Dienstag, 21. April 2020

Das große Räumen

Noch vor einigen Tagen hatte ich ja erzählt, dass der Mann und ich uns endlich geeinigt hätten. Über das Neugestalten des blauen Ziggenheims, in dem die Ziggenheimern sich aber nun doch nicht richtig austoben darf.
Der Mann sagte zwar gerne: "Immer lehnst du alle meine Vorschläge ab!" Die Realität ist aber, dass ich mich seinen Vorschlägen beugen muss. Jedenfalls, wenn mir dauerhafter Friede und Harmonie auch künftig wichtig sind.
Das einzige, wo ich mich durchsetzte, ist, dass es keine Tischdecken auf dem künftig wieder eingeräumten Esstisch gibt.
"Frag mich das noch mal in fünfzig Jahren", sagte ich auf seine entsprechende Frage und weigerte mich standhaft, mir wie bei alten Leuten eine Decke auf den antiken Holz-Esstisch zu mölen.
"Dann leg ich sie eben drauf", murrte er.
"Dann nehm ich sie wieder runter", lächelte ich.
"Dann leg ich sie eben wieder drauf", beharrte er.
"Dann nehm ich sie eben wieder runter", blieb ich entspannt, aber bestimmt.
"Wir können das Spiel gerne endlos spielen", murrte er.
Aber er kennt mich zu gut. Er weiß, dass ich da stur bleiben kann - also wird ers von vornherein lassen, weil ihm endlos viel zu anstrengend würde. 

In der Umsetzung der eigentlichen Pläne aber... Maximal bei der Farbgebung in Flur und Lebensraum hat er zugestimmt, ansonsten wurden alle meine Ideen ins Nirvana geschickt.
Ein Mann beklagt oft und gern, dass Frauen viel zu viel Nippes und Kramscheiß anhäufen und das Haus bis auf den letzten Zentimeter verdekorieren würden.
Darüber kann ich hier tatsächlich nur müde lächeln. Was er sich hier alles aufhebt und weiter aufheben will, da wundert mich gar nicht, dass unser Keller aus allen Nähten platzt.
"Ich versteh nicht, warum du immer alles gleich wegschmeißen willst", reagiert er vorwurfsvoll.
"Weil ich keine Luft kriege", verteidige ich mich. "Überall ist irgendwas, das kein Schwein mehr braucht."
Ich wage es zum Beispiel nicht zu sagen, dass wir diesen blöden Brotbackautomaten und so ne komische Küchenmaschine gar nicht brauchen. Er hatte das schon, bevor ich einzog. Haben wir es benutzt seither? Also seit nunmehr fast sechs Jahren? Nie! Nicht ein einziges Mal! Um ein eigenes Brot zu backen, braucht es keinen Brotbackautomaten - und die Küchenmaschine brauchts auch nicht. Wofür? Was kann die mehr als sein kleiner Häcksler und sein Pürierstab? Nix! Dafür benötigt Reinigung der zwölftausend Kleinteile einen halben Tag, weil man eben auch nicht alles in die Spülmaschine stellen kann. Ich krieg da n Vogel! Genauso wie vermutlich er bei meinem Kleiderschrank. Erst letztens hatte ich zwei oder drei Tüten voll entsorgt - und nur gut zehn Tage später, also vor zwei Tagen, kamen noch mal zwei Tüten dazu. Ist mein Schrank jetzt leer? Eher... etwas luftig, würde ich sagen *kreisch*
Aber wenigstens trenne ich mich eben auch von Dingen, die nicht mehr schön sind oder nicht mehr gefallen oder schlichtweg einfach nicht mehr passen. Nicht nur, was Klamotten betrifft.
Bevor ich einzog, hatte mir der Mann passend zu meiner antiken Kommode einen antiken Schreibtisch vermittelt. Anfangs haben wir uns beide darüber gefreut. Inzwischen haben wir längst festgestellt, dass der Tisch zu groß ist für unseren Lebensraum. Und wenn im Zuge der Umbaumaßnahmen die Kommode in den Schlafraum weichen muss, dann findet sich dieser Schreibtisch nirgendwo mehr wieder.
Also muss er weg. Ich bin da tatsächlich schmerzbefreit. Von mir aus kann er auch auf den Müll. Denn in aktuellen Zeiten wie diesen werde ich diesen Tisch sowieso nicht los, nicht mal, wenn ich ihn verschenke. An wen soll ich ihn auch verschenken? Mit meinem kleinen Schwarzen kann ich den nirgends hintransportieren. Meine Söhne brauchen keinen, hätten auch gar keinen Platz. Bei meiner Freundin hier ums Eck dasselbe (würde auch stilistisch nicht passen). Und fremde Leute dürfen sich den dank Kontaktbeschränkung auch nicht holen. Oder doch? Weil maximal eine fremde Person kontaktieren darf? Ach wat weet ick.
Ums Eck ist auch ein Wertstoffhof. Hänger organisieren, Tisch drauf, ab zum Wertstoffhof. So wirds werden. Vorher müssen wir nur sämtliche Schubläden ausräumen, schauen, was man überhaupt noch braucht und wo mans dann unterbringt. Alles wird in den neuen Schreibtisch nämlich nicht passen. Das Malzeug, also die Stifte, schon mal nicht.

