...gelangte ich über einen aktuellen zu einem "Uralt-Post" von Goldi, der mich seither.. sagen wir.. ein wenig beschäftigt. Die Exklusivität des Liebens; kann sein, wir hatten dieses Thema einst schon.
Ich hab vielleicht nie so wirklich darüber nachgedacht, ob ich mich selbst oder den Mann neben mir einschränke, ich habe mir vielleicht auch nie wirklich Gedanken darüber gemacht, ob ich andere Männer oder ob er andere Frauen braucht. Vielleicht musste ich ja auch nie darüber nachdenken, weil es nie ein Thema für uns war?
Ich bin nun keine siebzehn, keine zwanzig und auch keine dreißig mehr - jedoch tief in mir bin ich noch immer das Blumenmädchen geblieben, das an die Liebe glaubt und dafür auch lebt.
Ich liebe es, in mir das Gefühl erweckt zu bekommen, ständig zu singen, obwohl ich es gar nicht kann, beim Essen zubereiten, im Auto; ständig herumzutanzen, obwohl gerade ich mit meinen eckigen Bewegungen es überhaupt gar nicht kann; ich liebe es, in mir das Gefühl erweckt zu bekommen, dass alles frei und unbeschwert sein kann - auch wenn es das Leben oftmals eben nicht ist.
Ich liebe es, wenn der Mann heimkommt, zu mir nach Hause kommt, nicht aus Verpflichtung, sondern weil er es genau so will, ohne dass er nach einer anderen Frau riecht oder schmeckt. Natürlich kann ich nicht sagen, ob oder an wen er denkt, wenn wir uns berühren, aber ich kann sagen, dass ich ausschließlich an ihn denke, wenn ich ihn berühre, wenn wir beieinander liegen, wenn ich nachts auf seinen Atem lausche und meine Hand auf seinem Bauch ruht. Wenn ich meinen Kopf an seinen Rücken lehne, seine Silhouette wahrnehme, die Ruhe, die Stille, die Geborgenheit des dunklen Zimmers, seinen Herzschlag an meinem Ohr fühle und mit diesem... die Endlichkeit des Seins und die Unendlichkeit des Liebens begreife...
Das sind Momente, die ich niemandem anderen abspreche, der für sich sagt, dass er neben seinem Partner auch den Sex mit anderen Menschen braucht. Aber das sind für mich so persönliche, intime Momente, die ich einfach... mit niemandem anderen teilen kann.. nicht teilen mag..
Nein, ich denke nicht, ich fühle nicht und ich beanspruche den Mann nicht als meinen Besitz.
Er ist genauso frei wie ich es bin und wir sind genauso frei wie wir es sein möchten.
Würde er mir eines Tages Wünsche offenbaren, die sich auf Dritte erstrecken, dann würde ich es ihn tun lassen... Aber ich würde ihn dann auch gehen lassen... Ich möchte nicht, dass er auf etwas verzichtet, nur weil ich es nicht mittragen kann.. Ich möchte nicht, dass er sich in etwas ergibt, das nur mich glücklich macht. Was gäbe es mir? Nur ich.. Ich könnte dann nicht mehr mit ihm sein. Es ist schwer zu erklären, jedoch.. All die Dinge, die mir so viel bedeuten, die mir im Miteinander so unendlich viel bedeuten.. ich könnte sie nicht mehr auf eine besondere Weise empfinden und nicht mehr mit ihm teilen. Es ginge einfach nicht mehr.. Der Zauber wäre zerstört. Für mich ganz persönlich wäre er zerstört.
Der Zauber meiner eigenen, persönlichen Vorstellung von der Liebe zueinander. Und ja, das ist auch meine eigene, ganz persönliche Vorstellung - und diese zwinge ich niemandem auf. Niemand ist gezwungen, sein Leben mit mir zu teilen, ich kann auch sehr gut allein leben - oder mit jemandem, dessen Lebensart der meinen so ähnlich ist..
