Über diesen Artikel bin ich heut gestolpert, während ich nach der Arbeit einfach nur die Beine hochlegen und mich der Musik hingeben wollte. Draußen ist es schon längst dunkel geworden, vom eigentlich trüben Tag haben die kleinen Lampions draußen dennoch genügend Licht mitgenommen, das sie nun aufflammen ließ.. Ich liebe diese Stimmung so sehr.. Dieses Verträumte, die Stille, diese furchtlosen Momente, solange man an nichts denken muss..
Der Mann ist noch unterwegs, irgendeine Party, zu der er eigentlich gar nicht gehen wollte - und meistens sind genau die die besten. So will es das Gesetz. Insofern breite ich mich hier aus in diesem dunklen Raum, nur schwach beschienen vom Licht des Bildschirms, von den kleinen Lampions draußen vor dem Fenster, löse mich auf in tausende kleine, zart vibrierende Noten, verteile mich im Zimmer, bin überall und nirgends und doch hier.. So wie meine Gedanken.
Bis ich dann jenen Artikel las und in mich hinein fragte, wie ich jetzt und hier und ganz spontan auf diese fünf Fragen antworten würde?
Was erwartest Du vom Leben?
Nichts. Tatsächlich nichts.
Irgendwann mal, vor vielen Jahren, da hat mich jemand, zu dem ich schon seit ein paar Jahren keinen Kontakt mehr habe, gelehrt, dass der Mensch keine Erwartungen haben dürfte. Weil er selbst dann zwangsläufig enttäuscht werden muss. Und weil sein Gegenüber zwangsläufig nur verlieren konnte.
Was kann ein anderer Mensch für das, was wir uns wünschen, wonach wir uns sehnen?
Vielleicht passt es gar nicht zu dem, was der andere Mensch gerade geben möchte oder kann?
Und warum sollte es die Aufgabe eines anderen Menschen sein, die eigenen Erwartungen zu erfüllen?
Vor noch mehr Jahren, in einem "anderen" Leben, da sagte jemand zu mir: "Ich will derjenige sein, der dich glücklich macht." Zu jener Zeit fand ich den Gedanken schön. Ich liebte das Gefühl für mich, das aus diesen Worten entsprang. Obschon wir vermutlich beide schon zu jener Zeit wussten, dass es so nicht werden würde. Nicht werden konnte.
Der Schmerz danach blieb sehr lange. Und als mir dann jemand begegnete, der mir sagte, der Mensch dürfe keine Erwartungen haben, da fragte ich wütend, ob das dann eine Art Freifahrtschein sei, dass jeder machen könne, was er wolle, ganz gleich, was es für den anderen bedeutete?
Damals wusste ich nicht, dass ich mit dieser Empfindung vollkommen falsch lag. Aber irgendwann habe ich das verstanden. Begriffen. Mitgenommen. Und für mich umgesetzt.
Heute mit dem Mann in meinem Leben, da schmunzle ich oft und denke, dass genau diese Erkenntnis mir hilft in meinem Leben. Mehr als ihm. Ich erwarte beispielsweise nicht, dass man mir die Tür aufhält oder in den Mantel hilft. Ich erwarte nicht, dass der Nachbar in seiner Wohnung raucht statt vor seiner Haustür, was dank der räumlichen Gegebenheiten dann unweigerlich durch unsere Wohnung zieht. Ich erwarte nicht, dass sich jemand um mich kümmert oder für mich einkauft, wenn ich krank im Bett liege.
Aber ich freu mich immer sehr, wenn genau das geschieht. Ich freu mich über jede einzelne Geste oder das Lächeln eines fremden Menschen im Vorbeigehen, in der U-Bahn, irgendwo in der Stadt, weil er nichts tun muss, aber es trotzdem tut. Für mich oder einfach so.
Und ich bin sehr dankbar darüber, dass der Mann und ich ein gemeinsames Leben haben, weil wir es so wollen. Dass wir Mann & Frau werden wollen, nicht müssen.
Was erwartest Du von der Liebe?
Nichts mehr.
Ich empfinde es ähnlich wie mit dem Leben: Ich habe keine Erwartungen mehr.
Bevor der Mann und ich zusammenzogen, da hatte ich mir schon etwas beklommen die Frage gestellt, wie dieses Leben werden würde. Ob das überhaupt passt, wenn er als Frühaufsteher den Tag mit unfassbar viel Leben füllen möchte, während ich Wochenenden geradezu zelebrieren kann in all ihrer Herrlichkeit. Puzzeln, Malen, Musik hören, vielleicht ein bisschen Wäsche bügeln, das Zuhause gemütlich machen. Im Moment backe ich total gern und ich liebe diesen Geruch nach Vanille und Orange, diese warme Behaglichkeit.
Ich liebe es, dass der Mann sich überraschen lässt und mit mir gemeinsam die Beine ausstrecken kann. Auch allein zum Beispiel wie ein Irrer auf dem Fahrrad durch die Gegend hechtet und es liebt, wieder nach Hause zu kommen. Da, wo ich bin. Meistens jedenfalls :)
Ich liebe den Gedanken, dass er sich an jedem einzelnen Tag darauf freut, zu mir nach Hause zu kommen. Wie er mich dann anschaut. Wie er dann lächelt, wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle und meine Arme um seinen Hals lege.
