Seit ein paar Tagen gärt noch ein anderes Thema in mir, aber ich weiß nicht recht, wie ich es "anfassen" soll. Heute Morgen, bei einem Beitrag auf Phoenix, geriet ich ins Brodeln. Und nun, nach dem Lesen eines Posts bei Frau Haessy, da sprudeln Gedanken und Emotionen über - und ich muss aufpassen, was ich sage, wie ich was sage...
Vor ein paar Tagen fragte mich mein Kollege: "Hast du von dem Brand im Flüchtlingsheim in Bautzen gehört?" Nein, hatte ich nicht. Noch nicht. Weil ich eben seit einigen Monaten Medien meide bzw. genau selektiere, was ich lesen möchte und was nicht.
"Da sprachen die vom Mob in Bautzen, der das Flüchtlingsheim belagerte und dann johlend abfackelte."
Er beugte sich vor und sagte: "Soll ich dir mal sagen, was der Mob war? Drei Halbstarke, drei, die noch betrunken waren. Ob die das angezündet hatten, weiß man nicht mal. Die haben aber da gestanden und gejohlt. DREI! Und das ist jetzt der Mob von Bautzen?"
"Woher weißt du das?" fragte ich und er sagte: "Weil ich nur ein paar Meter weiter weg wohne!"
Und dann fügte er hinzu: "Es ist eine totale Sauerei, wenn sowas passiert! Aber weißt du, was mich am meisten ankotzt? Dass es sofort in den Medien hieß: Das war der Mob, alle Sachsen sind fremdenfeindlich, alle Sachsen sind braun!"
Ähnliches stieg mir heute Morgen auf, als ich eher zufällig bei Phoenix bzw. "Augstein & Blome" hängenblieb. Ein verbaler, inszenierter Schlagabtausch über aktuell politische Themen. Und wenn er auch ironisch gemeint, sich als Satire verstanden wissen will (erkenne ich Satire, wenn sie mir ins Gesicht springt?) - so bleiben doch Ansätze, Gedanken und allem voran Vorbehalte hängen: Vorbehalte gegen den Osten und zeitmomentan ganz konkret gegen Sachsen.
Ich habe länger darüber nachgedacht, ob ich dieses Video hier einfügen möchte oder nicht, ob ich die subtil oder direkt übermittelten Vorbehalte weiter verstreuen möchte. Ob ich eine subtile Wahlveranstaltung á la Linke vs. CDU oder wer auch immer gegen wen in meinem Blog zulassen möchte.
Ungeachtet dessen kommt mir das Mittagessen von vorgestern hoch, wenn ich diese Argumente höre. Als ob der Osten und hier speziell die Sachsen "hohl in der Birne" seien, die man ja mit und nach der Wende vernachlässigt habe, weil man sich einfach nicht interessierte. Dass man sich ja jetzt um sie kümmern müsse, weil man sie als ein Bundesland Deutschlands ja nicht einfach so rauskicken könne. Als ob das kackbraune Sachsen all das Geschehen damit rechtfertigen wolle, was mit und nach der Wende mit den Menschen und ihren Jobs passiert sei. Mit ihrer Kindheit.
Ist Sachsen tatsächlich hier das Thema?
Ist Sachsen hier tatsächlich das Problem?
Nein verdammt noch mal!
