Heut haben wir den 1. Advent - und schon ein wenig mit Entsetzen hab ich festgestellt, wie schnell dieses Jahr vorbeigegangen war. In vier Wochen ist Weihnachten - mein erstes Weihnachten nach zwei Jahren wieder zu Hause.
Zu Hause.
Zu Hause ist für mich dort, wo ich mit Menschen zusammen sein kann, die ich liebe, die mich lieben.
Als ich noch ein kleines Mädchen war, bedeutete Weihnachten begreiflicherweise für mich eines: Apfelsinen und Geschenke.
Wenn ich heut gefragt werde, was ich mir zu Weihnachten wünsche, dann wünsche ich mir nur eines: Eine Zeit voller liebevollem Miteinander, Ruhe, (be)sinnlichen Tagen, den süßen Duft von selbstgebackenen Keksen und Tee in der kleinen Wohnung, heimelige Zimmer und Fenster, die der Winter von außen mit Eiskristallen schmückt.
Rote Wangen von Spaziergängen.
Leuchtende Augen von der untergehenden Sonne oder im Schein lichtgeschmückter Fenster oder Tannenbäume in Vorgärten.
Mit anderen Worten... Weihnachten ist für mich eine wunderbare Zeit abseits von Kommerz, dafür aber ein Zusammensein mit Menschen, die man liebt, mit denen man teilt, was man fühlt - eine Zeit des Jahres, in der man sich wirklich auch Zeit nimmt, um zur Ruhe zu finden und ein Jahr zu beschließen, das vielleicht... nicht wirklich ein Sonnenjahr war...
Der Gedanke, für mich allein zu sein, Zeit nur mit mir zu verbringen, ist - für mich - in diesem Moment völlig fehl am Platz... Allein sein... doch nicht in einer so intensiven Zeit...
In den letzten Wochen sind mir so einige fremde Menschen begegnet; stundenlanges Schweigen oder aber auch stundenlange Gespräche über das Leben, den Sinn, die Liebe. In all dem wurde mir einmal mehr bewusst, wie sehr ich das Leben liebe, wie sehr ich an manchen Menschen oder auch Dingen hänge, die mich nicht nur unmittelbar umgeben. Wie sehr ich in mir selbst zu ruhen vermag und wie sehr diese Ruhe in mir, dieses Ich in mir aber auch von eben diesen Menschen oder Dingen beeinflusst werden. Wie tief ich Freude, Glück und aber auch Schmerz empfinden kann - und wie wichtig es gerade dann ist, wie ein anderer Mensch auf mich zu- oder mit mir umgeht. Ob er mich, wenn es mir nicht gut geht, aufzufangen vermag oder mich eher noch tiefer wirft.
Ob er mich gut genug kennt, um meine Lebensfreude mit mir teilen zu können, das Lachen dabei nicht zu laut, das Springen dabei nicht zu hoch, die Kindlichkeit nicht zu albern, der Ausdruck von Sehnsucht nach Liebe und Zuwendung nicht zu anstrengend sind - oder wann es der richtige Moment ist, mich einfach nur ohne ein Wort in die Arme zu nehmen und einen Moment lang nur festzuhalten. Das sind so kleine Gesten, die so vieles bewirken.
Vor einigen Tagen hörte ich diesen Song von Xavier Naidoo, der zwar einen völlig anderen Hintergrund besitzt, ich ihn aber - wie die meisten Songs ;-) - für mich selbst interpretiere.
Wie viele Menschen träumen von einer besseren Welt, Armut, Elend, Kummer und Krieg in der Welt fortzuräumen.
"...fangen wir an aufzuräumen, bau sie auf, wie sie dir gefällt..."Ich glaube jedoch... bevor wir Großes in der Welt bewirken... sollten wir vielleicht zunächst bei uns selbst beginnen. Rücksicht, Nachsicht, Güte, Stärke, Empathie - manch einer weiß vermutlich nicht einmal, wie man diese Worte buchstabiert, ein anderer hat all dies vielleicht noch niemals erfahren in seinem Leben. Wenn wir Kinder bekommen, heißt es doch immer: Die Kinder schauen auf zu ihren Eltern, schauen sich ab, kopieren. Was wir ihnen also vorleben, tragen sie hinein in ihr eigenes Leben.
Nur... bezieht sich das wirklich nur auf unsere Kinder?
Vor einigen Tagen führte ich ein stundenlanges Gespräch mit einem mir eigentlich fremden Menschen - und dabei so viele Gemeinsamkeiten zu entdecken, war irgendwie... ein sehr berührendes Gefühl. Wie sehr es vermag, das dankbare Lächeln eines alten Menschen, dem wir in die Bahn helfen, uns den Tag zu erhellen. Oder der unberechtigte Raunzer eines fremdes Menschen uns in die Kniekehlen kickt.
Mein Jüngster erzählte vor kurzem: "Wenn der mir noch mal blöd kommt, hau ich ihm aufs Maul!" Woraufhin ich einwendete: "Dann bist du aber auch nicht besser als der andere."
Die Antwort kam spontan: "Mir doch egal, das hat der aber nicht zu machen."
Ich musste lächeln: "Natürlich nicht. Aber dann zeig ihm doch einfach, wie es anders geht. Wie es besser geht. Wenn du respektiert werden willst, musst du dir das erwerben. Und zwar nicht mit der Faust. Angst ist kein Respekt. Negatives wird überhaupt auch immer Negatives erzeugen."
Mir ist schon bewusst, dass die Welt eines Fünfzehnjährigen eine vollkommen andere ist als die einer Einundvierzigjährigen. Und sicherlich wünsche ich mir für meine Söhne, dass sie sich im Leben gerade machen, sich behaupten können. Jedoch wünsche ich mir dies ohne Gewalt, ohne Geringschätzung und ohne Respektlosigkeit.
Aber das lernt er noch, da bin ich mir sicher.
Für mich ist jede Familie in der Welt eine kleine Insel. Und in meiner Vorstellung ist es so, dass, wenn auf jeder dieser kleinen Insel Frieden herrschte, Anerkennung, Liebe, Wertschätzung, dann... bildet das - für mich - ein großes ganzes Gutes. Die bessere Welt.
"...Du bist der Anfang, Du bist das Licht..."
Apropos Licht... Mein Weihnachtsstern hängt im Fenster, ein sanftes unaufdringliches Licht, ich hör noch immer dieses Lied, der Schmerz im Körper hat wieder nachgelassen, die Seele hat wieder zur Ruhe gefunden, ich lieg hier entspannt und allein in meiner kleinen, ansonsten dunklen Wohnung und wenn ich jetzt hinaus in den Abend schaue und in den anderen Fenstern die Lichterbögen seh, dann überkommt sie mich wieder... die Sehnsucht nach dem liebevollen Miteinander, wo auch Abschiedsschmerz etwas Positives vermittelt... und wohinein solche Worte wie"griesgrämig" ganz gewiss nicht gehören...
Ich mach mir jetzt erst mal einen Tee, zieh die Stricksocken meiner Mama an und schau mir zum Millionsten Male einen wunderbaren Film über die Liebe an... Und hör einfach nicht auf zu träumen... :-)
Ach und übrigens... Falls jemand von Euch denkt, ich würde immer nur träumen... Nein. Für das kommende Jahr habe ich schon ganz konkrete Pläne. Ich glaube, dass es gute Pläne sind. Ich glaube auch daran, dass sie gelingen. Und vor allem fühle ich endlich wieder die Energie dafür in mir. Dafür muss ich nicht jeden Tag kilometerweit rennen. Dafür tu ich mit meinen ganz eigenen Mitteln....