Insofern Goldi... Nein, ich habe keine Angst vor sexuellen Abenteuern meines Partners, weil ich anschließend bezweifelte, ob ich ihm dann noch genügen würde. Oder dass ich mich fragen würde, wie die andere war.. Das würde ja im Umkehrschluss auch bedeuten, dass man den aktuellen Mensch mit Liebespartnern zuvor vergleicht. Wie andere das machen, weiß ich nicht - ich vergleiche nicht. Was war, das war. Was ich anfangs vielleicht eher "vergleiche", ist maximal, wie ich mich fühle, ob ich mich glücklich und geliebt und wertgeschätzt fühle.. Und ob ich das Gefühl habe, genau da zu sein, wo ich immer hinwollte.. Das Gefühl zu haben, genau hier sein zu wollen, mit ihm und niemandem anderen..
Ich würde deshalb auch nicht aufhören, ihn zu lieben. Aber zusammen sein.. könnte ich mit ihm einfach nicht mehr.
Heute Nacht ist mein Kopf, mein Bauch voller streichelzarter Musik. Und ich mag das sehr, dieses Lebensgefühl. Die Leichtigkeit eines Mädchens auf jener Schaukel....
Ich persönlich bin der Überzeugung: Man lernt die Menschen erst dann wirklich kennen, wenn man sich trennt. Erst dann weißt Du, wen Du wirklich all die Jahre begleitet hast - und mit wem Du es wirklich all die Zeit zu tun hattest.
Ich weiß, nach all der Zeit sollte es das nicht - aber die menschlichen Abgründe schockieren mich. Noch immer.
Eigentlich bin ich ein Fan von melodischer, melancholischer, auch Streichel-Musik. Dieser Tage aber habe ich etwas "Härteres" gebraucht, um wieder in mein Gleichgewicht zu kommen.
Ein Mann denkt ja gerne, dass eine Frau von heute auf morgen geht. Ich kenne keine, die das so tat. Jede hat gekämpft - fast immer jahrelang. Er hat es nur nicht bemerkt.
Auf meinem Schreibtisch steht seit dem letzten Weihnachten ein Kalender. Zumeist entfällt es mir, die Wochenblätter rechtzeitig umzuwenden, jedoch ist mir aufgefallen, dass sehr, sehr oft der jeweilige Wochengedanke auf genau diesen Moment in meinem Leben passte.
Gedankenverloren habe ich heute Abend ein wenig darin herumgeblättert, nicht vorgeblättert, nein, nur zurück - und dann fiel mir dieses Kalenderblatt sozusagen in die Hände, vor die Augen, vor die Füße - und ich musste lächeln. Sehr sehr breit lächeln.
Ich vermag gar nicht mehr zu zählen, wie oft mir gesagt wurde, dass ich zu sehr träume. Dass ich zu sehr rosarot empfinde. Dass ich zu sehr an Dinge glaube, die hoffnungslos sind.
Was wissen die Menschen schon... Nichts, gar nichts. All die Realisten, Zyniker, Hoffnungslosen, die glauben, es gäbe selbst in einer Welt wie dieser keinen Platz mehr für Träume und Hoffnungen...
All die Alphawesen, die immer nur rastlos vorwärts wollen und gnadenlos zur Seite schieben, was ihrer Meinung nach Entwicklungen nur aufhalten oder unnötig behindern würde, und von denen man wiederum sagt, sie müssten immer beschäftigt sein, weil sie nur Angst vor dem hätten, was die Ruhe mit sich brächte..
Es ist mir auch entfallen, wie oft mir mein eigenes Leben beibrachte, dass Gutes manchmal einfach nur Zeit braucht. Vielleicht gibt es ihn nicht, den sogenannten "richtigen Moment" - aber es gibt ein Bauchgefühl. Never mess with the Bauchgefühl - las ich erst unlängst in einem anderen Blog, und selbst wenn diese Worte mit einem so ganz anderen Gedanken aufgeschrieben wurden, so denke ich an diesem wunderbaren Sommerabend einmal mehr daran, während ich mich zurücklehne, auf bereits Geschriebenes schaue, den eisgekühlten Rosé vermisse, den ich grad nicht habe - und ich spüre mich lächeln... Das Lächeln auf mir und wie es sich in mir ausbreitet, ruhig, friedlich - und ganz weit und tief.