Dass die AfD mit all ihren Anhängern einen so unfassbaren Zulauf bekommen hat, einen solchen Auftrieb, das ist doch nicht mit den Menschen in Sachsen begründet! Es hat so unendlich viele Stimmen in GANZ Deutschland gegeben, die angesichts der Tausenden Flüchtlinge, die Woche für Woche kamen, sagten: "Mein Gott, helfen ja, aber ihr müsst doch einen Plan haben, wie!?" - und den gab es verdammt noch mal nicht! Den gibt es ja jetzt immer noch nicht - will man Angela Merkel in ihrem Gespräch mit Anne Will glauben. Verantwortung für Menschen auf der Flucht zu übernehmen heißt doch aber nicht, sie auf engsten Raum ohne Privat- und Intimsphäre in Turnhallen oder Zeltstädte zu pferchen und sie dann monatelang sich selber zu überlassen? Sie tagelang anstehen lassen nach Kleidung, Nahrung und vor allem Dokumenten? Sie hierherkommen lassen und ganz überrascht tun, dass es ja doch so viele geworden sind? Sie erst mal alle "aufsammeln" und schauen, wohin die Reise gehen könnte? Und dann, ein paar Monate später überlegen, wie man einen Teil derer wieder los wird und die Neuen gar nicht erst ankommen lässt? Dass man überlegt, wie man jetzt Europas Grenzen "sichert"?
Für die "Neuen" habe ich dann also nicht die Verantwortung, sie vor Krieg und Elend zu bewahren? Die stecke ich dann weiter fleißig in irgendwelche Notlager in der Türkei oder in Griechenland, während ich mich weiterhin genauso fleißig bereichere, indem ich alles, was geht, an Kampfmitteln allein in den Nahen Osten und Nordafrika für rund 1,4 Milliarden Euro verkaufe?? Ich meine, es ist doch sehr schwer vorstellbar, dass Deutschland auf über 6 Milliarden Euro verzichten wird, die sie allein 2014 für diese Exporte nach ganz Europa bekamen?
Oder was konkret meint Miss Merkel, wenn sie erklärt, dass man die Fluchtursachen bekämpfen muss? Meint sie damit, gegen die Geschäfte der Schlepper vorzugehen? Meint sie damit, die Menschen aus dem Meer und aus den Schlauchbooten zu fischen und entweder nach Hause oder nach Italien oder Griechenland zu bringen?
Mich wundert indes gar nicht, dass die Länder östlich Deutschlands sich nicht an diesem heillosen Chaos und Durcheinander beteiligen wollen. Dass der slowakische Ministerpräsident sagt: "Deutschland verhält sich wie jemand, der sich alle möglichen Gäste eingeladen hat und dann überfordert zum Nachbarn geht, dort an der Tür klingelt und sagt: Kannste mir mal paar Gäste abnehmen, mir wirds zuviel?"
Und wir Deutschen? Wir stehen da und gucken zu. Fragen uns, was da mit all den Menschen passiert, die zu uns kommen und um die wir uns ja ach so dolle kümmern müssen. Einen Scheiß machen wir! Einen Scheiß! Für mich ist das ein Pseudo-Akt, für mich steht einfach nichts Ehrliches der Politik dahinter! Und ich kann mir gut vorstellen, dass nicht nur ich das so empfinde. Und dann wundern sich der feiste Gabriel & Co., dass die Leute sich bekloppt machen lassen? Ganz egal, ob sie aus NRW, Meck-Pomm oder Sachsen kommen? Dann faltet Gabriel seine Hände vor dem Bauch und findet, dass das alles ganz und gar unmenschlich sei und absolut nicht ginge, was da und dort in Sachsen passierte? Man müsse nun und man werde nun? Auf gegen den Kampf des Braunen in Sachsen!?
Mir kommts hoch, wirklich.
Wenn man nur wirklich mal an der faulen, stinkenden Wurzel anpacken würde, anstatt gleich ein ganzes Bundesland an den Medienpranger zu stellen. Dann hätte die AfD sich auch keine 9 bis 10 Prozent Anteil geholt und man müsste nicht fassungslos den Kopf schütteln über eine junge Frau, die sich allen Ernstes hinstellt und in den Raum stellte, ob man nicht notfalls auch mit Waffengewalt eine Grenze verteidigte. Wohlgemerkt eine Grenze, die ich ja erst für jedermann geöffnet habe, ohne auch nur wirklich im Ansatz kontrollieren zu können, wer da eigentlich alles mit ins Land strömt - neben den Flüchtlingen. Und das soll niemandem Bauchschmerzen machen? Niemandem außerhalb Sachsens?
