Montag, 8. Dezember 2025

Dieses "Wir schenken uns nichts", das jedes Jahr 39,95 Euro kostet

 Und ehe man es sich versah, neigt sich das Jahr einmal mehr dem Ende zu. Der Countdown für die Weihnachtstage hat begonnen, Weihnachtsmärkte haben geöffnet - und wenn der Pegel stimmt, kann man dann auch mal über den ungewohnten Anblick von Pollern und sonstigen Sperren hinwegsehen. Besser, man hat als man hätte. Oder so. Na ja.

Seit ich in diesem November begonnen habe, den Mann auf eine winzige Ecke im Ankleidebereich unseres Schlafraums aufmerksam zu machen und ihn zu bitten "Bitte ignorieren, hier schaust du bitte nicht rein" (und ja, ich vertraue ihm, und ja, ich musste vorbeugen für den Fall, dass er etwas anderes in den Behältnissen vermutete), wiederholte er da und dort die jährlich wiederkehrende Frage: "Wir müssen uns doch nichts schenken, ich hab auch nichts für dich?" oder die "Deine Kinder verdienen doch selber Geld, die können sich das doch selbst kaufen". In den ersten Jahren unseres finalen Miteinanders hab ich mir die Zeit genommen, ihm zu erklären, warum ich das tue. Inzwischen rolle ich nur noch die Augen (natürlich erst, nachdem ich ihm meinen entzückenden Rücken zugewandt habe) und antworte lakonisch: "Natürlich können sie sich alles selber kaufen. Ich finde es aber auch einfach schön, den Menschen, die ich liebe, eine Freude zu machen." Oder ich kürze noch weiter ab mit "Orrrrr bitte, nicht immer dieselben Diskussionen."

Punkt.

In den letzten Jahren war es etwas schwieriger für mich, Vorfreude auf die Weihnachtstage zu entwickeln. Noch immer liebe ich diese Zeit - eine in meiner Erinnerung wundervolle, besinnliche, nach Zimt und Orangen atmende, verwunschene, geheimnisvolle und liebevolle Zeit des Jahres. Ich liebe diese Zeit zwischen den Weihnachtstagen und dem neuen Jahr, die in meiner Erinnerung angefüllt ist mit heißem Kakao, Stricksocken, Flanellhosen und Strickpullover, während ich auf dem Sofa lümmle und Trickfilme oder Märchen schaue. Oder "Love Actually" - ein Film, den ich schon x-fach gesehen und noch immer nicht überbekommen habe. Ein so wunderbarer Film; Kitsch und Klischee sind mir dabei völlig egal - ich liebe diesen Film. 

Aber eben... in meiner Erinnerung. 

In den Jahren der Fernbeziehung bedeutete die Weihnachtszeit vor allem eines: Stress im Job und an den Weihnachtstagen pendeln, um wenigstens zwei oder drei Tage mit dem Mann zu haben. 

Dann nach M zum Mann zu ziehen, bedeutete vor allem eines: Stress im Job und an den Weihnachtstagen nach L zu pendeln, weil ich es nicht über mich brachte, meine Söhne an Weihnachten allein zu wissen. 

Seit 2 Jahren wieder in L zu wohnen, bedeutet vor allem eins: unfassbarer Stress im Job seit Verkauf der Firma, Umstellung von einem voll funktionsfähigen Unternehmen auf Konzerntochter - und an den Weihnachtstagen jeden Tag ein "volles Haus" zu haben, weil die Familie aus M zu Besuch kam - oder wir mit allen an die Küste pendelten. 

Genau genommen wird vermutlich ausgerechnet das anstrengendste Jahr von allen - nämlich dieses Jahr - das entspannteste Weihnachten der letzten zwanzig Jahre werden. Die Familie aus M bleibt in diesem Jahr in M. Der Mann und ich werden in diesem Jahr nicht verreisen und meine eigenen Söhne und die Mama des Mannes werden nur an wenigen Tagen zu uns kommen. Das Coolste an allem jedoch wird werden, dass ich planmäßig ab 19. Dezember Urlaub nehmen kann - bis zum 9. Januar. Voraussetzung ist, dass Fast Close, Rückstellungen, Erlösschätzung und Aufwandsschätzung stehen - und keine Fragen offen bleiben. Letzteres glaube ich eher nicht - aber Urlaub darf ich erstmal nehmen. Auch wenn ich zwischendurch vielleicht mal erreichbar sein muss. Damit kann ich sehr gut leben - wenn ich bedenke, wie die letzten Jahre waren. Und wenn ich bedenke, dass mein Jahr mit 25 Tagen Resturlaub und bei cirka 300 Überstunden enden wird, dann habe ich mir das auch verdient. 

