Dienstag, 19. September 2023

Nachtgedanken


Vor kurzem hab ich ein Mini-Interview gesehen mit einer Krankenschwester aus England, glaube ich. Sie hat schon viele Menschen beim Sterben begleitet und auf die Frage, was diese Menschen so kurz vor ihrem Abschied am meisten beschäftigte, antwortete sie: Als erstes sagen die Menschen, sie hätten weniger arbeiten und mehr das Leben genießen sollen. (Das zweite habe ich vergessen.) Und als drittes sagen die Menschen, sie hätten das Leben führen sollen, das sie wirklich wollten - und nicht das, was man von ihnen erwartete.

Mir gingen bei diesen Worten zwei Dinge durch den Kopf. Zum einen, dass ich nach all den Jahren immer noch sehr erleichtert darüber bin, dass das Leben vor nun genau zwanzig Jahren eine völlig andere Richtung eingenommen hatte. Damals sagte ich zu dem Mann, von dem ich mich gerade erst getrennt hatte, dass wir beide alle Möglichkeiten in der Hand hielten und nun jeder für sich etwas daraus machen könnte. Das Richtige für sich tun könnte. 
Würde ich diesen Weg nicht gegangen sein, damals, dann wäre ich vermutlich Jahre später nicht mehr gegangen - und würde irgendwann vor meinem Ende all das bedauern, was ich eben nicht getan habe..
Mir gingen auch die Worte des heutigen Mannes durch den Kopf, der vor sehr langer Zeit mal zu mir sagte, dass ich vielleicht nicht genug arbeiten würde, wenn ich nicht so viel Geld verdiene.
Dazu muss ich sagen: Ich hab immer gern gearbeitet, weil ich es liebe, eine Aufgabe zu haben. Etwas habe, an dem ich mich messen und an dem ich wachsen kann. Das, was ich mache, hab ich immer mit Herzblut gemacht. Arbeit habe ich nie gescheut. Vielleicht kann man eher sagen, dass ich in einer Berufsgruppe unterwegs bin, für die mir die eine oder andere Zusatzausbildung oder Qualifizierung fehlt, um dort mehr Gehalt zu bekommen. 
Bis heute habe ich weder das eine noch das andere nachgeholt - die Gründe hierfür sind verschieden - aber wo ich heute angekommen bin, das erfüllt mich mittlerweile doch mit einem guten Gefühl. Oder Stolz - darf man Stolz überhaupt noch sagen? Inzwischen sind ja so viele Worte und Empfindungen negativ besetzt, dass ich heute schon noch mehr überlege, was ich sage und wie ich es ausdrücke.
Jedenfalls, die Position, die ich heute hab, verbunden mit dem Gehalt, das ich seither bekomme, fordern eben auch ihren Tribut. Dass ich arbeite, auch wenn ich erkrankt bin; dass ich auch mal arbeite, wenn ich im Urlaub bin; dass ich vor allem im Home Office oft zehn Stunden am Tag arbeite - das hab ich alles schon vor Gehalt und Position gemacht - aber heute werde ich eben auch dafür bezahlt. 
Ich denke, ein Stück weit wird einfach von mir erwartet und auch vorausgesetzt, keinen Dienst nach Vorschrift zu machen. Das war zwar noch niemals meine Einstellung, dennoch führt meine Arbeitsweise auch heute noch immer wieder zu Diskussionen mit dem Mann. Er wünschte sich, ich würde weniger arbeiten - nur wäre ich ohne Herzblut und Engagement eben nicht da, wo ich heute bin..
Gleichwohl ist Abgrenzung nach wie vor ein großes Lernthema für mich. Sicherlich bin ich da schon vorangekommen, aber da.. ist noch Luft nach oben, würde ich sagen. 