Als ich vor über 25 Jahren nach Sachsen ging, da fand ich mich nicht mit allem zurecht, auch nicht mit gewissen Eigenschaften der Sachsen. Was natürlich nur meine ganz subjektive, nicht rechtskräftige Einschätzung war. Aber als eines habe ich sie immer empfunden: als eines der offensten, gastfreundlichsten Menschen, die ich kannte. Zur Wendezeit hat man immer von den Demos in Leipzig gesprochen - obwohl sie zeitgleich auch in Berlin und Rostock auf die Straßen gingen. Gesprochen und gezeigt wurde dennoch hauptsächlich Leipzig.
Jetzt, 25 Jahre später: wieder Sachsen, diesmal Großraum Dresden. Und überall - wenn ich wollte - lese ich: Was ist denn mit den Sachsen los?
Wenn ich bei Google "Brand Flüchtlingsheim" eingebe, dann erscheinen interessanterweise Hamburg, Berlin, Nördlingen, Calais. Liegt das alles auch in Sachsen? Wusste ich ja noch gar nicht - und dabei hatte ich in Geo doch ne Zwei? Aber huch, war ja noch ne Ost-Zwei, wer weiß, wer weiß.
Und nein: Ich will die Braunen in Sachsen gar nicht verniedlichen oder ihre Parolen kleinreden. Ich glaube dennoch, dass nicht die wirklich das Problem sind - sondern dass einfach nichts geschieht. Dass man monatelang weiter überlegt, wie man des Flüchtlingsstroms Herr wird, wie man das regelt und bezahlt, dass die Menschen es warm haben im Winter, zu essen haben, medizinisch versorgt sind - und vor allem eine Perspektive! Soviel Unsicherheit und offene Fragen - und genau damit immer wieder neues Futter für kackbraune Parolen liefert. Weil man stattdessen immer wieder zu lesen bekommt, wie viele Menschen ohne Papiere einreisen, unkontrolliert und ungesehen beinah. Wie viele Kinder gezielt "verschwinden", weil eine Familie nicht ausgewiesen werden darf, wenn ein Kind fehlt. Wie viele Menschen spurlos verschwinden und keiner weiß, wohin. Weil man stattdessen seit Wochen liest, wie sich Polen, Ungarn, Tschechien etc. dagegen wehren, es uns gleichzutun und ihre Zäune errichten.
Was mich unglaublich aufbringt, ist diese Pauschalierung: Alle Sachsen sind braun, alle Sachsen sind scheiße, alle Sachsen haben Angst um Job und Geld und dabei gehts denen doch am besten von allen 5 Bundesländern; alle Sachsen haben Angst vor Fremden, dabei haben die doch kaum Fremde. Und so weiter und so weiter.
Warum sich jetzt so auf die Sachsen eingeschossen wird, kann ich nur vermuten.
Und wie ich das finde, kann ich gar nicht ausdrücken.
Das ist eine Pauschalierung wie: "Alle Wessis sind arrogant und blöd" und "alle Ossis sind faul und geldgierig" - und ich dachte doch echt, dass wir das Pauschalieren endlich hinter uns hätten.
Mich bringt so unglaublich auf, wie durch die Medien ein Bild, eine Meinung auch dann erfolgreich transportiert wird, wenn man es ganz subtil angeht. Dass z. B. eben aus drei betrunkenen Halbstarken ein "sächsischer Mob" inszeniert wird, weil sich das spektakulärer liest - und weil sich gegen die Menschen dort besser wettern lässt. Lacht man doch eh schon über die Kahlköppe mit dem schrecklichsten Dialekt Deutschlands, ha ha.
