Samstag, 31. Oktober 2015

Ein krönender Abschluss


 Dass die letzten beiden Tage durchaus in die Kategorie "Scheiß-Kack-Tage" fielen, hatte ich erzählt. Zwar hob sich die Stimmung am Abend durchaus, fand ich jedoch die Idee des Mannes zum yogaähnlichen Betrinken mit Weißwein (er macht Yoga, ich sitze mit Weißwein so da) auch nicht verkehrt, so dass im Laufe des Abends beträchtliche rosa Elefanten durch unsere Behausung liefen. Ach was liefen - tanzten, sie drehten kunstvolle Pirouetten - und während der Mann irgendwann neben mir auf dem Sofa einschlief, saß ich mit glänzenden Augen groß wie Unterteller, war hellwach und vor allem vergnügt.
Gegen halb zwei Uhr fand ich entgegen meiner eigenen Überzeugung - "Was heißt denn hier spät??" den Weg ins Badezimmer und griff mit der Zielsicherheit eines rosa Elefanten zur Zahnbürste.
Huch?!
Was macht das Make up denn in der Toilette?
"Telefonierst du etwa - um diese Uhrzeit?" argwöhnte der Mann von nebenan, während ich kichernd versuchte, das Make up aus dem Frischwasser zu fischen. 
Normalerweise hat das Make up-Stiftchen ja einen Schutzdeckel über dem Schwämmchen.
Normalerweise ist der Deckel der Toilette geschlossen. 
Normalerweise drehe ich keine Pirouetten mit rosa Elefanten in meinem Badezimmer.
Aber ich fand, dass das irgendwie ein passender Abschluss eines entsprechenden Tages war - und ging irgendwie zufrieden zu Bett.
Und heute ist Samstag. Ein gewöhnlicher Samstag zwar, den aber vor allem eins auszeichnet: Ich habe ausgeschlafen. Er war sehr entspannt und schief gegangen ist auch nichts. 
Und ich habe einen neuen Song getaggt und - freilich - auch gleich in die "songs for my car"- Playlist aufgenommen. Auch wenn ich bei dem Text gleich wieder ein bisschen Weißwein konsumieren wollte: Ich finde ihn sehr, sehr, sehr geil.



Morgen ist leider auch noch ein Tag

 Als Herr Blau mir vor einigen Tagen diese Karte überreichte, gedachte er eigentlich, dass ich diese doch meinem Chef geben sollte, wenn der wieder ohne Gnade drängelte "Termine! Termine! Termine!" Inzwischen aber habe ich mir überlegt, diese Karte zu behalten, sozusagen als Mantra, als Ermahnung für mich selbst. Weil ich mir zwar immer siegessicher vornehme: "Nach diesem Termin wird alles entspannter" und dann häufen sich immer neue, immer weitere an.
Es ist wohl weniger, dass es viel zu tun gibt. Das finde ich immer noch besser, als im Büro die Zeit abzusitzen und den Tag mit Solitär und Kekse essen totzuschlagen. Es ist aber, dass meistens mit dem (Termin)Druck zeitleich noch andere Dinge ringsrum passieren, die ich dann einfach nicht haben muss.
Dass die Technik mich im Stich lässt und die vorletzte Brille zerbricht - aber das hatten wir ja schon. Wenn aber Leute, mit denen Du fast tagtäglich zu tun hast, ihr dreistes Verhalten nicht ablegen, sondern noch steigern und Du Dich daraufhin mit dem Boss in die Haare kriegst (wir sind beide im Recht, aber beide auch an unserer Kotzgrenze); wenn Du auf Bitten von Junior, Dir mal etwas anzuschauen, feststellst, dass er - wenn auch unwissentlich - bei web.de gleich zwei Verträge abgeschlossen hat und Rechnungen sowie Mahnungen ignorierte, weil er sie für Spam hielt und auch im Privaten Dinge passieren, die Du einfach nicht nachvollziehen kannst und irgendwie auch nicht mehr willst - da war ich heute doch irgendwie... ich weiß nicht... kurz vorm Schreien. Und Heulen. Schreiheulen. Irgendsowas. Irgendwie wars zuviel. Trotz vierzig Überstunden in diesem Monat schaffe ich meine Arbeit nicht, schiebe alles vor mir her, das noch nicht brennt. Abgesehen von meinem Magen - der brennt schon seit Wochen. Aber im Ignorieren bin ich gut. Richtig gut. 
Jedenfalls bei den meisten Dingen. 
Dass ich oftmals am Abend erst den PC ausschalte, oft schon frühzeitig einschlafe oder die restlichen ein, zwei Stunden mit dem Mann die Ruhe genieße und anderes ausblende, ist auch schon falsch verstanden worden. 
Vermutlich werde ich eines Tages tot umfallen - mit dem Stenoblock in der einen und dem Telefon in der anderen Hand. Fürs Bloggen in den anderen außer diesem Blog fehlt mir schon seit Monaten die Zeit, die Tage in L bestehen momentan nur noch aus Arbeit und dem Erledigen aller to do's bis in die Nachtstunden rein; selten komme ich vor 1 oder 2 Uhr in den Schlaf und 6 Uhr klingelt dann schon wieder der Wecker...
"Lass uns ausgehen", sagt der Liebste, "du musst mal raus, du arbeitest viel zu viel." Wenn der wüsste...
"Dein Lieblingsladen hat übrigens geschlossen", erzählt er, während wir Essen ordern - und einen Kaffee für mich. Ich lächle müde: "Egal. Ich schaffs sowieso nie in die Stadt. Den Laden gibts ja auch online."
Über die Weihnachtszeit plane ich endlich mal einen längeren Urlaub. Länger heißt in diesem Fall konkret: Zweieinhalb Wochen. Und ich bin unglaublich gerührt und auch sehr dankbar, dass der Liebste eine Lösung vorschlägt, die es möglich macht, beide Jungs in den Weihnachtstagen hier bei uns, bei mir zu haben, trotz aller Platzenge in unserer Noch-Wohnung. Irgendwie weicht der Druck und als er vorschlägt, an diesem milden Abend eine U-Bahn-Station auszulassen und bis zur übernächsten zu spazieren, schlage ich sofort ein. Es tut gut.
Bis wir bei Apollo vorbeikommen. 
Es ist nicht nur, dass die so freundlich sind. Es ist auch, dass deren Humor keinen Kellergang bedarf.
"So eine Brille würde ich Ihnen nicht empfehlen."
"Wieso nicht?"
"Da sehen Sie aus wie 16, wie eine Schülerin."
Ich grinse und entgegne trocken: "Verkaufen Sie auch die Uniform dazu? Der Mann steht drauf."
Und nach der Sehschärfe-Messung: "Und? Wie viel Dioptrien?" 
"Fünfundzwanzig", beeilt sich der Liebste zu sagen.
"Ich würde gar nicht lästern, du solltest eher froh sein. Wenn ich schärfer hätte hinschauen können, gäbe es dich vielleicht nicht." 
Meine Stimmung hebt sich endlich, vergessen der gestrige und auch der heutige Piss-Kack-Tag.
"Wie wärs mit Yoga?" initiiert der Mann.
OK, ich wäre ja für Sex gewesen. Aber na gut. Morgen ist ja auch noch ein Tag. Leider!



Donnerstag, 29. Oktober 2015

Ich bin eine Komischkeit

Mal abgesehen von den echt kurzweiligen Kommentaren heute zum letzten Post war es ein Tag irgendwie... für die Tonne.
Dreimal derart ordentlich aus dem System geflogen, dass trotz wiederholtem Neustart aller entsprechenden technischen Geräte erst mal nix mehr ging. Also das nervt mich dann doch: Wenn die Technik mich im Stich lässt, wenn sie nicht macht, was sie normalerweise kann, wenn ich ewig lange warten muss, um Dateien zu öffnen oder wohin auch immer zu speichern.
[Nein, ein Aufweiten des VPN-Tunnels ist leider nicht möglich, weil die roten Fritzen keine technischen Voraussetzungen im Arbeitsort geschaffen haben.]
Dann zerbricht mir wieder eine Brille. Einfach so. Ich schwöre, ich weiß echt nicht, wie das passieren konnte - und nein, ich hatte mich nicht draufgesetzt.
Dann versende ich fünf Dateien an Chef: Bei ihm kommen auch fünf Dateien an, aber ihr Inhalt ist vertauscht. WTF??? Wie geht denn sowas?
"Korrigier das mal und schicks mir noch mal her", sagt er und ich zucke die Schultern: Da gibts nix zu korrigieren, bei mir stimmen die Dateien: Richtige Bezeichnung, richtiger Inhalt.
"Komisch", wundert sich auch die IT. [Ja genau die, die ich im Traum letztens ertränkte.]
Und heute Abend, als ich entnervt final noch eine Präsentation erstellen will und muss - flupp - bin ich wieder raus aus dem System.
"Dann essen wir jetzt erst mal was", empfiehlt der Mann.
Danach geht auch alles wieder.
Komisch.
Bis 20.30 Uhr. Dann habe ich keine Lust mehr zu arbeiten. Man kanns ja echt auch übertreiben.
Leider haben derzeit auch nicht viele Blogger Lust zu schreiben. Also nicht viel Lesestoff hier.
Komisch.
Na gut, dann nehme ich mir jetzt das Buch über die Wolfsfrau zur Hand - das habe ich mir nämlich nun endlich mal von der Post abgeholt.
Und dann genieße ich das Weinchen, das der Mann nur sich, aber mir nicht eingeschenkt hat. [Selbst ist die Frau, pah!]
Und dann lese ich ein bisschen mit der kaputten Brille. Weil ich nicht weiß, wo die andere schon wieder hin ist.
Komisch, das alles.