Nach dem Urlaub im Sommer hab ich mich so herrlich entspannt und erholt gefühlt - und dieses Empfinden hielt eben einfach nicht lange an. Jetzt sind wir für einige wenige Tage nach Italien gefahren. Ich liebe dieses Land, ich liebe diese Lebensart - auch wenn ich immer wieder schmunzeln muss, weil die Italiener so furchtbar hektisch sprechen. Aber ich liebe ihr Essen, ihre Lebensart, insbesondere der Menschen in der Toskana, fernab von größeren Metropolen. Ich bin wirklich sehr gern hier - und frage mich öfter: Wo möchte ich später mal sein, wenn ich nicht mehr arbeiten muss?
An die Küste - und welche? Kann ich das auch dann bezahlen, wenn der Mann nicht mehr bei mir ist? 
Wie finanziert sich mein Leben dann überhaupt? Genügt die Vorsorge? Genügt das Einkommen nach dem Arbeitsleben? Was brauche ich selbst und wieviel brauche ich, um glücklich zu sein?
Ich glaub, diese Antwort ist.. ziemlich einfach.
Eigentlich.. brauche ich nur die Musik und das Malen. 
Einen kleinen bezahlbaren Wohnraum für mich finde ich ganz sicher, ganz gleich wo. 
Eigentlich.. mache ich mir da nicht wirklich Sorgen. 
Nur Gedanken. Hin und wieder. Mal mehr, mal weniger..

Und inmitten dieser Gedanken stolperte ich über die Gedanken einer anderen Bloggerin und deren "Prokrastinationsstöckchen".. Wann immer ich solche Fragen lese, formuliere ich selbst beim Lesen fremder Antworten meine eigenen...

1. Wo ist Dein Handy?
Neben mir. "Du und dein Handy" murrt der Mann ja oft. Irgendwie hat er recht. Das Teil und ich sind vermutlich schon sowas wie ne Symbiose eingegangen. Aber da ist einfach auch alles drauf, was ich brauch. Ganz voran - dank Spotify - eine ungeahnte Fülle an für mich toller Musik.

2. Dein Partner?
Steht grad draußen in der Nacht aufm Balkon. Er hatte schon geschlafen, war wieder aufgestanden und nun wartet er, dass ich hier fertigwerde und mich mit ins Bett begebe :)

3. Deine Haare?
Wachsen wieder. Gott sei Dank. War doch bisschen erschrocken, wieviel beim letzten Friesemeistergang abgesäbelt worden war. 

4. Deine Mama?
Die ist beim Papa.

5. Dein Papa?
Der ist bei der Mama.

6. Dein Lieblingsgegenstand?
Hm. Ich habs nicht so mit Superlativen. Vermutlich bin ich da typischer Zwilling: Kann mich so schlecht festlegen :)
Der Mann hingegen würde ja jetzt sofort sagen: "Na dein Handy!"

7. Dein Traum von letzter Nacht?
Hm, gruselig.. Ich träumte, ich stünde in einem Wohnhaus (irgendwie ähnelte es dem Haus, in dem ich mit dem Ex lebte) unten an der Tür und irgendein Mann wollte, dass ich rauskomme und mit ihm mitgehe. Mir wurde jedoch bewusst: Eh das geht schief, der ist gefährlich.
Also hab ich die Tür zugeschlagen und versucht, in eine der Wohnungen zu fliehen, bevor der Mann die Tür öffnen und mich jagen konnte. Aber da gab es keine Wohnungen und in diesem Haus und keine Tür, die sich für mich öffnete.. Da bin ich aufgewacht.
Ich hatte sehr, sehr lange Ruhe vor beklemmenden oder gar Alpträumen. 
Jetzt geht die Scheiße hoffentlich nicht wieder von vorne los.

8. Dein Lieblingsgetränk?
Na gut, das ist einfach ;)

9. Dein Traumauto?
Klein und handlich muss es sein. Und ich bin noch immer ein Fan von Audi. Kann mir nicht helfen, war schon immer so. Der Mann zeigte mir heute so nen kleinen Fiat 500 oder so - kennt Ihr sie noch, diese alten, runden Modelle? Er meinte: "Das wird später mal dein Stadtauto" und ich grinste breit. 

