Mittwoch, 21. Februar 2024

Zack - kaputt

Ist das nicht irre? 
Als ich gestern auf den Kalender schaute, um einen Termin gegenzuchecken, fiel mir auf, dass es nun schon wieder ein Jahr her ist, dass wir nach L gezogen sind.
Irre, oder?? Ein Jahr! Wo ist die Zeit nur geblieben?

Ich weiß noch, es war einer der Termine, als ich nach Unterzeichnung des Mietvertrags wieder in L war, die Räume genau ausmessen und so, damit wir schon mal konkrete Ideen aufstellen konnten, wie wo was werden sollte. Mein Jüngster kam mit dazu, weil er einfach mal gucken wollte, wie denn die Wohnung so ausschaut. Kann ich jetzt noch vor mir sehen, wie er durch die nackten Räume lief, die Hände in den Taschen, alles genau inspizierte, einen Blick aus dem Panoramafenster in der Küche warf und dann fragte: "Okay - wann kann ich mit einziehen?"
Hach.
Da ging mir das Herz auf und das Schuldbewusstsein von einst kam wieder hoch. Ich bin ja weggezogen, da war er noch nicht ganz 18. Klar, da sind andere schon dreimal im Ausland gewesen, seit Jahren von den Eltern getrennt, mega selbständig und so n Quark. Meiner nicht. Und meine Lebensphilosophie hatte irgendwie auch gar nicht vorgesehen, die Jungs so früh herzugeben. Mit 20, 21 vielleicht. Aber 17?

Wir sind ja dann auch eingezogen, richteten uns ein und dieses kleine Schmuckstück wächst nach und nach, entwickelt sich. Das Gefühl, in einer Ferienwohnung zu leben, hat sich noch nicht so ganz verzogen - aber es wird besser. Sinniere immer noch darüber nach, woran das liegt, woher dieses Gefühl kommt. Vielleicht, weil wir nicht gewohnt sind, so eine große Wohnung zu haben, die so weitläufig wirkt (jedenfalls im Vergleich zu dem, was wir bis dahin immer bewohnten), alles so offen und großzügig geschnitten? Der Junge hingegen ist ungebrochen begeistert, und er hat sich in den Kopf gesetzt: Sowas wollen wir auch. Wir meint seine Freundin und er. Und jetzt, wo sie mit ihrem Studium fertig ist und beide ein Einkommen haben, von dem der Mann und ich unser halbes Leben lang nur träumten, da könnten sie sich nun auch etwas gönnen. Am liebsten in unserem Viertel. Nicht nur, weil wir da wohnen. Sondern weil es wirklich zu den schönsten der Stadt zählt. Und er mag das ja - diesen Neubaustil. Modern. Klassisch. 
Wälzt die Angebote rauf und runter, vereinbart Besichtigungstermine. Mal ist es ihnen doch zu teuer, mal passt etwas anderes nicht. Ihre Traumwohnung - wenn auch Erdgeschoss - hätten sie in unmittelbarer Nähe zu mir beinah gefunden - fiele der Blick aus dem Schlafzimmer nicht direkt auf die Mülltonnensammlung der Wohnanlage - und der Blick aus dem Wohnzimmer direkt auf das Haus gegenüber. Höchstens zehn Meter entfernt. Der Funke hatte dann schon irgendwie gezündet - aber das Mülltonnengeschwader konnte man sich dann eben doch nicht schönreden. Wird sicherlich auch lustig im Sommer. Keine Ahnung, wer sich so einen Müll (harhar) einfallen lässt. Bei uns sind die Mülltonnen in einem abschließbaren Raum im Haus mit integriert. Finde ich persönlich prima. Haste keinen Ärger mit nix.

Jedenfalls, die Suche des Sprößlings geht weiter - und heute schrieb er mir, man habe sich jetzt noch eine angeschaut, aber die Mieten seien doch recht enorm. Sie seien ja jung und beide Beamte. Da könne man ja eventuell eigentlich auch kaufen. Nur - es gäbe halt keine Neubauten zu kaufen. "Nur eher so Altbau, wo wir eigentlich auch nicht drin wohnen wollen", schrieb er.
Altbau! 
Spontan jauchzte das Herz und der Kopf füllte sich ebenso spontan mit tausenden von Bildern meiner tief verborgenen Leidenschaft für Altbauwohnungen. 
Gekalkte Wände.
Ein Fußboden aus echten Dielen, die wundervoll knarren, wenn man in Stricksocken darüber läuft.
Hohe Wände.
Hohe schmale Fenster, auf deren Bank ich sitzen würde, eine Tasse Kaffee mit beiden Händen halten und hinunter auf die Menschen schauen würde; ihnen zusehen würde. Ein Buch lesen würde.
Hach!
Stuck an den Decken und herrliche weiße Kassettentüren. 
HACH!

