Eigentlich war mir nach einem Post, mit dem ich mich selber ein bisschen durch den Kakao ziehe. Das kann ich schließlich ganz gut (im Gegenzug schätze ich es aber wiederum nicht, wenn man Witze auf meine Kosten macht; jedenfalls nicht, wenn mans übertreibt ;)).
Ich wollte mich selbst ein wenig "hochnehmen" dafür, dass seit mittlerweile 8 Wochen die Fußsohlen und mittlerweile der Rücken streiken, wobei ich mir beim letzteren noch nicht ganz sicher bin, obs wirklich Rücken oder doch eher wieder die Nieren sind. Nierchen süßsauer gibts offensichtlich nicht nur als Mittagessen, die gibts auch bei Helma Ziggenheimer im Rücken, wenn sie dem anspruchsvollen Pärchen offensichtlich wieder zuviel Käffchen und zu wenig Wasser geboten hat.
Ich wollte mich selbst ein wenig "hochnehmen" dafür, dass ich erst über die dreißig Grad im Büro herzog und jetzt hier mit den gerade mal 18,1 Grad (ja, das ging noch runter) auch nicht wirklich glücklich bin: 3 Paar Stricksocken, 2 Strickpullover, 1 Shirt, 1 Nierenschutz seit Sonntag eben wegen der irren Schmerzen und bequeme, warme Leggings. Unerotisch, unbestritten, aber warm. Man könnte ja auch einfach ein bisschen an der Heizung kurbeln, immerhin steht die grad mal knapp über 2. Aber nachdem der Mann mir erst letztens latent vorwurfsvoll berichtete, dass die Betriebskosten sich verdoppelt hätten, seit ich auch hier wohne (Sag bloß!), wage ich mich das gar nicht mehr. Ich bin ja sooo pflegeleicht! Oder einfach nur unfassbar dämlich. Wie auch immer.
Heute Morgen las ich Nachrichten. Berichte. Kommentare. Gedanken. Anmerkungen.
Ich dachte daran, wie ich letzte Nacht nicht schlafen konnte, aufgrund der Temperaturen die Finger aber inzwischen klamm und eiskalt geworden waren und ich mich demzufolge noch in eine Sofadecke wickelte und ein Lammfell noch darüber ausbreitete - und den Mann insgeheim nur ein ganz klitzekleines Bisschen verfluchte.
Heute Morgen dachte ich dann aber... "Du hast ein Zuhause. Ein richtiges Zuhause mit Heizung, Warmwasser und einem Kühlschrank, der nicht an Unterfütterung sterben wird. Du führst ein Leben, das für unfassbar viele andere Menschen ein purer Luxus ist, weil du jederzeit essen, trinken, baden, Auto fahren oder auch ins Kino gehen kannst. Weil du dich nicht fragen musst, wo du nachts unterkommst, ob du vielleicht im Freien schlafen musst und ob du dann morgen früh überhaupt noch erwachst. Weil du dich nirgendwo anstellen musst, wo andere Menschen ihre Lebenszeit und ihre Freizeit dafür aufwenden, um Hilfsbedürftigen Essen und Kleidung und vielleicht ein Dach für die Nacht zu geben. Weil du nicht miterleben musst, wie die Ärmsten unter uns, die sowieso schon nichts mehr haben, auch noch ihre allerletzte Würde aufgeben und aufeinander losgehen. Sich um das Essen zanken wie in den ersten Nachkriegsjahren, von denen mir meine Großmutter früher so eindrucksvoll erzählt hatte. Weil du eben genau diese Erfahrungen nicht selber machen musstest, sondern nur aus Geschichtsbüchern und den Erzählungen der Großeltern kennst."
"Warum öffnen wir nicht unsere Heizungskeller und lassen die Obdachlosen dort schlafen?" fragte heute jemand und irgendwas in mir krampfte sich zusammen. Unbestritten ist ein warmer Heizungskeller immer noch besser als eine Nacht draußen bei den aktuellen -10 bis -15 Grad unter irgendwelchen Zeitungen, Pappe und Decken. Aber wohin ist ein Land wie unseres, das zu den reichsten Ländern zählt, das sich Sozialstaat nennt (ich kotz gleich), gekommen, wenn es ernsthaft darüber nachdenkt, Menschen in Heizungskellern schlafen zu lassen und sich auch noch gut damit fühlt? Wenn es darüber diskutiert, wie berechtigt oder unberechtigt Entscheidungen einer Tafel sind? Wenn billigend in Kauf genommen wird, dass selbst die Menschen in Armut in zwei Klassen aufgeteilt werden - und man dies dann auch noch kritisiert, obschon man selbst jahrelang nichts dagegen getan hat?
Der Wahnsinn um Aleppo - gerade erst sind die Nachrichten darüber verebbt, angeblich sollte dort wieder Frieden eingekehrt sein. Jetzt Ghouta - und die Bilder, die ich heute sah, das Flehen der Ärzte ohne Grenzen, endlich aufzuhören, die medizinische Versorgungsmöglichkeit sei am Kollabieren... Bilder von Frauen, Kindern, toten Kindern, von denen ich weiß, dass ich sie nie wieder aus meinem Kopf bekommen werde. Man kann aber die Augen nicht verschließen, man kann sich der Realität nicht verschließen - und dennoch überkommt mich einmal mehr das Gefühl... dass es zuviel wird, zu laut, zu brachial, das Geschrei hier im Land, Schuldzuweisungen, Rechtfertigungen - aber keine Lösungen..
Tausend Gedanken schwirren in meinem Kopf, wühlen in meinem Magen.
Nachts schlafe ich kaum und dann ist es die Musik, genau diese Art von Musik, die etwas Ruhe in meine Seele zurückbringt, ein Gleichgewicht, das ich unbedingt brauche.
Einmal mehr denke ich darüber nach, meine Zelte noch einmal komplett abzubrechen, woanders hinzugehen, dahin, wo ich aktiv etwas tun kann. Und sei es erstmal nur beruflich. Nicht ehrenamtlich, sondern wirklich voll und ganz. Mich einbringen mit dem ganzen Herzblut für den, auch wenn ich mehr und mehr an ihm zweifle: dem Menschen.