Vor einiger Zeit erzählte ich von meinem Jungen. Ganz woanders ganz anderen Menschen - und jemand antwortete mir: "Man denkt immer, was für ein anstrengendes Leben und jetzt muss es aber doch leichter werden. Aber das wird es irgendwie nicht." Doch wer ihn kennt, der weiß im Grunde, dass er.. einfach nur Zeit braucht. Als er vor über zwei Jahren zu uns in die Firma kam, war ich erleichtert - und fühlte dennoch zugleich keine wirkliche Erleichterung. Ohne dies hätte zu begründen gewusst. Es war einfach da... das Bauchgefühl. Heute, zwei Jahre, einen Monat und vierzehn Tage später weiß ich es: Er war bei uns nicht angekommen, nicht aufgehoben - und nicht anerkannt.
In einer Woche beginnt er ein Praktikum in einem Sozialunternehmen und wenn er sich bewährt, bekommt er zum 1. August einen neuen Job. Als wir vor etwa vier Wochen die Bewerbungsunterlagen zusammenstellten, die er gleich persönlich überbrachte, und dann so lange nichts mehr davon hörten, fürchteten wir ein wenig, dass jetzt auch nichts mehr käme. Dafür setzten wir andere Dinge in Bewegung. Bis letzte Woche der Anruf kam, das Gespräch folgte und man ihm am Ende erklärte: Erst ein Praktikum und wenn, dann ab 1. August.
Ich habe ihn vor Freude umarmt, an mich gedrückt, fett auf die Wange geküsst und er verdrehte schmunzelnd die Augen: "Jetzt geht DAS wieder los!" Wir haben uns beide einfach wahnsinnig gefreut, weil es eine Chance ist, die sich für unser beider Bauchgefühl einfach nur.. richtig anfühlt. Weil es einfach auch ein Job ist, der sich für IHN, für sein soziales Wesen richtig anfühlt. Diesmal ist es so, damals war es das einfach nicht, und nun wünsche ich ihm so sehr, dass ihm dieser Sprung nun auch gelingen möge.
Der Jüngere hingegen entschied sich trotz des noch laufenden Auswahlverfahrens für ein Ende bei der Bundeswehr. Ab 1. Juli ist dort Schluss und ob im September die Ausbildung bei der Polizei beginnen würde, war noch immer unklar. Alle Prüfungen abgelegt und bestanden - doch dann entscheidet ab dem 1. Juni immer noch ein Ranking, wer angenommen wird und wer nicht.
275 Auszubildende soll es in diesem Jahr in diesem Bundesland geben - und seit heute belegt er... Platz 275! Von Platz 306 Ende Mai bis heute immer mal ein, zwei oder auch vier Plätze am Tag gerutscht - und nun hat er erreicht, was er so lange schon wollte.
Ich erinnere mich noch, wie oft ich in den letzten Jahren hörte "Wie lange soll denn das noch gehen, wie lange willst du deine Jungs denn noch finanzieren, die sollen endlich einen richtigen Job suchen und Geld verdienen." Nur.. So einfach ist es eben nicht immer, wenn man die individuellen Eigenschaften mit berücksichtigt. Nicht jeder ist eben ein Alphatier - und muss es aber auch nicht sein. An sie zu glauben, davon habe ich mich dennoch niemals abbringen lassen. Und alles für ihre Träume zu tun, solange sie nicht ziellos, planlos durchs Leben tingelten und sich auf meiner Unterstützung ausruhten, würde ich alles, einfach alles dafür geben, damit sie den Weg in ihrem Leben finden, den sie immer gehen wollten.