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Die irren Wirren

Letztens schrieb Clara über das Folgen bzw. Entfolgen eines Blogs. Begonnen mit diesem Thema, gelangten wir an anderer Stelle recht schnell zum Thema der Onlinefiguren selbst. Wenn ich hier etwas schreibe, dann natürlich immer nur aus meiner Sicht, weil ich ja auch nur für mich selber sprechen kann. Damit statuiere ich nicht über Richtig oder Falsch, sondern lediglich über mein Tun und Lassen.
Als ich begann zu bloggen, wurde mir öfter gesagt, ich machte mich damit angreifbar, insbesondere dann, wenn ich nicht mehr komplett anonym sei, sondern auch noch mit den einen oder anderen Fotos verdeutliche, wer ich in der Realität sei. Insofern bearbeitete ich Fotos von mir anfangs so, dass ein Wiedererkennen im realen Leben schwer möglich gewesen wäre.
Seit 2008 schreibe ich im Internet, und inzwischen zeige ich mich so offen, dass mich vermutlich jeder bei Starbucks wiedererkennen kann. Gleichwohl habe ich mich gefragt: Was habe ich denn zu verbergen? Was schreibe ich denn hier so Intimes oder Privates, das man im Realen gegen mich verwenden könnte oder das es so schlimm machte, wenn man mich im Realen erkennt?
Meine klare Antwort: Nix. Überhaupt nix.
Schreiben ist mein Medium. War es irgendwie schon immer.
Schreiben ist auch mein Ventil. Oft spüre ich, wie Gedanken und Empfindungen sich ordnen in genau dem Moment, in dem ich sie aufschreibe. Wie ich Wege finde, Lösungen. Das ist ein Effekt wie beim Autofahren. Oder genauer gesagt: wenn ich mit dem Auto allein unterwegs bin. Dann kann ich die Musik aufdrehen, meinen Gedanken nachhängen, so oft und so viel ich muss oder will - und dann mit einem Mal ist sie da, die Tür vor mir, durch die ich dann nur noch gehen muss.
Ich liebe das Spiel mit dem Wort, ich liebe es, Bilder im Kopf entstehen zu lassen.
Schreiben ist meine Passion.
Und um dennoch unerkannt mit dem Aufschreiben verarbeiten zu können, erstellte ich einen Blog, in dem sich Realität und Fiktion miteinander vermischten. Kern der Darstellungen waren tatsächlich passiert, doch inwieweit und was zusammengehörte und was an Erlebtem auf andere Figuren übertragen wurde, das wusste nur ich. Beziehungsweise hätten das nur die Betroffenen wiedererkannt. In so einem Blog schrieb ich demzufolge auch nie in der Ich-Form, sondern in Form einer Erzählung.
Manche Leser begleiten mich nun schon so lange, dass ich sehr wenige bisher persönlich kennen gelernt habe. Zwei Menschen, genau genommen. Da stehen noch zwei Einladungen nach Berlin aus, eine hier in dieser Stadt, in der ich jetzt lebe, und eine nach Irland - und die möchte ich auch wahnsinnig gern umsetzen. Ich bin aber auch nicht die, die begeistert zu diesen sogenannten Bloggertreffen rennt und sich ein schönes Wochenende macht. Im Gegenteil. Wem ich begegne, den möchte ich auch wirklich kennen lernen - und nicht in der Masse untergehen.
Was heißt: Ich lasse mir Zeit - in der Hoffnung und im Urvertrauen darauf, dass ich diese Zeit auch habe und die Einladungen auch dann noch stehen, wenn man sie längst vergessen glaubte.


Warum ich das so handhabe, kann ich ganz einfach beantworten. Viele Jahre lang war ich ein doch sehr offener, fröhlicher und unbeschwerter Mensch, ich hab schnell Vertrauen gefasst und Bindungen entwickelt. Habe das, was man mir zeigte und sagte, auch für die Wahrheit angenommen. Nicht ohne meinen Verstand zu benutzen, jedoch mit wesentlich mehr Vertrauen, Zutrauen, als ich das heute tu. Ich habe unendlich viele Blogs betreten, bin geblieben oder nicht, doch im Grunde habe ich immer das, was ich las, auch "angenommen". Ich lese, ich versinke in das Geschriebene, ich nehme es auf und lasse es viel zu oft durch meine Haut, so als würde ich denjenigen vor mir, neben mir sitzen haben, man schaut einander in das Gesicht und hört einander zu. Nimmt die Stimmung auf, die Sorgen, die Fröhlichkeit, die Leichtigkeit - oder den Kummer.
Mir ist nie in den Sinn gekommen, mich zu fragen, ob das, was jemand schreibt, auch tatsächlich der Wahrheit entspricht. Mir ist auch nie in den Sinn gekommen, ob andere sich fragen, wie authentisch ich selber bin - oder auch nicht. Und wenn ich lange genug bei jemandem mitlese, dann bekommt er für mich irgendwann... ein Gesicht - auch ohne ein Foto. Dann baue ich Bindungen auf. Anders freilich als in der Realität. Aber doch so, dass ich mir Gedanken mache: Weiß zum Beispiel jemand, wie es Diana Deutschbein geht? Sie schreibt schon seit Monaten nicht mehr, von einem Tag zum anderen nicht. Und auch so, dass ich mitfühle, wenn jemand erkrankt (ist) oder gerade eine Trennung durchlebt (hat).
Insofern war ich doch... sehr schockiert, von anderen Bloggern zu erfahren, dass ernsthaft jemand versucht hatte, in eine "Hauptfigur" meines anderen Blogs zu schlüpfen und sich als dieser auszugeben - eben den anderen gegenüber. Die ganze Tragweite dessen mag ich hier nicht noch mal ausbreiten - aber mir war von dem Moment an klar: Er wird es nicht lassen, er wird auch nicht aufhören. Er wird vielleicht nicht mehr meinen Blog nutzen bzw. auch keine meiner "Figuren" aus eben jenem anderen Blog. Aber er wird nicht aufhören, etwas vorzugeben, das er nachweislich nicht ist.

Ebenso bin ich schockiert über die Anonymen, die ihre verbalen Ausgüsse über andere ausschütten, beleidigen, mit Worten treten und herabwerten, als gäbs kein Morgen mehr. Als gäbe es nichts Wichtigeres, als im Internet fremdes Gedankengut zu lesen und sich darüber auszulassen.
Ist diesen Leuten echt so langweilig? Wie die wohl im wahren Leben sind? Angepasst oder auch Rampensäue?
Feige Schweine obendrein, wie sie sich hinter dem Anonym verstecken.

Insofern... frage ich mich natürlich: Was sollte man wirklich schreiben (dürfen), was sollte man wirklich von sich zeigen (dürfen)? Was macht mich wirklich authentisch - und muss ich jede Facette von mir zeigen? Natürlich stelle ich hier nur eine von mir dar, andere woanders, wiederum andere lebe ich nur in der Realität aus. Ob und wie das andere handhaben, ist deren Sache und geht mich auch nichts an.
Vielleicht muss ich mir nur einfach angewöhnen, das irre wirre Netz und die Realität voneinander zu trennen. Nichts zu glauben, bevor ich es nicht gesehen habe.

Aber irgendwie... stimmt mich das... ich weiß nicht... Nachdenklich? Traurig?
Ich finde es irgendwie so schade, Misstrauen entwickeln zu müssen, von dem man nicht genau weiß, bis wohin es gesund ist.

Montag, 26. Oktober 2015

Erwischt!



...und das Blöde oder Lustige ist ja, dass es gar nicht an den mehr PS und so unter der Haube liegt - sondern mir das mit der Schneeflocke zuvor durchaus auch hätte passieren können.
War es aber nicht!
In den ganzen 1,5 Jahren nicht!
Und kaum genieße ich etwas mehr Fahrkomfort....
Mindestens einer, maximal drei müssten demnächst noch eintrudeln, übrigens. Wenn sie tatsächlich mich geblitzt hatten - und nicht meinen Vordermann.
Hach ja.
15 Euro Strafe... Wären 4 Milchkaffee gewesen.
Ja, ich rechne immer noch um.

...aber das Fahrgefühl... DAS FAHRGEFÜHL!! Es ist einfach nur GEIL! :D

Sonntag, 25. Oktober 2015

Supergirl



Bewegte Tage liegen hinter mir.
Überhaupt ungewohnt bewegte Tage dahingehend, dass ich manchmal morgens erwachte und mich zunächst zu orientieren versuchte: Wo bin ich eigentlich gerade?
Bewegte Tage auch emotional.

