Mittwoch, 28. Februar 2018

Es wird mir zu laut, erneut.


Eigentlich war mir nach einem Post, mit dem ich mich selber ein bisschen durch den Kakao ziehe. Das kann ich schließlich ganz gut (im Gegenzug schätze ich es aber wiederum nicht, wenn man Witze auf meine Kosten macht; jedenfalls nicht, wenn mans übertreibt ;)).
Ich wollte mich selbst ein wenig "hochnehmen" dafür, dass seit mittlerweile 8 Wochen die Fußsohlen und mittlerweile der Rücken streiken, wobei ich mir beim letzteren noch nicht ganz sicher bin, obs wirklich Rücken oder doch eher wieder die Nieren sind. Nierchen süßsauer gibts offensichtlich nicht nur als Mittagessen, die gibts auch bei Helma Ziggenheimer im Rücken, wenn sie dem anspruchsvollen Pärchen offensichtlich wieder zuviel Käffchen und zu wenig Wasser geboten hat.
Ich wollte mich selbst ein wenig "hochnehmen" dafür, dass ich erst über die dreißig Grad im Büro herzog und jetzt hier mit den gerade mal 18,1 Grad (ja, das ging noch runter) auch nicht wirklich glücklich bin: 3 Paar Stricksocken, 2 Strickpullover, 1 Shirt, 1 Nierenschutz seit Sonntag eben wegen der irren Schmerzen und bequeme, warme Leggings. Unerotisch, unbestritten, aber warm. Man könnte ja auch einfach ein bisschen an der Heizung kurbeln, immerhin steht die grad mal knapp über 2. Aber nachdem der Mann mir erst letztens latent vorwurfsvoll berichtete, dass die Betriebskosten sich verdoppelt hätten, seit ich auch hier wohne (Sag bloß!), wage ich mich das gar nicht mehr. Ich bin ja sooo pflegeleicht! Oder einfach nur unfassbar dämlich. Wie auch immer.

Heute Morgen las ich Nachrichten. Berichte. Kommentare. Gedanken. Anmerkungen.
Ich dachte daran, wie ich letzte Nacht nicht schlafen konnte, aufgrund der Temperaturen die Finger aber inzwischen klamm und eiskalt geworden waren und ich mich demzufolge noch in eine Sofadecke wickelte und ein Lammfell noch darüber ausbreitete - und den Mann insgeheim nur ein ganz klitzekleines Bisschen verfluchte.
Heute Morgen dachte ich dann aber... "Du hast ein Zuhause. Ein richtiges Zuhause mit Heizung, Warmwasser und einem Kühlschrank, der nicht an Unterfütterung sterben wird. Du führst ein Leben, das für unfassbar viele andere Menschen ein purer Luxus ist, weil du jederzeit essen, trinken, baden, Auto fahren oder auch ins Kino gehen kannst. Weil du dich nicht fragen musst, wo du nachts unterkommst, ob du vielleicht im Freien schlafen musst und ob du dann morgen früh überhaupt noch erwachst. Weil du dich nirgendwo anstellen musst, wo andere Menschen ihre Lebenszeit und ihre Freizeit dafür aufwenden, um Hilfsbedürftigen Essen und Kleidung und vielleicht ein Dach für die Nacht zu geben. Weil du nicht miterleben musst, wie die Ärmsten unter uns, die sowieso schon nichts mehr haben, auch noch ihre allerletzte Würde aufgeben und aufeinander losgehen. Sich um das Essen zanken wie in den ersten Nachkriegsjahren, von denen mir meine Großmutter früher so eindrucksvoll erzählt hatte. Weil du eben genau diese Erfahrungen nicht selber machen musstest, sondern nur aus Geschichtsbüchern und den Erzählungen der Großeltern kennst."
"Warum öffnen wir nicht unsere Heizungskeller und lassen die Obdachlosen dort schlafen?" fragte heute jemand und irgendwas in mir krampfte sich zusammen. Unbestritten ist ein warmer Heizungskeller immer noch besser als eine Nacht draußen bei den aktuellen -10 bis -15 Grad unter irgendwelchen Zeitungen, Pappe und Decken. Aber wohin ist ein Land wie unseres, das zu den reichsten Ländern zählt, das sich Sozialstaat nennt (ich kotz gleich), gekommen, wenn es ernsthaft darüber nachdenkt, Menschen in Heizungskellern schlafen zu lassen und sich auch noch gut damit fühlt? Wenn es darüber diskutiert, wie berechtigt oder unberechtigt Entscheidungen einer Tafel sind? Wenn billigend in Kauf genommen wird, dass selbst die Menschen in Armut in zwei Klassen aufgeteilt werden - und man dies dann auch noch kritisiert, obschon man selbst jahrelang nichts dagegen getan hat?
Der Wahnsinn um Aleppo - gerade erst sind die Nachrichten darüber verebbt, angeblich sollte dort wieder Frieden eingekehrt sein. Jetzt Ghouta - und die Bilder, die ich heute sah, das Flehen der Ärzte ohne Grenzen, endlich aufzuhören, die medizinische Versorgungsmöglichkeit sei am Kollabieren... Bilder von Frauen, Kindern, toten Kindern, von denen ich weiß, dass ich sie nie wieder aus meinem Kopf bekommen werde. Man kann aber die Augen nicht verschließen, man kann sich der Realität nicht verschließen - und dennoch überkommt mich einmal mehr das Gefühl... dass es zuviel wird, zu laut, zu brachial, das Geschrei hier im Land, Schuldzuweisungen, Rechtfertigungen - aber keine Lösungen..
Tausend Gedanken schwirren in meinem Kopf, wühlen in meinem Magen.
Nachts schlafe ich kaum und dann ist es die Musik, genau diese Art von Musik, die etwas Ruhe in meine Seele zurückbringt, ein Gleichgewicht, das ich unbedingt brauche.
Einmal mehr denke ich darüber nach, meine Zelte noch einmal komplett abzubrechen, woanders hinzugehen, dahin, wo ich aktiv etwas tun kann. Und sei es erstmal nur beruflich. Nicht ehrenamtlich, sondern wirklich voll und ganz. Mich einbringen mit dem ganzen Herzblut für den, auch wenn ich mehr und mehr an ihm zweifle: dem Menschen.