"Sag mir, wovon du träumst und dann sag mir, was ich dazu tun kann."
Diese Worte vor vielen Jahren, an mich gerichtet, vergesse ich mein Leben lang nicht. Weil das eine Lebenseinstellung beschreibt, die der meinen so sehr ähnlich ist. Dieses bedingungslose Glauben an einen. Wie oft hat mich allein dieses Gefühl, allein dieser Gedanke wieder auf die Füße gestellt, auch als sich die Wege längst getrennt hatten.
Lieber Rain, falls Du das hier liest: Auf Deinen letzten Kommentar habe ich nicht geantwortet, weil ich seither über Deine Worte nachdachte und mir nicht sicher war darin, was ich darauf antworten wollte. Weil ich nicht sicher bin, ob ich sie so unterschreiben wollen würde.
Ich bin nicht sicher, ob nur Menschen, die Kinder haben, bedingungslose Liebe empfinden können. Weil eben auch nicht jeder, der Kinder hat, bedingungslos lieben kann.
"They say
love is blind.
I disagree.
Infatuation is blind.
Love is all-seeing
and accepting."
Irgendwie fühle ich meine Worte bestätigt, die ich vor längerer Zeit in meine Facebook-Chronik schrieb "Jeder sollte jemanden haben, der bedingungslos an einen glaubt." Der einem nicht permanent sagt, was er alles nicht kann und dass seine Wege nur ins Nichts führen werden. Der einem nicht jegliches Selbstvertrauen nimmt und davon ausgeht, dass nur er selber alles richtig sehen und tun würde. Weil ich selber an mir erlebe, wie unglaublich es mich beflügelt, bestärkt und mich auch heute jeden Morgen die Augen öffnen und mich fragen lässt, was der Tag heute denn Schönes für mich bereithalten würde. Und mich nicht stattdessen frage, ob und wie ich mit dem Schmerzpegel durch den Tag komme.
Und darum, liebe L., hast auch Du alles, einfach alles richtig gemacht. Auch wenn mich die Endkonsequenz dieser Tage noch immer erschüttert.
Und darum, liebe J., wirst auch Du Deinen Weg finden. Dann, wenn DU weißt: Genau jetzt.
Man darf alles - nur nicht aufgeben. Und seine Richtung ändern ist kein Aufgeben.
Die erste Überraschung des Mannes am heutigen Tag, die mich vor Freude lachen und mir zugleich die Tränen in die Augen springen ließ.
Damit das allgemeine Lebens-Motto auch gleich mal klar ist ;)
Gepaart mit einer Tasse herrlich aromatisch duftendem Kaffee, einem Stück Schokoladenkuchen und einem Schälchen Heidelbeeren war für mich der Morgen perfekt. Ja, mit so kleinen Dingen bin ich glücklich zu machen ;)
Herr Blau begrüßte mich zwar mit einer moderneren Version dieses Songs, aber den konnte ich leider nicht finden und habe im Moment auch keine Zeit für ausgiebiges Suchen ;)
Ich fands jedenfalls einfach nur wunder-wunderschön.
Übrigens, weil schon woanders der Hinweis kam: Der Spiegel - der ist nicht schmutzig. Ich habe ihn so vor Jahren gekauft, ein wundervoller honigfarbener, dreitüriger Bauernschrank, da war noch nix mit Nägeln und Schrauben, alles nur gesteckt, und man überließ ihn mir für schlappe 150 Euro. Da habe ich vor Freude getanzt, könnt Ihr glauben. Und pfeife da auf so paar blinde Fleckchen und Streifen, ich will das auch nicht auswechseln.
Weil ichs gar nicht perfekt haben will. Sind wir doch alle nicht.
Wäre auch viel zu langweilig.
zu irgendeinem Zeitpunkt einen Abschluss zu finden -
im Sinne von Akzeptanz, nicht im Sinne von Vergessen."