In den Jahren meiner Singlezeit habe ich so oft den Satz von oder über Männer gehört "Ich bin beziehungsunfähig." Anfangs empfand ich Verständnislosigkeit, später hat es mich eher wütend gemacht und irgendwann entrangen mir diese Worte nur noch ein müdes Lächeln. Beziehungsunfähigkeit gibt es in meinen Augen nicht. Es gibt jedoch die Menschen mit ihren unterschiedlichen Wünschen und Vorstellungen. Ob die zueinander passen oder nicht, lässt sich nicht immer am ersten, zweiten, dritten Tag feststellen. Manchmal dauert dieser Erkennungsprozess ein paar Wochen, wenn man Pech hat, ein paar Monate. Meiner Erfahrung nach aber fehlen den meisten Männern die sogenannten Eier in der Hose, dazu auch zu stehen. Vielleicht ist es falsche Rücksichtnahme auf den anderen, vielleicht ist es auch ein Stressvermeidungsverhalten. "Du kannst nichts dafür, du bist toll, es liegt an mir, es tut mir leid." Für mich ist das die billigste Ausrede ever. Gleich anschließend gefolgt von "Ich bin noch nicht soweit." Letztere ist in meinen Augen nur eine platte Ausrede dafür, dass man einer Frau begegnet ist, der den bisherigen Weg und das bisherige Tempo des anderen nicht hinnehmen kann oder möchte. Der es unter Umtänden am liebsten hätte, dass man ihn einfach nur in Ruhe lässt, aber da ist, wenn man es gerne hat.
Insofern verfolge ich in einem anderen Blog eine noch so junge Liebesgeschichte (bzw. eine, die es im Grunde erst werden wollte) mit mehr und mehr gemischten Gefühlen. Sie ein Macher, ein Mensch, der Dinge bewegen und erleben will und sich mit Halbheiten nicht mehr zufrieden stellen lassen kann. Er offenbar ein Gemütsmensch, der sich vielleicht zwischen den (selbstauferlegten) Pflichten seines Lebens aufreibt und nur wenig Raum für die Beziehung lässt. Und ich lese und lese und lese und frage mich irgendwann: Kann er keinen Raum lassen - oder will er es einfach nur nicht? Weil er spürt, dass er, wenn es zwischen ihnen funktionieren soll, sein bisheriges Leben nicht so fortführen kann - und möglicherweise wollte er es aber gar nicht aufgeben?
Wie viel kann man aufgeben, wie viel kann man ändern - oder darf man das überhaupt erwarten von einem anderen Menschen?
Als ich meinen Ex-Mann verließ, versprach er mir alles mögliche, nur damit ich bliebe: "Ich kann mich ändern, ich will mich ändern!" Hinter uns lagen 16 gemeinsame Jahre, aus denen ich mit einer einzigen Gewissheit hervorging: Mit diesem Menschen konnte ich gar nicht glücklich werden - und ich bleibe lieber allein als bei ihm. Seine Art zu denken, das Leben zu empfinden, das Leben zu leben, Menschen zu empfinden - das war, das ist so ganz anders als bei mir. Das heißt nicht, dass seine Art falsch und meine richtig ist. Aber das bedeutet, dass wir einfach nicht zueinander passten. Nicht zueinander gehörten. Dass es eine falsche Entscheidung von mir war, ihn zu heiraten und die Familie zu haben, nach der ich mich so gesehnt hatte. Am Ende der Ehe zu hoffen, zu glauben, vielleicht sogar zu erwarten, dass er sich änderte, hätte bedeutet, darauf zu hoffen und daran zu glauben, dass aus ihm ein völlig anderer Mensch würde. Aus meiner Sicht war das, ist es falsch. Kein Mensch kann ein anderer sein als er wirklich ist, in seinem tiefsten Inneren. Aus einem negativen Menschen machst du keinen positiven - und umgekehrt auch nicht.
Entweder es passt zwischen zwei Menschen - oder es passt nicht. Es muss für mich nicht so sein, dass es in jeder Hinsicht übereinstimmt - aber die Basis muss es.
Der Liebste ist zum Beispiel ein Mensch, der gern früh aufsteht, der gerne wandert bzw. in die Berge steigt und der eine Zeitlang exzessiv Sport betrieb.
Ich bin ein Mensch, der gerne ausschläft und sich freut, wenn ihm der Kaffeeduft in die Nase zieht, wenn er zärtlich geweckt wird. Ich hasse wandern und das Besteigen von Bergen entlockt mir ähnliches Empfinden wie das Entdecken von achtbeinigen Freunden zwischen der frisch abgenommenen Wäsche.
Auch sonst gibt es so einige Dinge, in denen wir uns völlig unterscheiden.
Zugleich aber gibt es so viele grundlegende Dinge, in denen wir feststellen, wie ähnlich wir uns sind.

Als ich Freitagabend zurück nach Hause fuhr und ungefähr eineinhalb Stunden im Stau stand, so richtiger Stau mit Motor aus und gelangweilten Leuten auf der Autobahn und kein Stop & Go, da hörte ich diesen Song Supergirl im Dauerrepeat. Auch weil er mich vor der unsagbaren Müdigkeit bewahrte, die sich an meine Arme und Beine hängte. Nach einer halben Woche in L bei der Jugend und im Büro, wo wir die wichtigsten Ziele erreichten; nach einer halben Woche, in der ich Wichtiges mit Junior I klären konnte und Unterlagen mit Junior II fertigstellte sowie auch dessen Liebeskummer in einem sinnlose n Beziehungschaos bereden konnte, dachte ich an den Liebsten und an M und wie sehr ich mich darauf freute, wieder nach Hause zu kommen. Dass der Liebste gesagt hatte, er sei auf einer Party, aber er würde zu Hause sein, wenn ich ankommen würde. Dass er zum Beziehungschaos des Jüngsten schon vor Tagen gesagt hatte: "Bin ich froh, dass wir das nicht mehr haben."
Ich dachte daran, wie viele klasse Frauen Single sind, während mir für die Weicheier dieser Welt jegliche Geduld fehlt. Mich faszinieren starke Menschen, die Schwächen haben und diese auch zeigen, diese auch leben können, ohne sich dadurch etwas zu vergeben, die sich aber trotzdem immer wieder auf die Beine stellen und ihren Weg suchen und gehen; während mir für diese ewigen Jammerlappen, die ihr Leid klagen, ohne sich aber daraus auch befreien zu wollen und die so auch nie einen Schritt nach vorn kommen (wollen), die Geduld und auch das Verständnis fehlen.
Manchmal denke ich, dass all diese "Supergirls" nur deshalb Single sind, weil so viele Männer Weicheier (geworden) sind, die alles haben, aber nichts geben wollen, das über ihre Bequemlichkeitszone hinausgeht.
Dass das auch umgekehrt geht, erlebe ich derzeit bei  Junior II, die lieber Sohnemann Dritten gegenüber in einem fragwürdigen Licht darstellt, das der Realität nun wirklich nicht entspricht (und das sage ich nicht, weil Junior eben mein Sohn ist), anstatt einfach nur zu sagen, dass Fernbeziehung einfach nicht ihr Ding ist. Was auch OK wäre, mein Gott, die beiden sind 18 und 20 Jahre alt.

"Liebe ist sowas Wunderbares", hatte ich zu Junior gesagt, "es wäre wirklich echt schade, wenn du wegen sowas wie diesem hier aufhörst, an die Liebe zu glauben."
"Ich hab schon vor zwei Jahren damit aufgehört", antwortete er.
Mit 20 Jahren schon so desillusioniert... Das erschüttert mich.
"Lass dir doch einfach ein wenig mehr Zeit", habe ich gesagt, "es liegt noch so vieles vor dir. Es wäre doch echt schlimm, wenn du mit zwanzig schon alles erlebt hättest. Was sollte denn dann noch kommen? Weißt du, auch mit vierzig passierten mir noch Dinge, an die ich echt nie mehr geglaubt hätte. Das ist ja das Wunderbare an unserem Leben: dass es so voller Möglichkeiten ist. Und dass jeden Tag alles möglich ist. Auch Gutes. Schönes."
Ich wünsche ihm sein Supergirl. Das wird noch kommen, da bin ich sicher.
Und all den anderen Supergirls wünsche ich den Mann, der sie erfüllt.
Ich glaube immer noch daran.
Und bin so dankbar, dass ich nach Hause kommen kann - zu meinem eigenen Mann. Und er tatsächlich da war.



Montag, 19. Oktober 2015

Da werden Sie nicht vergessen!

Ich lese schon ziemlich lange im Blog  "Sehkrank im Matrosenpulli"  mit. Fast genauso lange konnte ich nicht kommentieren, weil man dazu extra eine Anmeldung bei blogger.de benötigt. Heutzutage geht ja kaum noch etwas, ohne sich im Internet registrieren zu müssen. Ich kanns ja noch verstehen, wenn ich was einkaufen will (wobei Namen, Adressen am Ende auch bloß nicht geprüft werden; theoretisch also könnte ich.. na gut, nicht mein Thema jetzt.)
Als der Liebste gestern fragte, ob ich Lust hätte, eine Veranstaltung von und mit Profitlich zu besuchen, setzte er hinzu: "Kannst ja mal im Internet gucken."
Ja, kann ich. Ich kann auch online Karten reservieren - aber nur, wenn ich mich vollumfänglich registriere. [Ich nenne sowas ja immer Datenklau.]
"Nö", sagte ich also zum Liebsten, "das mach ich nicht. Nicht noch ne Anmeldung, bloß weil ich nur mal Karten reservieren oder kaufen will." Reservieren oder kaufen als Gast übrigens nicht möglich.
Pffff. Nee.
Ich finde ja ohnehin, dass man sich mit seinen Internetauftritten irgendwie gläsern gemacht hat. Sei es nun FB, Blog, ja selbst mit dem E-Mail-Konto. Irgendwie nachvollziehbar, dass der Liebste irgendwann zu posteo wechselte. Datenklautechnisch bin ich mir heutzutage trotzdem nicht sicher, dass das über kurz oder lang wirklich Sinn macht. Netz ist Netz.

Sowas in der Art dachte ich jedenfalls heute morgen, als ich es mir noch vor Dienstbeginn auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte, meinen guten-Morgen-Kaffee schlürfte und nebenbei aus Jux und Dallerei testete, obs zum Beispiel bei Instagram auch ne Ziggenheimer gibt.
Ich meine, dass Helma Ziggenheimer bloß ein Pseudonym ist, weiß doch jeder; dass dieses Pseudonym aber aus einem Hörfehler meinerseits während einer Erzählung meines damaligen holländischen Chefs entstand, weiß vermutlich niemand. Insofern hielt ich diesen Namen nicht nur für originell, sondern auch tatsächlich für einmalig. Und würde das Schützen dieses Namens nicht mindestens 500 Euro kosten, würde ich sogar das mal gemacht haben. Helma Ziggenheimer als Marke. "Du bist vielleicht ne Marke", hat meine Freundin gelacht.
Insofern war ich heute Morgen richtig baff erstaunt, als ich feststellte, dass es "ziggenheimer" tatsächlich bei Instagram gibt - und dass nicht ich das bin. Sondern irgendeine Miss aus Kleinfinstmichnicht irgendwo in Amerika oder England oder was weiß ich woher, aber eben.. nicht ich.
Noch mehr erstaunt allerdings war ich, als ich feststellte, dass es sogar eine helmaziggenheimer gibt -und dass DAS wiederum tatsächlich ICH war. Nein bin. Nein war - Konto habe ich nämlich deaktiviert.
Wie komme ICH zu Instagram?? Hatte ich doch noch vor kurzem erst jemandem, der sich dort vermutlich ordentlich über mich austobte (so wurde es mir jedenfalls geschrieben), versichert, dass sie unbesorgt sein könne - ich wisse nichts davon, weil ich nicht bei Instagram sei (und wolle es auch gar nicht wissen), so musste ich heute Morgen feststellen, dass das glatt gelogen war? Zwar unwissentlich gelogen - aber die Rechtssprechung *har har* besagt ja: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.
Und außerdem habe ich sogar einen Follower! Kann zwar meinen eigenen Follower nicht sehen, also nicht sehen, wer das ist -  aber macht ja nüscht, Hauptsache einen haben, nicht wahr?
Nachdem ich mehrfach erfolglos versuchte, dieses verdammte scheiß Profil zu löschen (was will ich bitt schön bei Instagram??), fiel es mir wieder ein: Vor Jahren, mit meinem allerersten iPhone, hatte ich noch keine App auf dem Telefon, mit der man seine eigenen Fotos so bisschen aufhübschen konnte. Ich fand das aber irgendwie cool, das wollte ich auch. Wie aufgehübschte Instagram-Fotos aussehen, sah ich damals in diversen FB-Profilen. Also App installiert, paar Fotos renoviert und so weiter. Irgendwann wollte ich das alles aber nicht mehr, weil es mir zu blöd wurde und es inzwischen auch weitaus bessere Apps dafür gab. Nur - löschen konnte ich meinen App-Account nicht! Und jetzt, Jahre später, finde ich zufällig die Fotos aus der Instagram-App im Instagram-Netz.
Joar. Da war ich - gelinde gesagt - überrascht. Um nicht zu sagen: Mir tropfte der Kaffee aus dem offen stehenden Mund. Wie sagt der Liebste ja immer? "Das Internet vergisst nichts."
Wie man das Profil nun löschen kann, weiß ich zwar immer noch nicht, aber wenigstens habe ich es erst mal deaktiviert. Noch ne virtuelle Leiche mehr. Passt mir irgendwie nicht. Und bestärkt mich umso mehr darin, nicht mehr als unbedingt nötige Anmeldungen im Netz vorzunehmen.
Es gibt nur einen Trost für mich: Wenn ich meinen echten Namen google, kommt da so gar nix. Also nix, das wirklich was mit mir zu tun hat. Nur mit anderen, die auch so heißen wie ich. Das ist ja immerhin etwas.

