Ich habe den Mann letztens gefragt, ob er eigentlich seiner Mama den Tipp gab, mir zu meinem letzten Geburtstag Acrylstifte zum Bemalen von Steinen zu schenken.
"Da antworte ich nicht drauf", schmunzelte er.
Eigentlich ist es ja auch egal, andererseits: Wenn er es war, hat er es vielleicht inzwischen auch schon wieder bereut. Denn diese Stifte waren der Grundstein. Ich habe sehr schnell festgestellt, dass es wesentlich mehr an Stiften bedarf. Nicht allein der Farbpalette wegen, sondern auch, um Konturen zeichnen zu können, Schattierungen bzw. den Rest des Steines auszumalen - und habe mir nach und nach entsprechende Utensilien nachgekauft.
Ich hab dabei eine solche Leidenschaft entwickelt, dass ich nun beinah jeden Abend an meinem Schreibtisch sitze, manchmal mit Musik in den Ohren, in letzter Zeit immer öfter auch ohne (denn dann kann man sich ab und an immer noch unterhalten), weil der Mann nun beklagt: "Wir machen ja überhaupt nichts mehr! Entweder malst du oder spielst an deinem iPad Solitär! Und schlafen kommst du erst irgendwann morgens um zwei oder um drei! Das Zusammenleben stelle ich mir anders vor!"
Auf seine Worte habe ich erstmal nicht reagiert, aber natürlich beschäftigen sie mich.
Er hat ja irgendwie auch recht.
Das Zusammenleben beschränkt sich aktuell tatsächlich eher auf Essen, Schlafen, Arbeiten und hier und da einen Film gemeinsam schauen. Doch während er meist gegen 21 oder 22 Uhr schlafmüde wird, bin ich noch munter und würde mich nur ruhlos im Bett hin und her wälzen, ohne in den Schlaf zu finden.
Also bleibe ich eben auf, male oder schaue die Sendungen, die ich in seinem Beisein halt nicht schauen "darf". Mit "Crime Storys" oder "Medical Detectives" beispielsweise kann und will er einfach nix anfangen. Das akzeptiere ich, aber mich interessiert es trotzdem.
Ich musste aber dann doch ein bisschen in mich hineinlachen: Ich hab wohl wirklich ziemlich viel von meiner Mama. Die malt zwar nicht, "versumpft" aber genauso beinah jeden Abend, jede Nacht entweder vor dem iPad oder zappt sich durch die Krimiserien, während der Papa schon zeitig zu Bett geht.
Um nach einem Tag im Home Office wenigstens ein bisschen "Auslauf" zu bekommen, aber auch, um ein paar Momente miteinander zu haben, sind wir dazu übergegangen, dass ich ihn nunmehr beinah täglich von irgendeiner U-Bahn-Station abhole und dann laufen wir gemeinsam Hand in Hand nach Hause. Meistens spricht er über die Arbeit oder ich erzähle von meiner oder wir reden von Dingen, die wir gehört, gelesen haben oder die uns aktuell beschäftigen. Ich finde das wirklich schön und genieße das sehr. Und als ich gestern Abend las, wie wundervoll mild es die kommenden Tage werden soll, da blitzten doch die Augen und lachte das Herz.
Überhaupt freue ich mich sehr auf den Frühling! Wenn alle Farben wieder erwachen, wenn die Knospen sich ausstrecken und alles wieder bunt und vor allem sattgrün wird. Das liebe ich so sehr und gibt so unfassbar viel an gutem Lebensgefühl! Irgendwie erhoffe ich mir davon auch, dass die Beschwerlichkeit der letzten Wochen von uns allen abfällt. Dass die Gereiztheit der Menschen wieder nachlässt, auch wenn ich absolut nachvollziehen kann, woher sie kommt. Dass ich selber immer noch relativ entspannt bleibe, liegt sicherlich an meinem friedfertigen Gemüt *kreisch*, aber vermutlich vor allem daran, dass ich selber wirklich wenig "auszustehen" habe. Und meist kann ich Stimmungen anderer recht gut abfangen, aber immer und vor allem auf Dauer gelingt mir das auch nicht. Vor allem, wenn es dann von allen Seiten kommt, dienstlich wie privat. Das sind dann aber vor allem die Momente, in denen ich mich in mich selbst zurückziehe, die Kopfhörer aufsetze und in der Musik versinke und mich auf das Malen konzentriere. So kann ich immer noch am allerbesten abschalten und "runterfahren", während der Mann am liebsten jeden Tag 20 Kilometer laufen wollen würde.