10. Der Raum, in dem Du Dich befindest?
Im Wohnbereich der Ferienwohnung. 

11. Dein Ex?
Ich denke an dieser Stelle nach vorn, nicht zurück.

12. Deine Angst?
Oh, hm, mehrere: vor Höhe, vor Enge. Begraben, verbrannt zu werden, ohne wirklich tot zu sein. Am schlimmsten: Angst um die Kinder. Je oller, je doller. 

13. Was möchtest Du in 10 Jahren sein?
Glücklich. 

14. Mit wem verbrachtest Du den gestrigen Abend?
Mit dem Mann. Ich malte, er las. 

15. Was bist Du nicht?
Geduldig. Knitterfrei. 

16. Das Letzte, was Du getan hast?
Grußkarten malen. Verlege mich grad vom Steine bemalen auf Grußkarten malen und übe mich hierbei in Aquarell. Da ist aber noch wirklich ganz, ganz viel Luft nach oben. 

17. Was trägst Du?
Ein Sommerkleid.

18. Dein Lieblingsbuch?
Ein ganzes halbes Jahr. Da ist sooo unfassbar viel von mir in der Protagonistin.
(Und grad stell ich fest, ich kann ja doch in Superlativen ;))

19. Das letzte, was Du gegessen hast?
Spaghetti Bolognese. Selbst gemacht. Danach war ich so satt, dass ich kein Abendessen mehr brauchte.

20. Dein Leben?
Es fühlt sich vieles neu und ungewohnt an. Mit dem Rückzug von M nach L haben der Mann und ich die Seiten getauscht. Jetzt ist er fast ausschließlich im Home Office, während ich wieder mehr ins Office gehe. Wie sehr mich das noch anstrengt, spüre ich daran, wie sehr ich mich auf diese kleinen Kurzurlaube freue. Kein "wir machen nur einen Urlaub im Jahr", sondern "wir verteilen unsere freien Zeiten auf zwei-, dreimal im Jahr" - und ich genieße das nicht nur, ich brauche das momentan wirklich. 

21. Deine Stimmung?
Ausgeglichen. Entspannt. Hier hab ich überlegt, ob ich das schreibe. Weil.. Immer, wenn ich hier im Blog schrieb, dass es mir grad gut geht oder so, dann und wirklich immer dann ist im Anschluss irgendetwas vorgefallen, was mir genau diese Stimmung wieder genommen hat..
Ich bin nicht abergläubisch, aber nach der x-ten Wiederholung schleicht sich dann doch ein etwas mulmiges Gefühl ein. 

22. Deine Freunde?
Fast alle wieder in der Nähe - nur liegts hauptsächlich an mir, dass ich nur wenige wiedergesehen habe und es auch noch keine Wiederholungen gab. Ich muss mich noch reinfinden in den neuen Rhythmus in L. Womit ich auch wieder beim Lernprozess des Abgrenzens wäre ;)

23. Woran denkst Du gerade?
Oh da bin ich typisch Frau und typisch Zwilling: In meinem Kopf gehts grad zu wie auf nem Jahrmarkt. 

24. Was machst Du grad?
Na bloggen??!!

25. Dein Sommer?
Oh, ich hab eins festgestellt: Ich bin kein Sommerkind mehr. Am Winter mag ich nicht, dass die Bäume kahl und die Landschaft oft so trist ist.
Was liebe ich also? Genau. Den wundervollen Herbst mit seinem goldgelben Kleid. Ich freu mich so auf die Zeit meiner rosafarbenen Strickhandschuhe, den Strickstrümpfen und den Boots, dem Schal und den heißen Kakao oder Milchkaffee.. DAS ist einfach meine Zeit!

26. Was läuft in Deinem TV?
Nichts. Im Urlaub brauchen wir den nicht. 

27. Wann hast du das letzte Mal gelacht?
Heute Abend über den Mann. Oder besser gesagt: Wegen dem Mann ;) Ein kleiner, aber bedeutender Unterschied. 

28. Das letzte Mal geweint?
Das ist eine Weile her und es ging um meinen Jungen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. 