"...und hässlichen Bädern und hässlichen Heizkörpern an der Wand!" vollendete der Junge.

Zack - kaputt war der Traum. So schnell kanns gehen :)

10 Kommentare:

Phönix aus der Asche hat gesagt…

Altbauten!
Tolle Sache, wenn in Schuss.
Die hohen Decken, der Stuck, die riesigen Fenster mit den vielen kleinen Holzrahmen drin....sagte ich schon Fischgrätparkett??

Ist nur leider wirklich selten "in Schuss" zu bekommen, so ein Altbau.
Viel Glück gehört dazu. :-)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

OK, Fischgrätparkett ist auch mega geil. Aber noch geiler sind eben echte alte Dielen. :D
Aber ja - in Schuss sollte dieser Altbau tatsächlich sein. In meiner Phantasie isser das ja auch :D

Lutz hat gesagt…

An der Stelle bin ich ziemlich pragmatisch.

Hohe Wände - hohe Heizkosten. Und man kommt schlecht ran, wenn da mal irgendwas an der Decke ist, was zu richten wäre. Beleuchtung zum Beispiel.

Ich bin sowieso eher ein Fan moderner Wohnungen. Wenn sie gut gemacht sind. Es gibt in dem Bereich leider auch sehr viel Mist, der auf Teufel komm raus billig gebaut wurde. Da sind alte Wohnungen häufiger einfach solider. Ordentliche Wände, die stabil sind und auch die Wärme ordentlich dämmen.

Also, man muss immer auch den Einzelfall betrachten.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Jaaa, das mit den Heizkosten dachte ich auch - aber man wird doch noch träumen dürfen, auch in Zeiten von Energiekrise und gestiegenen Kosten...
Hab heute im Radio gehört, dass die Kosten für "den Deutschen" pro Jahr um ca. 1.500,00 Euro gestiegen sind. Das muss man ja auch erstmal alles verdienen, denn aktuell langt ja irgendwie "jeder" gerade zu und keiner fragt, wie das bezahlt wird. Gerade bei den unteren Lohngruppen, die wiederum zu viel verdienen, um Zuschüsse wie Wohngeld oder Bürgergeld ^^ erhalten zu dürfen...

Nichtsdestotrotz war ich schon immer ein Fan alter Wohnungen. Ich hab nen Hang zu Antikem ;)
Bei Beleuchtung bin ich übrigens kein Fan von Deckenbeleuchtungen. Haben wir hier zwar - aber nutzen wir praktisch nie. Selbst unsere (wirklich geile) Küchen-Hängelampe über dem Esstisch, die ich in L in so nem Antikmarkt an der Karli eingekauft hatte, nutzen wir nur selten.
Da werde ich auch nie verstehen, warum Menschen in ihren Lebensräumen Strahler & Co. an den Decken haben. In so kaltem Licht kann sich doch kein Schwein wohlfühlen? Mal abgesehen, dass die auch optisch, selbst wenn sie aus sind, zum Schreien hässlich sind :D

Grit hat gesagt…

Hallo Helma,
schön wieder von dir zu lesen. Neubau - Altbau hat alles seine Vor- und Nachteile.
Hier im ländlichen Bereich findest du eher Deine gewünschte Altbauwohnung zum relativ günstigen Preis. Allerdings sind die Vorzüge von schneller Bus-Bahnanbindung und kulturellem Angebot auf ein Minimum begrenzt. Viele liebe Grüße, Grit.


Queen All hat gesagt…

Wer weiß, wo die Liebe am Ende hinfällt. Da sind dann womöglich alte Heizkörper völlig egal, weil die Aussicht so umwerfend ist...
Das Gefühl, sich dauerhaft in einem Ferienhaus zu befinden, weil´s einfach so schön ist, haben wir hier auch. Und mit dem Neubau sind auch endlich die vielen Renovierungsbaustellen nur noch Horrorgeschichten aus der Vergangenheit. Da kann ich deinen Sohn wirklich gut verstehen.

