Ja ich weiß, gibts heut so einige Sprüche drüber, von wegen Prinzessin und Krone und so.
Dieser Tage wurde ich erneut gefragt, wie es mir denn ginge - und ich hatte mir selber einzugestehen: Gut ist anders.
Gut ist besser. Besser mit dem Schlafen, dem Essen - und dem Schmerz im Körper, im Magen.
Mit dem Schlaf ist das echt so ne komische Sache. Entweder schlafe ich bereits kurz nach acht auf dem Sofa ein - und liege dafür ab spätestens 1 Uhr wach. Oder ich finde gar nicht erst in den Schlaf, ziehe mir einen Krimi nach dem anderen rein oder schaue Detektiven bei der Aufklärung tatsächlich ereigneter Morde zu - nur um mich dann morgens um kurz nach drei oder vier über den Holzfußboden durch die Dunkelheit hinüber ins Bett zu schleichen und mich zu Tode zu erschrecken, wenns irgendwo knackt.
Über das Nichtessenkönnen und den Schmerz will ich jetzt nicht sprechen, das ist eben so.
Aber dass wir jetzt drei ganze Tage am Stück frei haben, darauf habe ich mich schon sehr gefreut. Ruhe im Kopf finden, abschalten können, frei sein von wiederkehrenden Einflüssen von außen.
Der Mann fragt nicht, er sagt nichts, er fordert nichts.
Er ist einfach da.
Als ich dann noch im Drogeriemarkt neue Sorten von Badeessenzen entdeckte, die etwas von dem wohligen Geruch von Schokolade, noch warmen, gebackenen Keksen und Anis versprachen, da verlor ich beinah Sinn & Verstand.
"Hattest du nicht gesagt, du brauchst nur was zum Duschen?"
"Äh... Hatte ich?"
"Ich hol dann mal einen Korb."
Und als er wiederkam, breitete ich die Arme aus und ließ all die unausgesprochen versprochenen kurzen Momente des Seelenfriedens in den Korb fallen.
Gegen den heftiger gewordenen Schmerz sind wir in dieser Woche schon dreimal gegenanlaufen gewesen. Sprich: Wir waren joggen. Wir meint auch mich, tatsächlich.
Ich habe absolut noch keine Ahnung, ob das wirkt - und zunächst erwäge ich kein meilenweites Gerenne, sondern konzentriere mich auf das Durchhalten.
Aber ich will es versuchen. Nach acht Jahren versuche ich es wieder mit dem Joggen. Mir ist das tausendmal lieber als Pillen.
Im Moment fühle ich mich zu Hause am wohlsten. Am sichersten. Hier muss ich nicht permanent gegen die Wand rennen und mir den Kopf einhauen, weil ich nicht begreifen kann.
Jeden Tag spreche ich mit meinem Jungen und sauge seine Worte, den Klang seiner Stimme in mich auf, weil ich weiß: Auf meine Frage, ob es ihm gut ginge, würde er immer mit Ja antworten. Immer - weil er nicht will, dass ich mich sorge. Du kannst das ja verstecken wie du willst - ein Mensch mit so feinen Antennen wird dir immer und ewig auf die Schliche kommen. Oder es sich einfach denken können.
Und so lausche ich auf den Klang, ich entspanne mich, wenn ich ihn höre und wir über alles mögliche sprechen.
Verlasse das Haus momentan nur, wenn ich etwas einkaufen muss. Oder der Mann mich zu einem Besuch bei Freunden überredet. Oder eben zum Joggen. Neuerdings halt.
"Du joggst wie ich", sagte der Mann, als wir heute Morgen durch den Nieselregen liefen, uns der herbstliche Atem aus dem Stadtpark entgegenschlug und sich Kieselsteinchen in die Sohlen bohrten.
"Du schaust immer nach unten."
"Ja. Weil ich sonst sehe, wie viel ich noch laufen muss und dann verlässt mich die Energie."
Durchhalten. Durchhalten. Durchhalten. Nicht stehenbleiben, den Brustkorb ignorieren, der verzweifelt den Sauerstoff einzuatmen versucht, das Stechen neben dem Hals ignorieren.
Einfach nur... durchhalten und weiterlaufen. Nicht stehenbleiben und der Versuchung erliegen, dann doch nicht mehr weiterzulaufen. Nicht mehr bis zum Ende zu laufen.
Hätte mir vor nunmehr fast elf Jahren jemand gesagt, dass der Schmerz nicht mehr aufhören wird und ich nur lernen muss, damit zu leben, wäre ich vermutlich verzweifelt.
Hätte mir vor Jahren jemand gesagt, dass der Weg noch lange nicht zuende ist, wenn man glaubt, man sei an das Ziel gelangt, wäre ich vielleicht verzweifelt.
Ich hab oft in die Vergangenheit, aber nie in die Zukunft geschaut. Was war, konnte ich betrachten und für mich bewerten. Was aber kommt, kann ja niemand vorhersagen - warum also Pläne machen? Wozu Pläne hinter die Stirn meißeln, die mich unbeweglich machen, weil ich daran festhalten möchte? Die mich unfähig machen, geschmeidig zu reagieren, weil ich nicht loslassen könnte von der Idee, von der Vorstellung eines Lebens?
Es ist wie mit dem Joggen: Wissen, dass man läuft, dass man laufen muss, in Bewegung bleiben muss. Aber ich möchte einfach nicht sehen, wie weit der Weg noch führt. Ich will gar nicht wissen, was noch auf mich wartet.
Ich will lieber - so wie erneut heute Morgen nach dem Lauf - im nach Keks und Schokolade duftenden Badewasser liegen und daran glauben, dass da noch ganz viel Schönes im Leben wartet.
Ich will lieber daran glauben, dass mir die Energie nicht ausgeht. Nicht auf Dauer.
Ich will nicht, dass mir die Energie ausgeht, dafür zu sorgen. Jeden einzelnen Tag. Mehr oder weniger.
4 Kommentare:
Ach, liebe Helma, wenn es helfen würde, in echter flüssiger Schokolade zu baden und dadurch Kraft zu bekommen und die Schmerzen zu verjagen, ich würde dir mindestens 200 Tafeln schicken - natürlich die großen, nicht die lumpigen zu 100 g.
Ich denke an dich!
Herzlich Clara
Ich vermisse das Laufen. Seit meiner Kniefissur geht's nicht mehr. Es hat wunderbar den Kopf frei gemacht und Gedanken gewaschen. Ich hoffe, das kann dir das Laufen auch geben! Und wenn du anfangs noch nicht so viel schaffst, versuch es mit Intervalltraining, abwechselnd laufen und walken. 1 Minute laufen, 2 Minuten walken, und nach und nach die Laufintervalle verlängern. Drück dich!
Na sooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo was......:-)
Der Federkiel kritzelt wieder Tinte auf`Papier.....
Welcome at Home
Woher kommen denn die Schmerzen ? Kann man die Ursache nicht beseitigen ?
Wurde schon ein CT gemacht um zu schauen ob es was mit der Krebserstdiagnose zu tun hat ?
Liebe Grüße
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