Mein Blog ist ja eher ein kleiner Ausriss aus meinem Alltag. Oder umreißt wenigstens ein wenig meine Alltagsgedanken. Blogstöckchen verfolge ich nur sehr selten, weil ich - wenn ich mir das erlauben darf zu sagen - nur mit den wenigsten etwas anfangen kann.
Heute aber habe ich ein Stöckchen gefunden, das ich mir aufgehoben habe. Ich meine, was soll ich Euch sonst erzählen - von gut heilenden OP-Narben und schlechten Nierenzuständen, die mir das dritte Antibiotikum in rund vier Wochen (und damit womöglich doch noch eines Tages eine Fellzunge oder wenigstens Eselsohren) und glatte 5 Kilo weniger seit Jahresbeginn bescherten? Nee, das finde ich auch nicht so prall als Thema.
Außerdem finde ich, dass man mit einem guten Blogstöckchen... ja auch viel über sich sagen kann. Oder?
Probiern mers.
Was bewirkt für Sie Kunst?
Diese Frage erinnerte mich an die Geschichte vom Kaiser mit den neuen Kleidern. Vermutlich bin ich ein totaler Banause, weil ich bis auf eine Ausstellung mit Fotografien sonst mit keiner etwas anfangen konnte. Eher kichernd oder kopfschüttelnd vor den Kunstwerken stand und befand, dass die Leute einfach nur zu feige waren zu gestehen, dass das Dargebrachte gut und gern den Werken der Vorschulkinder entsprach. Übrigens, bei meinem Hausarzt hängt ja auch so ein riesengroßes Bild an der Wand. Was sehen wir darauf? Lauter bunte Kreise, alle gleich groß und schön in einer Reihe und manche übereinander, bis das Bild voll war. Kostenpunkt: 469,00 Euro. Ich muss mich jedesmal dazu zwingen, nicht den Stift aus der Tasche zu holen und unter das Preisschildchen "Vergiss es!" zu schreiben.
Kunst...
Musik ist Kunst.
Und das ist meine Passion (so wie das Schreiben).
Musik gibt mir alles, was ich brauche. Es hebt mich hoch, es belebt mich, befreit mich, hilft mir auf die Beine, streichelt meine Seele und bringt all die Bilder in meinem Kopf zum Laufen.
Allerdings bin ich kein Fan rein klassischer Musik. Herr Blau würde gern mal mit mir in die Oper gehen. "Wenn keiner versteht, was die da eigentlich singen, was soll mir das dann geben?" habe ich zweifelnd gefragt.
Richard Gere hätte ich in "Pretty Woman" also schon mal nicht beeindruckt.
Zumindest bin ich offen für Erfahrungen: Das nächste Weihnachtsoriatorum in der Kirche werden wir uns gönnen. Ich werde mich schön warm anziehen und für alle Fälle das Buch "Anleitung zum Entlieben" von Conni Lubek einpacken. Das ist manchmal stimmungsvoll - und manchmal recht lustig. Erinnere mich übrigens grade an einen Heiligen Abend vor 9 Jahren; mein damaliger Freund und ich saßen in den hinteren Reihen auf den Kirchenbänken und erlagen einem Lachflash (was das Thema war, weiß ich nicht mehr). Man muss ja auch nicht alles immer so ernst nehmen.
Fünf Worte, die Ihrem Geist nah sind
Freundlichkeit. Liebe. Wärme. Zuhause. Geborgenheit.
Keine Ahnung, ob ich die Frage richtig interpretiert habe. Die fünf Worte sind die, die mir spontan am nächsten im Sinn waren. Die letztlich auch elementar für mich sind.
Was könnte Freiheit für Sie sein?
Das wiederum erinnert mich an ein Zitat von Hans Kasper, das ich sehr lange bei mir trug: "Die Freiheit ist eine Treppe mit tausend Stufen, kein Fahrstuhl."
Freiheit ist für mich vor allem die innere Freiheit. Wirklich ich selbst sein zu können, ohne mich zu verbiegen, mich permanent anpassen zu müssen und Eigenes an Verhalten, Träumen und Wünschen komplett aufgeben zu müssen. Das hatte ich 16 Jahre lang, mit mir nicht mehr.
Freiheit ist für mich im Gegenzug auch, die anderen so sein zu lassen wie sie sind. Ich muss mich ja nicht mit jedem verstehen und auch nicht mit jedem auskommen - mit mir muss man das schließlich auch nicht.
Ich habe gelernt, "Nein" zu sagen zu näheren Begegnungen mit Menschen, die mir nicht liegen. Und auch "Nein" zu sagen zu einem Urlaub mit Menschen, die mir nicht liegen. Auch nicht dem anderen zuliebe. Das heißt nicht, dass der andere diesen Urlaub nicht machen dürfte (Menschen sind schließlich kein Besitz). Aber ich würde mir die Freiheit herausnehmen, da nicht mitzufahren. Dann lieber allein ans Meer. Aber dann achte ich darauf, dass ich nicht wieder dieses Erdgeschosszimmer bekomme ;)
Haben Sie ein Lebensmotto?
