Donnerstag, 12. September 2019

Three Times



“They say, you die three times. Once, when you stop breathing. Once, when the last person to know you dies. And once, when what you created is forgotten.”


Fünf Tage außer Raum und Zeit.
Fünf Tage, die wir einander schenken, um allem den Rücken zuzuwenden, an die Hand zu nehmen, ins Wasser zu springen oder gemeinsam am Ufer sitzen, liegen, stehen. Und während er über den endlos scheinenden See schaut, die Hand schützend über die Augen gelegt, beuge ich mich hinab, um Pinienzapfen aufzulesen oder kleine runde Steinchen, glattgewaschen vom Wasser, kleine Handschmeichler für den Alltag, die Du immer in die Hand nehmen kannst, die Augen schließen und Dich von einem Moment zum anderen wieder völlig zurückfinden kannst in jene Tage, die so außer Raum und Zeit sein sollten... Herabgefallene Feigen und Oliven einsammel und der Mann fragt "Was willst du mit dem ganzen Zeug?" und ich strahle ihn an: "Trocknen, die Kerne einpflanzen und gucken, was rauskommt!" "Du weißt aber schon, dass wir eigentlich gar keinen Platz dafür haben?"
"Wir gucken einfach mal", schlinge ich meine Arme um seinen Hals.
Fünf Tage, in die ich nichts mitnehmen wollte an Sorgen, an Kummer.

Fünf Tage, in denen mir bewusst wird, dass das Leben sich immer weiter dreht, dass Du dem Lauf der Geschichten nicht entkommen kannst. Und Du all Deine Vorsätze über Bord wirfst, weil Du nicht nicht teilhaben kannst. Nicht an den Verletzungen, die der eine dem anderen zufügt, und die manchmal Spuren hinterlassen. Nicht am Tod eines Menschen, von dem Du erst jetzt erfährst. Jetzt, zwei Monate später.  Eine Nachricht, die Dich genauso betroffen macht wie die Information, dass ein Kollege sich verabschiedete. "Vermutlich für immer. Sie vermuten Speiseröhren- oder Lungenkrebs."
Auch nicht am Tod eines Menschen, von dem Du noch gar nicht wirklich weißt, wie Du diese ganze Geschichte einordnen sollst und ob sie in ihrer Gesamtheit überhaupt.. tatsächlich wahr ist. Dein Bauchgefühl regt sich schon länger, es wehrt sich schon seit Wochen, doch heute schweigst Du, als man Dir sagt, dass Deine Zweifel es nicht besser, eher schlimmer machen.
"Es reicht mir schon, dass ich hier um mich rum nur negative Gedanken höre."
"Das kann ich dir nachfühlen", versuche ich behutsam zu sein, "ich.. fühl mich nur nicht negativ.. Bin ich aber vielleicht objektiver, weil mit viel weniger Emotionen darauf schaue als du? Du bist es, um die ich mich sorge." Und: "Pass gut auf dich auf, bitte", füge ich hinzu.

"Wir könnten doch hier leben", bricht der Mann in meine Gedanken und in virtuelle Wortwechsel hinein. "Ich habe hier die Berge und du, du hast den See. Das ist doch fast dasselbe wie das Meer."
Ich schaue zu ihm auf, lege den Kopf schief, lächle ihn an.
Es ist auch nicht fast dasselbe, denke ich geduldig. Hier fühle ich nicht jene unendliche Tiefe und Weite, nicht jene Freiheit, frei wie ein Vogel über der Wasseroberfläche dahinzufliegen oder wie ein Fisch tief einzutauchen.. Hier fühle ich nicht den Wunsch, die Augen zu schließen, die Arme auszubreiten und frische Seeluft tief in mich einzuatmen.
Nein, das ist auch nicht fast dasselbe.
Aber ich fühle mich wohl. Hier und jetzt fühle ich mich wohl und geht es mir gut.
Ich trage dieses Kleidchen aus feinem weichen Stoff, das um die Beine flattert.
In meinem Kopf trage ich noch immer tausend Gedanken und noch mehr Ideen, was ich alles noch erschaffen möchte, was ich alles noch tun und geben möchte. Was ich insbesondere meinen Jungen immer noch mit auf ihren Weg geben und für sie tun möchte. Und in mir trage ich die beinah unerschütterliche Hoffnung, dass mir für all diese Dinge noch genügend.. Raum und Zeit bleiben.
An all dies dachte ich auch, als wir heute durch den Abend radelten, oben auf dem Deich, hindurch die Plantagen mit Kirschen, Kiwis, Wein, und da überkam es mich wieder.. Dieses wunderbare Gefühl des Lebens, des Seins, des sich Fallenlassens in nur diesen einen Moment, des wunderbaren Augenblicks und dieses Gefühl.. dass die Welt ja doch für einen einzigen Moment stehenbleiben, innehalten kann. Und Dich glauben lässt, für diesen einen einzigen Moment seist Du tatsächlich aus Raum und Zeit gefallen..


With shortness of breath, I’ll explain the infinite

How rare and beautiful it truly is that we exist.

Keine Kommentare: