Der Teufel steckt im Detail. Genauer gesagt: im Konjunktiv. Ich könnte nett. Ich kann höflich, auch dann, wenn ich nett könnte.
Heute aber war mal so ein Tag, da habe ich gedacht, entweder springe ich jetzt gleich und sofort quer im Quadrat durchs Telefon - oder ich fange an zu schreien. Letzteres ist nun wirklich untypisch für mich - auch wenn ich durchaus weiß, was leidenschaftlich zu streiten bedeutet.
Und eigentlich bleibe ich ganz oft gelassen.
Aber heute hatten die mich.
Der Auftrag war im Grunde simpel. Leise und etwas schuldbewusst schob mir der Chef ein Blatt Papier über den Tisch und nuschelte was von "is privat" und "könnteste mir mal helfen."
(Ich übe übrigens immer noch vor dem Spiegel, wie das so funktioniert, dass nur eine Augenbraue hochgeht. Krieg ich nicht hin. Nie. Entweder beide oder keine, da sind sie sich einig, die beiden Gezupften.)
Jedenfalls, nachdem der Chef-Vater im vergangenen Sommer das Zeitliche gesegnet hatte, durften wir uns nicht nur um Bestatter, Schlüsseldienst (man kam nicht ins Haus) und emotionalen Beistand kümmern, sondern auch um alles, was mit Nachlassregelungen und so weiter zu tun hat.
Und grundsätzlich haben wir ja auch alles geregelt bekommen.
Bis auf diesen Drecksverein von Vodafone.
Schon im letzten Jahr habe ich mir ein ganzes halbes Jahr lang die Nerven abgearbeitet, weil die das einfach nicht auf die Kette kriegten, eine schlichte Adressänderung vorzunehmen. Man kann sich das wirklich und wahrhaftig nicht vorstellen. Aber die Firma hieß eben nicht mehr A, sondern B und neuerdings auch noch mit so nem Kürzel hintendran. Und die saß jetzt auch nicht mehr in A, sondern in B. Eigentlich war alles wie immer. Nur dass A jetzt eben nicht mehr da war, sondern nur noch B.
Klingt verwirrend? Dann seid Ihr vermutlich auch Vodafoner. Sorry.
Aber letztes Jahr, das gehörte zu unserem Business.
Das heute war Privat.
Mir wurde ein Kontoauszug vorgelegt, der bewies, dass Vodafone bis zum Dezember einen Betrag abgebucht hatte, den niemand zuordnen konnte. Den Papa konnten wir ja nicht mehr fragen. Die Mama auch nicht. Die ist zwar noch da, aber an ihren guten Tagen erkennt sie allerhöchstens ihren Sohn. Ein Handy besitzt sie demnach seit einigen Jahren nicht mehr.
Da aber der Herr Papa handytechnisch bis zum Umbau der Firma mit im Sammelvertrag des Einzelunternehmens integriert war, konnte es auch nicht sein Handyvertrag sein. Für was nun die Abbuchung? Es gab nur einen Kontoauszug, mit dessen Angaben die Kollegin Ende letzten Jahres eine Kündigung geschrieben hatte.
Vergangene Woche dann das Antwortschreiben, dass man die Kündigung keinem Vertrag zuordnen könne. Man solle die Kündigung neu einreichen - und dann Vertragsnummer, Kundennummer und Schlüppergröße mit übermitteln. Woher das alles nehmen, wenn man nix hat außer nen Kontoauszug mit Referenznummern von Vodafone, die Vodafone aber nicht erkannte?
Beherzt griff ich also erstmal zum Telefon. Und stand schon da nach schätzungsweise zwei Minuten auf dem Tisch. Mit Haaren, die sich bis zur Decke bauschten.
Man kommt an dieser verfickten Aurasiricordanascheiße nicht vorbei, wenn Du nicht genau die Angaben eintippst, die Du ja eben nicht hast. Da kannst Du zehnmal MITARBEITER in den Hörer brüllen - wenn Aurasiricordanascheiße nicht will, dann will sie nicht. Und erklärt Dir kurzerhand: "Ich konnte Sie leider nicht verstehen. Wir wünschen Ihnen einen guten Tag und auf Wiedersehen."