Sonntag, 18. Oktober 2015

...just give me one night


One more night outside....




Regensburg ist eine schöne Stadt. Glaube ich.
Regensburg ist eine Studentenstadt, heißt es. Dafür sieht man aber irgendwie... für mein Empfinden viel zu wenige Studenten. Anders als in M oder in L. Eine altertümliche Stadt, die ihren Charme hat. Könnte ich mir vorstellen, dort zu leben? 
Nein, irgendwie nicht.
Aber wir waren gern dort. 

Es ist seltsam im Moment. Ich träume wild durcheinander, alles und jedes, glücklicherweise keine Alpträume. Wunderbare Momente genieße ich, ohne an morgen zu denken - und anschließend denke ich: Wenn es das letzte Wunderbare war, dann bin ich einmal mehr dankbar dafür. 
Früher hatte ich oft Angst, allein zu bleiben.
Früher hatte ich oft Angst, loslassen zu müssen, ohne loslassen zu wollen.
Früher hatte ich oft Angst, mich verabschieden zu müssen, ohne mich verabschieden zu wollen.
Heute habe ich diese Angst nicht mehr.
Aber ich bin sehr dankbar dafür, wie es gerade ist. 

Donnerstag, 15. Oktober 2015

Zwölf Jahre

 

Gestern vor zwölf Jahren haben wir uns zum allerersten Mal gegenübergestanden. Du in Jeans und Shirt, ich in diesem unmöglichen, hellbraunen Cordmantel; es war schon Abend geworden, und wir standen uns da gegenüber an der Autobahnabfahrt, Du hast gelächelt und ich habe breit gegrinst wie ein Honigkuchenpferd.
Ja, ich schau mir unwahrscheinlich gern Fotos an, aber lass doch die Fotos, viel lieber möchte ich Dich küssen, Dich auf Deinen wundervollen Mund und überhaupt überallhin.

Unter Deinen Händen, in den Aufnahmen Deiner Kamera betrachte ich mich so ganz anders, ist alles so anders.

Unser beider Leben war wie ein Magnet mit verstellten Polen. Wie wir uns begegnen, treiben wir auch wieder voneinander weg, mal länger, manchmal noch länger. Aus den Augen, nicht aus dem Sinn. Sehen Neues, erfahren Neues, denken, fühlen, vermissen, sehnen, nach was auch immer - und drehen die ganze Zeit wie verrückt an unseren Polen herum.

Heute leben wir miteinander, wir teilen unser Leben, unser Lieben miteinander und als ich Dich gestern Abend frage, ob Du je daran geglaubt hast, je hier mit mir so zu sitzen, da sagst Du: "Nein. So weit habe ich nie gedacht."
Und ich lächle und hebe das Glas Sekt. 
Ich will nicht, dass Du noch schnell irgendwelche E-Mails an irgendwelche Leute über Dein Handy schreibst, nur weil Du gerade damit begonnen hast, bis ich zu Dir trat; viel lieber möchte ich Dich auf jedem Treppenabsatz der U-Bahn küssen, meine Finger in Deine verhaken, an jeder Ampel möchte ich mich auf die Zehenspitzen stellen und Dich küssen.

Und während Du mir eine Pillendose für das Wiederfinden der Stimme aus der Apotheke besorgt hast, knöpfe ich mir den Mantel auf und zeige Dir, was ich mir für gestern Abend ausgedacht habe.



...ob das den letzten Traum erklärt?




Den aus diesem Post?
Ich habe mich gerade sooo köstlich amüsiert und beschließe, mal eben... Mittag zu machen!
Mahlzeit!

Liebe Amorsolalex, das Traumdeutungsbuch des Liebsten schweigt sich übrigens leider völlig über dieses Thema aus. Weder gibt es Ertrinken noch Ertränken etc. Mein innerstes Bewusstsein ist also so schlimm, dass es nicht mal den Weg in die Traumdeutung findet? *kreisch*
Zu "Meer" und "Schwimmen" findet es bislang nur Positives - aber was mir da wie immer fehlt, ist der Zusammenhang. Das große Ganze sehe... ich nicht! Mal wieder nicht :)


"Eckehard, die Russen sind da!"



Ich habe ja nicht umsonst vor zwei, drei Jahren die Kommentarmoderation eingeführt. Hauptursächlich für diese Entscheidung war die phasenweise Flut an Spam-Kommentaren, die mir hauptsächlich wahlweise Viagra oder Antibiotika anpreisen.
Hallo?
Manchmal ist es nervig, etwa 20 solcher Kommentare an einem Tag zu löschen. Aber lieber alle auf einen Schlag dezimieren (eben dank Kommentarmoderation) als sie nach und nach aus dem Blog filtern und löschen.

In letzter Zeit, so seit 3 - 4 Wochen, verzeichnet meine Statistik einen zunehmenden Ansturm aus Russland.
Nur einer hat erst mein Auge beleidigt und mich dann amüsiert zum Käffchen greifen sowie eine Message an diese Freunde schreiben lassen:



Montag, 12. Oktober 2015

Ich frage mich wirklich!

Wir schwammen auf hoher See. Weit und breit kein Land in Sicht. Dafür irgendwie noch ne Menge anderer Leute. Chef schwamm neben mir und noch ein Kollege - ich weiß nicht mehr wer. Mit uns unsere IT - deren Chef und dessen Mitarbeiter, der unsere Firma betreut.
Wir haben sie ersäuft.
Erst den Chef der IT, dann seinen Mitarbeiter.
So lange untergetaucht, bis die Armbewegungen aufhörten.
Dann sind wir an Land geschwommen und ich habe Chef gefragt: "Bist du sicher, dass das richtig so war?"

Der Chef hat sich darüber heute Morgen köstlich amüsiert.
Der Liebste hat auch geschmunzelt und gemeint: "Best you can do. Würde ich mit unserer IT auch gerne machen. Manchmal."
Und ich bin immer noch irritiert, was mir dieser Traum sagen will.

Sonntag, 11. Oktober 2015

Sind wir nicht alle ein bisschen schwierig?



