Montag, 27. Juli 2015

Aufbruchstimmung



...ganz bald.
...nur noch wenige Tage.

Ein paar Sachen einzupacken, die Musik dabeizuhaben, ein Buch, ein paar Sandalen und Kleider, einen Strickpullover für die vermutlich kalten Abende - ich freu mich so unendlich auf diese Zeit außerhalb des Alltags. Außerhalb der Sorgen. Außerhalb all dessen, das mich nachts nicht zur Ruhe kommen lässt.
Als ich am Samstag durch die Stadt streifte, in den Ohren die Musik, den Kopf in den Wolken, die Füße fest auf der Erde, da hielten mich drei ganz junge Mädchen an. Dreizehn vielleicht? Vierzehn?
"Oh PLEASE tell - where is the Forever21?" Ihre Augen ganz groß, aufgeregtes Geschnatter, auf den Wangen hektische Flecken, und sie deuteten auf die kleine Tüte in meiner Hand. Und ich lächelte, beschrieb ihnen kurz den Weg, um ihnen anschließend nachzuschauen, wie sie schnatternd, aufgeregt kichernd und sehr zielstrebig dem gezeigten Weg folgten.
Für einen Moment dachte ich daran, wie so wunderbar unschuldig dieses Alter immer noch sein kann. Wenn kaum etwas anderes Deinen Tag bestimmt, als mit Freundinnen abzuhängen, in ein anderes Land in die Ferien zu fahren, shoppen, Eis essen gehen, Schule, Hausaufgaben - und dazwischen Lidstrich, Lipgloss und das sich schön machen für sich selbst und für den süßen Jungen oder das süße Mädel aus der einen oder anderen Klassenstufe...
Für einen Moment nur lächelte ich ihnen etwas wehmütig hinterher. In dem Gedanken daran, wie unbeschwert das Leben zu dieser Zeit noch sein konnte. Wie unbeschwert die Liebe noch sein konnte.
Doch dann wandte ich mich ab und lief weiter.
Das Leben verändert sich ständig.
Die Liebe verändert sich ständig.
Mal ist es leicht, mal ist es schwierig. Aber es hat bis heute nicht aufgehört, immer noch wunderbar sein zu können. Wir versuchens nur nicht immer genug - und überlassen es zu sehr dem anderen.
Über einen anderen Blog, den ich irgendwann mal schrieb, kommentierte jemand, dass die Figur darin verträumt sei, (zu) weit weg von der Realität. Ob sie wusste, dass ich darin vor allem von mir, über mich schrieb, kann ich nicht sagen.
Vielleicht bin ich ja so.
Vielleicht kann ich ja deshalb oft die Realität nicht aushalten - und flüchte mich.
In die Musik.
In wunderschöne Fotografien - von Meer, von Blumen, von hellen, großen Räumen mit einem großen Bett vor einem Fenster, den Blick frei nach außen und viel Platz innen..
Vielleicht bin ich in meiner Seele immer noch das Mädchen, das Blumen pflückt und sich in ihr Haar steckt.
Und vielleicht will ich auch genauso sein.
Weil ich vielleicht gar nicht möchte, dass ich verliere, was mich ausmacht. Wofür ich angenommen werde. Wofür ich auch geliebt werde. Das muss auch nicht zu jedem anderen Menschen passen - und das will ich auch gar nicht.
Vor Jahren las ich mal diesen einen Satz "Wirklich reich ist der, der mehr Träume in seiner Seele hat, als die Realität je zerstören kann" - und in den letzten Wochen überkam mich doch hin und wieder das Gefühl, die Ahnung, die Befürchtung, ich könne verarmen. Ich würde verarmen - nun doch. Hätten sie mich nun doch klein gekriegt.
Haben sie aber nicht.
Werden sie nicht.




Freitag, 24. Juli 2015

Gutmenschen?