2 Kommentare:

Clara Himmelhoch hat gesagt…

Liebe, liebe Helma, hier hast du ja deine Gedanken noch ausführlicher geschrieben als bei Facebook - das war ja ähnlich.
Mir tut schon das Lesen deiner Zeilen weh - aber ich gebe meine zwei in der Nacht schlaffreien Zimmer auch nicht an Bedürftige weiter. Warum eigentlich nicht? Ist es Angst? Wenn es Frauen wären, könnte mir vielleicht nichts passieren. Aber wer will schon seine Wohnung mit Stockfremden teilen?
Natürlich wäre es schön, wenn die Politik vernünftige Lösungen umsetzen würden - aber die gierigen Wohnungsbesitzer oder -vermieter nutzen ja solche Situationen schamlos aus.

Jetzt zu dir - gerade man 18° in der Wohnung ist nur bei einem 8stündigen Fitnessprogramm aushaltbar - ich denke, 21 sollten es schon sein.
Ich bin mit Aufwärmen durch Baden auch sehr sparsam, nachdem ich bei meinem elektrischen Durchlauferhitzer festgestellt habe, dass ein Vollbad ca. 5 - 6 kWh kostet - ganz schön happig.
Wenn ich immer von deinen Schmerzen lese, würde ich dir am liebstgen einen Zauberspruch schicken.
Ganz liebe Grüße von Clara

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Liebe Clara, nein, so war das auch nicht gemeint: Gerade in den Großstädten gibt es so viele Menschen ohne Zuhause. In einer Reportage sah ich mal, dass viele Einrichtungen nur tagsüber geöffnet haben, wo die Menschen etwas essen und trinken, wo sie sich selbst auch ihre Spritzen setzen können. Schlafplätze gibt es meist nicht in ausreichender Zahl und Obdachlose mit Hunden dürfen zum Teil gar nicht erst hinein.
Von einer Einrichtung sah ich vor zwei Tagen, dass sie sagten, sie würden angesichts der Kälte jetzt auch nachts ihre Türen öffnen, damit die Menschen nicht im Freien schlafen müssen und Gefahr laufen zu erfrieren.
Der Staat ist verantwortlich für alle Menschen, die hier leben, für jeden von uns. Es wird so viel Geld verbraten und verbrannt, da gibt es zig Beispiele. Dann muss doch auch genug Geld da sein, um viel mehr Art "Begegnungsstätten" einzurichten und auch zu betreiben, wo sie nach Bedarf auch nachts einen Schlafplatz bekommen können. So eine Sozialarbeit kann ich mir für mich vorstellen.
Und dafür sollte der Staat auch ausreichend Geld zur Verfügung stellen. Er kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen und dann noch diejenigen kritisieren, die das in ihrer Freizeit und unentgeltlich versuchen abzufangen.

Was den Rücken betrifft: Das ist neu ;) Normalerweise schmerzen ja nur die Gelenke links, nicht der Rücken und auch nicht der Kopf. Insofern tippe ich immer noch auf die süßsaure Nierchenvariante, zumal es langsam besser wird.

Und ja, 21 Grad halte auch ich für gut. Darum drehte ich dann gestern einfach doch ein bisschen den Regler hoch, nachdem ich feststellen musste, dass das Tippen auf der Tastatur mit eiskalten Händen nicht mehr gar so flüssig "von der Hand" gehen wollte ;)
Aber ab dem Wochenende solls ja wieder milder werden - ick freu mir schon jetze offn Friehling!!