Ich bin jetzt auch wetterbedingt seit Mitte Januar nicht mehr in L gewesen.
"Man muss es ja nicht provozieren, dass dir was passiert", hat der Chef gesagt und ich hab das wirklich begrüßt. Und den Fotos und Videos der Jungen nach zu urteilen, ist dort eine Menge Schnee runtergekommen. Bis heute (!) ist der auf sämtlichen Nebenstraßen nicht mal wenigstens geschoben worden. Es ist das erste Mal, dass ich den Winterdienst so versagen sehen habe. Aus den Parklücken rein wie raus haben es die Jungen nur mit Hilfe anderer Leute geschafft. Ne, das muss ich auch nicht haben.
Am Anfang hat es den Mann doch irgendwie gestört, auch er liebt die Ruhe eines Home Office und "würde auch gerne mal wieder". Ein ziemlich ungutes Gefühl, wenn du für dich selber feststellst, dass du - egal wo - irgendwie auf Dauer zuviel bist und du selbst kein Zuhause hast, wo du vor allem den Raum für dich hast, den du brauchst und wo niemand dir vermittelt: "Wär schon schön, wenn du mal nicht da wärst."
Dieses Gefühl beruhte sowohl auf einer Aussage in L als auch auf einer Auseinandersetzung hier in M und vielleicht wirklich auf einem Missverständnis - aber es hat an mir genagt in den letzten Wochen.
"Ich kann doch nichts dafür, dass die Wohnung zu klein ist auf Dauer und nur ein Zimmer mehr gleich zweitausend Euro Miete bedeutet", hatte ich dem Mann geantwortet, während er das ewig "arbeitende" Thema wieder aufbrachte, dass ich ja auch einen Job in M annehmen könnte, dann könne man auch über eine andere Wohnung sprechen. Wenn man aber grundsätzlich nicht bereit ist, soviel Geld für eine Mietwohnung auszugeben (und darin sind wir uns beide einig), dann ist dies aber auch kein wirklich gutes Argument ;)
Insgesamt aber war er wieder da.. Der Gedanke, irgendwo in irgendeiner Stadt eine kleine Wohnung ganz für mich allein zu haben. Vielleicht nur ein Zimmer mit Küche und Badezimmer, aber.. klein und vor allem mein. Klein, aber wundervoll. Meine ganz persönliche Rückzugsinsel, mein ganz persönliches Paradies, aus dem mich niemand vertreiben könnte - und wo mir niemand das Gefühl vermittelte, zuviel zu sein. In Gedanken richtete ich mich ein, ich wusste genau, wie es aussehen würde und beinah schon war ich versucht, mich auch nach einem solchen Kleinod umzuschauen.
Zurück hielt mich letztlich die Tatsache, dass ein solches Unterfangen hier in M aussichtslos ist. Man bezahlt so viel, dass man dann wirklich auch eine Zweitausendeuromietwohnung nehmen könnte.
Und aus M wegzugehen.. wieder eine Fernbeziehung zu führen.. Das würde auf Dauer nicht mehr gut gehen, das ist mir bewusst. Vor sechs Jahren wusste ich: Einer muss jetzt zum anderen ziehen, egal, wer zu wem, denn nach sieben Jahren Pendeln war uns irgendwie die Puste ausgegangen.
Möglicherweise summiert sich auch grad einiges und im Frühjahr, im Sommer wird es wieder entspannter, leichter.. So allgemein und auch überhaupt..