Als ich noch ein Kind war, wurde ich ab und an gefragt, ob ich wirklich das Kind meiner Eltern sei - ich sei so anders als sie, so anders als meine Brüder. (Ich persönlich finde das ja gar nicht, insbesondere mein großer Bruder und ich sind uns sehr ähnlich. Finde ich. Auch wenn er entschieden weniger Haare hat als ich. Ha ha.)
Ich war das zweite von drei Kindern, das Sandwichkind sozusagen, und für mich war zu jener Zeit ganz nüchtern und klar: Der große Bruder wurde geliebt, weil er der Erste war; der kleine Bruder wurde geliebt, weil der der Letzte war - und ich? Ich war... eben da. Unauffällig in jeder Hinsicht. Pflegeleicht.
"Um dich mussten wir uns nie Sorgen machen", sagte meine Mum vor zwei oder drei Jahren.
Ich kann mich erinnern, dass ich schon als Kind von einer - für mich unbestimmten - Sehnsucht getrieben wurde. Ich konnte damals nicht mal genau sagen, wonach. Ich träumte von Prinzessinnen und Zauberwald und ich reagierte verstört und manchmal hysterisch, wenn ich dabei sein sollte, wenn Vieh geschlachtet und ausgenommen werden sollte. Das konnte ich nie, niemals, ich kanns bis heute nicht.
Dafür habe ich mich in meinem Zimmer vergraben, mir Geschichten ausgedacht und aufgeschrieben. Noch heute sehe ich mich neben dem Sessel meiner Großmutter stehen, als sie mir das Zeichnen beibrachte. Sehe ich mich auf ihren tiefen Fensterbrettern sitzen und lesen und malen.
Ich hab so viel gelesen als Kind. Selbst nachts unter der Decke mit der Taschenlampe, und die Großmutter schimpfte, wenn sie mich dort fand: "Du machst dir noch die Augen kaputt!"
Schon als Heranwachsende war ich fasziniert von der Liebe - oder besser gesagt davon, wie ich mir die Liebe vorstellte.
Als ich mit 18 Jahren meinen heutigen Ex-Mann kennen lernte, habe ich ihn geheiratet, kaum dass ich 19 Jahre alt war. Alle meine Sehnsüchte, Wünsche, Träume projizierte ich auf einen Menschen, der wortgewandt war, der die Richtung vorgab und von dem ich glaubte, alles würde gut in meinem Leben.
Ich habe ihn geheiratet und bin zu ihm gezogen. Wusste bis dahin weder, wie man einen Haushalt führt, wie man kocht, wie man mit einem - eigentlich - fremden Menschen zusammenlebt. Seine Bestimmtheit und - wie ich dachte - Gewandtheit im Leben hielt ich für Sicherheit, sie vermittelte mir Sicherheit und dass mir nichts passieren konnte. Ich verhielt mich, wie ich mich schon als Kind verhalten hatte: Ich funktionierte, ich passte mich an, ich passte mich ein. Weil ich schon als Kind begriffen hatte: Wenn alles gut läuft, ist auch alles gut, dann wirst du geliebt. Danach habe ich mich so sehr gesehnt.
Wie wertlos, nutzlos habe ich mich gefühlt, wenn eben nicht alles funktionierte und er mir vor Augen hielt: "Alle anderen Frauen können es besser als du. Du bist ein Versager."
Die ersten Jahre hat mich das nur geschmerzt, ohne dass ich mich wirklich gewehrt, ohne dass ich aufbegehrt hätte: Ich konnte doch nichts, wo sollte ich hin, wie sollte ich sonst überleben?
"Ihr müsst das alleine hinkriegen, wir können dir da nicht helfen", hatte mein Vater am Telefon gesagt. Von diesem Tag an habe ich nie wieder angerufen, um Unterstützung zu finden, und sei es die mentale. Von da an habe ich erst mal überhaupt nichts mehr gesagt, die Zähne zusammengebissen, mich um die Familie, die Kinder, eben das Leben gekümmert. Ich habe nichts gefragt, nichts hinterfragt, ich habe keine Geschichten mehr aufgeschrieben und auch nicht mehr gemalt. Dafür als Ehefrau, Mutter, Hausfrau und Angestellte funktioniert. Mich noch mehr angepasst und noch mehr eingepasst, bis ich irgendwann selber nicht mehr wusste, wer ich eigentlich war.
So oft mein Ex mit Scheidung drohte, so oft sagte er: "Ich kann mich gar nicht von dir trennen. Ich muss dich ja erst erziehen und dann will ich schließlich auch was davon haben von der ganzen Mühe."
Dass wir nach 6 Jahren noch ein zweites Kind bekamen, hat niemand verstanden, der vom Inneren dieser Ehe wusste. Erst als der Kleine etwa zwei Jahre alt war, dachte ich immer ernsthafter und vor allem konkreter an Scheidung.
Es war nicht das Leben, von dem ich als Heranwachsende geträumt hatte. Es war nicht die Liebe, nach der ich gesucht hatte. Aber das begriff ich zunächst nur ganz diffus, eher eine Ahnung als ein bewusster Gedanke. Neben der vorherrschenden Angst, bloß keinen Fehler zu machen, wegen dem er gegen die verschlossene Badezimmertür trat oder die Lehne des Sessels mit bloßer Hand zertrümmerte.
"Das, wonach du suchst, gibt es gar nicht", sagte mein Ex, "das gibt es nur im Film."
Woher wollte er denn überhaupt wissen, wonach ich suchte, wovon ich träumte, was ich mir wünschte? Er hatte doch nie danach gefragt.
Ich habe einen anderen Mann kennen gelernt. Über ein Jahr hat es gedauert, ehe ich mich darauf einließ, mit ihm einen Kaffee trinken zu gehen. Nach noch mal  zwei Monaten sagte er zu mir "Ich liebe dich!" Nach noch mal vier Wochen erzählte er vom Sofa, das seine Frau kaufen wollte und er sich fragte, ob das jetzt überhaupt noch Sinn machte - während mich die Tragweite erschrak.
In dieser Zeit habe ich zum ersten Mal wirklich damit begonnen, MICH zu fragen, was ICH wollte. Wohin ich wollte im Leben. In dieser Zeit habe ich zum ersten Mal begonnen, Fragen zu stellen, Antworten zu suchen. Dinge und Situationen zu hinterfragen. Alles ganz genau wissen zu wollen - und mich mit schönen Worten nicht mehr blenden zu lassen. Egal von wem.
Ich wusste immer noch nichts, als ich zehn Monate später meinen Ehemann verließ und zeitgleich auch die Beziehung zum anderen zerbrach. Ich hatte so wahnsinnig viele Fragen und so wahnsinnig wenige Antworten. Ich habe diese Entscheidung getroffen und allen Beteiligten schlussendlich die Wahrheit offenbart. Diese Entscheidung traf ich ganz für mich allein, unabhängig davon, ob es eine Zukunft mit dem anderen geben konnte oder nicht. Meine allererste eigene Entscheidung, die ich auch durchzog, nur vier Wochen später meinen ersten eigenen Mietvertrag mit zitternden Händen unterzeichnete: "Darf ich das wirklich?"
Es war, so sehe ich das heute, die spannendste, schwierigste und schmerzhafteste Zeit in meinem Leben - und diese Reise hat gut einige Jahre gedauert. Eine Reise, nach der ich heute sofort erkenne, wer mir Gutes will und wer nicht. Wer mir guttut und wer nicht. Wen ich in meinem Leben haben will und wen nicht. Wer mir nach dem Mund redet und wer seine eigene Meinung vertritt. Wer Antworten hat und wer lediglich Rhetorik beherrscht. Ich frage immer noch viel, ich hinterfrage immer noch sehr viel, ich denke viel, zerdenke zuviel, aber ich entdecke, ich halte Spiegel vor - und erschrecke zugleich auch oft vor meinem eigenen Spiegelbild.
Wenn mich die Summe dessen zu einem schwierigen Menschen macht, wie Wirrkopf es unlängst sagte, dann bin ich gerne schwierig. Lieber schwierig und selbstbestimmt, als schlicht und ergreifend... angepasst um den Preis des eigenen Ichs.

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Und da bin ich!


..."Ich bin da!! Regen? 13 Grad? Scheißegal - ich bin am Meer!!!" hatte ich euphorisch dem Liebsten geschrieben, damit er A wusste: Er muss sich keine Sorgen ums neue Auto machen - is alles gut gegangen, und B: Gibts kein B.

Ziemlich euphorisch nahm ich Schlüssel, Wegweiser und tausend Hinweisblätter entgegen, rannte strahlend und mit wehenden Fahnen in Haus IV - und noch in der Tür stockte ich: Ähm....
Scheiße. 
Ich hatte doch ein Zimmer mit Aussicht.. äh.. Balkon gebucht?
Balkone gibts auch - überall, aber alle eben über mir.
Ich Kellerkind!
Und was dem Namen nach was kleines Putziges an Unterkunft versprach, entpuppte sich eher als eine Art Resort. 
Na so hatte ich mir das vielleicht mal nicht vorgestellt!


 

Mitten im Zimmer die ganze Terrasseneinrichtung übereinander gestapelt.
Äh...
Netter Empfang!
"Das Foto ist nur ein Beispielfoto, wie Sie wohnen können", erklärte mir die nette junge Frau an der Rezeption, "wenn Sie sicher sein wollen, dass Sie ein Zimmer mit Balkon haben wollen, ist es besser, Sie rufen an."
Blöde Onlinebuchung ey. 
Und da stand ich nun, aus dem eben noch fliegenden Haar tropfte mir der Regen, in meinen Augen blitzte statt Begeisterung das blanke Entsetzen, weil mein Auge natürlich eines sofort wahrgenommen hatte: Keine Jalousien vor Fenster und Tür. Nix einbruchsicher. Ich hier allein. Tags. Und vor allem nachts. 
Ach herrje.
Und da soll man noch lachen? Und fröhlich sein?

Ach doch - bin ich! Krame den Schirm raus, hole mir den Poncho aus dem Koffer (der extra in Berlin neu gekaufte superaffengeile Mantel hängt übrigens brav bei den Söhnen an der Tür!), springe in meine Laufschuhe - und dann renne ich wieder raus vor die Tür. Der Rest des Tages muss ja schließlich genossen werden, bevor es dunkel wird und ich beginnen muss, mich hier ordentlich zu verbarrikadieren.

Und putzig ist es ja immerhin, dass man gar nix getrunken hat und trotzdem ernüchtert ist :)

Dienstag, 6. Oktober 2015

...und morgen bin ich frei

Irgendwann erzählte mir eine Freundin nach einer Therapiesitzung, dass sie gefragt wurde, warum sie sich um das Kind in sich selbst so wenig kümmerte. Zu ihrem - und letztlich auch zu meinem - Verständnis setzte die Therapeutin hinzu: "Wenn Sie ein Kind haben, kümmern Sie sich um dessen Bedürfnisse, die mehr sind als nur essen und schlafen. Sie kümmern sich, dass es ihm gut geht, dass es fröhlich sein kann - und dass es bekommt, was es braucht, um wohlbehalten und glücklich zu sein."
Ja. Natürlich.
"Und warum tun Sie das nicht für sich? Für das innere Kind in Ihnen?"
Hm.
"Ist das Kind in Ihnen es nicht wert, dass Sie sich um dieses Kind kümmern? Um sich selbst? Um Ihre Bedürfnisse?"
Ein neuer Betrachtungswinkel, der mich seither immer mal wieder beschäftigt.