Über die Mediathek des SWR habe ich mir gestern die Sendung "Was einen nicht loslässt" angeschaut. Nachhaltig im Kopf geblieben ist mir nicht die Geschichte eines Mannes selbst - sondern wie er sich im Augenblick des Erzählens gefühlt haben mag. Sichtlich aufgewühlt, die Hände ineinander gelegt, die Finger, die krampfhaft umeinander schlingen, das Hemd großflächig durchgeschwitzt - der ganze Körper irgendwie in Aufruhr. Er soll nicht nur, er will auch von sich erzählen, sonst säße er nicht dort. Weil er aufmerksam machen will, weil er die Aufmerksamkeit Dritter sensibilisieren will, um insbesondere die zu schützen, die sich noch nicht wehren können. Die Kinder.
Missbraucht als Kind über Jahre hinweg hat er all das Geschehene so lange verdrängt, bis es 2013 in einem Dialog mit einem Freund mit aller Kraft herausbricht. Das, was immer da war, was immer auch im Kopf war und dennoch nie nach außen durfte.
Gute vier Jahre sind seit jenem Ausbruch und gleichzeitigem Zusammenbruch des Mannes vergangen. Vier Jahre Kopf- und Seelenarbeit, die bei weitem für ihn nicht ausreichen, um das, was er erlebte, zu verarbeiten. Aber er ist auf einem guten Weg, denke ich, während ich ihm zusehe. Weil er nicht stehengeblieben ist. Weil er kämpft. Und währenddessen einen Weg geht. Seinen Weg.
Ich schaue auf ihn und denke: Beinah genauso habe ich auch dagesessen, wenn ich erzählen musste. Und sollte. Und irgendwie auch wollte.
Wie ist es heute? Wie ist es, wenn Themen heute hochkommen oder wenn ich erzähle, ganz Belangloses, und dann kommt eins ins andere? Natürlich spüre ich, was das mit mir macht. Natürlich erinnere ich mich. Aber es hat sich.. verändert.
Nachhaltig im Kopf geblieben ist mir auch der obige Satz der beisitzenden Therapeutin über die seelische Gesundheit.
Worte, die ich in meiner Kopfarbeit in all den Jahren immer wieder gehört habe, die ich vielleicht damals so nicht wahrhaben wollte in Verbindung mit der Schmerzproblematik. Mich dabei immer wieder erinnernd an meine Neurologin, die ich bis heute insbesondere aufgrund ihrer Akzeptanz, ihrer Menschlichkeit und auch ihrer Ehrlichkeit "Ich weiß nicht mehr, wie ich Ihnen helfen kann. Sagen Sie es mir, ich mache alles, aber ich weiß einfach nicht weiter" sehr schätze. Und die schon 2006 zu mir sagte: "Das Problem ist, dass man nicht Ihr Blut unters Mikroskop legt und genau ablesen kann, was Ihnen fehlt. Man muss wissen, wonach man suchen soll."
Vieles, das einem dabei begegnet, sind Zufallsbefunde. Abweichungen von einer Norm, die nicht immer einen krankhaften Befund darstellen. Oder die unser Leben im Alltag beeinflussen. Wie zum Beispiel das Ding in meinem Kopf. Mein zweites Hirn, wie ich es manchmal scherzhaft nenne, seit es sich auf 4 x 5 x 2 Zentimeter ausdehnte und sich seither unverändert in meinem Kopf ausruht. Jeder Mensch ist sein eigenes Individuum, sage ich ja immer, sowohl in der Psyche als auch in der Physis, und während man anfangs noch etwas irritiert auf Abweichungen reagiert, gewöhnt man sich mit der Zeit an den Fakt und lernt, damit umzugehen.
Die meisten Menschen haben Dinge erlebt, die ihnen das Leben schwer machen. Ganz unterschiedliche Dinge in unterschiedlicher Intensität und unterschiedlicher Ausprägung. "Es mag sein, dass Sie es heute verstehen. Aber das ändert ja nichts daran, was es mit Ihnen gemacht hat, als Sie Kind waren."
