Irgendwo hörte ich vor einigen Tagen die Worte
"Alles, was Augen hat, isst man nicht."
Ergänzen muss ich vielleicht: Früher habe ich immer Fleisch und Wurst gegessen. Nicht besonders viel, eher normales Essverhalten, würde ich sagen. Irgendwann wurde es immer weniger an Fleisch und Wurst. Begonnen hatte es mit der ersten Schwangerschaft, als ich eine Abneigung gegen Rindfleisch entwickelte. Über die Jahre hinweg aß ich auch sonst immer weniger Fleisch und Wurst, nur phasenweise entwickelte ich "Genussanfälle" hinsichtlich Würstchen und Teewurst. Sowie Fisch und Geflügel.
Gestern Mittag, als ich den Kühlschrank öffnete, lag da noch der Rest der Teewurst. Besser bekannt vielleicht unter dem Begriff "Mettwurst". Warum die übrigens Teewurst heißt, weiß ich gar nicht, denn jeder weiß: Da ist alles drin, aber kein Tee.
Jedenfalls schnitt ich mir zwei Scheiben Brot ab und verbrauchte den Rest an Teewurst. Dazu gab es meinen obligatorischen Kaffee, und der Magen begann zu rebellieren. Nicht der Nahrungsmittel an sich: Das Brot war frisch, Kaffee und Milch waren frisch, die Wurst war relativ frisch. Aber mir kam jenes Zitat wieder in den Kopf, keine Ahnung wieso.
Doch der Magen verkrampfte und ich habe so lange über dem Toilettenbecken gewürgt, bis ich dachte, es ist doch nix mehr drin, gleich kommt der Magen selbst noch hinterher. Ich konnte einfach nicht aufhören zu würgen, so speiübel war mir.
Mir ist völlig bewusst: Ich habe mich selbst in etwas hineingesteigert. In diese Worte, in diesen Satz, in die Vorstellung dessen.
Heut hab ich mir wieder ein Brot geschmiert, heute mit dem frischen Käse, den wir gestern Abend noch eingekauft haben. Milch, Käse, Eier, das sind Dinge, auf die ich auch nicht verzichten würde. Eier wird ein Huhn immer legen und eine Kuh würde schreien vor Schmerz, würde man sie nicht mehr melken. Vor Jahren habe ich vor allem unter dem Aspekt der Preisstellung eingekauft: Das Geld war zu knapp. Heute geht es mir finanziell wesentlich besser - und mir ist irgendwann aufgefallen, dass ich inzwischen wie der Liebste einkaufe: Weniger, aber bewusster. Ob Bio nun wirklich auch Bio ist, kann man zwar nicht sagen, aber Eier, Milch, Butter & Co. kaufen wir nicht mehr nach dem Motto "Hauptsache, billig".
Und mir geht die ganze Zeit, auch nach dem Kommentar von Frau RRP im letzten Post, der Gedanke herum: Wo achte ich zu wenig auf mich? Wo denke ich zu wenig an mich? Wann habe ich zuletzt etwas nur für mich getan, außer ein Kleid zu kaufen oder die paar Stiefel mit der Schnürung vorn für das Konzert in drei Wochen?
Als ich Montagabend nach M zurückkam, war der TV aus, der Liebste hatte eine Platte von Fleetwood Mac aufgelegt und ich setzte mich zu ihm, legte irgendwann meinen Kopf in seinen Schoß. Mir war nach Weinen, aber ich habe nicht. Mir war nach Reden, aber ich habe nicht. Dennoch habe ich mich an diesem Abend entspannt. Die Ruhe tat mir gut, sie tat mir unendlich gut. In der folgenden Nacht schlief ich so tief und fest, als müsste ich den Schlaf der letzten Wochen nachholen.
Frau RRP hat sicherlich etwas anderes gemeint, als sie sagte, ich solle überlegen, welchen Ballast ich abwerfe. Aber heute ging mir den ganzen Tag diese Teewurst-Geschichte durch den Kopf. Wenn ich mich da so reingesteigert habe, ich mich selbst bis hin zum wahrhaftigen Erbrechen, steigere ich mich dann auch in andere Fragen so rein? Mache ich es mir selbst viel zu schwer?
Heute Vormittag flogen über unser Haus gleichzeitig etwa sieben oder acht Bundeswehrhubschrauber sowie ein weißer mit irgendwas Orangefarbenen. Ich stand da am Fenster und hatte so das beklemmende Gefühl in meiner Brust: "Was wäre, wenn dies keine Hubschrauber wären, sondern Flieger mit Munition an Bord, bereit, sie jederzeit auf uns abzuwerfen? Was wäre, wenn Deutschland, wenn Europa nicht mehr das sichere Flecken Erde sind wie in den letzten fünfzig Jahren? Was wird aus meinen Söhnen? Was wird aus den Menschen, die ich liebe? Wo ist das Mitgefühl füreinander, die Sorgfalt, die Fürsorge? Wo ist die Liebe zueinander und füreinander? Was ist verdammt noch mal passiert und was passiert heute, morgen oder in einem Jahr?"
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Ja, ich kann mich da hineinsteigern. So wie in die Teewurst. Seither kann ich nicht auch nur an Fleisch oder Wurst denken, ohne Brechreiz zu empfinden.
Ballast abwerfen. Lösen von Dingen, Situationen, die mir (gerade) nicht guttun. Wiederkommen, vielleicht, oder nie mehr.
Mein erster Schritt für heute: Meinen Facebook Account deaktivieren. In den letzten zwei, drei Wochen habe ich jeden Geburtstag verpasst, der mir angezeigt wurde - sie mögen es mir bitte verzeihen. Weil ich entweder zu wenig oder zu spät die Plattform betrat, die mich daran erinnerte. Aber ich kann sie nicht mehr betreten, ohne überall zu lesen, das Pro und Contra der Hilfe- und Schutzsuchenden. Nur eben kein sachliches Pro und Contra, sondern vor allem ein Stimmen-Like-Fang-Pro-und-Contra, und ich kann es nicht mehr ertragen. Scheinheiliges, verlogenes Getue zumeist, ich halts nicht aus.
Am Sonntag hatte mich meine Freundin gefragt, ob mir das Bloggen guttut und ich antwortete:
"Normalerweise ja. Normalerweise immer. Aber im Moment fließt es einfach nicht. Ich kann nicht mal sagen, dass ich blockiert wäre, aber... es fließt irgendwie einfach nicht."
Ich bin noch nicht so weit wie der Zaubermann, der nach gut zehn Jahren Bloggen aus persönlichen Gründen beschloss, damit aufzuhören. Ich finde auch, er muss es weder rechtfertigen noch um Verständnis bitten: Es war seine ureigenste Entscheidung, damit zu beginnen, und es ist seine ureigenste Entscheidung, damit aufzuhören. Es ist vor allem eine ehrliche Entscheidung. Eine authentische. Mir ist sowas jedenfalls allemal lieber als Blogger, die ständig ihr Häuschen wechseln, dem Ganzen einen neuen Namen geben und dann auf eine Plattform wechseln, die vor allem von getunten Fotos lebt, obwohl man doch prinzipiell ablehnt, Fototuning zu betreiben.
Die Entscheidung, das Facebook-Konto zu deaktivieren, ist mein eigener erster Schritt. Welche weiterhin folgen und in welche Richtung sie gehen, weiß ich noch nicht, kann ich grad noch nicht sagen. Doch so wie bisher geht es für mich nicht weiter.