitsunfähig?
Wäre ich irgendwann komplett mittellos, weil ohne Job kein Einkommen und ohne Einkommen keine wirkliche Existenz?
Warum dem einen etwas wegnehmen, das er genauso gut kann wie der andere?

Wer bis hierher gelesen hat.. und wer vielleicht genauso denkt wie ich.. Dann bitte.. lasst Eure Stimme hier:
https://www.openpetition.de/petition/unterzeichner/kein-verbot-der-eigenblut-therapie-naturheilverfahren-erhalten?fbclid=IwAR05-4sdVoO3YSLONWRhiy9nsmm1ZuH67epcs2L0mcI9JHH7vNnkZSog9ow

Eine Stimme allein kann nicht immer viel bewirken. Aber viele Stimmen zusammen.. vielleicht doch. Ich würde mir das ganz sehr wünschen. Nicht nur für mich allein.

Samstag, 14. September 2019

Zuviel und zu wenig



Ich bin nicht nur gut im Prokrastinieren von Dingen, die mir nicht so liegen. Ich bin auch gut darin geworden, Dinge auszublenden, die mir nicht gut tun. Insofern hat es dann und wann Zeiten gegeben, in denen ich mich beispielsweise monatelang aus sozialen und sonstigen Netzwerken zurückzog, mich auf meine ganz persönliche Insel zurückzog, auf die ich nur ganz wenigen Menschen Zutritt gestattete. Phasenweise manchmal nur noch meinen Kindern - doch diese ganz "engen" Phasen währten glücklicherweise nie lange. Glücklicherweise deshalb, weil es eigentlich gar nicht meinem Wesen entspricht.
Denn eigentlich bin ich gerne gesellig, rede meist wenig, manchmal auch viel, höre meist zu, manchmal bin ich mit meinen Gedanken ganz woanders. Im Grunde muss man mir eigentlich nur meinen ganz eigenen Raum lassen. Das geht nicht auf Bestellung, das funktioniert nicht, wenn der Mann sagt: "In drei Tagen bin ich da und dort, dann hast du Zeit zum Malen, Schreiben, whatever."
Man kann sich nicht vornehmen, wann man malt oder schreibt. Oder besser: ICH kann es mir nicht vornehmen. Für mich muss es fließen. Vermutlich würde ich deshalb auch nie ein Buch schreiben können (wie eine Freundin mir öfter empfahl) und nicht mal Kolumnen für eine Tageszeitung (wie mir mal ein ehemaliger Vorgesetzter ans Herz legte). Ich könnte vermutlich nie eine Deadline einhalten, weil ich nie sicher sein könnte, dass es bis dahin fließt. Aus dem Kopf heraus über die Finger auf die Tastatur.
Ich brauche Dinge, die mich inspirieren, und ich brauche meinen eigenen Raum dazu. Diese ganz persönliche Insel in meinem Kopf.


Es ist der letzte Tag unseres Urlaubs, morgen früh geht es wieder nach Hause - auch wenn der Mann gerne erst am Abend fahren wollen würde. Er ist dafür, den Tag mit dem wundervollen Sommerwetter noch zu nutzen, während ich in meinem Kopf schon wieder all die Kleidchen in den Koffer lege, die Rückfahrt überwinde, daheim die Taschen auspacke, dem Murmeln der Waschmaschine zuhöre, während ich dabei bin, Abendessen zuzubereiten und der Mann die Kerzen entzündet, zu denen ich die Pinienzapfen legte - und wir den Abend entspannt ausklingen lassen. Denn da sind sie schon wieder, diese wundervollen Frühherbstabende, die ihre wunderbare melancholische und doch nicht schwermütige Stimmung mitbringen. Ich liebe diese Abende soooo sehr!!!
Und in diese Vorstellung hinein passt nicht, dass die Rückreise irgendwann in der Nacht endet, wo man weder Zeit noch Muße hat, Wäsche zu sortieren oder einen letzten freien Abend vor Arbeitsbeginn zu zelebrieren.
"Ihr werdet Euch schon einigen", schrieb mir heut jemand, und ich musste lächeln: "Bis jetzt ziehen meine Argumente noch." Und wenn die nicht mehr ziehen, zieh ich mich eben aus. Wenn das auch nicht mehr zieht, zieh ich eben aus. So wirds werden :)