Jeder versucht auf seine Weise zu verarbeiten, zu bearbeiten. Einheitlich wird es im Grunde erst, wenn er sich der Hilfe bedient. Weil wir ja alle irgendwie nach Mustern reagieren, auch wenn unser Erlebtes sich grundsätzlich unterscheidet.
Und ich gebe Dir, Waage, recht, wenn Du sagst, dass es viel Kraft und Mut braucht, den oder die Korken zu ziehen und die Dinge herauszulassen, anzusehen, anzunehmen. Aber gerade Du müsstest (vielleicht) wissen, dass ich mich genau all dem gestellt habe. Mit Hilfe und auch ohne Hilfe. All dem gestellt, was gesagt, was getan oder auch nicht gesagt und nicht getan wurde.
Wir kennen uns seit 2005 und ich bin nicht sicher, ob Du es wissen müsstest oder aber mich vielleicht doch nicht wirklich kennst (woran ja auch irgendwie was dran ist ;)): Aber gerade DU solltest zumindest wissen, dass ich mich gestellt habe. Dass ich bearbeitet habe - und dass ich phasenweise auf dem Zahnfleisch gekrochen bin dafür und deshalb.
Was macht Dich also so sicher, dass ich meine/n Korken nicht gezogen hätte?
Was macht Dich sicher zu glauben, dass ich meinen Abschluss nicht gefunden, meinen Frieden mit dem einen oder anderen nicht gemacht hätte?
Was macht Dich so sicher zu glauben, Du würdest mich kennen, wenn Du zugleich kürzlich so überrascht warst, dass ich beispielsweise meine Furcht nach dem Unfall 2006 längst überwunden habe und inzwischen mit einer Geschwindigkeit über die Straßen jage, die Deiner so ähnlich ist und die Du mir aber nicht zugetraut hattest? Bis vor kurzem glaubtest Du, ich sei noch immer gefangen in dem Misstrauen gegenüber der Technik, die mich im August 2006 so verließ, und dabei bin ich längst sehr viel weiter... Meiner Seelenarbeit traust Du gleiches nicht zu?
Ich weiß bis heute nicht, warum mir seit Februar 2005 mein Körper linksseitig unablässig schmerzt - und seit diesem Jahr beide Hände. Niemand kann es mir sagen, niemand weiß es.
Du aber auch nicht.
Niemand kann mir helfen - jedenfalls bis jetzt nicht. Aber bitte sagt mir nicht, ich hätte all die Jahre nichts bzw. nicht das Richtige getan und würde noch immer nur mir selber im Wege stehen.
Wie verletzend und frustrierend das sein kann, versteht am Ende auch nur ein Betroffener, der sich jahrelang quält und müht, Wege zu finden. Lösungen zu finden und ähnlich nicht oder kaum vorankommt wie ein Tinnituspatient.
Die Therapien bescheinigten mir, stark genug zu sein, reflektiert genug zu sein, interessiert genug zu sein. Offen genug zu sein.
Das Biofeedback bescheinigte mir, in mir selbst ruhen zu können, mich selbst zur Ruhe bringen zu können. "Ich hätte es nicht gedacht, aber sehen Sie selbst, hier die Kurven: Sie können es sogar sehr gut."
Ich selbst stelle an mir fest, dass ich inzwischen auf- und hochgewühlte Dinge betrachten und wieder zurücklegen kann. Sie sind da, natürlich sind sie da und sie bleiben es auch. Das habe ich akzeptiert, schon vor langer Zeit, und ich habe es auch angenommen. Das bedeutet nicht, dass es nicht immer noch Momente gibt, in denen das, was hochkommt, mir die Tränen in die Augen treibt. Aber es entmutigt mich nicht mehr. Es schwächt mich nicht (mehr). Ich habe nichts vergessen - aber ich kann heute damit leben. Und muss es auch nicht ständig thematisieren.