In den letzten Wochen und Monaten taucht in Artikeln, Postings oder auch in Gesprächen immer öfter der Ausdruck "Gutmensch" auf.
Diesen Begriff mochte ich nie, von Anfang an nicht (Bauchgefühl!), und wenn man die Bedeutung mal konkret hinterfragt, begreife ich auch wieso: "...Mit dem Wort werde „insbesondere in Internet-Foren das ethische Ideal des ‚guten Menschen‘ in hämischer Weise aufgegriffen, um Andersdenkende pauschal und ohne Ansehung ihrer Argumente zu diffamieren und als naiv abzuqualifizieren“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Gutmensch).
Ich selbst bin zu einer Zeit aufgewachsen und so auch erzogen worden, dass "Bitte" und "Danke" oder beispielsweise einem älteren Menschen den eigenen Sitzplatz in Bus oder Bahn anzubieten Selbstverständlichkeiten sind. Meine Mum hat mir immer eingebleut: "Der Ton macht die Musik" und mein Leben hat mir eingebleut: "Wenn du willst, dass etwas anders wird, dann fang bei dir selber an."
Situation 1: Nachbarin nimmt vor drei Tagen ein Paket für mich an. Das tut sie zum allerersten Mal, seit ich hier wohne (also seit einem Jahr), und als ich bei ihr am frühen Abend klopfe (das Kind ist übrigens wach, das ist - wie meistens - nicht zu überhören), hört sie mich offenbar nicht (was nachvollziehbar ist), also klingle ich. Da das Kind noch keine zwei Jahre alt sein dürfte, ist davon auszugehen, dass die Mutter zu Hause ist. Aber manchmal überhört man die Klingel ja auch. Also klingle ich kurz ein zweites Mal und nachdem immer noch nicht geöffnet wird, denke ich: "OK, geh ich erst mal wieder, wer weiß, was die grad macht." Irgendwann am Abend erreicht den Mann eine sms: "Euer Paket liegt auf dem Balkon." Der Mann und ich geraten darüber in Streit - warum, das möchte ich hier nicht ausführen. Er holt das Paket, schreibt ihr eine recht kurz gefasste Antwort und am nächsten Tag schreibt (!) sie zurück - sinngemäß: Für deine Olle nehme ich nix mehr an, da verstehe ich auch, warum die anderen Leute das im Haus nicht mehr machen, wenn man da so angepampt wird.
Äh... Wie bitte? Zum einen spiele ICH hier die Abholstation für dieses ehrenwerte Haus, denn für mich hat in dem ganzen Jahr bislang nur ein einziger Nachbar etwas entgegengenommen und dies vor seine Haustür deponiert, damit ich das jederzeit bei ihm abholen kann, auch wenn er nicht da ist. Zum anderen - und das geht mir prinzipiell nicht in den Kopf - wieso sind Menschen einfach nicht in der Lage, mal was zu SAGEN? Da wohnt man Tür an Tür und kriegt - mit Verlaub - das Maul nicht auf? Ja, ich kann auch zu ihr gehen und was SAGEN (statt dieses ewige Gesimse) - aber wie denn, wenn sie die Tür nicht öffnet "...einmal klingeln reicht übrigens, manchmal gibt es eben Situationen, wo man nicht die Türen öffnen kann." Ja klar gibts die. Man kann aber auch mal was überhören - und von außen kann ich nicht sehen, ob sie gerade beschäftigt ist. Außerdem habe ich nicht Sturm geklingelt, sondern zweimal kurz. Okay, vorweg hatte ich - aus Rücksicht auf das Kind - geklopft. Aber das quarrte ja ohnehin. Ich könnte ihr zum Beispiel auch mal sagen, dass man zwei Kinderwagen nicht tags und nachts im Hausflur vor der Wohnungstür parkt, das Kind darin tagsüber pennen lässt und man zugleich auch Rettungswege damit versperrt. Der Mann erwähnte gestern, er habe sie schon mal drauf angesprochen, als mein Umzug bevorstand. Da hatte sie ihm geantwortet: "Stell du die Wagen doch runter, wenn dich das stört." Worauf er sagte: "Am Samstag ist Umzug. Sind die Wagen dann immer noch nicht weg, schmeiß ich sie über die Brüstung." Dritter Stock, übrigens. Die Wagen waren an jenem Samstag dann weg. Nur an diesem Samstag - vor einem Jahr.
Ich kann sie echt nicht ab, diese pissige Pissnelke, aus anderen Gründen - aber ich kann mich dennoch mit jemandem vernünftig unterhalten - und sachlich. Und auf dieser Basis Dinge auch klären, unter Umständen auch mit Missverständnissen und Vorbehalten aufräumen. Hat sich ja auch in der Firma gezeigt, übrigens, dass das geht.  Man muss es aber eben auch wollen.
Situation 2: Über den Geburtstag eines Sohnes wird via whatsapp gefachsimpelt, beratschlagt und nachdem zweimal die Aussage kommt "Jetzt antwortet sie nicht auf meine Frage" bzw. "Hä? Was n nu?" verdrehe ich leicht genervt die Augen: "Warum nimmst du dieses Telefon nicht einfach mal in die Hand und rufst an!? Habt ihr in zwei Minuten geklärt, was zu klären ist - statt dieses ewige Geschreibe und Aneinandervorbeigerede!"
Ich meine, ich bin ehrlich: Ich schreibe auch lieber als dass ich anrufe, insbesondere dann, wenn ich weiß: Hier wird mir wieder ein Ohr abgekaut. Bei mir muss es schnell gehen, zack zack, fertig ist der Lack, lange Telefonate - da krieg ich Kreislauf von. Ja, auch als Frau. Aber wenns was zu klären gibt, geht das immer noch am besten auf direktem Weg.
Situation 3: Stehe ich um exakt 17:58 Uhr am Postschalter: "Hallo, diese zwei Pakete möchte ich zurückschicken, eins davon muss aber noch frankiert werden."
Kurzer Blick. Kein "Hallo" oder "guten Tag", nur ein genervtes "Das geht nicht als Paket!"
"Und warum nicht?"
"Weil das kein Paket ist!"
"Wie bitte?"
"Das ist eine Folientüte, das geht nicht als Paket!" werde ich angeschnarrt. 
Ich ärgere mich noch jetzt, dass ich mich angesichts der Uhrzeit (die wollen ja auch Feierabend haben) und auch des motzigen Tones so ins Bockshorn habe jagen lassen, dass mir das Naheliegendste gar nicht einfiel: das Einschreiben.
"Äh... Das ist aber ne Rücksendung, ich hätte schon gerne einen Beleg dafür, dass ich das abgeschickt habe."
"Geht aber nicht. Geht nur als Maxibrief, kriege ich zwei vierzig von Ihnen!"
Die habe ich ihm gegeben und mir auf dem Beleg immerhin notiert, an wen diese Sendung ging.
"Das nutzt Ihnen doch nichts, kann ja alles mögliche gewesen sein", weist der mich in immer noch motzigem Ton (es ist jetzt 18.01 Uhr und hinter mir stehen noch cirka 10 Leute - für 3 Schalterbeamte) darauf hin. 
"Ach egal, vielleicht klappt ja auch alles", lächle ich entspannt und sage "Auf Wiedersehen."
"Der nächste bitte", wird als Antwort geschnarrt.
Ich weiß, wir sind alle nur Menschen, haben scheiß kack Tage und nicht jeden Tag scheint uns Sonne und Freundlichkeit aus dem Allerwertesten. Auch lebe ich ganz gewiss nicht nach dem Slogan "Der Kunde ist König." Aber ist es zuviel verlangt, wenigstens freundlich behandelt zu werden? Ein "guten Tag" und "auf Wiedersehen", auch wenn den anderen Sorgen oder Kummer oder einfach nur die Hitze plagen? Ich bin so, ich schaue den Leuten direkt ins Gesicht, begrüße und verabschiede mich. Bitte und Danke. Ich rege mich darüber nicht auf, wenns nicht so ist. Aber es macht mich nachdenklich, dass mir so etwas mittlerweile tagtäglich "begegnet". 
So wie ich mittlerweile auch bestimmte Postings bei FB nicht mehr lese - weil ich nicht nachvollziehen kann, wie schnell der Mensch heutzutage dabei ist zu be- und zu verurteilen. Ganz gleich, ob dieser Mensch sich selbst mit dem Thema auseinandersetzte oder einfach nur das Mäntelchen nach dem Wind hängt. Oder ihm schlichtweg langweilig war. 
Wer etwas schlechtreden will, der findet immer etwas. Ich frage mich nur immer wieder, warum der Mensch etwas schlechtreden WILL? Ist das eigene Leben so kotzlangweilig, ist die eigene Stimmung so dauerhaft zynisch, weil man frustriert ist von allem möglichen?
Man kann sich freilich über ein junges, vermutlich hübsches Ding mit himbeerfarbenem Nagellack und einem T-Shirt mit der Aufschrift "Refugees welcome" lustig machen. Das von sich in diesem Shirt ein Selfie macht und vermutlich zu FB & Co. stellt. Man kann sich freilich darüber mokieren, ob jenes Mädel nur einem Trend nachjagt, ohne zu begreifen, worum es wirklich geht.
Kann man. Muss man aber nicht. Man könnte z. B. auch das Positive darin sehen: dass dieses Mädel ihr persönliches Statement zeigt. Nur weil sie jung und aufgebrezelt ist, kann man ihr doch nicht absprechen, eine eigene Meinung oder Überzeugung zu haben? Vielleicht hat sie sich ja doch mehr mit dem Thema auseinandergesetzt als die Kritiker glauben? Wieso bekommt jemand einen Stempel, ohne diesen jemand zu kennen oder überhaupt gar jemals mit ihm gesprochen zu haben?
Als ich 22 war, verheiratet und ein Kind hatte, da trug ich mit Vorliebe kurze Röcke. Um nicht zu sagen: fast ausschließlich. Nicht solche, die man auch gern als breite Gürtel bezeichnet. Aber eben Minirock. Na und? Ich war jung und sehr schlank, warum also nicht? (Ich trage übrigens immer noch gern einen kurzen Rock. So.)
Dennoch tuschelten die Freunde meiner Ex-Schwägerin untereinander: "Die geht mit Sicherheit fremd!" Als meine Ex-Schwägerin mir damals davon erzählte, fiel ich aus allen Wolken. "Wie bitte??" "Ja, die denken, du gehst sowieso fremd, weil sie dich immer im kurzen Rock sehen." 
Aktuell wird Angela Merkel in den Medien zerrissen, weil sie sich - auch aus meiner Sicht - nicht wirklich souverän dem weinenden Flüchtlingsmädchen gegenüber gezeigt hat. Ihr deshalb jedoch jegliche Empathie abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, dass sie keine Kinder hat ("...und das merkt man!"), kann ich nicht nachvollziehen. Das würde ja bedeuten, dass jegliche Menschen und Paare ohne Kinder eben den Kindern vollkommen empathiefrei gegenüberträten? Erstens wäre das falsch und zweitens: Weiß denn jemand, warum Miss Merkel keine Kinder hat? Vielleicht wollte sie ja welche - und es klappte aber nicht? Und selbst wenn sie sich - aus Karrieregründen oder was auch immer - dagegen entschieden hat: Steht nicht uns allen Menschen zu, frei über unser Leben mit oder ohne Kinder zu entscheiden? Macht mich das zu einem besseren Menschen, weil ich zwei Kinder bekommen habe? Macht das den Kinderlosen damit zwangsläufig zum empathiefreien Mitmenschen?
Bin ich also ein "Gutmensch", weil mir bestimmte Werte immer noch wichtig sind, auch wichtig finde, diese anderen Menschen, angefangen bei den eigenen Kindern, mitzugeben? Bin ich also ein "Gutmensch", weil ich hinterfrage und weil ich darum bitte, Kehrseiten zu beachten? Weil mein Verständnis für Menschen, Dinge, Situationen als Pseudoverständnis für alles ausgelegt werden könnte? Immerhin hat mir das ja vor wenigen Jahren eine Freundin nachgesagt, nicht mir persönlich, aber eben.. gesagt. (Wobei Verständnis aus meiner Sicht nicht auch Entschuldigen und Akzeptieren gleichsetzt.)
Nein, bin ich nicht, ich bin kein Gutmensch. Nicht nur, weil  auch ich genauso auch ungerecht, selbstgerecht und was weiß ich noch alles sein sein. 
Aber ich stehe zu meiner Auffassung von Leben und Miteinander - und meine Lebensart ist frei und liberal.
Und so gibt es Entwicklungen, die mich doch... manchmal wirklich richtig nachdenklich machen.
Und manchmal machen sie mir Angst vor dem Morgen. 