Ich liebe es, dass wir Abende lang Musik hören, mitsingen oder auch einander aus unserer Kindheit erzählen. Von Dingen, die uns bewegt haben, die wir geliebt haben. Wie wir waren.
Ich liebe es, wenn wir nebeneinander liegen, uns etwas vorlesen und unsere Gedanken dazu mitteilen.
Und ich liebe es sehr, wenn wir das Buch, das Handy, den Beitrag dann aus der Hand legen...
Kannst Du mit Realitäten umgehen?
Heute ja.
Ich gebe zu, meine Vorstellung von Leben und Liebe war schon ein bisschen Disney-World, ohne Disney je gekannt zu haben. DDR halt. Da gabs sowas nicht. Trotzdem - und warum auch immer - war mein Blick auf das Leben und die Liebe ein völlig verklärter, verträumter.
Wenn ich heute so manche DDR-Filme gucke, dann wundere ich mich immer, wie hysterisch die Frauen teils waren. Wie schnell die sich über irgendwas aufgeregt und dann losgeschimpft haben.
Als junges Mädchen ist mir das gar nicht so aufgefallen, heute aber schon.
Und je mehr mich die Realität einholte, desto klarer wurde der Blick, so dass ich zwar denke, ich hab heut schon noch immer ein Faible für das Romantische. Aber die Dimension hat sich verschoben. Vieles, das ich früher romantisch fand, empfinde ich heut als Kitsch.
Es darf nicht zu dolle sein, sonst werde ich misstrauisch. Und fühl mich unwohl :)
Bist Du bereit zu scheitern?
Ja. Ganz klar: Ja.
Irgendwann in meiner Singlezeit las ich von irgendwem den Satz: "Wer in der Liebe eine Garantie haben will, soll sich einen Kühlschrank kaufen, da gibts zwei Jahre drauf."
Ich für mich lebe den Gedanken, dass ich niemandem gehöre - und auch mir niemand gehört. Kein Mensch ist der Besitz eines anderen.
Dass man sich auch verlieren kann, wenn man sich liebt.
Dass man auch aufhören kann, einander zu lieben.
Heute weiß ich, dass ich daran nicht zerbrechen werde. Dass mein Leben auch dann immer noch lebenswert ist - und liebenswert. Ich weiß auch sehr genau, wie dieses Leben dann aussehen würde.
Heute weiß ich, dass ich auch allein bestehen kann.
Und nie mehr mit einem Mann zusammenziehen werde. Vielleicht hätte ich dann Katzen. Vielleicht auch einen Hund. Ich hätte Freundinnen und vielleicht auch einen Liebhaber. Viele Bücher und genug Platz für mein Malzeug und meine Musik.
Es wäre auch ein schönes Leben.
So wie es mit dem Mann jetzt und hier auch ein schönes Leben ist :)
Liebst Du Dich selbst?
Ja, ich denke schon.
Ich weiß noch, als mein geschiedener Mann und ich meinen Eltern gemeinsam sagten, dass ich mich trennen möchte. Der allererste Satz meines Vaters war: "Wie könnt ihr das nur tun, in der heutigen wirtschaftlichen Lage." Und nach einer Weile kam der zweite Satz: "Komm mir bloß nicht mit 'ich muss mich selbst finden' und so'n Scheiß!"
Das habe ich zu jenem Zeitpunkt weder gesagt noch gedacht.
Aber heute weiß ich, dass genau diese einsamen Jahre, die ich so oft verflucht habe, das Beste waren, das mir passieren konnte.
Ich musste lernen, allein zu leben.
Ich musste lernen, allein zu bestehen.
Allerdings lernte ich auch, niemandem so zu vertrauen, dass es mich abhängig macht. Ich lernte, nicht alles auf eine einzige Karte zu setzen und darauf zu vertrauen, dass schon alles gut würde.
Heute gibt es in meinem Leben immer ein Netz mit doppeltem Boden.
In meinem heutigen Leben habe ich mir alles so angelegt, dass ich jederzeit und überall neu beginnen könnte.
Das ist Selbstfürsorge, denke ich, und die gehört auch dazu, sich selbst anzunehmen und zu lieben.
Nein zu sagen, wenn ich etwas nicht möchte.
Aber ich gestehe, dieser Punkt ist ein Punkt, an dem ich noch etwas konsequenter arbeiten muss.
Wenn ich meinen eigenen Text so überfliege, noch bevor ich ihn veröffentlicht hab, dann denke ich, dass mir vermutlich doch einiges an Romantik und Leichtigkeit abgegangen ist in den letzten Jahren.
Aber dann lausche ich wieder auf den Klang der Musik, dann löse ich mich wieder auf in all die abertausend kleinen vibrierenden Noten, verliere mich in der Nacht draußen vor meinem Fenster. Erinnere mich an ganz vieles, das ich mag und das ich liebe - und dann wird tief in mir alles wieder.. ganz weich und anschmiegsam. Und sehnsuchtsvoll. Und überhaupt.