"Egal wie dunkel der Raum auch ist: Liebe und Hoffnung sind immer möglich."
Drei Dinge aus Ihrem Kühlschrank
Nürnberger Würstchen. Weichkäse. Ingwer.
Ich liebe schwarzes Körnerbrot mit Weichkäse, am liebsten den Bergkäse vom Discounter. Und da oben drauf Marmelade oder Birnen-Feige-Senf.
Ingwer kenne ich erst seit Herrn Blau. Am liebsten mag ich Ingwer in der Karottensuppe mit Koriander, Creme fraiche und Avocado.
Die Würstchen hat sich der Mann gekauft.
Ihre größte Herausforderung?
Eigene Grenzen überschreiten, vor allem dann, wenn ich es selber eigentlich nicht will. Und ich habe festgestellt, dass manche Grenzüberschreitungen gewisse Ängste trotzdem nicht besiegen.
Ich bin schon mal mit dem Flugzeug geflogen, mit einer Seilbahn gefahren und auf einen Turm gestiegen: Angst vor Höhe habe ich noch immer und lehne diese auch, so gut es geht, ab.
Genauso versuche ich noch immer, beengte Räume zu meiden. Was nicht immer möglich ist - so wie gestern auf dem Weg zum Hausarzt. Eine U-Bahn-Linie mit Behinderungen, also die andere U-Bahn-Linie doppelt voll. Menschen so dicht gedrängt und ohne Rücksicht auf Verluste, dass ich kaum noch atmen, dafür aber jede Pore am Hals des Mannes vor mir, neben mir zählen und den Atem eines Mannes in meinem Nacken spüren konnte. 55 min später beim Doc hatte ich einen Ruhepuls von 101.
Ihre angenehmste Beschäftigung?
Das ist unterschiedlich. Manchmal male ich gern. Manchmal lese ich gern. Manchmal puzzel ich gern. Ich mache vieles gern, ohne sagen zu können, dies oder jenes davon wäre mir das liebste.
Gibt es in Ihrem Tun Rituale?
Bei dieser Frage musste ich spontan an meinen Großen denken. Er ist, seit er klein war, ein Mensch, dem Wiederkehrendes irgendwie Stabilität und Geborgenheit bedeutet. Das hat sich so "ausgewachsen", dass er noch heute sehr an den Gewohnheiten hängt - und kurzfristige Veränderungen ihn eher verunsichern.
Ich dagegen... Ich glaub, das ist mein Naturell, dass ich mich mehr oder weniger spontan umstellen kann. Zwillinge halt.
Aber ich hab festgestellt, dass ich mich sehr schnell an Schönes gewöhne - und das dann auch vermisse, wenn es nicht so ist. Ich mag zum Beispiel abends nicht so einschlafen, dass man sich hinlegt, "Nacht" sagt (oder auch gar nix), sich rumdreht und einschläft. Ich mag es vielmehr, dem Mann einen Kuss zu geben und meine Hand in seine zu verhaken - oder meine Hand auf seinen Bauch zu legen.
Ich mag es, den Tag entspannt in Flanellhosen zu beginnen und eine Tasse Kaffee genüßlich in der Hand zu halten.
Sind das jetzt Rituale? Ich glaub nicht, weil, es ist ja nicht jeden Tag und nicht jeden Abend so - dann fehlt es mir, aber es irritiert mich nicht :)
Haben Sie einen Plan?
Nein. Ich glaube, ich hatte noch nie einen Plan. Ob ich deswegen auch nie so wirklich zielstrebig einen Weg gegangen bin? Wie auch immer. Ich habe keinen Plan - aber Träume, die ich mir Stück für Stück erfülle. Manche sind erfüllt, andere sind noch in der Warteschleife - oder es sind neue entstanden. Das ist ja irgendwie auch das Schöne am Leben: dass Wege sich immer wieder neu ergeben können und es jeden Tag in eine andere Richtung gehen kann.
Ich glaube, hätte ich einen Plan, dann wäre ich zu starr. Würde krampfhaft (andere sagen dazu ehrgeizig) festhalten an dem, was ich unbedingt will, und könnte mich dann nur schwer davon lösen oder wäre am Boden zerstört, wenn der Plan misslingt.
So bin ich nicht. So war ich auch nie. Ich bin wohl doch eher der Schmetterling, von dem eine Freundin einst sprach.
Auf welche drei Dinge möchten Sie nicht verzichten?
Auf ein schönes Zuhause - weil das meine Ruheinsel ist.
Auf Musik - weil dann meine Seele verkümmern würde.