29. Schule?
Ich lerne jeden Tag etwas dazu.

30. Was hörst Du gerade?
Obigen Song (in Dauerschleife). Das ist so eine Kategorie, das hör ich am liebsten beim Autofahren, beim Bummeln in der Stadt, beim Sitzen in der Sonne...

31. Liebste Wochenendbeschäftigung?
Ausschlafen. Malen. Musik hören. Radeln. Spazieren gehen. Entdecken. Sehen. Freuen. Genießen. Alles - Hauptsache stressfrei.

32. Traumjob?
Öhm... Vor etlichen Jahren hätte ich noch gesagt: Was Soziales, was mit Kindern. Inzwischen bin ich mir darin nicht mehr so sicher. In Zeiten, wo selbst Grundschulkinder mit Dingen in die Schule kommen, mit denen ich nicht mal als Erwachsene in Berührung kommen wollte, weiß ich nicht mehr, ob das was für mich wär. 

33. Dein Computer?
Passt, wackelt und hat Luft. Sagt man so, oder? Grundgütiger, was soll ich denn zu nem Computer sagen? Was is das für ne Frage?

34. Außerhalb Deines Fensters?
Hier? Oder zu Hause? zu Hause hab ich endlich meinen geliebten Kastanienbaum vor dem Fenster. Nicht ganz soooo nah, wie ich mir das gerne gewünscht hatte, aber er ist da, es gibt ihn - und ich kann ihn mir jeden Tag anschauen, wenn ich frühstücke oder zu Abend esse.

35. Bier?
Äh igitt. Never ever.

36. Mexikanisches Essen?
Habe ich vor vielen Jahren mal gegessen. War sehr lecker. 

37. Winter?
Ist jetzt nicht so meine bevorzugte Jahreszeit. Ja es sieht toll aus, so eine verschneite Landschaft. Ich hab aber lieber trockene Straßen - und das ist für manche Städte noch immer eine Herausforderung. Die scheinen jedes Jahr aufs Neue überrascht, dass es sowas wie Schnee gibt.
In diesem Jahr aber freu ich mich vor allem auf die Weihnachtstage. Das erste Weihnachten, an dem wir nicht fahren müssen - und trotzdem die Familie bei uns haben. 
Für den Mann ist das hier nicht so einfach - er vermisst M und er vermisst seinen Sohn. 
Ich kann das absolut nachempfinden, das hab ich die letzten acht Jahre auch so empfunden. Es wird für immer unser Spagat bleiben, denn meine Kinder werden nicht nach M wechseln - und der Sohn des Mannes nicht (zurück) nach L.
Und M selbst.. Es ist nicht so, dass ich die Stadt nicht vermisse. Es ging so schnell und so einfach, mich dort einzuleben, das hab ich nie gedacht. 
Wohnen möchte ich dort dennoch nicht für den Rest meines Lebens.
Zu weit weg vom Meer, zu teuer für mich allein, sollte es eines Tages so kommen. Es ist auch einfach zu weit weg von meinen Söhnen, von denen einer noch mit vielem hadert und dankbar ist, nicht vergessen zu werden.

38. Religion?
Ich habs nicht damit. Im Namen der Religion ist schon so unendlich viel Unglück über die Menschen gebracht worden. Wenn überhaupt, würde ich am ehesten zum Buddhismus passen. Unterwerfen würde ich mich jedoch keiner Religion. 

40. Auf Deinem Bett?
Da liegt aktuell jetzt wieder der Mann, weil dem das hier alles zu lange gedauert hat :)

41. Liebe?
Liebe ist ein großes Wort. Auf Worte gebe ich nichts mehr. 
Aber es ist ein wunderbares Lebensgefühl. Und davon hab ich, glaub ich, ganz viel. 

So, und weil es jetzt 1:10 Uhr ist und ich auch langsam müde werde, verabschiede ich mich von Euch und meinen Nachtgedanken.