Donnerstag, 23. Juli 2015

Ewiger Fluss


Mir ist so ein klein wenig nach... Tanzen..
Ihr wisst schon, so ein verträumtes Tanzen.. angeschmiegt an den anderen, den Kopf angelehnt an dessen Schultern. Sich zart bewegen, die Finger ineinander verhakt.
Nichts sagen, nichts denken. Nur fühlen und empfinden.
Der Mann hatte vor kurzem Geburtstag und weil wir das immer schon mal vorhatten, wenn ich denn dann auch hier in M lebe, schenkte ich ihm (oder uns *hä hä*) einen Gutschein für einen Tanzkurs - hübsch verpackt in einer Spieluhr. Seither denke ich beinah ständig daran, mich mit ihm auf den Tanzboden zu begeben. Denn ehrlich: Ich kann so überhaupt gar nicht tanzen. Beim Tanzen bin ich - sorry - steif und ungelenk wie ein Brett. Wenn auch nur beim Paartanz (alleine kann ich hier herumspringen auf Sofa und Fußboden - aber das trau ich mich eben auch nur zu Hause). Vermutlich muss ich auch vorher ein Glas Prosecco trinken, um da so ein bisschen was an Geschmeidigkeit in den Körper zu kriegen. Wieso bin ich eigentlich nur beim Tanzen so ungelenk?