Lutz hat gesagt…

Mir sind da noch ein paar Erinnerungen gekommen.

Meine Oma hat in einem klassischen Altbau gelebt. Ich war da allerdings noch klein, als sie starb. Der klassische Altbau in einer Stadt, mit Stuck an der Decke, großen Fenstern und die Decke war bestimmt 4 Meter hoch. Aber dann eben auch der andere Klassiker: Kein Bad. Waschen am Waschbecken in der Küche und Toilette eine halbe Treppe tiefer im Treppenhaus.

Und der Gegensatz dazu, aber trotzdem Altbau: Ich habe drei Jahre auf dem Land gelebt, auch so eine Art Altbau. Wie alt, vermag ich allerdings nicht zu sagen. Im Erdgeschoss waren die Räume vllt. so 2,20 oder 2,30 Meter hoch. Und im ersten Stocken vllt. nur noch 2,10 oder noch weniger. Das ist wahrscheinlich mit den typischen Katen vergleichbar, wie sie auch häufig an der Küste zu finden waren und noch sind.

Beide Altbauten sind grundverschieden. Der Grund wird mit Sicherheit darin liegen, dass die einen in der Stadt zu finden sind, während die anderen für das Land typisch sind. Die einen eher bürgerlich/kleinbürgerlich. Und die anderen proletarisch, weil sie zumeist Wohn- und Arbeitsbereich beinhalteten.

Nur mal so. Ein paar Gedanken.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Grit, ich muss gestehen, ich bin hin- und hergerissen. Eigentlich kommt Land für mich ja eher nicht in Frage. Land verbinde ich mit "nix los", "langweilig" und "wo kommt da die Inspiration her?" :D
Natürlich sind das alles Vorurteile, und ich ertappe mich nicht selten dabei, mit dem Land zu "liebäugeln".
Grad auch wegen dem Preis-Leistungsverhältnis.
Aber da ist wirklich das Problem des ÖPNV: Wenn wir alt werden und zum Arzt müssen und dann auf Bus & Bahn angewiesen sind.. Das sind dann so Punkte, die mich dann doch wieder abhalten. Auch wenns bis zum wirklich Altwerden noch ein Weilchen dauern wird ;)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ja liebe Queen, da hat der Junge jetzt gerade zugegriffen - und das zu einem Preis, wo selbst mir die Ohren schlackern. 18 Euro auf den Quadratmeter - habe ihn gefragt, ob er eventuell neureich geworden sei und dass Leute wie er den Mietspiegel versauen :D
Aber sie hatten sich ein Limit gesetzt, was sie monatlich bereit sind auszugeben. Die beiden machen das anders als wir - sie teilen sich den monatlichen Mietzins 50/50; dafür machen sie bei der nun ausgewählten Wohnung Abstriche hinsichtlich Größe. Sind immer noch drei Zimmer, aber deutlich weniger Quadratmeter. Ein Gästebad gibts auch nicht - aber das brauchen sie sicherlich auch nicht. Wie Sohnemann immer sagt: "Is nice to have - aber brauchen tun wirs ja eigentlich nicht."
Dafür ist die Lage ziemlich klasse, innenstadtnah und zugleich auch am Rande eines riesigen Parks. Nicht an unserem leider - aber auch ein sehr schöner und beliebter. Direkt vorm Balkon fließt ein Flüsschen, was abends durchaus romantisch klingen kann - aber möglicherweise auch ne Menge ungebetener geflügelter Gäste anzieht ;)
Aber so haben sie, was sie wollen: drei Zimmer, Neubau und zentrumsnah.

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ja Lutz, DIE Art von Altbauten (Klo ne Treppe tiefer, Wände mindestens 2,10 m hoch etc.) kenne ich auch noch - die waren zu Ostzeiten ganz schön lieblos gemacht. Könnte man heute sicherlich mehr draus machen - aber n Bad IN der Wohnung is schon schöner :)
Die Katen an der Küste haben aber keine hohen Decken, im Gegenteil. Da hatteste manchmal als Normalgroßer schon Deine Probleme, dass Du nicht mit der Stirn am Türsturz hängengeblieben bist ;)
In meiner Vorstellung träume ich von Altbauten, die ihren romantischen Charme haben. Typisch ich - die Augen vor der Realität gerne immer mal verschließen :)