Letztens rollten der Mann und ich das Thema "Zukunft" wieder auf - und die damit verknüpften Gedanken, Ideen, Pläne. Nach der anfänglichen Euphorie seinerseits hatte nun seine Phase des Hinterfragens, Zweifelns, Abwägens begonnen. Ich kenne das schon, ich hatte es erwartet und mich auch darauf vorbereitet: Ein Schritt vor, zwei zurück. Wir kamen auch nicht wirklich zu einem Ergebnis, auch wenn, wie ich finde, meine Argumente ziemlich gut waren und sind *kreisch*
Das einzige, woran ich ihn mit Nachdruck erinnerte: Für immer werde ich nicht in M bleiben; wenn es sein muss, gehe ich auch allein weg. Mir gefällt schon die Stadt inzwischen, mir gefällt auch die Nähe zum Fluss. Ihn reizt außerdem, dass er so fix in den Bergen ist zum Wandern. Aber das Meer.. Das Meer ist für mich entschieden zu weit weg - und außerdem, das hatten wir ja erst: die sagenhaften Mietpreise.
Irgendwann, und das war eben immer klar, würde ich wieder am Meer wohnen wollen.
Der Gedanke, wie es sich anfühlt, das Fenster weit zu öffnen, die frische salzige Luft zu atmen und zu schmecken, das Murmeln der Wellen, das Kreischen der Möwen. Endlose Spaziergänge am Ufer, Muscheln sammeln, Hühnergötter. Die endlose Freiheit fühlen bis in jeden Winkel meines Seins...
Ich hab in meinem Leben einige Träume begraben - diesen einen aber kann ich nicht hergeben. Das wäre, als wenn ich etwas von mir selbst abtrennen und aufgeben müsste..
Dass das jetzt noch nicht geht, hat seine Gründe - aber ich wäre auch mit einer Zwischenlösung in Mittelerde zufrieden. In der Nähe meiner Söhne, klar, und in der Nähe der Familie des Mannes - auch klar. Wir hätten beide in etwa denselben Weg, wann immer der eine in die Berge und die andere ans Meer wollte. Ich fände das ideal.
Gestern morgen, als ich mich in die U-Bahn schwang, meine Musik in den Ohren, zwar sehr deutlich schmerzgeplagt, aber zuversichtlich auf dem Weg zum Rheumadoc, und als er mich empfing mit den Worten: "Ich sehs Ihnen schon an, und ich sehs auch an Ihren Händen", die er auch gleich nahm und die Finger behutsam abtastete, da dachte ich... DAS aufzugeben, ist aber auch nicht wirklich leicht.
Im zweiten Versuch habe ich hier einen schon sehr bemühten Hausarzt gefunden und im zweiten Anlauf auch einen Neurologen und Rheumatologen, die sich der Sache zumindest annehmen, ohne mich in auch nur irgendeine Schublade stecken zu wollen.
Ich meine, ich hab ja schon von Natur aus typische Klavierspielerhände: lang und schmal. Wenn die mal anschwellen, mag das für andere "Normalbreite" sein und weniger auffallen. Ich selbst spürs vor allem, wenn ich die Finger nicht mehr wirklich beugen kann und auch kein Ring mehr passt.
Vermutlich fühlt er sich ein wenig überfragt, weil ich immer noch in kein Schema passe: Blutwerte, die nicht passen sollten, sind deutlich im grünen Bereich, und die, die passen sollten, bewegen sich nach oben in den bzw. im roten Bereich. Das Blut zeigt keinerlei Entzündungszeichen, aber im Ultraschall kann er diese ganz deutlich lokalisieren. So deutlich, dass er mir gleich noch in der Praxis eine Spritze gab.
Das Cortison, seit 4 Wochen auf eine Langzeitdosis runterregerelt, tut da keinen Dienst, überall sind Entzündungen im Körper wieder aufgeflammt, warum auch immer.
Das bedeutet, dass das Cortison erstmal wieder heraufgesetzt wird und ich mir zusätzlich nun jede Woche selber eine Spritze MTX setzen muss.
"Ich? Mir selber? Und Sie glauben, ich kann mir selber weh tun?"
Der Doc hat gelacht. Ich nicht!
Er versprach mir einen Pen, den man nur auf die Haut setzt, zweimal Klick und alles wär vergessen.
Ha. Wärs mal nur so. Was ich in der Apotheke erhielt, waren ganz normale Fertigspritzen.
Ich sags Euch, das ist ne Überwindung. Mir haben gestern ordentlich die Hände gezittert. Klar hätte ich das auch den Mann machen lassen können, aber ja ne, besser nicht. Wenn bei diesem Akt alle unterschwelligen Frustrationen rauskommen, habe ich die Arschkarte und absolut nix zu lachen ;)
Ob es egal ist, wohin man sich das Ding setzt, und ob ich dafür auch das bisschen Bauchspeck nutzen dürfte, hatte ich gefragt. Denn da tut es bekanntlich am wenigsten weh.
Und gestern morgen war ich dann auch ganz erleichtert, dass ich da ja auch so bisschen Bauchspeck habe, das ich nutzen kann. Im dritten Überwindungsanlauf hab ich die Kanüle senkrecht aufgesetzt, die Augen zugekniffen und sicherheitshalber auch noch den Kopf weggedreht. Bis auf den Einstich in die oberste Hautschicht merkt man aber wirklich nix, auch nicht das Einspritzen des Serums.
Gott, was war ICH erleichtert.
Ein Junkie aber jedenfalls wird aus mir wohl nie.
Und das Thema "Tattoo ja nein vielleicht" im Nacken oder am Handgelenk innen hat sich damit dann auch erledigt :)
Gibt man eine gute Arztbetreuung wirklich auf? Wenn man ganz zufrieden ist damit, dass überhaupt etwas passiert und getan wird? Aber vielleicht muss ich wirklich nur abwarten, bis die endgültige Diagnose steht - und die kann ich ja dann auch überall mit hinnehmen, oder?