Tanzen. In (fließender) Bewegung bleiben. Loslassen vom Alltag. Loslassen von überhaupt so allem.
So wie das Leben. Es fließt und fließt, manchmal staut sichs, manchmal nimmt es Umwege, aber irgendwie... hörts niemals auf zu fließen. Es findet seinen Weg. So war es immer. Und das ist es, was mir immer und immer wieder Hoffnung geschenkt hat. Mein eigener Quell der Zuversichtlichkeit.
Durchhängen. Stürzen. Aber irgendwie... immer wieder aufstehen. Weitermachen. Weiterkämpfen.
Es gibt so vieles, wofür sich das lohnt. Nicht nur für die Menschen, die wir lieben. Sondern vor allem für uns selbst.
Wie wollen wir die Menschen, die wir lieben, glücklich machen, wenn wir es selbst nicht sind?
Wie wollen wir die Menschen, die wir lieben, stützen, wenn uns selber die Energie ausgegangen ist?
Meinem Sohn geht es unverändert. Ständig müde, er schläft viel, er klingt immer noch sehr ruhig am Telefon - und dennoch empfinde ich in mir wesentlich mehr Ruhe als noch vor einer Woche. Von seinem Arzt wird er nun wöchentlich überwacht, und im gestrigen Telefonat mit diesem Arzt sagte dieser: "Die Symptome bei Ihrem Sohn sind sehr ausgeprägt, aber aufgrund der massiv abnormen Blutwerte ist das auch kein Wunder. Es wird noch eine Zeit dauern, eh sich das medikamentös regulieren lässt."
Sohnemann II soll sich auch auf Schilddrüsenfehlfunktion untersuchen lassen, wenn er aus dem Urlaub zurückgekehrt ist. Wenn Mutter und Sohn I eine solche entwickelt haben, ist die Wahrscheinlichkeit wohl sehr hoch, dass auch Sohn II eine solche hat oder zumindest dazu neigt. Auch wenn er - meiner Ansicht nach - weder für die eine noch für die andere Fehlfunktion Symptome zeigt. Aber es muss ja auch nicht erst so akut werden wie bei Sohn I.



Auch meine Fehlfunktion wird nun seit gestern medikamentös reguliert. Ich hab am Dienstag freilich alles von dem vergessen, das ich dem Doc sagen wollte, nur auf die Rückseite meiner "Symptomliste" schrieb ich jenen Satz, über den der Doc schmunzelte - und ohne weitere Diskussion die Behandlung startete. Na endlich.
Bewegung.
In Bewegung kommen.
In Bewegung bleiben.
Stehenbleiben nur, um zu genießen und sich bewusst zu machen, was man schon erreicht und selbst bewegt hat.
Und bis dahin... ein bisschen tanzen.. ein bisschen singen... und vor allem genießen. Leben.
Ich sag das so oft, ich schreib das so oft - aber ich schwöre: Ich tu es auch wieder immer öfter.




Montag, 20. Juli 2015

Hoch hinaus

Gestern Nachmittag schickte mir meine Freundin den Link zu einem youtube-Video. Was ich erst beim genaueren Hinsehen realisierte: "Aber das ist doch die Kleine [von der Freundin]! Und da ist ja auch die [Freundin] selber!"



(Ich hab sie gefragt, ich darf es auch hier "veröffentlichen" :))
Es ist nicht nur, dass ich das Video cool gemacht finde, dass ich beim Zusehen Gänsehaut bekam.
Es ist hauptsächlich dieses Gefühl... sich erheben zu können... sich "abzulösen", sich hinaufzuschwingen, gleich dem, als würde man die Flügel ausbreiten, die unendliche Weite spüren, das Schwere zurücklassen, sich den Kopf ordentlich durchpusten lassen, frei atmen, frei fühlen...
Beim Betrachten des Videos wünschte ich, ich könnte das auch.
Den Mut haben, mich zu erheben, mich loszulösen und mich hinaufzuschwingen.
Aber ich habe - zugegeben - diesen Mut nicht. Man sagt ja immer: Stelle dich deinen Ängsten, dann besiegst du auch diese Ängste.
Ja Pustekuchen: Ich hab schon als Kind und auch als Erwachsene in Seilbahnen gesessen - und empfinde immer noch Übelkeit bei dem Gedanken, mich da reinsetzen zu müssen.
Okay.
Also nicht die Höhe.
Fahren wir also ans Meer und stürze ich mich da hinein.
Das Gefühl ist ähnlich - für mich.
Und ich freue mich sehr, sehr, sehr darauf.
Bald ist es soweit.


Samstag, 18. Juli 2015

Plopp!

