Dienstag, 5. März 2013

Beziehungsgeschädigt?

Dieser Begriff hat mich in den letzten zehn Jahren oft begleitet, insbesondere in meinen Singlezeiten. Ja wenn ich berücksichtige, dass ich nicht auf Frauen stehe und demzufolge eher nur mit Männern zu tun habe, kann ich auch nur sagen: Meist empfinden sich die Männer als beziehungsgeschädigt. Oder gar beziehungsunfähig.
Inzwischen habe ich im Freundeskreis auch ein paar Mädels (gehabt), die sich als solches bezeichnen. Oder meine männlichen Freunde erzählten mir von ihren Dates und/ oder Beziehungen mit Frauen, die sich über den oder die Ex' ausklagten und - oh Wunder - just in diesem Augenblick an ihre Beziehungsunfähigkeit erinnert wurden, wenns grad irgendwo hakte.

Wenn Ihr mich fragt: Für mich alles faule Ausreden. Einerseits, das ist mir schon klar, gibt es mitnichten Menschen, die in ihrem Beziehungsleben wieder und wieder in die... äh... nun ja, Ihr wisst schon, griffen, die vom ersten Mann verprügelt, vom zweiten Mann ausgenommen, vom dritten Mann betrogen und vom vierten Mann was vorgesoffen bekamen. Da kann man - je nach Erlebnissen - durchaus den Glauben an die Liebe oder an ehrliche, zärtliche Gefühle verlieren - oder unfähig werden, mit Komplimenten oder eben aufrichtigen Gefühlen umzugehen. Bei letzterem nehme ich mich ja auch nicht aus. Zu lange habe ich auch mir eintrichtern lassen, ich sei nicht liebenswert, ich sei nur anstrengend etc. pp.
Aber hat mich das alles wirklich auch beziehungsunfähig gemacht? Ja okay, ich hab viele Jahre allein gelebt, also nicht allein, da sind ja meine Söhne, aber eben ohne Partner. Was mir anfangs echt schwer fiel, hab ich nach Jahren begonnen zu genießen: keine Rechenschaften ablegen müssen. Anziehen, was gefällt. Zurechtmachen, wie es gefällt. Die Wohnung einrichten, wie es gefällt. Essen, was und wann wir mögen. Schlafen, wann ich wollte. TUN - was ich wollte. Auf Dauer erfüllt das natürlich nicht, mein Lebensprinzip sah auch nie vor, dass ich mein Leben so ganz ohne Mann an meiner Seite verbringen wollte. Aber dass es eben auch nicht so klappte wie ich wünschte oder es stellenweise mehr als holprig lief, hat mich ab irgendeinem Zeitpunkt auch nicht mehr entmutigt. Gelassenheit des Alters vielleicht? Oder - um es mit den Worten einer Lady zu sagen - weil man sich des eigenen Wertes irgendwann (doch) bewusst wird und in sich die Gewissheit verankert: Alles kommt, wie es und wann es kommen soll?
Und sicherlich musste auch ich dann und wann feststellen: Partnerschaften verlangen manchmal eine Menge Kompromisse, Zugeständnisse, ein Aufeinanderzugehen und in gewisser Weise auch eine Rücksichtnahme auf Gefühle und Empfindungen anderer, was ich so nicht mehr gewohnt war.
Und nun noch mal: Hat mich mein Singleleben in der Tat beziehungsunfähig gemacht? Oder wenigstens beziehungsgeschädigt dahingehend, nun mit dieser Erkenntnis die Flinte ins Korn zu schmeißen und mit fliegenden Haaren davonzurennen, sich zu verkriechen, sich selbst zu bemitleiden und die Wunden von anderen Leuten lecken zu lassen?
Nein!
Mal abgesehen von den Menschen, die wirklich Schlimmes, Prägendes in ihren Beziehungen erleben mussten und die auch die Zeit brauchen, dieses Erlebte zu verarbeiten, gibt es aus meiner Sicht keine Beziehungsunfähigkeit. Für mich bleiben das faule Ausreden dafür, dass man im Grunde immer nur nach Selbstbestätigung sucht, nach diesem Gefühl, auf einen Podest gehoben zu werden: "Was du machst, ist so toll. Wie du aussiehst, ist einfach nur super. Wie du dein Kind erziehst, ist ratgeberfreundlich" *kotz* Und alles das, was dem entgegensteht, wird abgewehrt, man flüchtet, und man flüchtet sich dahin, wo ja bloß nicht kritisiert wird.
Vor ein paar Jahren hatte es mir mal jemand gesagt und ich finde, er hat total recht: "Wenn du Single bist und dich nur mit Freunden oder Bekannten umgibst oder gar Leuten, die dich umwerben, die werden dir nie so schonungslos die Wahrheit ins Gesicht sagen oder so offen ihre eigene Meinung über dich wie der eigene Partner. Weil der das größte Interesse daran hat, dass es dir gut geht, während alle anderen abends nach Hause gehen, die Tür hinter sich schließen und sich ein Weinchen eingießen."
Ja ja ich weiß schon, pauschalieren kann und will ich das nicht - auch ich hab Freunde, die richtig schonungslos sein können - weil sie es gut meinen.
Aber wenn ich schon immer höre, eine Frau oder ein Mann, die mitten im Leben stehen, lernen einen neuen Partner kennen und nach wenigen Wochen tauchen erste Zwistigkeiten auf - und schwupps, ist man ja ach so beziehungsgeschädigt, da könnte ich wirklich k**en - sorry. Ist der moderne Mensch von heute nicht mehr in der Lage, sich für etwas einzusetzen? Ist der moderne Mensch von heute dank der vielen technischen und technologischen und sonstigen Erfindungen so von Anstrengungen befreit, dass er nicht mehr weiß, wie er mit neuen, anderen umgehen soll? Die moderne Wegwerfgesellschaft auch auf dem Gebiet der Emotionen?
Oder ist die Beziehungsunfähigkeit eher die Unfähigkeit, mit Kritik umzugehen, nur weil man es gewohnt ist, Recht zu haben oder dass niemand widerspricht?
Lächerlich. Wirklich, ich finde es lächerlich. In bestimmten und speziellen Fällen. Wer dich in allem nur toll findet und keine eigene Meinung vertreten kann, der wird dich auch nicht weiterbringen. Auch wenn er dich noch so liebt. Und ich finde es wichtig, enorm wichtig. Dass beide sich gegenseitig weiterbringen. Sich weiterentwickeln. Ansonsten wird es nur einer tun - und der wird irgendwann gehen. Und wenn sie sich beide nicht weiterentwickeln, bleiben sie beide da stehen, wo sie immer waren. Will das ernsthaft wer?
Ich nicht!

