Sonntag, 12. März 2017

Girl Sitting On A Rock

Bildquelle: https://www.splitshire.com/girl-sitting-rock/

Die Herzleistung liegt bei 15 Prozent.
Der Sauerstoffgehalt im Blut liegt bei 50 Prozent.
Es bedarf dringend einer neuen Herzklappe, denn die alte schafft es nicht mehr.
Und das Herz schafft es nicht mehr, das Blut aus der Herzkammer herauszupumpen. Warten auf den nächsten freien Platz im Herzzentrum.
"Natürlich mach ich mir Gedanken, aber ich versuch nach vorne zu schauen", sagt die Mama tapfer.

Das Foto heute mit Pulli, Jeans und Socken des Jungen - deutlich blutverschmiert: "Bekommt man das wieder raus?"
Mir rutscht das Herz sonstwohin. Ja, da ist jemand auf den anderen losgegangen, doch mein Junge ist unversehrt, er hat davon auch nichts mitbekommen, aber seinen Freund gefunden und die Polizei gerufen.
Aufatmen zunächst, auch wenn ich Anteil nehme an dem, was seinem Freund passiert ist und der nun im Klinikum liegt mit Kieferbruch.

All das Negative der letzten Tage, Wochen, Monate, das ich sowieso nicht beeinflussen kann, schiebe ich heute Nachmittag von mir weg. Okay, ich versuche es. Ich lerne zu akzeptieren, Menschen, Meinungen, Ansichten, auch wenn ich mich wundere oder es mich tief verletzt. Irgendwie nimmt man aus allem etwas mit, auch aus diesem Negativen: Ich lerne für mich selbst.
Laufe nicht mehr gegen Mauern und versuche auch keine Argumente mehr zu hinterfragen, die auf fragwürdigem Boden stehen. Erinnere mich wieder, warum es mir immer so schwer fiel, überhaupt um Hilfe zu bitten oder diese anzunehmen. Dann doch es lieber immer aus eigener Kraft schaffen oder eben auch nicht, dann versucht man es eben anders.

Ziehe mich zurück, vergrabe mich in der Musik und lasse kaum noch etwas an mich heran.
Beschäftige mich mit mir, meinen Gedanken, die um den Vater, die um die Söhne, die um mein Leben - und frage mich, ob das, was ich derzeit tue, das ist, was ich überhaupt immer wollte.
Ob ich nicht doch lieber etwas Soziales hätte machen sollen. Ein starker Mensch kann und wird immer für sich selbst eintreten können. Ein schwacher kann das nicht immer, nicht immer aus eigener Kraft - und ist deswegen trotzdem "nicht weniger wert" als andere. Und vielleicht hätte das einfach besser zu mir gepasst. Um einfach auch wieder zu erfahren, wofür man sich einsetzt, für wen man es tut und dass Hilfe und Unterstützung auch da ankommen, wo es wirklich gebraucht wird.




7 Kommentare:

ganga hat gesagt…

Zuerst wollte ich dir schreiben, dass du dich ehrenamtlich engagieren könntest bzw. gegen eine Honorarentlohnung, aber als ich das schrieb, meinte ich dass du dich schon genug engagierst für deine Familie.

Im sozialen Bereich zu arbeiten kann ein gutes Gefühl geben, aber allzu oft ist genau das Gegenteil der Fall. Eine altgediente Supervisorin sagte mir in meinen Anfangszeiten einmal, dass die Leute die zu mir kommen so und so nicht das machen, was man ihnen sagt. Ich war damals empört, mittlerweile weiß ich das sie recht hat. Ein anderer meinte, dass ich mir viel zu viel anhöre, dass brauche ich nicht zu tun, weil die Menschen genug Freunde und Bekannte haben, die sie belabern. Konzentriere dich auf das Wesentliche in deiner Arbeit und damit hat es sich. Auch er hatte so was von recht.
Ich habe im Prinzip einen Verwaltungsjob, denn ich verwalte die Armut. Selten sind Erfolgserlebnisse da, sie werden von mir geschätzt, das andere ist über Jahrzehnte das gleiche, auch die Menschen ändern sich nicht, ausser das Neue dazu kommen.

Ist ein Jobwechsel vielleicht eine Lösung?

Ich wünsche deinem Papa alles Gute,
dir natürlich auch
liebe Grüße
Ganga

A. hat gesagt…

Ach Mann. Montagmorgen und schon ein Kloß im Hals. Aber auf jeden Fall bin ich jetzt richtig wach. Dachte schon, deinen Sohn hat's auch noch erwischt. :/

Und um Hilfe bitten zu können setzt ja auch erstmal voraus, dass du überhaupt jemanden hast, den du um Hilfe bitten kannst. Jemanden, der dir das hinterher nicht ständig aufs Brot schmiert und dich dann wissen lässt, dass du ohne ihn ja... na auch egal. Gebranntes Kind scheut das Feuer und Um Hilfe bitten ist nicht meine Stärke, wenn es über kleine Dinge hinausgeht, dieser Muskel ist noch verkümmerter als meine Bauchmuskulatur. ;)

Frau Z., ich denk an euch und drücke fest die Daumen, vor allem natürlich deinem Vater.