Im Moment fühle ich mich unglaublich müde. So wie eine jener Aufziehfiguren, deren Antriebsfeder erschlafft ist. Man dreht und dreht und dreht und trotzdem setze ich nur einen müden Sprung - plopp - und falle um, anstatt wie gewohnt wie ein Duracell-Häschen motiviert durch die Gegend zu springen.
Ich bin sicherlich reflektiert genug zu erkennen, woher das kommt, und ich beklage das auch nicht. Vielleicht will ichs ja einfach nur mal so gesagt haben.
Als ich am Montag nach L kam, erwartete mich ein Chaos wie länger schon nicht mehr.
Während dem einen zuviel ist, sich allein um alles kümmern zu müssen, ist der andere aktuell komplett überfordert. Wie sehr, das sah ich am Dienstag, als er minutenlang den Ausdruck einer E-Mail vor sich liegen hatte, darauf starrte - und trotzdem nicht agierte. Einfach nur da saß und auf die E-Mail starrte "...anbei übergeben wir Ihnen unser Angebot Nr. xyz", mehr stand da nicht, und er saß und saß, bis ich ihn fragte, ob alles okay sei oder ich ihm helfen könne.
Er schreckte auf, murmelte etwas und schrieb dann weiter.
Später kam er zu mir, grau-gelb im Gesicht, und sagte: "Mir gehts heute wirklich richtig schlecht, irgendwie... komm ich einfach nicht mehr weiter. Ich werde auch den Nebenjob kündigen, ich kann echt nicht mehr."
Als am Mittwoch die Situation - nun sagen wir - leicht eskalierte, entschieden wir: So geht es nicht weiter. Er geht zu seinem Hausarzt. Dort war er am Donnerstag Morgen. Die Diagnose einer massiven Schilddrüsenüberfunktion steht, er bekommt ja auch seit Anfang Juli sein Medikament. Die Dosierung wurde nun heraufgesetzt, so dass er früh und abends eine Tablette nehmen soll - und er wurde sofort krank geschrieben. Was ihn zusätzlich momentan fast zerstört, ist der Druck, den er sich selbst macht. Die Angst, im neuen Job nicht zu bestehen. Der Anspruch an sich selbst, hier in diesem Job, den er nicht gelernt hatte, doppelt soviel leisten zu müssen und zu wollen, um nicht zu versagen.
Die Angst, die lähmt.
Er will so sehr, dass er sich selbst blockiert und aktuell so überhaupt nichts mehr geht.
Er glaubt niemandem aus der Firma, wenn es, wie nach gut 4 Wochen bei uns, hieß: "Also mir ist er echt eine große Hilfe geworden." Warum er das nicht glauben kann, begründet er so: "Das war in den beiden vorherigen Jobs auch so, dass es immer hieß, mach dir nicht so einen Druck, das läuft doch alles - und dann kam völlig unerwartet von einem Tag auf den anderen die Kündigung. Ich hab einfach so panische Angst, dass mir das bei euch auch passiert. Weil ich weiß, was dann kommt. Dann kann ich wieder zu den ganzen Zeitarbeitsfirmen rennen, die mich am Ende auch nur wieder in irgend so ein Callcenter stecken. Wenn denn überhaupt."
Dass er ohnehin nicht vor Selbstbewusstsein sprüht und zuallererst an sich zweifelt, wissen wir und wir kennen auch die Ursachen.
Nach diesen vier Wochen trat dieser Knick ein, so dass man zusehen konnte, wie die Leistungskurve nach unten ging. Bis hin zu diesem "Er sitzt vor der E-Mail und schaut und schaut, er weiß, was er hier zu tun hat - und sitzt und schaut." Wenn ich ihn so sehe und betrachte... dann bin ich nicht sicher, ob der Junge inzwischen eine handfeste Depression entwickelt hat. Er will - und allein mit dem Willen ist er schon so überfordert, dass nichts wird. Er kämpft und gibt gleichzeitig auf. Schwer zu beschreiben.
Am Mittwochabend während der Heimreise und am Donnerstag, nach Sohnemanns Termin beim Hausarzt, habe ich sehr lange mit meinem Sohn gesprochen, auch andere Wege aufgezeigt, wieder gesund oder zumindest wieder "fit" zu werden. Daraufhin habe ich meine Schmerzärztin angerufen. Die, die mich vor einigen Jahren über 1,5 Jahre verhaltenstherapeutisch begleitet hatte. Die, durch die ich am meisten gelernt habe. Die einzige Therapeutin, der ich vertraue. Ich habe sie angerufen und gefragt, wann sie einen Termin für Sohnemann frei hat. Am 23.09. Okay, das ist noch etwas hin, aber deutlich schneller als befürchtet. Als Alternative bot sie einen Termin im Institut für psychologische Therapie bei einer ihr bekannten Ärztin an. Dort hat der Junge sich noch am selben Tag angemeldet und auf die Warteliste setzen lassen. Wartezeit: vier bis sechs Wochen. Wir lassen jetzt beide Termine laufen.
Seit er krank geschrieben ist, schläft er die meiste Zeit. Er klingt sehr ruhig am Telefon, müde. Gesprochenes erfasst er, speichert es aber nicht mehr, er hat das meiste vergessen, sobald man aus der Tür ist.
Sein Facharzt, der Endokrinologe, meinte am Montag, das entspräche dem Krankheitsbild, aber das Zittern seiner rechten Hand sei doch sichtbar besser geworden. Zu diesem Termin, der sogenannten großen Auswertung, hatte der Junge gebeten, dass einer von uns ihn begleitet. Entweder Vater oder Mutter. Ich nehme an, weil er selber spürt, dass er vieles nicht mehr speichern kann.
Der Vater hatte gesagt, er nähme sich den Tag frei und begleite ihn. Dass er freigenommen hat, hatte der Vater nach nur acht Tagen auch nicht vergessen, aber das Vorhaben, den Sohn zu begleiten.
"Ich hab nicht mehr dran gedacht. Aber eigentlich bist du ja auch selber schuld, du hättest dich ja am Wochenende noch mal melden und mich dran erinnern können."
Wie bitte? Was? Ich konnte das gar nicht fassen, nicht glauben. Ja vielleicht hätte ich es vorher wissen müssen, dass man sich auf diesen Vater nicht verlassen kann. Vielleicht hätte ich es vorher wissen müssen, dass man so einen Vogel nicht in die Pflicht nehmen kann, weil der sich seit 2003 jeglicher Pflicht entzogen hatte. Der sich die fünf Euro für das Rezepteinlösen vom Sohn zurückfordert, die er für ihn ausgelegt hatte. (Hier kam mir das Kotzen, sorry. Ein Typ, der den eigenen Sohn jahrelang finanziell ausgenommen hat, der sich einen scheiß um seine Söhne kümmert, der auch, seit ich fortgezogen bin, überhaupt nicht darum kümmert, ob und wie das läuft bei den beiden, ob sie vielleicht hier und da bisschen Unterstützung gebraucht hätten - und der sich, trotzdem er nur 10 km "daneben hockt" wesentlich weniger sehen lässt als ich, die 430 km weit weg wohnt - ja was wollte ich da schon erwarten?) Dass man mir das zum Vorwurf macht, bitte sehr, ich mache mir selbst diesen Vorwurf. So wie ich auch mir selbst den Vorwurf mache, dass meine Familie und auch ich selbst lange Zeit unterschätzten, wie schlecht es dem Jungen wirklich geht. Dass wir andere Ursachen vermuteten und glaubten, es würde ausreichen, an seine Vernunft zu appellieren und vielleicht die einen oder anderen Dinge mitzusteuern.
Nur einen Vorwurf nehme ich mir nicht an: dass ich alles zu leicht genommen und alles zu sehr schleifen lassen hätte. Seit 25 Jahren kämpfe ich mit und um den Jungen, vielleicht habe ich Dinge übersehen und unterschätzt - aber habe ich es mir deshalb zu leicht gemacht? Ich denke nicht. Nein, ich weiß, dass ich es mir niemals zu leicht gemacht habe.

