Sonntag, 28. Dezember 2025

Zitronen zu Weihnachten


Da sind sie nun vorüber, die Weihnachtstage -  und noch immer klingen ein wenig Wehmut und der Wunsch nach liebevollem Miteinander in mir nach. Wieder in das Büro zu müssen, das ist noch eine ganze Weile von mir weg, doch hineingefunden in die Ruhe, in die Gelassenheit, in die Entspanntheit, den Tagen so zu begegnen, wie ich es mir in meinem Kopf ausgemalt hatte, habe ich noch immer nicht. 

Manchmal denke ich an die Tage in der Kindheit zurück, die so angefüllt waren mit Spannung, mit Vorfreude - und dem Bad an Heiligabend, nach dem wir drei Kinder dann in die gute Stube stürmen und bestaunen konnten, was die Eltern sich für uns ausgedacht hatten. 
Rückblickend denke ich oft, dass meine Eltern nie viel Geld besaßen, eher immer in Geldsorgen steckten - und uns Kindern dennoch unsere Wünsche erfüllten. Irgendein Weg fand sich immer; ganz gleich, ob selbst gemacht oder eingekauft. Und jeder, der Kind in der einstigen DDR war, der weiß, dass das Einkaufen sehr oft zu einer Herausforderung geworden war. Jedoch.. rückblickend denke ich oft, dass wir Kinder einfach.. glücklich waren. Unbeschwert. Ohne die Sorgen der Erwachsenen.

Manchmal denke ich an mein allererstes Weihnachten zurück, das ich ganz allein verbrachte. Die Kinder bei ihrem Vater, geplatzte Verabredungen, Freundinnen bei ihren Familien - und zurück blieb ich, vollkommen zurückgezogen in meine kleine, bescheidene Wohnung, zurückgezogen in mein Bett mit einer Flasche Rotwein, von dem ich gar nicht genug trinken konnte, bis das nicht mehr wehtat. Das ist über zwanzig Jahre her - doch vergessen habe ich dieses Gefühl bis heute nicht. Bis heute ist es mir ein zutiefst inneres Bedürfnis, Menschen nicht allein zu wissen. Vor allem die Menschen nicht, an denen mein Herz, mein Gefühl hängt. In dieser Zeit, in diesen ersten Jahren habe ich vor allem gelernt, was es bedeutet, Menschen zu haben, die einen bedingungslos lieben. Und das sind vor allem meine Kinder. Für sie bin ich immer wieder aufgestanden, bin immer wieder neu losgegangen. Der Gedanke an diese beiden hat mich davor bewahrt, mich nicht doch an jenem Tag fallenzulassen, als ich am Fenster stand, die Stirn an das Glas gelehnt, die Augen geschlossen. 
Der Gedanke daran, was sie selbst alles durchlebt haben - auch aus Entscheidungen heraus, die ich damals traf. Auch aufgrund von Wegen, die ich damals gehen wollte. 
Das Leben war damals kein einfaches - aber das war es insbesondere und vor allem für die Kinder nicht.

Das Leben heute ist keine stete Wiedergutmachung an ihnen. Das Leben heute ist das Bewusstsein, dass sie mein Anker sind, mein Herz, mein Denken, mein Fühlen. Sie müssen nicht ständig um mich herum sein - aber mein Kopf muss wissen und fühlen, dass es ihnen gut geht. Für mich gibt es nichts Größeres, wenn die Familie an unserem großen Holztisch sitzt, auf dem Kerzen stehen, unser Weihnachtsgeschirr, etwas zu essen, etwas zu trinken, etwas zu naschen. Lachen, Schwatzen, Geschenke auspacken, das Leuchten in den Augen sehen, die rosa gefärbten Wangen, die eiskalte Winterluft, die ab und an in das Zimmer hineingelassen werden muss, die leise Musik im Hintergrund.. Sitzen, bis alle müde werden und glücklich in die Nacht hinausgehen, wo die Straßen glitzern und die Hände tief in den Taschen vergraben werden. 
Mein Fühlen und mein Handeln sind geprägt von der Nachsicht, wenn die Kinder mal wieder zu spät eintrudeln. Wenn sie ihr Handy unter dem Tisch halten, weil in ihrem Game irgendeine Challenge läuft. Mir genügt, dass sie einfach da sind. Dass sie einfach... bei mir sind. Dass ich sie verwöhnen kann. Dass ich ihnen Gutes tun kann. Weil sie einfach sonst niemanden hier in der Nähe haben, der etwas nur für sie tut. Weil es eine zu lange Zeit gegeben hat, in der es nicht so war. 

Vor einiger Zeit habe ich in alten Fotos gestöbert. Fotos von Weihnachten bei meinen Eltern auf der Insel. Geburtstage hier in L. Und irgendwann fiel mir auf, dass im Zusammensein der Blick meines Älteren ganz oft auf mir ruhte. Während der Jüngere ganz oft seinen Arm um meine Schultern gelegt hatte. 
Mir ist da so warm geworden, beim Betrachten all dieser Fotos und dieser Erkenntnis, dass die Dinge bis heute so geblieben sind. 
Sie sind da, sie sind bei mir, auch wenn sie nebenbei auf ihrem Handy zocken oder ihre Challenge überwachen. Sie sind bei mir, und solange sie da sind, weiß ich, dass es ihnen gut geht. 

Kürzlich las ich, dass Kinder nur etwa zehn Prozent der Genetik ihrer Eltern mitbekommen. Zehn Prozent des Wesens, der Veranlagungen, die sich in ihrer Persönlichkeit mischen. Die anderen neunzig Prozent werden bestimmt davon, wie zuerst die Eltern mit ihnen umgehen. Was sie ihnen mitgeben. Was sie ihnen vorleben. Ich wäre zutiefst dankbar, wenn ich meinen Jungen all das mitgeben kann, was für mich wichtig ist. Das Leben, das Lieben, die Herzlichkeit, das Bewusstsein für andere Menschen, die Nachsicht für andere Charaktere, den Mut, sich nicht kleinkriegen zu lassen, die Zuversicht, jedem Morgen neu zu begegnen, dass jeder Tag eben auch die Möglichkeit in sich trägt, dass da auch etwas Gutes, Positives geschehen kann. Die Stärke, dafür auch einzustehen. Den Respekt im Umgang mit anderen Menschen. Die Akzeptanz, dass man nicht alles nach seinem Gusto gestalten oder ändern kann - aber man alles um sich herum immer ein kleines bisschen schöner machen kann, indem man von sich abgibt. 

Ich weiß nicht so genau, warum ich diesen Post jetzt schreibe. Vielleicht, weil die Weihnachtstage nicht so waren wie in meiner Vorstellung. So ist es ja ganz oft im Leben. Dass nicht alles so ist wie wir uns das wünschten. Das tut mir bis heute weh und in meinem Kopf arbeitet es sich rauf und runter. 
Das Jahr 2025 endet wie es gewesen war - und in mir glimmt dieser kleine Glühfaden "Hoffnung", dass es in 2026 anders, wieder leichter, wieder unbeschwerter wird. Oder dass ich es eben dann anders mache. 

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