Das eigene Avalon.
Nana schrieb in einem Kommentar zu meinem letzten Post davon - und es lässt und lässt mich nicht los. Auch schrieb sie von Häutungen, und ich erinnerte mich, dass ich vor Jahren schon mal solche bzw. ähnliche "Diskussionen" führte. Über das Leben philosophierte, die Ereignisse darin, die Wunden, die wir aus "Kriegen" davontragen, die eigenen Reifungsprozesse - und was das schlussendlich mit uns macht. Oft habe ich mich gefragt, ob das ICH bin, die nach dem x-ten Prozess zum Vorschein kommt. Ob ich dieses ICH annehmen wollte, könnte - und wie viel ich von dem Kind in mir vermisse. Manchmal kam ich mir selber fremd vor, erkannte mich nicht und wollte mich nicht. Ich wollte mich nicht so, ich wollte mich anders. Dann begann ich mich zu fragen: Wie sieht es denn aus, dieses anders? Wollte ich womöglich nur wie früher sein, wie ich mich selber kannte, weil mir mein neues (eigentliches) Ich Angst bereitete?
Wer bin ich denn?
Was will ich denn?
Wie fühle ich denn?
Um das zu erkennen, zu wissen, muss ich die Reise ins eigene Ich wagen. Und ich habe mich oft, sehr oft ablenken lassen. Das geht immer so leicht, das ging schon immer so leicht, in der Schule stand das hin und wieder im Zeugnis. Frl. K. hatte das auch in einem Kommentar angesprochen: Nein, aktuell langweile ich mich nicht in meinem Leben. Genau genommen langweile ich mich seit vielen Jahren nicht in meinem Leben. Nicht im alltäglichen Leben, nicht im Beziehungsleben. Ein ständiges Auf und Ab, Hin und Her, mal wirft es mich hoch, mal zieht es mich hinunter.
Zeit zum Lachen, Zeit zum Weinen - aber Zeit zum Verarbeiten? Zeit, herauszufinden, was ich geben will, und wem? Ich weiß nicht genau, ob ich die Zeit dazu nicht habe oder ob ich sie mir nicht nehme.
Ich bin so verdammt ungeduldig geworden.
Als ich heute Abend mit meiner Kollegin die Bürotür hinter mir zuschloss, da war ich so stehend k.o., dass ich mich fragte: "Nur zwei Tage im Büro, und ich bin so unendlich müde - wie habe ich das all die Jahre davor gemacht?" Vermutlich, indem ich einfach nicht darüber nachdachte. Weil es keine adäquate Alternative für mich gab - oder konnte bzw. wollte ich sie nicht sehen?
Ich male so gern und habe in den letzten drei, vier Jahren so wenig gemalt, dass mir inzwischen die Farben eingetrocknet waren und ich mir vor kurzem in Berlin neue kaufte. Das ist zehn Tage her - und habe ich sie benutzt? Hatte ich die Möglichkeit dazu? Nur ein einziges Mal - und ich habe diese Chance nicht ergriffen. Ich habe so viele Ideen, fühlte mich wahnsinnig inspiriert - und habe es trotzdem noch nicht begonnen. Dafür gearbeitet, zuviel gearbeitet, das Auto zwischendrin verkauft, das andere gekauft, dringend notwendige Gespräche mit den Söhnen geführt, zweimal in der Badewanne gelegen, aber nur einmal den dringend notwendigen Sport gemacht - und einmal in der Thai-Massage gewesen, die mir vor Augen führte: "Du viiielll ssssu verspannt. Nich nur verspannt, nich nur der Mussel, au der Nerv. Es ist au der Nerv." Die Nerven an der Innenseite der Oberarme. Jeden anderen Schmerz an diesem Nachmittag hatte ich ausgehalten, ich hatte ihn aushalten wollen, weil man mit Musche-Bubu nichts bewirken kann. Aber den Schmerz an den Innenseiten, den konnte ich nicht aushalten, der trieb mir die Tränen in die Augen und verschmierte mir die Wimperntusche auf den Wangen.
Wir haben gleich einen weiteren Termin ausgemacht. Für eine ganze Stunde. Es werden noch mehrere folgen. Wir haben zu lange gewartet. Wir warten immer... irgendwie zu lange, aber nicht alles lässt sich aussitzen.
Das Auge im Hurrikan erkennen, die Stille darin wahrnehmen - und sie für sich nutzen.
Nana, das lässt mich nicht los. Weil ich weiß, dass es mir zu selten gelingt.
Ich fühle mich wohl damit, bei meinen Jungen zu sein. Ich fühle mich wohl damit, sie zu umsorgen, an den vier Tagen im Monat. Für sie kochen, backen, Wäsche waschen, trocknen, bügeln, Behördenkram mit ihnen erledigen, Zukunftsperspektiven durchsprechen und mit ihnen angehen.
Es ist mir ein Bedürfnis.
Aber ich gebe zu, dass ich auch froh bin, wenn ich mich in Black Beauty schwingen und wieder davonfahren kann. Zurück auf meine einsame Insel. Zurück in mein persönliches Avalon, wo die Tage ruhiger sind, die Nächte entspannter, wo das Bewusstsein sich einpendelt und zurück findet zum eigenen Kind. Und mir ebenso klar wird: Ich kümmere mich um das Kind in mir so wenig wie ich es mit meinen Söhnen nicht halte. Niemals halten würde.
Morgen fahre ich ans Meer. Dringend notwendige Auszeit - von allem.
Nächste Woche fahren wir in ein Hotel, weit außerhalb von M.
Dann komme ich hierher zurück zu den Söhnen, weil ich da sein möchte, wenn mein Sohn Geburtstag hat. Und er den Termin hinter sich hat, bei dem er - hoffentlich - erfahren wird, ob er bis nächstes Jahr August zur Bundeswehr geht (alles unter 12 Monate keine Pflicht für Auslandseinsätze, alles besser als dieser widerlich verbissene Versicherungsterrier an seiner Wade, der bis heute keine Ruhe gibt). "Was hast du denn gegen die Auslandseinsätze?" - "Du bis mein Kind, das wirst du immer sein. Und ich will nicht, dass mir jemand mein Kind wegnimmt, der von Frieden redet und im selben Atemzug Waffen verkauft. Ich will nicht, dass mir jemand mein Kind nimmt für völlig wahnsinnige Machtspielchen, die keiner gewinnen kann. Nur verlieren." - "Süß!"
Irgendwo dazwischen habe ich einen Termin bei meinem Arzt: Die Nadel aus meinem Fuß muss raus. Endlich, nach etwa 35 Jahren.
Mich kümmern, aber irgendwie fühlt es sich noch zu halbherzig an. Zu wenig. Dafür, dass ich mich kümmere, fühle ich mich noch immer zu erschöpft. Und müde.

Morgen fahre ich ans Meer.
Morgen fühle ich mich frei.

Es muss mehr Heute geben.
Es wird mehr Heute geben.

Sonntag, 4. Oktober 2015

Auf den Kopf getroffen

"Das Leben ist kein langer, ruhiger Fluss. Bei mir niemals. Und auch bei vielen anderen nicht. Menschen, deren eigene Seele von Untiefen und Stromschnellen wimmelt, werden niemals einen Beziehungskahn durch strömungsloses Kanalwasser staken und die Aussicht bewundern. Nein… Sie werden tropfnass versuchen, das verloren gegangene Ruder mit einem Stock wieder aus dem Schilf zu holen, in Niedrigwasser auf Grund laufen oder mal eben über einen Wasserfall springen. Ab und zu auch das Boot wütend hinter sich herschleifen am Ufer. Alleine natürlich, weil Mitskipper gerade schmollt. Oder so."
(Quelle: RRP)

Samstag, 3. Oktober 2015

No Brain - no Pain

Weil ich es gerade bei Annika gelesen hatte: Nicht nur für jeden Hypochonder muss insbesondere die heutige Zeit ein Graus sein. Ich meine, Hypochonder gabs ja auch in grauer Vorzeit, sprich: in meiner Ausbildungszeit schon, denn da berichtete eine (damals noch sehr junge) Lehrerin von ihrer Schwiegermutter, die bei Halsweh spontan auf Speiseröhrenkrebs schloss und erwog, ihr Testament zu verfassen. Damals konnteste darüber lachen oder nicht und damit wars dann auch gut.
Heutzutage aber stellst du irgendein Zipperlein, irgend nen verdächtigen Fleck auf der Haut oder was auch immer fest, beliest dich im Internet - und was dabei zum Vorschein kommt, erhebt dann nicht nur den Verdacht auf zum Beispiel Speiseröhrenkrebs, nein, du liest schwarz auf weiß, DASS du ihn hast und von Glück reden kannst, dass du die Zeichen insofern rechtzeitig erkannt hast, um jetzt noch schnell deinen letzten Willen aufzuschreiben.
Harmlose Pigmentstörungen werden zum weißen Hautkrebs, in Millisekunden, ja da kann man schon mal schwer dran schlucken.
Ich finde es heutzutage gar nicht so leicht, die Balance zwischen "ernst nehmen" und "abwinken" zu finden. Immerhin kenne ich meinen Körper sehr genau und erkenne sofort, wenn etwas anders ist als es sein soll. Die Frage ist eben immer nur, wie ernstzunehmend oder nicht ist etwas? Sich völlig zum Drops machen beim Arzt oder lieber doch nicht gehen und dann irgendwann denken: "Scheiße, wärste nur mal eher gegangen."?
Trotzdem habe ich mir abgewöhnt, Symptome im Internet zu googeln. Es ist nicht nur der Informationen wegen, die einem eh nix nutzen. Vor allem ist es deswegen, weil ich dort Bilder zu sehen bekam, die ich seither nie wieder los wurde! So zum Beispiel hatte ich mal nach einem Cartoon gesucht "No Brain - no Pain" und was bekam ich zu sehen? Eine tote Frau mit nur noch einem halben, dafür leeren Schädel... Ja ich weiß, selber schuld. Alle die, die noch ihr Abendessen vor sich hatten: Mahlzeit. [Meine Söhne und ich wollen heute Abend übrigens auch ausgehen. Also gleich. Ich schätze mal, dank der Bilder, die ich mir grad selber wieder in die Erinnerung gequatscht habe, wird es bei mir heute nur zu einem Salat reichen.]
Als Annika heute nun beschrieb, wie sich sich fühlte, als ein (befreundeter oder verschwägerter oder so) Arzt sie im Büro anrief und sie ihn konsterniert zurückrufen musste, da musste ich doch etwas lachen in der Erinnerung dessen, das Sohn I mir heute erzählte: Stand doch vor zwei Tagen sein Hausarzt hier vor seiner Tür und ehe Junior überhaupt realisierte, dass der Herr H. eben der Hausarzt Herr H. ist, da blieb ihm gar keine Zeit, sich irgendwelche Gedanken oder gar Sorgen zu machen.
"Ach na hallo, SIE sind das! Wie kommts?"
"Na Sie könnten ja zum Beispiel auch mal an Ihr Handy gehen. Ich musste Ihnen nämlich nur noch sagen, dass Ihre Blutbefunde da sind und Sie nur noch die halbe der neuen Tabletten nehmen dürfen."
Sprachs, drehte sich rum und ging wieder.
Ich nenne das ja echt engagiert und lebensnah am Patienten, sozusagen.
Aber ich weiß nicht, was in einem Hypochonder vor sich gegangen wäre? Der eigene Hausarzt abends vor der eigenen Haustür? Wer bis dahin noch keinem Herzleiden unterlag, bekäme wohl spätestens dann eines ;)


Donnerstag, 1. Oktober 2015

Ich glaub, mir platzt der Arsch!