Nelly aus Sachsen hat gesagt…

Eine schwierige Zeit, wenn man in Frage stellt, was man so lange gemacht hat. Die eine Hälfte hält am Gewohnten fest, die andere will Veränderung.
Schwer zu respektieren und zu akzeptieren, dass sich Prioritäten verschieben und dann der Kopf. Der Kopf, der nicht einfach los lassen kann und ständig "on" ist, alles von jeder Seite beleuchtet.
Viel Kraft!

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Ganga, ich dachte bei Sozialem an etwas mit Kindern.

Ja Anna, das war auch mein erster Gedanke beim Erhalt der Fotos. Was konkret vorgefallen ist, weiß ich nicht, aber der Schläger wurde zumindest auf einem Foto wiedererkannt.
Das ist wohl auch die Sorge, die alle Eltern haben, wenn ihre Kinder nachts unterwegs sind.
Um Hilfe bitten fällt auch mir sehr schwer, ich mach das äußerst selten und auch nur dann, wenn ich das Gefühl habe, dass ich es darf. Das Ding ist: Manchmal bekommt man Hilfe angeboten, um die man gar nicht gebeten hatte - und dann bekommt mans immer wieder vorgehalten. Sowas kann ich nicht nachvollziehen. Dann muss man nicht helfen, dann kann mans lassen. Das ist mein Credo: Die Dinge, die man tun will, mit Herzblut tun, ohne rumzuquatschen. Einfach machen - oder es lassen und still sein.

Das hast Du echt gut beschrieben, Nelly. "Die eine Hälfte.. die andere.." - und weil man einem Zwillinge-Geborenen sowieso die zwei Gesichter nachsagt, wurde mir eben dies auch in den letzten Monaten so vorgehalten "Du bist eben ein typischer Zwilling." Doch darüber steh ich inzwischen. Wer so denkt, befasst sich nur mit seiner eigenen Einschätzung, nicht aber mit meiner Persönlichkeit oder Anlässen oder Gründen.



Goldi hat gesagt…

Die Daumen sind nach wie vor für Deinen Dad gedrückt.

Dich drücke ich, bin in Gedanken bei Dir, wenn Du reden magst...die richtigen Worte wollen gerade nicht aus den Fingern :-*

gretel hat gesagt…

Die Diagnose Herzklappe kenne ich aus der Familie bestens. Gut, dass dein Papa im KH ist und man sich kümmert und er hoffentlich bald einen Platz in der Herzklinik bekommt.
Ich tue mich immer sehr schwer mit "guten" Ratschlägen, wer bin ich denn...
Aber Jobveränderungen sind - meines Erachtens - in unserem Alter und mit der gewohnten Freiheit der Nichtanwesenheit besonders intensiv zu bedenken....Aber vielleicht gibt es in M auch viel mehr Möglichkeiten als hier.
Und nachts Angst um die Kinder haben kann ich auch bestens nachvollziehen, mir erscheinen da alle anderen um mich herum immer viel gelassener, worüber ich mich nun wieder wundere...
Liebe Grüße

Nila hat gesagt…

Ach liebe Helma, lass dich mal drücken.
Immer wieder kommen wir in unserem Leben an so gewissen Weggabelungen und Wendepunkte, in denen man sich entscheiden muss, welche Richtung man einschlägt. Den richtigen Weg für einen zu finden ist wahrlich nicht einfach und braucht genug Bedenkzeit.
Vielleicht wäre für dich wirklich eine Jobveränderung nochmal genau das richtige. Ich habe diesen Schritt auch mit Anfang 40 gewagt.
Aber ich kenne natürlich nicht die Jobchancen in deiner Heimatstadt.
Ehrenamtlich mit Kindern arbeiten? Wie wäre es in einer Kinderkrebsstation. Von meiner Tochter weiß ich, dass in dieser Station ehrenamtliche Mitarbeiter tätig sind. Die den Kindern vorlesen, sich mit ihnen beschäftigen usw....
Mein Papa hat vor einem Monat auch die Diagnose bekommen, dass er eine neue Herzklappe benötigt. Nun werden gerade die Voruntersuchungen gemacht. Was er schon weiß ist, dass die Brust nicht aufgeschnitten wird, sondern nur mit 2 kleinen Einschnitten diese Klappe eingesetzt wird.
Toi Toi Toi für deinen Papa!!!
Als Mama von 3 Kindern kann ich deine Ängst sowas von nachfühlen.
Alles-Alles Liebe und Gute
Nila