Quelle Foto: http://images.nzz.ch/app.php/eos/v2/image/view/643/-/text/c0d33ac7/1.14556531.1327569678.jpg

4 Kommentare:

lady_bright hat gesagt…

Erstmal: muss ältere Einträge aufarbeiten, hatte in den letzten Wochen so wenig Zeit und Muße meine Lieblingsblogs zu verfolgen.

Zweitens: Da sagst du ja was... Keine Beziehungsunfähigkeit, sondern die Unfähigkeit Kritik zu ertragen.. Was ja nichts anderes heißt, als die Unfähigkeit, sich in dem Spiegel zu betrachten, der der Partner im Idealfall ja immer auch ist.

Ich hoffe, das passiert nicht zwangsläufig, wenn man länger alleine lebt.

Und dein "sich gegenseitig weiterbringen" ist besser als mein "aneinander wachsen". Denn das Wachsen impliziert ja immer auch einen Hauch Verletzungen, Fehlentscheidungen und Probleme, an denen das Wachstung erst stattfinden kann.
Sich weiterbringen heißt ja auch, sich weiterhelfen und hat einen viel, viel positiveren Grundtenor.

Ich seh schon, das mit dem positiv Denken muss ich noch vertiefen. :)

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Ach na also negativ hab ich Dich bislang nicht empfunden ;)
Als ich gestern in Deinem Post las, was Du alles gerade bewältigt (hast), stand mir der Mund offen und ich dachte so bei mir: "Noch eine, die nen Orden verdient hätte." Ich mal uns einen - über kurz oder lang ;)
Mir wächst derzeit nämlich auch so einiges über den Kopf und ich täte gern mal was delegieren wollen :)

lady_bright hat gesagt…

Das mit dem Orden find ich gut! :) Letztens war in unserer Tageszeitung ein riiiieeeesen Artikel über einen alleinerziehenden Vater aus der Region. Daß der Arme nicht arbeiten gehen könne, weil er ein Kind allein erziehe und was er nicht alles für Schwierigkeiten hätte.

Für Millionen Frauen ist das einfach mal Alltag. Da schreibt keiner drüber. Aber kaum steht ein Mann vor haargenau denselben Problemen, wird ein Riesen Bohei drum gemacht. Von wegen stärkeres Geschlecht...

Helma Ziggenheimer hat gesagt…

Muss grad lachen, weil ich mich an Junior II erinnere, der auf meine Frage, ob er nicht auch meine, er sei längst in einem Alter, wo er sich ruhig mehr und unterstützend im Haushalt beteiligen darf, ganz erstaunt reagierte: "Na du bist die Mutter! Du musst dich um uns kümmern."
Ich hab vielleicht gelacht! :)
Diese Einstellung hat ihm übrigens nix genutzt ;)