Und jetzt? Ich bin so unglaublich müde, dass ich es kaum beschreiben kann. Hinzu kommt, dass im Ergebnis meines eigenen Bluttests vor zwölf Tagen die Werte noch schlechter geworden sind. Der Arzt will trotzdem keine Behandlung starten: "Alle anderen Ärzte würden Ihnen da längst Schilddrüsentabletten verschreiben. Ich selber bin aber kein Freund von dauerhafter Medikamenteneinnahme." Dass er damit seiner eigenen Aussage nach dem ersten Bluttest im Februar widerspricht, darauf sch** ich inzwischen. Ich bin selbst auch kein Freund von Medikamententherapien, das weiß, glaube ich, inzwischen jeder, der mich kennt. Aber nachdem ich mich selbst noch mal zu diesem Thema belesen habe, habe ich es satt, dass - was auch immer - auf meine Kosten ausgetragen wird. Vermutlich belaste ich als "Langzeitpatient" das Arztbudget, aber das ist mir jetzt echt wirklich scheißegal! Die Symptome der Unterfunktion habe ich seit Jahren, nicht erst seit dem Test im Februar. Entweder hat man all die Jahre zuvor was übersehen oder einfach nie danach gesucht. Was im Endeffekt jetzt auch wirklich Rille ist - weil das Ergebnis zählt. Und das Ergebnis sind drei Tests, die nacheinander immer wieder entgleiste T-Werte im Blut zeigen. Sie schwanken, aber sie schwanken immer nur im Bereich der Unterfunktion. Ich wüsste nicht, worauf ich noch warten soll. Wir können auch bis zum Sankt Nimmerleinstag testen, wenn wir das wollen. Will ich aber nicht mehr. Wie ich auch dieser Tage las: Bereits geringe Abweichungen von den Normwerten lösen die Symptome aus bzw. machen sich körperlich und auch mental bemerkbar.
Der Arzt mag Recht haben, wenn er sagt, dass man ja nicht alles auf die Schilddrüse schieben könne. Jedoch denke ich inzwischen, dass man auch nicht alles bagatellisieren darf, wenn denn schon Blutwerte selbst für sich sprechen. Und dass auch niemandem geholfen ist, wenn man einem Patienten jahrelang erzählt, er solle seinen Stress reduzieren, dann würde auch alles wieder gut.
Ich lebe seit einem Jahr in M, und die Entscheidung hierfür habe ich auch unter dem Aspekt getroffen, dass ich selber zur Ruhe finden wollte. Das habe ich auch - besser fühlte ich mich dennoch nicht. Ruhiger und entspannter, ja, körperlich jedoch nicht besser.
In der kommenden Woche lasse ich mir einen Termin geben und dann trete ich bei meinem Hausarzt erneut auf. Gerne schreibe ich ihm auf, was sich alles bei mir verändert hat (damit ich auch nix vergesse vor lauter Aufregung, man kennt das ja) und dann erwarte ich eine Behandlung. Vielleicht reguliert sich das über kurz oder lang auch von selbst oder mit Hilfe eines Medikaments. Es ist ja nicht gesagt, dass ich Tabletten dann für den Rest meines Lebens nehmen muss.
Aber ich sehe keinen Grund, warum man das nicht wenigstens versuchen sollte.
Und ich bin schon sehr zuversichtlich, dass aus dem Plopp dann auch wieder das Häschen wird, das munter durch die Welt hüpft. Damit ich auch morgen noch wieder kraftvoll zubeißen kann.

Sonntag, 12. Juli 2015

Love Within



Vor gut einer Woche fuhr ich nach L. Jedesmal begleitet mich vor allem eins: die Musik.
Für mich persönlich ist es das bisher beste Projekt Tinas. 
Für diesen Titel braucht man Geduld... und Muße.
Ich hatte Gänsehaut, und mir ging es umso tiefer unter die Haut, wenn ich dabei an meinen Jungen dachte. Den Jungen, dem momentan der Schlaf abgeht. Die Konzentration. Und inzwischen auch die körperliche Kraft. Die Muskelkraft, die man ihm gar nicht ansah und für die ich ihn auch bewunderte.
Inzwischen ist er k.o., wenn er nur ein Sixpack Tee oder Wasser heimträgt, nach vielleicht 100 Metern Fußweg. Die Anfälle von Müdigkeit, die ganz plötzlich auftreten und nach wenigen Minuten komplett vorüber sind.
"Passiert das denn auch beim Autofahren?" habe ich ihn am Freitag gefragt.
"Ja auch dann", antwortete er, "aber bis jetzt hab ich es immer noch geschafft. Ich weiß nicht, was das ist. Das jedenfalls ist noch nicht lange."
Mir ging das durch und durch.
"Du fragst Montagmorgen den Arzt danach, und wenn er dich krank schreibt, dann tu es. Krankgeschrieben zu sein, das ist kein Problem. Alles andere aber wäre eins."
"Ja mach ich. Ich finde es ja selber komisch, was da grad so abgeht."
Nach zehn Tagen Medikament ist noch keine Besserung spürbar, und das ist okay laut Beipackzettel und laut Arzt. Er nimmt sie regelmäßig, zuverlässig. Das einzig Konstante im Moment. Er spürt selbst, dass hier etwas mit ihm passiert, dass etwas so ganz anders ist als es noch vor wenigen Wochen war. Möglicherweise ist hierin der Antrieb begründet, sein Medikament nicht zu vergessen. Er, von dem meine Freundin sagt: "Er ist noch so verträumt und in seinem Wesen noch ein Kind, dem viel zu wenig Achtung und Anerkennung geschenkt wurde."
Ihre Worte beschäftigen mich wieder und wieder. 
Manchmal, wenn ich durch die Straßen laufe oder auch im Supermarkt, dann achte ich vermehrt darauf, wie Menschen miteinander umgehen. Erwachsene mit Kindern, Kinder unter Kindern.
Manchmal, wenn ich Nachrichten schaue, höre ich den Wortlaut wütender Wohlstandsmenschen über Griechenland und Flüchtlingspolitik.
Manchmal lese ich vom endlosen Kampf der Männer und Frauen um die Anerkennung ihrer gleichgeschlechtlichen Liebe. Dass sie auch um die Anerkennung ihrer Ehe kämpfen, steht für mich symbolisch für diesen Kampf um die Anerkennung ihrer Liebe: Die Gesellschaft hat inzwischen akzeptiert, dass ein Mann einen Mann lieben kann, eine Frau ihre Frau. Jeder, der sich liebt, darf heiraten, der Mann seinen Mann, die Frau ihre Frau - nicht nachvollziehbar, warum diese Ehe nicht genauso gleichberechtigt ist wie alle anderen Ehen auch. Liebe ist doch... Liebe.
Manchmal, wenn ich einer Freundin zuhöre, nehme ich ihre Reaktionen auf ihr Umfeld wahr, umarme sie herzlich zum Abschied und sage: "Sei ihm nicht so böse. Er hat es gut gemeint, auch wenn er es nicht gut gemacht hat." 
Manchmal lese ich in Blogs wiederkehrende Klagen über Mitmenschen, über Freunde, Partner, Kollegen. Klagen darüber, was sie tun - oder eben nicht tun.

Was mir in den letzten wenigen Wochen mehr und mehr auffällt: Du hast die Chance für einen ersten Eindruck, aber du bekommst keine Chance für einen zweiten. Kommunikation, Austausch fällt vollkommen flach, wird völlig vernachlässigt. Wer dem gesellschaftlichen Status nicht entspricht, wird verurteilt, gestempelt, in Schubladen geschoben, Klappe zu, fertig und aus. Die Mühe, jemandem aufzuhelfen, macht man sich immer weniger. Die Mühe, jemanden zu stützen, möchte man sich immer weniger machen. Man hat zu funktionieren - oder es ganz sein zu lassen.
Ich lese von der Herzlichkeit der Griechen untereinander und auch ihren Gästen gegenüber, von ihrem Zusammenhalt auch in der schwierigen Zeit und ich denke: So waren wir doch auch mal, wann ist es uns abgekommen - und warum?
Ich lese von der Selbstverständlichkeit anderer Völker, kranke oder behinderte Menschen in ihre Mitte zu integrieren und denke: Warum fällt uns das so schwer, so dass Eltern um die Anerkennung ihres Down-Kindes kämpfen müssen? Dass jahrzehntelange Aufklärungsarbeit überhaupt erst notwendig war und immer noch ist?
Ich höre meinen Jüngsten, der vor einigen Jahren sagte: "Ich bin so froh, dass ich hier geboren wurde und nicht in einem anderen Land, wo Krieg ist und wo ich Angst haben muss." Das ist kein Privileg. Es ist ein Geschenk. Wäre hier Krieg und Elend, würden wir doch alle hier fort wollen. Fort in die Sicherheit, in den Schutz. "Das sind doch nur Wirtschaftsflüchtlinge", höre ich hier und da. 
Wie viele sind von Ost nach West gegangen, damals, 1989, als die Mauer fiel?
Ist es wirklich etwas anderes, wenn man vom ursprünglich ärmeren Teil in den wohlständigeren geht, nur weil man im eigenen Land bleibt? Wären jene nicht auch noch weiter gegangen, im Fall eines Falles? Insbesondere dann, wenn hier auch noch Krieg getobt hätte?
Ich lese seit einiger Zeit im Blog von Ptachen, die Geschichte mit Sabine, und während sie jener jungen Frau so einige Posts widmet, lese ich etwas Entscheidendes nicht heraus: dass sie selbst auch mit Sabine spricht. Dass sie sich mit ihr auseinandersetzt über das, das sie stört; über das, das nicht optimal läuft. Sie spricht mit allen anderen, sie schreibt "uns" in ihren Posts - aber sie spricht nicht mit Sabine. Und ist jetzt sauer, dass Sabine letztlich genau dasselbe tut, indem sie mit jedem anderen über das Ptachen spricht. Oder habe ich jene entscheidenden Artikel verpasst? Ob sich die Situation längst hätte klären, Missverständnisse hätten beigelegt werden können? Das ist nicht sicher. Aber sicher ist: Man hätte es versuchen können. Und das vermisse ich beim Lesen dieser Posts.
Ich vermisse es im Alltag.
Ich vermisse es im Umgang mit anderen Menschen: aufeinander zugehen, sich wirklich interessieren, wirklich... da sein. Nicht nur von Chancen zu reden, sondern wirklich auch Chancen zu geben.
Hilfe zu geben. Unterstützung geben. Anerkennung zeigen.
Liebe geben. Die Liebe, die wir alle in uns tragen, wenn wir so völlig nackt und unbedarft auf die Welt kommen.




Heute Nachmittag lagen wir im wohl größten Park der Stadt.
Ermattet von der Radtour in der Hitze und vom Federballspiel, bei dem ich mit der Begeisterung eines Kindes die Bälle zu treffen versuchte.
Um anschließend im Gras zu liegen, müde und entspannt zugleich.
Herrlich blauer Himmel, an dem kleine weiße Wattewolken dahintrieben.
Das sind die Momente, aus denen ich immer wieder neu meine Energie ziehe, dem Tag zu begegnen. Dem Alltag. Den Sorgen. Den Menschen. Niemand ist unfehlbar. Doch die wenigsten denken daran. Die wenigsten wollen es sehen.
Die meisten vergessen, woher sie kommen.


Donnerstag, 9. Juli 2015

Spinnenetz

Als Kind, wenn ich durch die Wiesen gestromert bin, habe ich mich oft in Spinnennetzen verfangen. Die haben an meinen Beinen geklebt, an meinen Händen, und trotz aller hektischen Bewegungen haben sie sich nicht so einfach wieder von mir gelöst.
Dieser Tage fühlte ich mich daran erinnert, und auch an die Vorstellung erinnert, mein ganzer Körper wäre darin eingehüllt, meine Synapsen darin eingefangen, so dass keine freie Bewegung, kein freier Gedanke möglich wäre.
"Dir gehts wohl nicht so?" wurde ich heut Abend via whatsapp gefragt und ich antwortete: "Ich mag jetzt nicht darüber reden."
Manchmal ist das so. Dann häng ich in diesem verdammten Spinnennetz, unfähig, mich zu befreien, aber immerhin mit dem ausgeprägten Willen, die Gedanken selber zu ordnen, die Bewegungen selber zu koordinieren: sprich, eine eigene Strategie zu entwickeln. Doch Ängste... sind eben auch kein guter Begleiter, auch kein guter Berater.
Irgendwie wurden mir dann die Worte doch entlockt, mehr und mehr, und mit jeder Reaktion fühlte ich eine unendliche Erleichterung in meinem Kopf. Der Nebel zerriss, die Leichtigkeit kehrte zurück.
Ich bin unendlich dankbar.
Das Spinnennetz ist ab und der Kopf hat endlich eine Strategie.
Wie leicht doch alles wird, wenn man nur darüber spricht.
Danke für das Zuhören und danke für die Antworten.