 Ich habe - ehrlich gesagt - schon überlegt, ob ich diese oder eine "besonnenere" Überschrift wähle. Aber dann habe ich mir gesagt "Scheiß doch der Hund drauf, mir IST JETZT NICHT NACH BESONNENHEIT!"
Junior II ist immer noch auf Jobsuche, und ich glaube, so langsam realisiert er, dass ich doch vielleicht ein wenig Recht behalten könnte, wenn ich sagte, dass er sich dies nicht so einfach vorstellen solle - immerhin hat er erst eine Art Vorausbildung abgeschlossen für einen Beruf, der eigentlich die Grundlage für die Erzieherausbildung bilden sollte. Die Ausbildung, die er leider nicht mehr fortsetzen will. [Ich gebe zu, mich grämt das immer noch. Nicht wegen der verschenkten Zeit. Aber die Aussichten, in diesem Job auch arbeiten zu können, in Lohn & Brot zu stehen und sicherlich auch nicht zu den Geringstverdienern zu zählen, das ist doch auch viel wert. Andererseits verstehe ich ihn ja: Man sollte einen Job mit Liebe und Leidenschaft machen - und dann muss dieser zu einem passen.] Also sucht er. Reger und intensiver als noch im Sommer. Es liegen mehrere Eisen im Feuer, aber das Feuer ist wohl eher.. nun ja. Jedenfalls hat er immer noch nichts, lebt vom Ersparten, das wie Schnee in der Sonne schmilzt.
Und ließ sich nunmehr zu einem Gespräch einladen, bei dem ich schon im Vorfeld Rot sah.  Nicht nur, weil es sich um den Typen handelte, der Sohn I im Dezember eine Fülle an Versicherungsverträgen aufgeschwatzt hatte, die Sohn I überhaupt nicht braucht, die ihm auch nichts nutzen - bis auf die Unfallversicherung. Den Rest haben wir wieder gekündigt - noch innerhalb der Widerspruchsfrist. Aus der sich Sohn I beinah wieder hätte rausreißen lassen, doch dann - wenigstens dann - hatte sich der Vater mit Nachdruck drangeklemmt. Gott sei Dank.
Nun Junior II. Ich sage nur: Deutsche Vermögensberatung. [Pause. Ich muss kurz kotzen gehen!]
So. Weiter gehts.
"Er sagt, ich kann für ihn arbeiten."
"Junge, du hast null Ausbildung auf diesem Gebiet, du hast null Vorbildung - und du hast dich noch niemals mit der Materie befasst. WAS bitte möchtest du denn dort erreichen? WIE bitte willst du dort Geld verdienen? Du wirst Leute, Freunde, Bekannte werben, vermitteln, damit dein künftiger Chef Verträge schließt. Damit verdienst du Geld. Aber glaubst du ernsthaft, dass es so einfach ist? Glaubst du ernsthaft, dass du als völliger Neuling, unbeleckt und ohne jede Ahnung davon jemandem glaubhaft machen kannst, dass ein Vertrag dort das richtige ist? Glaubst du wirklich, dass du damit Geld verdienst? Glaubst du ernsthaft, dass das so einfach ist?"
"Na P. ist ja auch seit über einem Jahr und hat sich jetzt einen BMW gekauft."
Da könnte ich schreien!
"P. hat nen solventen Vater und eine Mutter, die ihrem einzigen Göttersohn alles zukommen lässt, was der will! Und er hat Großeltern, die ihrem einzigen Enkel alles vorne und hinten reinschieben, bis es oben wieder rauskommt! Der studiert nebenbei, der arbeitet vielleicht immer noch in dem Laden, wo du immer dein Eiweißzeug kaufst! Du glaubst doch nicht wirklich, dass der allein durch seinen Job bei der DV AG seinen BMW gekauft hat?? Sag mal, Sohn, auf welcher rosa Wolke schwebst du eigentlich???"
Ich kann nachvollziehen, dass so junge, recht unbedarfte Leute sich blenden lassen. Dass man jung ist und trotzdem irgendwie die Welt erobern möchte. Ein cooles Auto fahren möchte. Coole Klamotten tragen möchte, und das möglichst auch im Job. Aber meine Fresse, im Supermarkt zu jobben oder im Freiwilligen Sozialen Jahr - das ist kein schlechterer Job, aber wenigstens bekommt er dort ein regelmäßiges Einkommen, mit dem er rechnen kann! Da weiß er, was er hat!

Wenn dann so ein glattgeschniegelter Typ kommt und ihm erzählt: "Ich verdiene jetzt 4.900 Euro im Monat", dann kommt mir der kalte Kaffee von vorgestern wieder hoch! Welcher seriöse Arbeitgeber bitte tritt so auf?! Welcher seriöse Arbeitgeber lockt seine potentiellen Arbeitnehmer mit irgendwelchen Geldern, die sie im Leben selbst nicht verdienen können, solange sie nicht wenigstens eine entsprechende Ausbildung besitzen und sich nicht nur übergangsweise für ein Jahr in diesem Job bewegen?!
"Ich soll doch gar keine Versicherungen verkaufen."
"Nein? Sollst du nicht? Was ist denn dann dein Job?"
"Er hat gesagt, ich soll erst mal klein anfangen, weil ich ja noch keine Ausbildung hab. So Assistenzsachen und so."
"Und was genau soll das sein? Wie soll das konkret aussehen?"

Als Antwort schickte er mir heute Nachmittag ein Foto eines Blanko-Vertrages.
Unter Punkt A fand sich mein "unseriöses Nichtwissen" bestätigt: Dass er für das Vermitteln aller möglichen Vertragsverhältnisse Geld bekommt, aufgelistet waren all diese möglichen Vertragsverhältnisse. Kein Wort von Assistenz. Kein Wort von reiner Büroarbeit. Natürlich nicht.
Unter Punkt E fand sich die Vergütung. Provisionen werden auf ein Kontokorrentkonto eingezahlt. Werden Verträge vor Ablauf ihrer Haftungsfrist gekündigt, müssen diese Provisionen anteilig oder völlig zurückgezahlt werden. Kommt sein Konto ins Minus, hat er dieses umgehend auszugleichen.
"Junge, bitte lass die Finger davon! Das ist ein reiner Provisionsvertrag, ohne jegliches festes Grundgehalt, ohne jede Sicherheit. Du hast null Ahnung von diesem Gebiet, null Ausbildung, das weißt du selbst, du kannst nicht mal mit dem Vertrag was anfangen - und du willst glaubhaft Versicherungen vermitteln? An wen eigentlich? An deine Freunde von der Schule oder die aus dem Sportstudio? Was glaubst du denn, werden sie zu dir sagen, wenn du denen mit sowas ankommst?"

Offenbar hatte Junior meine Vorbehalte, meine Gedanken an jenen Versicherungsvertreter weitervermittelt, auf welche Weise auch immer. Dieser reagierte prompt: "Deine Mutter soll aufhören, Halbwissen zu verbreiten, das ist unseriös." Auf Juniors Frage, was denn an meinen Aussagen falsch sei, kam die Antwort "Gerade wenig Zeit für das Kommentieren falscher Aussagen."
Daraufhin folgte jener Wortwechsel, den ich mir erlaube, hier reinzustellen (und ja, Junior weiß von meinem Blog).

Dann habe ich eben nur Halb- oder gar kein Wissen - aber eins kann ich immer noch: Verträge lesen.
Und Seriösität von Flachtröten unterscheiden.
Und so beschwor ich meinen Sohn:
"Wenn der Typ ehrliches, ernsthaftes Interesse an dir hätte, würde er dir auch seriös antworten: 'Ich kann die Vorbehalte verstehen, vielleicht kann man das ja im persönlichen Gespräch klären? Wann hättet Ihr Zeit?' DAS wäre seriös gewesen, aber das, was E. von sich gibt, bestätigt leider das schlechte Ansehen der DVAG und woher das kommt."
Ein Gespräch auf dieser Ebene lehnte ich anschließend ab, weil mir - sorry - dieses Niveau einfach zu flach ist.
Der Junge hat mir nicht mehr geantwortet - und ich bin doch irgendwie froh, dass ich am Wochenende vor Ort bin, um dann in Ruhe noch mal mit dem Jungen zu sprechen. In seinem Alter war ich genauso gutgläubig, genauso blauäugig und vertraute immer darauf, dass die Leute, die ich kannte, es auch gut mit mir meinten. Und dass die, die mich nicht kannten, mir trotzdem nix Böses wollten - es gab ja auch keinen Grund?
OK, als ich 19 war, gabs keine Marktwirtschaft, keinen Kapitalismus - viel konnte einem in der Hinsicht nicht passieren. Ich bin froh, dass es heute so viel mehr Möglichkeiten für die jungen Leute gibt. Und letztlich bin ich auch sehr froh, dass der Junge mich wenigstens noch einbezieht. Dass er mit mir spricht, bevor er irgendwas unterschreibt, macht, tut. Nicht so wie Sohn I, der sich - gutgläubig und im Vertrauen auf ein Freundschaftsverhältnis - alles mögliche aufschwatzen ließ, das er gar nicht braucht. Ich hoffe nur wirklich, dass er dies auch in Zukunft so macht. 

Und wenn ich diesen anderen Typen in die Finger bekomme, echt, ich schwörs, der läuft Achten!

Mit der warmen Hand

Heute, in meiner ersten Schaffenspause, las ich ein wenig in meinen Lieblingsblogs herum und stieß dabei auf diesen hier, der mich nachdenklich machte. Der mich an die Worte meiner Mutter erinnerte: "Ich gebe das, was ich habe, lieber mit der warmen Hand, als dass es hinterher Streit drum gibt. Oma hat auch immer gesagt: Es muss nur so viel da sein, dass ihr mich ordentlich unter die Erde bringt, dann gibt es auch keinen Zank."