Überhaupt haben wir festgestellt, was wir alles ausräumen und begutachten müssen. Den herrlich großen Balkon. Den Keller. Die Kommode. Den alten Schuhschrank, in den nur 1/3 unseres Schuhwerks passt.
"Was machen wir damit?" hat der Mann gefragt.
"Ich kenne niemanden, der den gebrauchen könnte", habe ich vorsichtig gesagt. Und den gedanklich ebenfalls mit auf den Hänger und ab zum Wertstoffhof geworfen..
Der Schlafraum wird auch etwas anders als ich dachte. Er will seine alte Eck-Schrankkombi nicht aufgeben.
"Wieso soll ich das wegschmeißen und mir für teuer Geld was Neues kaufen? Dann lieber bau ich den um."
Das hat etwa drei Tage Auseinandersetzungen im blauen Ziggenheim bedeutet. Also wenn schon umbauen, dann bitte gekonnt und ordentlich und nicht "ich säge da mal was ab und dort was ab" und so.

Anfangs dachte ich noch, das ganze Umbau-Konzept würde lustig. Inzwischen denke ich, es wird uns vor allem einiges an Nerven kosten. Die liegen ja teils jetzt schon blank. Seit 1 Woche kein DSL mehr und die Reparatur soll bis zu 14 Tagen dauern. Seitdem laufen unsere Rechner auf jeweiligen Handy-Hotspots, überhaupt läuft alles über teils wacklige Hotspots und nicht immer will dann die Technik so wie wir das wollen oder brauchen. Fragt nicht, wie oft es von nebenan Gebrüll gibt, weil irgendwas nicht hinhaut. Ne Tür fliegt oder jemand hier wild durch die Zimmer stapft. Da helfen tatsächlich nur Kopfhörer, ruhig bleiben und ausmurren lassen.

Jedoch die Nerven scheinen derzeit überall blank zu liegen. Beispielsweise lesen Leute ihre Mails nicht richtig, erfassen ihre Aufgaben nicht - und wenn ich nachhake, weil ich manchmal durchaus auch gründlich sein kann *kreisch*, stöhnt der eine entnervt ins Telefon und der andere mault mich an "Ich hab jetzt gar keine Zeit, ich bin bloß dir zuliebe ans Telefon gegangen!"
Gut. Dann blamiert Euch doch, wenn Ihr halbfertige Arbeit abgebt. Wenn Ihr nur den ersten Satz einer Mail lest und überseht, was im zweiten Satz gefordert wurde. Und dass Antwort-Termin heute um 14 Uhr war, woran ich um 13.30 Uhr erinnere (da kam leider erst die Mail mit dem Termin) und dann noch mal um 14:03 Uhr.
Der andere Kollege bekommt eine Mehrkostenanzeige zugeschickt - und lässt sie unbearbeitet schlappe vierzehn Tage liegen. Was wir nicht dürfen. Im worst case zahlen wir die ganze Scheiße selber, wenn wir altbekannte Deadlines nicht einhalten. Von der Mail mit den Mehrkosten bekomme ich nur Kenntnis, weil der Chef mir letzten Samstag genau diese Mail weiterschickt. Und draufschreibt "Bitte Rücksprache". Warum er mit mir reden will, hat er am Montag schon wieder vergessen. Er hat andere Sorgen. Echte andere Sorgen. Also kümmere ich mich - und werde zum Dank dafür angeschissen. Weil ich ein, zwei fachliche Rückfragen habe.
Drei Tage lang laufe ich einem weiteren Kollegen hinterher, weil ich ein Fachprotokoll brauche und eine Auskunft zu einer anderen Mehrkostenanzeige. Letzteres sind maximal zwei, drei Zeilen.
Was ich bekomme, ist ein wirklich stümperhaft aufgesetztes Protokoll - und keine Auskunft zur Mehrkostenanzeige. Nach drei Tagen immer noch nicht.
In unserem Unternehmen gibt es glücklicherweise keine Kurzarbeit und im Home Office arbeiten außer mir nur die Mitarbeiter, deren Kinder aktuell nicht in die KiTa oder Schule gehen können.
Alle anderen können genauso weiterarbeiten wie bisher. Warum vor allem bei denen trotzdem die Nerven blank liegen, erschließt sich mir da gerade nicht.