Und während ich hier die vergangenen Tage resümiere, der Mann sein letztes Battle für heute Abend gegen den virtuellen Feind führt und ich außerdem in die Musik eintauche, über dieses Video stolper, da denke ich einmal mehr.. dass es in der Welt viel zu oft viel zu viel Raum für Negatives gibt - und all das Schöne, das Wunderbare, das Leichte viel zu kurz kommt, viel zu wenig Beachtung findet. Warum ist das eigentlich so? Dass das Negative im Kopf bleibt, man mitunter tagelang darüber spricht oder nachdenkt, während man Positives und Wunderbares hingegen zwar zur Kenntnis nimmt, aber im oft gleichen Moment auch wieder zu den gedanklichen Akten legt?
Wann ist das passiert, dass Meinungen und Argumente als Angriff und nicht mehr als das genommen werden, was es ist: eine Meinung und ein Argument?
Wie konnte das passieren, dass die Stimmung unter den Menschen so gekippt ist und Gruppierungen wie eine AfD so stark werden konnten?
Wie konnte es so weit kommen, dass man einander nicht mehr wirklich zuhört, stattdessen übereinander herfällt?
Heute, an unserem letzten Nachmittag am See, da haben wir einen kleinen Jungen gesehen, wie er am Ufer stand und gefühlt eine halbe Stunde lang immer nur rief "Hey!" Ohne wirklich irgendwo hinzusehen, ohne wirklich jemanden anzusehen - er stand einfach nur am Ufer.
"Ob das ein Junge mit Autismus ist?" fragt der Mann.
"Ich weiß nicht", antworte ich nachdenklich und füge nach einer Weile hinzu: "Ist es nicht irgendwie traurig, dass man immer sofort denkt, jemand habe irgendein Problem oder sei irgendwie krank, nur weil er... irgendwas macht, von dem wir nicht wissen, warum er das tut? Nur weil er irgendwas macht, das anders ist?"

Manchmal denke ich.. vielleicht bräuchten wir alle nur ein bisschen mehr.. Musik, Liebe, Lachen..
Von allem Guten ein bisschen mehr, und sei es ein bisschen mehr Aufmerksamkeit dafür - und vielleicht würde es ausreichen, um dem Negativen ein bisschen mehr Raum zu nehmen?
Sollten wir alle nicht viel mehr lieben, lachen, tanzen und singen? Das Negative bleibt uns sowieso - aber muss es denn mehr Raum bekommen als es sollte?

Gestern Abend sind der Mann und ich in den Nachbarort geradelt - und haben dort einen kleinen Shop entdeckt, der handgemachte Schuhe verkauft. Jedes Paar ein Unikat. Man kann es vorbestellen, aber man wird nie genau wissen, was man bekommt. Außer dass man die Farben selber zusammenstellen kann - von der Sohle über den Korpus bis hin zu den Schuhbändern.
Ich habe mich für ein Paar roter Schuhe entschieden - und sie gleich mitgenommen. Nicht meine Größe, und trotzdem passten sie wie angegossen. Glück gehabt! Mein allererstes Paar rote Schuhe - und ich bin schockverliebt. Und immer, immer muss ich an die Worte einer Freundin denken, die mir nach dem Kauf eines roten Kleides mal schrieb "Gute Wahl! Rot ist die Farbe der Energie."
Und immer, wirklich immer lächle ich beim Kauf eines roten Accessoires, denke an ihre Worte und denke vor allem an eines: wie sehr ich dieses tiefe, leuchtende Rot liebe und wie viel Lebensfreude es in mir erweckt. Ist ja nicht so, dass ich nicht wüsste, dass und wie sehr ich es liebe, dieses Leben.
Aber ich liebe auch genau die Auslöser-Momente, die sie hervorsprudeln lassen.
Sei es nun der Kauf eines Lieblings-Accessoires - oder der Anblick der selbst gesammelten Pinienzapfen morgen Abend neben unseren Kerzen, worauf ich mich schon jetzt wie irre freue. Dafür ziehe ich mich dann gerne aus ;) 

Donnerstag, 12. September 2019

Three Times



“They say, you die three times. Once, when you stop breathing. Once, when the last person to know you dies. And once, when what you created is forgotten.”


Fünf Tage außer Raum und Zeit.
Fünf Tage, die wir einander schenken, um allem den Rücken zuzuwenden, an die Hand zu nehmen, ins Wasser zu springen oder gemeinsam am Ufer sitzen, liegen, stehen. Und während er über den endlos scheinenden See schaut, die Hand schützend über die Augen gelegt, beuge ich mich hinab, um Pinienzapfen aufzulesen oder kleine runde Steinchen, glattgewaschen vom Wasser, kleine Handschmeichler für den Alltag, die Du immer in die Hand nehmen kannst, die Augen schließen und Dich von einem Moment zum anderen wieder völlig zurückfinden kannst in jene Tage, die so außer Raum und Zeit sein sollten... Herabgefallene Feigen und Oliven einsammel und der Mann fragt "Was willst du mit dem ganzen Zeug?" und ich strahle ihn an: "Trocknen, die Kerne einpflanzen und gucken, was rauskommt!" "Du weißt aber schon, dass wir eigentlich gar keinen Platz dafür haben?"
"Wir gucken einfach mal", schlinge ich meine Arme um seinen Hals.
Fünf Tage, in die ich nichts mitnehmen wollte an Sorgen, an Kummer.

Fünf Tage, in denen mir bewusst wird, dass das Leben sich immer weiter dreht, dass Du dem Lauf der Geschichten nicht entkommen kannst. Und Du all Deine Vorsätze über Bord wirfst, weil Du nicht nicht teilhaben kannst. Nicht an den Verletzungen, die der eine dem anderen zufügt, und die manchmal Spuren hinterlassen. Nicht am Tod eines Menschen, von dem Du erst jetzt erfährst. Jetzt, zwei Monate später.  Eine Nachricht, die Dich genauso betroffen macht wie die Information, dass ein Kollege sich verabschiedete. "Vermutlich für immer. Sie vermuten Speiseröhren- oder Lungenkrebs."
Auch nicht am Tod eines Menschen, von dem Du noch gar nicht wirklich weißt, wie Du diese ganze Geschichte einordnen sollst und ob sie in ihrer Gesamtheit überhaupt.. tatsächlich wahr ist. Dein Bauchgefühl regt sich schon länger, es wehrt sich schon seit Wochen, doch heute schweigst Du, als man Dir sagt, dass Deine Zweifel es nicht besser, eher schlimmer machen.
"Es reicht mir schon, dass ich hier um mich rum nur negative Gedanken höre."
"Das kann ich dir nachfühlen", versuche ich behutsam zu sein, "ich.. fühl mich nur nicht negativ.. Bin ich aber vielleicht objektiver, weil mit viel weniger Emotionen darauf schaue als du? Du bist es, um die ich mich sorge." Und: "Pass gut auf dich auf, bitte", füge ich hinzu.

"Wir könnten doch hier leben", bricht der Mann in meine Gedanken und in virtuelle Wortwechsel hinein. "Ich habe hier die Berge und du, du hast den See. Das ist doch fast dasselbe wie das Meer."
Ich schaue zu ihm auf, lege den Kopf schief, lächle ihn an.
Es ist auch nicht fast dasselbe, denke ich geduldig. Hier fühle ich nicht jene unendliche Tiefe und Weite, nicht jene Freiheit, frei wie ein Vogel über der Wasseroberfläche dahinzufliegen oder wie ein Fisch tief einzutauchen.. Hier fühle ich nicht den Wunsch, die Augen zu schließen, die Arme auszubreiten und frische Seeluft tief in mich einzuatmen.
Nein, das ist auch nicht fast dasselbe.
Aber ich fühle mich wohl. Hier und jetzt fühle ich mich wohl und geht es mir gut.
Ich trage dieses Kleidchen aus feinem weichen Stoff, das um die Beine flattert.
In meinem Kopf trage ich noch immer tausend Gedanken und noch mehr Ideen, was ich alles noch erschaffen möchte, was ich alles noch tun und geben möchte. Was ich insbesondere meinen Jungen immer noch mit auf ihren Weg geben und für sie tun möchte. Und in mir trage ich die beinah unerschütterliche Hoffnung, dass mir für all diese Dinge noch genügend.. Raum und Zeit bleiben.
An all dies dachte ich auch, als wir heute durch den Abend radelten, oben auf dem Deich, hindurch die Plantagen mit Kirschen, Kiwis, Wein, und da überkam es mich wieder.. Dieses wunderbare Gefühl des Lebens, des Seins, des sich Fallenlassens in nur diesen einen Moment, des wunderbaren Augenblicks und dieses Gefühl.. dass die Welt ja doch für einen einzigen Moment stehenbleiben, innehalten kann. Und Dich glauben lässt, für diesen einen einzigen Moment seist Du tatsächlich aus Raum und Zeit gefallen..


With shortness of breath, I’ll explain the infinite

How rare and beautiful it truly is that we exist.