Auf Milchkaffee, den ich in einem Straßencafe trinken und bei dem ich nebenbei die Beine baumeln lassen möchte - ohne Angst haben zu müssen, das vor mir, neben mir, über mir Furchtbares passiert.
Wie treffen Sie Entscheidungen?
Das hängt davon ab, worum es geht. Sachliche Entscheidungen funktionieren bei mir schnell, spontan und zackig. Ja oder Nein, kein vielleicht-mal-sehen-irgendwie-irgendwo-irgendwann (deshalb habe ich eben auch konsequent den gemeinsamen Ring abgelegt und bleibe auch dabei).
Wir sind zum Beispiel gerade dabei, Wohnungen zu besichtigen. Ich muss da nicht rumeiern: Ja oder Nein weiß ich, sobald ich aus der Tür gehe - und sage das auch. Glücklicherweise sind Herr Blau und ich fast immer derselben Meinung.
Entscheidungen, die Beziehungen zu Menschen betreffen, treffe ich hingegen erst, wenn ich in mir selbst den Knock-Out-Punkt gefunden habe. Meine Schmerzgrenze ist sehr schnell erreicht bei Menschen, zu denen ich keine oder nur eine geringe Bindung habe. Bei anderen hingegen... muss dann schon erst eine ganze Menge passieren, ehe ich endgültig meinen Hut nehme.
Was beeindruckt Sie?
Ich schätze es sehr, wenn Menschen in ihrem Leben etwas erreicht haben, ohne sich mit Ellenbogen durchs Leben geboxt zu haben. Die das Erreichte genießen, ohne es zur Schau zu stellen, ohne ihre Menschlichkeit, Güte und Verständnis für andere zu verlieren. Die einfach... Mensch bleiben.
Was bedeutet Zeit für Sie?
Zeit zum Lesen. Zeit, um in der Badewanne zu liegen. Zeit, um meinem Ich seinen Raum zu geben.
Schreiben Sie noch mit dem Füller?
Ja. Aber selten. Und nur besondere Briefe.
Eine Bekannte von mir erzählte mal, sie schriebe ihre Gedanken, die ihr so tagsüber in den Sinn kämen, auf kleine Zettel, manchmal Packpapier - und fast immer mit einem Füller. Dieser Gedanke gefiel mir sehr.
Was verzeihen Sie am ehesten?
Ich glaube, ich bin da... insgesamt ein eher verträglicher und vor allem nicht nachtragender Mensch. Was war, ist vergessen, wenn man es bereinigt hat. Außer in der Liebe. Schweizer Uhrwerk, sage ich da nur ;) Nur Gewalt in jeder Form, die verzeihe ich niemandem.
Was bringt Sie in Rage?
Ungerechtigkeit. Lügen. Hinterhältigkeit.
Wofür sind Sie dankbar?
Für mein Leben. Für das, was darin war und was darin ist. Na ja, nicht für alles. Aber für das meiste darin. Ich bin dankbar, dass gerade alles so ist wie es ist. Für die Begegnungen mit wunderbaren Menschen und dafür, dass die meisten von ihnen immer noch da sind. Für die Möglichkeiten. Für die geöffneten Türen.
Was sagen andere über Sie?
Oh, diese Palette ist sehr breit, da ist von allem was dabei - suchen Sie sich was aus.
Was kann Ihnen den Tag retten?
Hier denke ich an einen Tag im Dezember 2014, als ich auf dem Weg vom Zahnarzt am Büdchen in der U-Bahn einen Kaffee kaufte und der Verkäuferin "Wunderbare Weihnachten" wünschte. Sie hat daraufhin so herzlich gelächelt, dass jegliche Müdigkeit aus ihrem Gesicht wie weggewischt war. Das hat mich den ganzen Tag begleitet!
Welcher Künstler/ Buch/ Ereignis hat die Kraft, Sie aus dem Alltag zu entheben?
Das ist nicht an jemand Bestimmten gebunden. Bei mir ist es im Grunde nur die Musik. Dann kann ich sofort ganz woanders sein - egal, wo ich gerade wirklich stehe oder liege.
Gibt es für Sie Ideale?
Nein. Gab es auch noch nie. Weil ich noch nie ein anderer sein wollte als ich selbst.
Als ich etwa zwanzig, einundzwanzig Jahre alt und mein Haar noch blond war, wurde ich oft mit Claudia Schiffer verglichen. Ich fand das ganz schlimm! Es gab für mich kaum einen anderen Menschen, dessen Personalität ich so flach fand wie den von Claudia Schiffer.
Aber es gibt Menschen, die mich beeindrucken und von denen nehme ich mir dann manchmal etwas mit auf meinen eigenen Weg.
Danke. liebe Lady, für diese Fragen - auch wenn ich jetzt müde bin :)