Montag, 11. September 2023

Auf leisen Sohlen


Da hab ich mich nur einmal kurz umgesehen - und schon neigt sich der Sommer dem Ende entgegen. Auch dann, wenn er noch einmal so richtig auffährt und alles aus sich herausholt, was dem Menschen um diese Zeit noch geboten werden kann.
So wie am gestrigen Tag, als wir uns die Fahrräder nahmen und zum See radelten.
"Gib auf deinen Rock acht", mahnte der Mann, während ich ihm lachend davonfuhr und es genoss, wie Sonne und Wind die Haut streichelten und der Rock im Wind flatterte. 
Ich meine.. wir sind inzwischen im September angekommen - und haben gestern im See gebadet, der noch so gar nichts von Spätsommer oder gar Herbst anmuten lassen wollte. Auch färbt sich noch nicht einmal das Laub.

Aber da ist der Ruf der Raben vor unserem Fenster, die mit ihrem Schnarren den Herbst ankündigen. Wie sie da sitzen im Kastanienbaum auf der einen Seite oder auf der Platane, wenn ich von meinem Bett aus zum Fenster hinausschaue. Es war übrigens genau dieser Blick, der den letzten Ausschlag gab, dieser Wohnung zuzusagen. Gibt es etwas Schöneres, als vom Bett aus auf sattes Grün schauen zu können? Ja freilich, gibt es - das Meer :) 
Gleichwohl.. wäre da ja immer noch mein ganz persönliches Dilemma - die Frage des Wohnens am Meer oder in einer Metropole - oder bestenfalls mit beidem zusammen. Jedoch dazu das Land verlassen zu müssen, dazu wäre ich zumindest in der aktuellen Zeit noch nicht bereit.
Erst wenn sie ihren eigenen Lebensmittelpunkt gefunden haben, die beiden Jungen.. Erst wenn ich weiß, dass es da jemanden gibt, der ihre Ängste, ihre Sorgen, ihre Glücksmomente, ihr Lachen teilt - erst dann könnte ich es mir vorstellen zu gehen. Noch einmal ganz woanders hinzugehen..
Beim Jüngeren stehen die Zeichen sehr gut hierfür, der Ältere wird mehr Zeit dafür benötigen. 
Es hat eine Zeit gegeben, in der ich mir sagte: Er hat alle Zeit der Welt und auch ich kann warten auf das, was mir, was uns wichtig ist.
Jedoch las ich unlängst diese Zeilen "Es gibt Dinge im Leben, die man nie sagt, weil man glaubt, man hätte noch ein ganzes Leben lang Zeit. Man hat kein Leben lang Zeit. Nie."
Und irgendwie.. stimmt das ja auch. So irgendwie halt. 