Nach einem kurzen reinigenden Gewittersturm wählte ich erneut und gab kühn irgendwelche wilden Zahlenkombinationen vom Kontoauszug und anschließend die Handynummer vom Chef ein. Siehe da - Aurasiricordana verstand mich zwar immer noch nicht und informierte mich auch, dass sie mich nirgends zuordnen könne, aber sie würde mich nunmehr zum nächsten Mitarbeiter durchstellen.
Nach etwa sieben Minuten unsäglichen Gedudels wurde ich dann erhört von einer wirklich freundlichen Mitarbeiterin, die mir erklärte, ich sei falsch bei ihr, es handele sich doch hier um eine Mobilfunkangelegenheit und sie sei nur für DSL zuständig.
"Interessant, das mit dem Mobilfunk wussten wir nämlich bis eben noch nicht", erklärte ich begeistert und erbat mir die dazugehörige Nummer.
"Die kann ich nicht lesen, weil ich zum Öffnen des Feldes nicht die Berechtigung hab. Ich bin DSL und das hier ist Mobilfunk."
Grandios. Und ich bin die Königin von Zamunda mit einem heute deutlich verkürzten Geduldsfaden.
"Vielleicht könnten Sie mich ja zum Mobilfunk durchstellen, dann kläre ich das mit denen."
Aber ach, ich vergaß. In Zeiten von mobilem Arbeiten kann Frau DSL ja auch aktuell auf den Malediven liegen, nebenbei einen Cocktail schlürfen und im Schatten des Bananenblattes irgendwelche missmutigen Kunden aus Deutschland abwimmeln - da is nix mit Durchstellen.
Wenigstens sagte sie: "Aber ich kann Ihnen die Nummer vom Mobilfunkdienst geben."
Wäre perfekt, hätte ich nicht genau die ja gewählt gehabt.
Egal.
Wählte ich eben nochmal neu, gab die Vodafone-Kundennummer vom Kontoauszug an, die Vodafone nicht hatte erkennen wollen, nochmal die Chef-Mobilfunknummer - und dann hatte ich einen Herrn am Telefon, der erstmal das Kundenkennwort abforderte. Da denkt man ja: Chef-Mobilfunknummer, also Chef-Kundenkennwort.
"Tut mir leid, stimmt nicht." Chef und ich probierten dann noch ein paar Alternativen - alles nix.
"Ohne Kundenkennwort kann ich Ihnen keine Auskunft geben."
"Sie haben aber schon verstanden, dass der Inhaber des Kontos, von dem Sie fleißig abgebucht haben, vor acht Monaten verstorben ist?"
"Ja, aber ohne Kundenkennwort darf ich nicht. Aber ich bin hier auch im Businessteam. Vielleicht dürfen die aus dem Privatkundenbereich was sagen, ich kann Sie ja mal durchstellen."
Ey. Der Bananenblattwedler von den Malediven stellte mich dann zur Privatabteilung weiter.
"Der Vertrag wurde doch im Dezember gekündigt."
"Wir wüssten gerne, welcher Vertrag denn das überhaupt ist?"
"Ich habe hier leider keinen Datensatz mehr. Weil, das ist ja alles gekündigt."
"Es hat bisher nur eine Mobilfunknummer des Vaters gegeben, und die gehörte zu einem Rahmenvertrag. Seine Rufnummer wurde zum 02.08.2023 gekündigt, die Bestätigung von Euch habe ich schriftlich."
"Ja, aber dann hatte der Vater eben noch einen Vertrag."
"Genau das bezweifeln wir."
"Das kann sein. Aber den Vertrag gab es und dazu wurden die Gebühren in Höhe von 27,92 auch abgebucht. Alles rechtens."
"Wenn das rechtens ist, dann geben Sie uns doch erstmal die Mobilfunknummer, damit wir selber nachforschen können."
"Ich habe hier keine Daten mehr im Computer, tut mir leid."