Ich habe Methoden gefunden, mit denen es mir besser geht, vor allem auch physisch.
Nicht nur, was den Sport betrifft.
Ich kann neben Dir stehen und mich dennoch in meine eigene Welt zurückziehen. Mich auf meine Wiese denken und mich in die Blumen legen, wenn mir alles zuviel wird.
Ich kann noch immer hoffen, träumen, wünschen, glauben.
Ich kann immer noch leben.
Schmerztherapie, Waage, besagt am Ende nichts anderes als das.
Aber geholfen hat mir leider nichts davon. Gar nichts. Egal, wie viel besser es mir heute geht und was immer ich auch angegangen bin: Der Schmerz ist da, seit 12 Jahren jeden Tag, jede Nacht, jede einzelne Sekunde. Er ist das einzig Konstante der letzten 12 Jahre.
Also sage mir bitte nach all den Jahren und all der Arbeit nicht, ich müsse nur den Korken ziehen.
Ich sitze hier und starre auf den Monitor. Eigentlich müsste ich arbeiten und eigentlich... will ich das auch. Also ich könnte es. Die Finger ruhen auf der Tastatur und ich starre auf das Video, sehe mir selber zu, wie ich da am Meer stand, barfuß trotz der Kälte, und irgendwie habe ich immer nur dort das Gefühl, dass mir nichts und niemand etwas anhaben kann. Dass ich am Ende immer kraftvoll genug bleiben würde, allem zu trotzen.
Die gute Nachricht ist, und ich empfinde sie als eine ausgesprochen positive Nachricht:
Der Küsten-Doc hat nichts gefunden. Alles ist so wie es sein soll, jedenfalls dem Labor und der Genetik nach.
Nichts zu haben, das den Körper oder das Leben lähmt, ist so unfassbar viel wert, weil Gesundheit... einfach das höchste Gut ist, das wir besitzen.
Insofern nahm ich das, was mir die Dame via Telefon mitteilte, auch durchweg optimistisch auf.
Doch nun sitze ich hier, nachdem ich Herrn Blau davon schrieb, ganz regungslos, und meine Augen füllen sich langsam mit Tränen. Denn nach und nach sickert mir in mein Bewusstsein, dass dies mein letzter, nein, mein allerletzter Versuch war, etwas zu bewegen, etwas zu erreichen, etwas zu tun gegen den Schmerz. Wie soll man etwas bekämpfen, das... im Grunde nicht existiert?
Für mich persönlich steht damit fest: Lebe mit dem scheiß Schmerz im Körper, so gut Du es kannst. Solange Du es kannst. Denn ein weiterer, ganz entscheidender positiver Aspekt bleibt ja trotz alledem: Er wird mir nicht das Leben nehmen. Nicht das Leben, an dem ich so hänge und in dem ich so unglaublich gerne bin. Meistens jedenfalls.
Aber selbst wenn ich tatsächlich einhundertundvier Jahre alt werden könnte: Ich werde nie mehr schmerzfrei sein. Seit zwölf Jahren und nun für den Rest meines Lebens.
Ja, mir ist bewusst: Es gibt vielfach Schlimmeres. Dieser Gedanke erdet mich. Aber immer hilft er mir auch nicht.
...es gab eine Zeit, in der ich in mir ruhte. Es war viel zu lange her, um mich daran zu erinnern, wie das war. Dieses Gefühl. So wie ich mich nicht mehr zu erinnern vermag, wie sich Schmerzlosigkeit anfühlt.
...es kommt wieder, dieses Gefühl, in mir ruhen zu können. Es bleibt nicht, vielleicht kann es das nicht, vielleicht darf es das auch nicht - damit ich selber in Bewegung bleibe und mich auch außerhalb von mir um das kümmere, was wichtig ist.
Und selbst so ruhlose Nächte wie diese... erinnern mich an alles, was gut war. Was gut ist. Und was gut werden soll.