Vor einigen Tagen stand ich am Bahnsteig und habe gewartet. Auf die Bahn und auf einen Menschen, der mir sehr viel bedeutet.
Ich stand dort, ich hatte meine Musik in den Ohren und während der Blick langsam all die Menschen einfing, ihre Gesichter, ihre Mimiken, ihre Gestiken, da wünschte ich mir, ich könnte in die Bahn steigen. Würde irgendwo hinfahren, irgendwo aussteigen und mir anschauen, was mir dort begegnen würde. Und sei es einfach nur für diesen einen Tag. Vielleicht auch doch ein Zimmer irgendwo nehmen und anderentags wiederkommen. Reich angefüllt mit Eindrücken, mit Ideen, mit Inspirationen.
Das ist die eine Seite an mir.
Die andere ist ja - realistisch betrachtet - jene Seite, die Furcht entwickelt. Die, solange sie nicht losgelaufen ist, Furcht vor dem Weg entwickelt; davor, nicht wieder heil und gesund heimzukommen. Aus ganz verschiedenen Gründen, die - bei Tag betrachtet - ja alle irgendwie völlig substanzlos sind. 
Wenn ich daran denke, wie sorglos ich noch vor einigen Jahren war... Wenn ich daran denke, wie leichtsinnig ich genau genommen vor einigen Jahren noch war... Dann bin ich tatsächlich auch dankbar. Dankbar dafür, dass ich bei all den Dummheiten, die ich angestellt habe, immer noch Glück hatte.
Gerade muss ich ein bisschen lachen, weil mir die Tage an der Küste einfallen, zu denen ich mich spontan entschlossen hatte. Einfach ein Ziel herausgesucht, eine Unterkunft gebucht - und losgefahren. Um vor Ort festzustellen, dass sich das Zimmer, das ich meinte, gebucht zu haben, leider doch nicht im ersten Stock mit dem kleinen niedlichen Balkon und dem wunderbaren Blick auf das Meer befand, sondern im Erdgeschoss. Was zur Folge hatte, dass ich, kaum dass der Abend nahte, alle Vorhänge sorgfältig zuzog, auf dem Sofa statt im Schlafzimmer übernachtete (ich hab bis heute noch nicht verstanden, warum sich ein Sofa für mich sicherer anfühlt als ein Schlafzimmerbett) und mich blind und taub stellte, als jemand an der Wohnungstür rüttelte, während mir das Herz bis unter die Haarwurzeln schlug. Das Telefon mit eisernem Griff in der Hand, bereit, sofort den Notruf zu wählen, sollte die Eingangstür auch nur ein bisschen nachgeben wollen. 
Vielleicht war ja jener Zeitpunkt etwas ungünstig gewählt, vielleicht war die Jahreszeit weniger ansprechend. Vielleicht hätte ich mehr Menschen auf den Straßen, im Haus gebraucht, die mir ein Gefühl von Sicherheit vermittelten. Der Mann träumt ja oft von einem Haus in den Bergen. Er weiß, dass er mich davon niemals wird überzeugen können. Für ihn ist es der Reiz der Natur, der Stille, der Ruf der Berge. Für mich jedoch bedeutet es Einsamkeit und gruselige Nächte. 

Am Ende werden wir sehen, wohin es uns treibt. Wichtig ist doch eigentlich nur, dass uns die Zeit für all das bleibt, wovon wir träumen, was wir uns wünschen. Dass wir - wider besseren Wissens - eben doch alle Zeit der Welt haben, irgendwie. Weil man sein Leben doch nicht auf Kosten anderer führen kann. Oder besser gesagt.. Ich kann das nicht. Oder noch besser: Ich möchte das nicht. 
Unlängst sagte ich einer Freundin: "Mach mehr von dem, was sich für dich gut anfühlt". Woraufhin sie antwortete: "Würde ich ja gern, wenn nicht alle zwei Minuten jemand was von mir wollte."
Im ersten Affekt wollte ich antworten: "Dann grenz dich ab."
Ich habs dann aber nicht geschrieben. Weil Abgrenzung wichtig ist - aber nicht immer über allem und jedem steht. 

Mit dem Herbst, der nun auf leisen Sohlen naht, fühle ich jedoch, wie auch ich wieder stiller werde. Ich spüre das vor allem an der Musik, die ich momentan bevorzuge. Die Klänge werden langsam sanfter, sinnlicher, auch melancholischer. Die Gedanken werden sanfter, nachgiebiger, ruhiger. So als würde ich mich in einen Kokon aus eigen Gedanken, aus der Musik und den Bildern, die ich malen möchte, die ich ausprobiere zu malen, hüllen. Und wenig von dem, das um mich herum ist, durch diesen Kokon dringen kann. Mir tut sie gerade gut, diese Zeit. Um nicht zu sagen: Ich liebe diese Zeit. 
Dass das den Mann etwas verunsichert, kann ich spüren. Ich kann es fühlen, wenn er mich manchmal anschaut; ich kann es fühlen an dem, was er sagt und was er denkt. Für mich jedoch.. ist der Herbst irgendwie.. eine Zeit, in der ich mich befreie von all dem, was sich über das Jahr in meinem Kopf und in meinen Gedanken angesammelt hat. 

Sagte ich eigentlich schon, dass ich den Herbst unfassbar liebe? Ich bin schon sehr lange kein Sommerkind mehr.