Wer nun das Heim angezündet hat, weiß man immer noch nicht. Dafür hat man erst mal fleißig über braune Hintergründe in Sachsen spekuliert. Das ist es, was hängenbleibt. Die wahren Gründe erfährt man irgendwann - vielleicht - in einer Randnotiz. Oder auch gar nicht, was solls.
Ist das vergleichbar zum Beispiel mit Peter Lustig? Der jahrelang als "Kinderhasser" bekannt war, obwohl der doch Sendungen mit Kindern produzierte? Der Kinder "klebrig und störend" fand? Der aber erst posthum die verbale Entschädigung erfuhr - und warum verdammt erst jetzt? Warum nicht vorher? Weils dem Verursacher vorher gar nicht so bewusst war, was er da - wenn auch ungewollt - losgetreten hatte? Nein, das ist nicht vergleichbar - weil Kai Biermann nämlich den Lustig gar nicht an den Pranger stellen wollte. Er hatte... einfach nur mal was in den Raum gestellt und unkommentiert so stehen lassen. Und die Masse fasste auf - nur eben anders als beabsichtigt.
Wenn Biermann aber schon zu Lebzeiten den Lustig anrief und sich bei ihm entschuldigte und damit also zumindest ne Ahnung hatte von dem, was abgeht - wieso hat er diese Entschuldigung dann nicht genauso öffentlich gemacht? Wieso hat er nicht schon da etwas korrigiert, das er - eigenen Aussagen zufolge - gar nicht beabsichtigt hatte? Wieso hat er jahrelang das Bild vom "Kinderhasser" so stehen lassen?
Fragen über Fragen....
Wenn also diesen so unterschiedlichen Themen eins gemein ist, dann lediglich die Macht der Medien.
Es ist und bleibt zum Kotzen, wirklich, so einfach ist das. Leider.
Ja ich finde wirklich schlimm, dass man Unterkünfte anzündet, und wenn sie zehnmal leerstehen. Weil ich die Aussage dahinter schlimm finde. Aber noch viel schlimmer finde ich das, was überhaupt erst dazu geführt hat. Bloß wird das nicht thematisiert. Natürlich nicht. Dann müsste man ja bei sich selber anfangen - und genau darin liegt ja das Problem der meisten Menschen. Und vor allem der Politik.
Mag schon sein, dass ich anschließend wieder einen oder mehr Leser weniger habe, so wie nach meinem vorletzten Post. Mag schon sein, dass ich in letzter Zeit mehr kopflastige Posts geschrieben habe als die kurzweiligen. Ganz ehrlich? Ich schreibe lieber die kurzweiligen. Weil ich mich nicht selber meiner Fröhlichkeit berauben will. Und die könnte ich ja auch schreiben und trotzdem eine politische Meinung haben, die ich hier ja nicht reinstellen MUSS. Das Ding ist nur... Ich will reden. Ich will was sagen. Mehr als ausschließlich nur zum Outfit des Tages oder ob der neue Nagellack der letzte Fliegenschiss war, weil er kurz nach dem Auftragen schon wieder abblättert.
So ein bisschen auf heile Welt machen, die in Wahrheit auch nur gelogen und zurechtgebogen ist.
Natürlich liest sich ein schwungvoller, mit liebevollen Details geschmückter Blog besser - ist doch egal, ob die Details wahr sind oder nicht, who cares - Hauptsache nett, Hauptsache ansprechend?
Ich führe keinen Politblog - und maße mir das auch gar nicht an. Das ist auch nicht das, was ich will. Auch möglich, dass ich mit vielem falsch liege und mit anderem nur dazwischen. Aber dann hat man ja wenigstens darüber gesprochen. Auch sowas, das fehlt. Reden und Zuhören. Kommunikation.
Jeder hat dazu seine Chance. Solange er sie nicht ganz vertut.
Kann auch sein, ich bin zu langweilig mit den oft wiederkehrenden Aussagen. Ich finde aber, dass manches... irgendwie nicht oft genug gesagt werden kann. Gerade jetzt.