Für mich gehören Streitereien um Geld, ob zu Lebzeiten oder danach, zu den widerwärtigsten, die es zwischen Menschen geben kann. Vor ein paar Jahren noch habe ich immer gesagt: "Ich habe erst gar keins, damit gibts auch keinen Streit." Was sich in der Realität aber eben anders zeigt.
Als 1994 meine Schwiegermutter starb, hatte der Schwiegervater auch Angst vor dem, was nun kommen könnte. Dass die Kinder sich hinstellen und ihren Pflichtteil fordern an der soeben erworbenen Eigentumswohnung, die es noch lange abzuzahlen galt. Ich fand das ganz erschütternd, dass er diese Befürchtungen überhaupt hegte - letztlich zeigt ja aber die Realität, dass solche Ängste leider Gottes nachvollziehbar waren und sind.
Überhaupt finde ich es bestürzend, dass Eltern sich in ihrem Leben Geld zusammensparen, davon eine Wohnung, ein Haus oder was auch immer kaufen - und sobald einer stirbt, haben die Kinder ein Anrecht auf einen Pflichtteil dessen, was dem Verstorbenen gehörte. Ich kanns nicht nachvollziehen! Was haben denn die Kinder in ihrem Leben je dazu beigetragen, was die Eltern sich ansparten und dadurch erwarben? Warum ist es nicht so geregelt, dass man diesen Anspruch erst dann erwirbt, wenn beide Eltern nicht mehr da sind? Und wenn bis dahin nix mehr übrig ist, ja dann ist halt nix mehr übrig! Wenns der Zurückgebliebene verprasste, ist das doch auch sein gutes Recht, weil er doch Zeit seines Lebens sparte und zurücklegte, nicht die Kinder?

OK, das gilt für den Otto Normalbürger. Es mag etwas anderes sein, wenn ein Elternteil von Haus aus wohlhabend war, der andere "dazukam" bzw. "einheiratete". Doch für diesen Fall kann man doch auch vorsorgen? Dass man im Fall seines Todes verfügt, wer was bekommen soll? Weil man vielleicht den Partner kennt und weiß: Bevor der alles sinnlos verprasst, gebe ich den Kindern noch dies und jenes?
Es gibt ja auch zerrüttete Familien, bei denen die Kinder diejenigen sind, die sich so gar nicht um die Eltern kümmern, aber angerannt kommen und die Hand aufhalten, sobald es Geld geben könnte. Das habe ich ganz live in meinem Umfeld, und es erschreckt und entsetzt mich immer wieder, wie habgierig Menschen sein können.
Mich schockiert immer wieder, welches "Gesicht" Menschen zeigen, sobald es um Geld geht. Wobei ich der Meinung bin, dass Geld den Charakter nicht verändert, aber sehr wohl zeigt, was tatsächlich in einem drin steckt. Wer man wirklich war und ist.
Momentan ist bei mir verfügt, dass das Geld, das ich hinterlasse, meinen Söhnen zukommt - und momentan traue ich ihnen durchaus zu, dass es zwischen ihnen keinen Streit darum geben wird. Jeder zu gleichen Teilen das, was bleibt. Und ich kann nur hoffen und wünschen, dass sie ihr Leben mit Frauen teilen werden, die kein bislang verstecktes Gesicht zum Vorschein bringen. Die kein böses Blut entfachen und die Brüder entzweien.

Mein Schwiegervater und ich haben uns nie wirklich verstanden. Er hat mir immer unterstellt, ich würde meinen Mann betrügen. Lange Jahre schon, sehr lange, bevor ich mich wirklich im letzten gemeinsamen Jahr auf jemanden anderen einließ und irgendwann die Entscheidung traf: Egal wie es weitergeht - aber mit dem Ehemann auf keinen Fall mehr.
Und mein Schwiegervater befand immer, dass ich zu wenig für ihn tat. "Da habe ich nun eine Tochter und eine Schwiegertochter, und keine kümmert sich um mich." Ein Mann Mitte Fünfzig, invalid geschrieben aufgrund eines Herzleidens, aber körperlich rüstig und fit und optisch immer wie jemand, der gerade aus der Karibik zurückgekehrt war. Ein Mann Mitte Fünfzig mit einem Hund in einer Einraumwohnung - und dem wollte noch der Haushalt geführt werden. Fenster putzen, Wäsche waschen und bügeln und sowas. Der den ganzen lieben langen Tag Zeit dafür hatte. Während jeder einzelne Tag bei mir um 3.30 Uhr begann, um dem eigenen Mann das Frühstück zuzubereiten, die Kinder zu versorgen und mit ihnen "unter dem Arm" aus dem Haus zu stürzen, um sie im Hort und Kindergarten abzugeben, damit man Punkt 6.30 Uhr im Büro stand. Wo einen der Chef erwartete, den Blick demonstrativ auf die Uhr und die Augen nach oben verdrehend, weil ich es eben erst um 6.35 Uhr ins Büro geschafft hatte. Bei Gleitarbeitszeit, übrigens.
Abends zwischen 17 und 18 Uhr nach Hause hetzen, einkaufen, Abendessen zubereiten, die Kinder versorgen, den Haushalt versorgen - und keinen kümmert es, wie du das machst und schaffst und ob du irgendwann vielleicht doch auf dem Zahnfleisch kriechst. Keine Anerkennung für das, was du jeden Tag leistest, alles selbstverständlich "weil das alle anderen Frauen auch schaffen, sogar noch besser als du", dafür immer Streit, wenn irgendwas nicht den Vorstellungen entsprach.
Sohn II und seine Cousine sind gleichaltrig, sie besuchten beide denselben Kindergarten. Der Opa hat nur die Enkeltochter abgeholt, den Enkel ließ er stehen: "Deine Mutter kommt ja auch bald."
Und zu meinem Ex sagte er: "Na klar könnte ich den Jungen auch mit abholen, aber dann würde ich deiner Frau ja einen Gefallen damit tun, und ich will ihr aber keinen Gefallen tun."
Ob er sich dabei jemals gefragt hat, wie der Kleine sich dabei gefühlt hatte, wenn der Opa nur die eine mitnahm und ihn nicht?
Doch was es auch immer für Auseinandersetzungen gab - mir war immer wichtig, dass mein Ex sich letztlich mit dem Vater vertrug: "Es ist am Ende immer noch dein Vater. Wenn irgendwann etwas passiert und ihr seid im Streit auseinander gegangen, wirst du es dir vielleicht nie verzeihen?"
"Mir egal. Mein Vater ist mir echt egal."
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dir wirklich egal ist. Er ist doch immer noch dein Vater."
Und so ist er auf ihn zugegangen, zuletzt im November 2002. Sie haben sich versöhnt, wieder miteinander gesprochen und ein Bier getrunken. Und ein paar Tage später ging der Vater abends zu Bett und stand morgens nicht mehr auf. Das war für uns alle ein Schock, auch für mich, auch wenn ich selbst nie ein Band zu diesem Menschen hatte. Trotzdem ging das doch nicht, dass der einfach so starb? Selten zwar, aber hin und wieder, gerade beim Lesen des Posts von Tikerscherk, denke ich an diese Zeit - und bin immer noch sehr froh, dass die beiden sich versöhnten, bevor die letzte Möglichkeit dazu vertan war.
Mir ist bewusst, dass das nicht auf jede Lebenssituation und zu jedem Menschen passt. Mir ist auch bewusst, dass ein konsequenter Schnitt manchmal für beide Seiten das Beste ist.
Das Leben zeigt aber auch immer wieder, dass Menschen sich da entzweien, wo es einfach nur an der Kommunikation mangelt. Dass Menschen sich stur zurückziehen und auch den Schritt auf sie zu nicht annehmen wollen. Manchmal bleibt unverständlich, warum Familien auseinanderbrechen und es einfach nicht möglich ist, sich auszusprechen. Warum Vorbehalte allen anderen, aber nicht dem Betroffenen selbst mitgeteilt werden. In der eigenen Familie habe ich oft vermittelt - aber man kann nicht vermitteln, wenn nur eine Seite sich willens zeigt und die andere stur auf einem Standpunkt beharrt, für den es keine Argumente gibt, nur die Aussage "Nö, ich will aber nicht." Muss man dann auch akzeptieren, so schade es auch ist.

Sicherlich habe ich nicht jeden Tag vor Augen, dass ich Auseinandersetzungen nicht führen sollte oder sie zumindest beilegen sollte, sobald der andere das Haus verlässt, weil man ja nie weiß und so. Ich spreche Dinge an, wenn sie mich belasten, bedrücken, quälen, auch wenn sich nicht immer sofort eine Lösung ergibt und es manchmal auch bedeutet, mit klopfendem Herzen im Bett zu liegen und nicht in den Schlaf zu finden.
Mein Vater hat mich sehr lange Zeit seine Ablehnung spüren lassen, als er erfuhr, dass ich im letzten Jahr meiner Ehe einen anderen Mann geliebt habe. Genau genommen zehn Jahre lang. Für ihn war unverzeihlich, dass ich mich überhaupt auf sowas eingelassen hatte. Ich habe seine Meinung akzeptiert, auch seine Aussage "Erzähl mir nichts darüber, ich will nichts davon wissen."  "Das ist OK, Papa, aber dann verurteile mich doch auch nicht."
Erst in den letzten zwei Jahren gehen wir wieder entspannter miteinander um. Er wird 72 in diesem Jahr. Meine Mum ist vor zwei Jahren schwer erkrankt und wie es aussieht, hat sie sich noch immer nicht wirklich davon erholt. Seit Jahren pendle ich über vierhundert Kilometer hin und her - erst der Liebe wegen, jetzt des Jobs und der Kinder wegen. Nur selten noch denke ich an den schweren Unfall vor 9 Jahren mit der defekten Lenkung, aber fahre immer noch lieber mit Bus oder Bahn, sobald das Wetter schlecht wird: Ob er auch manchmal denkt, dass man sich besser miteinander versöhnen sollte, bevor es eben nicht mehr geht?