Mittwoch, 8. Juli 2015

It's Not About The Nail



Liebe Brotbüchsenfee, danke für den Link zu diesem Video.
Ich danke Dir unendlich für das Zuhören in jeder Lebenslage.
Ich operiere.... hoffentlich an der richtigen Stelle!

Dienstag, 7. Juli 2015

Wann Feierabend Spaß macht

...wenn er pünktlich ist.
...wenn es draußen noch hell und warm ist.
...wenn der Fluss warm genug ist zum Reinspringen.
...wenn das Getränk gut gekühlt ist. 
...wenn die Seele baumelt ohne durchzuhängen.
...wenn einfach noch genug Energie übrig ist, den Rest des Tages zu leben ❤️


In der Ruhe liegt die Kraft

Inmitten des Verweilens und zur Ruhe findens bin ich doch manchmal leicht irritiert, wie schnell die Tage vorüberziehen. Ich kann mich kaum mehr dran erinnern, an dieses Gefühl, als die Zeit dröge dahinzog und Tage nicht vergehen wollten. Passiert denn wirklich sooooo viel - oder kommt es einem nur so vor? Vermutlich letzteres, auch wenn jeder Tag irgendwie vollgepackt scheint. Durchaus denkbar, dass dies aber vor allem eine Kopfgeschichte ist.
Seit einer Woche bekommt Sohn ein Schilddrüsenmedikament. Zwei bis vier Wochen sollen vergehen, bis eine Wirkung spürbar werde, so stehts im Beipackzettel. Nebenwirkungen: nur was mit Hautausschlägen und irgendwas mit Blutplättchen. Also zumindest nichts, das - ganz wichtig -  seine Fahrten mit dem Auto behindern würde. Und nun warten wir mal ab, was da kommen wird. Es war die Mama des Liebsten, die beim gemeinsamen Eisessen vergangene Woche feststellte: "Man sieht schon bisschen einen Kropf." Wenn das nicht wieder zurückgeht, ist das nicht dramatisch: Es fällt nur demjenigen auf, der sich mit sowas auskennt. Das Wichtigste ist, dass ihm nunmehr geholfen wird - und dass er jeden Morgen an die Einnahme dieser kleinen wichtigen Pille denkt. Es war der Große, der sich erst einen Eisbecher für Zwei schmecken ließ und anschließend noch einen Eisbecher mittlerer Größe orderte. Wo der das alles hinisst, ist ja mittlerweile klar, trotzdem könnte ich ihn glatt um diesen Umstand beneiden wollen: essen bis zum Platzen - und kein Gramm zunehmen.
Und ich selbst... Vergangene Woche, kaum den Highway erreicht, blieb ich mit dem kleinen Weißen liegen: Die Nothaltebucht just gerade noch erreicht, nur leider weit und breit keine Notdurftstätte in Sicht. Das kann ziemlich desaströs enden, wenn man trotz umgehend alarmierter gelber Engel immer noch satte eineinhalb Stunden in der heißen Sonne steht, trotz kurzem Flatterkleid ein kleiner Rinnsal die Rückenmitte hinabläuft (örks!) und der einzig mögliche Platz, sich versteckt in einen Busch zu schlagen, von einer Horde Brennesseln umzingelt ist. Keine Chance für mich, immerhin hatte ich bei schätzungsweise 36 Grad weder eine lange Hose noch geschlossene Schuhe dabei. Und außerdem: Den blanken Mond in die Nesseln gehangen, hätte mich obendrein auch beim Liebsten in Erklärungsnöte gebracht!
Nach diesen eineinhalb Stunden jedenfalls erreichte mich der Anruf einer Werkstatt: "Mir san sechs Kilomeder von Ihnen entfernt, schaffens noch bis hierher?" - "Äh... Keine Ahnung! Es ist irgendwas mit der Bremse." - "Könnens no bremsen?" - "Bis zum Stehenbleiben gings noch, keine Ahnung."
"No dann versuchens, mir können Sie auch holen, aber dann dauerts no a Stund!"
Noch ne Stunde in der brütenden Hitze und ohne die Möglichkeit der Notdurftverrichtung - nee. Also wirklich: ganz klares Nein. Egal wie, ich musste es in diese Werkstatt schaffen. Hab ich auch - nur um dann dort auch noch mal ne Stunde in einem Korbstuhl zu sitzen, der aus meinem ursprünglich weißen Kleid eins mit interessanten Flecken machte. Und ich durfte dann weiterfahren mit einem Auto, von dem ich mir nach dem schweren Unfall 2006 geschworen hatte: nie wieder ein Corsa! Eine Alternative gabs aber nicht bzw. wäre die unverhältnismäßig teurer geworden - und vierhundert Kilometer Fußmarsch liegen mir auch nicht wirklich. Also habe ich mich getraut, und außerdem war ja dieser Corsa schon ein Stücken neuer als der damalige. Wir entwickeln uns ja alle weiter mit den Jahren, warum also nicht auch ein Vehikel? Immerhin hatte auch der einen Klinkenstecker - das versöhnte mich schlussendlich mit allem, auch mit der Wartezeit, die mich dafür neue Pigmente haschen ließ, und mit einem verdreckten Kleid, das ich ja auch wechseln konnte.
Der Liebste war ziemlich erbost, dass man mich da so sitzenließ und wollte sich zunächst beim ADAC und dann in der Werkstatt beschweren. Ich hab nur abgewunken: "Ach was, kein Stress, Hauptsache, ich komm heute noch hier weg und heil nach Hause."
Und so wars dann auch.
Und das ist die Hauptsache.
"Wie lange sind Sie Freitag in der Werkstatt? Wegen Rücktausch?"
"No bis drei. Maximal."
Hui!
"Und ist Samstag jemand da?"
Der hätte mich fast ausgelacht: "Am Samstag net, da is hier kana!"
Ich glaube, da liefen die Uhren sogar rückwärts! Und das in der heutigen schnellen Zeit?
Aber heißt es nicht sowieso: "Wer's eilig hat, soll langsam gehen"?