Beim Mittagessen um fünfzehn Uhr liege ich auf der Ottomane und schaue hinaus auf das herrliche Grün der Bäume, während der Mann sich auskotzt über Kindergartengebaren in der Firma und nur mit Textbausteinen beantwortete E-Mails zu privaten Reklamationen.
Ich höre ihm zu und als ich mir auch etwas Luft mache, wird mir gleich das Wort gekappt: "Lass gut sein. Du bist selber schuld, wenn du in dieser Firma arbeitest."
Öhm....

Auf den einen oder anderen Seiten liest man ja auch gerne mal, dass Zeiten wie diese die Menschen eher wieder zusammenbringen würde. Ich bin mir da gar nicht so sicher. Die Menschen sind es gar nicht mehr gewohnt, so viel Zeit miteinander zu verbringen, gehen sich entsprechend auf den Sack und gegebenenfalls auch an den Hals. Leute werden immer gereizter und unentspannter. Ich fürchte, in etwa zehn Monaten gibt es keinen Baby-Boom, sondern eine Scheidungswelle.

Und jetzt muss ich in den Keller, nach den Kleiderschränken folgt hiermit die nächste wichtige Räumaktion.

2 Kommentare:

Dies und Jenes hat gesagt…

Hach kenn ich - kann ich brauchen hat sich mindesten 5 Jahre nicht von der Stelle bewegt (ich hab es dokumentiert). Ist ja auch schwer zwei Haushalte zusammenzubringen.

Ich hab jetzt die Sperrmüllkarte weggeschickt. Mal sehen was alles gehen darf ohne dass jemand ruft "das kann ich noch brauchen".

Für mich bedeutet es gerade alles alte raus und neu anfangen. Jetzt ist erstmal der Kleiderschrank noch dran.

Ja manchmal würde es schon helfen wenn man E-Mails und Co einfach zu Ende lesen würde. Aber es ist doch einfach so es ist einfach halb zu lesen und anzurufen und Fragen. Mein Mann arbeitet zum Glück wieder in der Firma, ich ja sowieso dann ist das Wlan und Co Problem schon mal gelöst zu Hause.

So lange ja war ich mit meinem Mann noch nie so zusammen. Irgendeiner war immer mal weg oder länger auf Arbeit. Noch geht es aber so langsam merk ich, dass ich mal raus muss. Nur Arbeiten, Familie, kochen und einkaufen und putzen da fehlt was. Und dann die Sache mit den Masken.
Wieso erst jetzt. Ist das Virus erst jetzt gefährlich. Keine Ahnung. Ey und meine Brille beschlägt sich ich seh dann nix und ohne Brille na ja geht es gerade so.

Ein bisschen Normalität wäre schon schön. Aber das wird wohl so schnell nix.

Meine Freundin fährt nächste Woche an die See. Die darf das. Sie hat ihren Wohnwagen dort stehen. Schnieef....

Ein Zeichen dass was nicht stimmt mit mir ich hatte die Tage sowas von dicker Lippenherpes da hat es wohl eine Lücke in meinem System gegeben. Hab die Dinger schon 6 Jahre nicht mehr gesehen bei mir.
Ich hatte die letzten Wochen mir private Therapiestunden gegönnt war sehr hilfreich. Hat eine Vermutung bestätigt. Ich schramme um einen Burnout. Mal sehen ich nehm mir nochmal einen Termin und dann werd ich um einen Arzttermin nicht rumkommen.

Tja so kann es gehen.

Hoffe Dir geht es gut.

Lola Marsch ist übrigens immer noch in Dauerschleife bei mir zu hören. Ich mag die Lieder und ihren Typ.

LG
Ursula

Juna hat gesagt…

Liegt ihr unter den Möbeln, seid ihr im Bällebad verschüttet, steht ihr immer noch an????

Hallo??? Jemand zuhause?????