Umso mehr freu ich mich in diesem Jahr aufrichtig auf die Weihnachtstage, die ich ganz nach meinem Gusto zelebrieren werde. Wo ich morgens nicht aufstehe, sondern mir ein Käffchen in mein Bett hole, lese, wieder einschlafe, vielleicht den ganzen Tag lang nicht aus den Flanellhosen herauskommen werde, vielleicht etwas backe, etwas brutzle, Märchenfilme schaue, Postkarten male, auf dem Teppich liege und Musik höre, meine Söhne besuche, mit den Eltern telefoniere... und die Ruhe genieße. Mich darauf freue, die Dinge zu verpacken, von denen ich hoffe, meinen Liebsten eine Freude damit bereiten zu können. Auch dann, wenn der Mann jedes Jahr neu fragt: "Wollen wir das nicht einfach lassen mit dem Schenken? Wir kaufen uns doch sowieso, was wir wollen." Und ich dann immer wieder dieselbe Antwort gebe: "Mir geht es nicht ums Kaufen müssen. Mir geht es darum, meine Liebsten zu überraschen. Ich finde es schön, mir etwas auszudenken und zu sehen, wenn die Menschen sich freuen." 

"Aber ich hab für dich nichts", warnt der Mann mich vor und ich muss dann immer lachen: "Musst du auch nicht. Ich mach das, weil ich es schön finde. Und wenn ich euch eine Freude machen kann, genügt mir das völlig."

Und so meine ich es auch. Für mich ist das Herz wichtig, nicht der Kopf. Meistens jedenfalls.

Umso erschreckender empfand ich heute ein Insta-Posting, das mir - aus welchen Gründen auch immer - vor die Füße gespült wurde. In diesem berichtete eine Frau, sie habe in der Bahn einen fünfzehnminütigen Streit eines Paares mitgehört, in dem die Frau sich bei ihrem Mann beklagte, dass er entgegen der Jahre zuvor in diesem Jahr keinen Weihnachtskalender für sie hatte, sie hingegen für ihn aber schon. Was mich an dieser Story erschreckte, war die mehrheitliche Auffassung, dass der Mann sich bei seiner Frau zu entschuldigen hatte - und dass er seine Frau ganz offensichtlich auch nicht liebe, weil er sich eben A) nicht entschuldigte und B) immer noch der Meinung war, dem Wunsch seiner Frau nach einem Weihnachtskalender nicht entsprechen zu müssen. 

Erst wollte ich ja nicht auf auch nur einen Kommentar eingehen, eingedenk der auch hier immer wiederkehrenden Worte des Mannes: "Wieso tust du dir das immer wieder an? Du hast doch nun wirklich genug eigene Sorgen." Was ja auch stimmt. Nur manchmal.. denk ich eben auch: Vielleicht kann man ja auch etwas Gutes in die Welt bringen, indem man an das Gute erinnert? Insofern brachte ich mich dann doch noch ein, indem ich die Frage erhob, warum wir denn eigentlich etwas schenken? Tun wir es, nur weil der andere sich das so wünscht und es so haben möchte? Ist es jedoch nicht eher so, dass das Schenken Freude bereiten sollte? Sowohl dem, der beschenkt wird - als insbesondere auch dem, der etwas von sich ab/geben möchte? Bereitet das Schenken überhaupt noch Freude, überhaupt Genuss, wenn Schenken zur Pflichtübung ausartet? Was gibt uns das Recht, die Gefühle von Dritten beurteilen zu dürfen? Ihnen unterstellen zu dürfen, dass der Mann seine Frau nicht liebt, nur weil er ihr den verfickten Weihnachtskalender nicht gekauft/ gebastelt/ geklöppelt hat? Gibt es nicht an all den anderen 364 Tagen im Jahr genug Gesten, mit denen ein Mensch seine Liebe ausdrücken kann? Die es auch dann immer noch gibt, selbst wenn sie im Alltag ganz oft übersehen werden?

Die Antwort darauf an mich war... irgendwie ernüchternd. Sie kam von einer Frau, die mir schrieb: "Der wesentliche Punkt ist, dass das Schenken eine Vereinbarung war, die er einseitig gekippt hat. (...)" Äh... Was? Eine Vereinbarung? Ich möchte, dass wir uns jedes Jahr einen Kalender schenken und das hat der andere dann auch jedes Jahr zu erfüllen? 

Getoppt wurde die Antwort an mich von dem Satz "Die Geste ist halt nix wert, wenn sie vom anderen nicht verstanden wird. Es zählt weniger die Geste und mehr die aktuelle Tat."

Oh wow. An dieser Stelle fand ich es nicht mehr bedenklich. Ich fand es gruselig. 

Der Gedanke von Weihnachten... ist vermutlich nichts mehr von dem, wie wir das im Allgemeinen heute handhaben. Trotzdem denke ich... Wenn wir die Dinge, die wir tun, nicht mit oder nicht aus Liebe tun, sondern eher aus Zwang, dann können wir es doch eigentlich auch gleich ganz lassen, oder?

Ich wünsche mir "kein Müssen" und keine "Pflichtveranstaltung". Ich wünsche mir ein fröhliches, entspanntes, liebevolles Miteinander und dass es uns gut gehen möge. Und dass mein Weihnachtsurlaub auch wirklich ein Weihnachtsurlaub wird. Dann bin ich glücklich - und das wünsche ich Euch allen auch, falls wir uns nicht nochmal "vorher" lesen :)