Das war dann der Moment, wo ich ganz tief Luft holte, der Dame einen schönen Tag und das Gespräch für beendet erklärte (das ist jetzt die frisierte Variante), dem Chef wutentbrannt sein Privatpapier in die Hand drückte mit den Worten: "Lass es zurückbuchen oder lass es bleiben, aber lass MICH JETZT HIER RAUS!" (das ist jetzt die nett umschriebene Variante) und meine Lieblingskollegin ebenfalls tief Luft holte, eine Milka-Schokoladenwaffel auspackte, mir vor die Nase legte und energisch sagte: "So und du isst jetzt DAS hier!" (das ist die authentische Variante).
Wusstet Ihr eigentlich, dass man Abbuchungen bis zu 13 Monate zurückbuchen lassen kann, wenn man berechtigte Einwände gegen diese Abbuchung erhebt? Kann ich Euch sagen - hatte nämlich erst letztes Woche ein zweifelhaftes Vergnügen mit den Freunden der GEZ. Natürlich Privatauftrag vom Chef. Die zeigten sich ähnlich serviceorientiert wie Vodafone.
Jedenfalls, nach der schokolierten Genusswaffel rief der Chef den zweiten Geschäftsführer und mich zu sich, um einige strategische Punkte zu besprechen.
"Denkt dran, es muss alles immer noch wirtschaftlich bleiben", meinte er abschließend.
Worauf ich mir ein Lächeln nicht verkneifen konnte.
"Der, der vielleicht kommt, nimmt den Platz von dem, der jetzt geht. Das kompensiert sich also. Und wenn Du im Mai raus bist, können wir für das Geld noch drei andere einstellen."
Er hat verblüfft gelacht.
"Du bist aber heute streng mit mir."
"Ne Chef. Nur ehrlich."
Zum Feierabend rief mich dann noch jemand an, mit dem wir beide gut zusammenarbeiten.
Er fragte mich, wie ich denn mit der Prokura zurechtkäme.
"Ich hab Angst vor mir selber", antwortete ich wahrheitsgemäß.
"Ist es jetzt leichter oder anstrengender?"
"Viel anstrengender. Viel mehr Arbeit."
Der andere lachte. Ich auch: "Aber die Arbeit hätte ich vermutlich auch, wenn ich die Prokura nicht bekommen hätte. Also bekomm ich wenigstens Schmerzensgeld. Ach ne, Chef sagt ja immer, es ist Schweigegeld."
Vielleicht wäre ich heute entspannter gewesen, hätte ich vergangene Nacht nicht nur vier Stunden Schlaf gehabt, die dazu auch noch recht unruhig gewesen waren. Trotz des vorangegangenen intensiven Sportprogramms und der anschließenden wunderbaren Entspannung im Körper und im Kopf.
Diese wunderbare Entspannung in Körper und Kopf hat heute aber auch die kleine runde Schokoladenwaffel geschafft. Ist wirklich wahr. Mein Sportprogramm hab ich trotzdem heute am späteren Abend noch durchgezogen. Doch anstatt mich irgendwann danach in die Decke zu kuscheln und in den Schlaf hinüberzudämmern, liege ich hier im Bett und blogge. Während der Mann hunderte Kilometer weit weg vermutlich längst schnarcht nach dem ausgiebigen Tag auf den Skiern.
Irgendwas mach ich offensichtlich falsch.
Jetzt hab ich Appetit auf ein Käffchen. Und in knapp fünf Stunden klingelt der Wecker.
Einen Bonbon muss ich Euch aber heute noch mitgeben. Wer bei Instagram unterwegs ist, der sucht mal nach PaulBokowski. Wenn Ihr den nicht sowieso schon kennt, ich bin ja eh immer so ein Spätzünder.
Aber über den hab ich heute mega gelacht! Die Story mit den gelben Pullovern, wirklich, ich dachte, ich brech ab. So geil. Oder die Windsor Castle Story. Herrlich!
Diese Art von Humor wirkt bei mir wie eine Kombination aus Sport und Schokoladenwaffel. Schokoliertes Synapsenyoga quasi.
Hättsch vielleicht gestern Abend entdecken sollen.
Paul hat jetzt jedenfalls zwei neue Follower. Meine Freundin und mich.