"Ich liebe dich in jedem Fall - selbst wenn es kein Ich und keine Liebe und nicht einmal ein Leben geben sollte - ich liebe dich."
Zelda an F. Scott Fitzgerald, per Brief
Der Tag heute versprach Regen, eine Menge Regen. Das bedeutete, mir nach dem genüßlichen Frühstück ein Kleid überzustreifen, eine Strickjacke darüberzuziehen und mir ein Buch auf die Beine zu legen. Was es mir bieten würde, war ich mir nicht so ganz sicher. Von den bisher drei Büchern, die ich von ihr besitze, gefallen mir zwei ganz sehr. Insofern blieb eine leise Skepsis, während ich begann zu lesen. Mit jeder Seite, die ich umwendete, verblasste die Skepsis und vertiefte sich die Anspannung in mir: Wie würde es enden?
Obgleich ich ahnte, wusste, wie es enden würde - denn eigentlich endet es doch immer auf dieselbe Art..
"Par Procuration", sagte sie gedankenverloren. "Sie werden mir erklären müssen, was das bedeutet, Anthony."
Die Art, wie sie seinen Namen aussprach, rief eine gewisse Vertrautheit hervor. Darin lag ein Versprechen, die Aussicht auf eine Wiederholung irgendwann in der Zukunft.
"Es bedeutet..." Anthonys Mund war trocken geworden.
"Es bedeutet, sich am Glück von jemand anderem zu erfreuen."
[1960. Jennifer sollte glücklich sein. Ein sorgloses Leben mit ihrem wohlhabenden Mann. Nur dass sie eben erkennt, dass sie ihn nicht liebt. Und dann gibt es nur zwei Möglichkeiten.
2003. Der Journalistin Ellie fällt im Archiv ein 40 Jahre alter Brief in die Hände: Der unbekannte Verfasser bittet seine Geliebte, ihren Ehemann zu verlassen. Die Journalistin stellt daraufhin Nachforschungen an: Was ist aus den beiden und ihrer Liebe geworden? Mehr als nur eine Handvoll Worte?]
Es gibt nicht viele Bücher, die ich in die Hand nehme und so lange nicht wieder zur Seite lege, bis ich es zuende gelesen habe. "Eine Handvoll Worte" war heute so ein Buch. Vielleicht, weil es so unfassbar viele Erinnerungen erweckt, wieder hervorholt. Vielleicht, weil das Buch ob dieser Erinnerungen eine Intensität hervorruft, die es mir ermöglicht, all die Protagonisten, all die Ereignisse vor mir zu sehen. Mitzufühlen in all den Ereignissen. In den ersten Begegnungen. Nach der Begegnung. In all der Hoffnung und all dem Warten.. Und in der eigenen Erkenntnis, dass nichts umsonst geschieht. Und dass nichts jemals umsonst gewesen ist. Dass alles seinen richtigen Platz bekommt - solange man daran glaubt.
Als ich das Buch am Abend zur Seite legte, klopfte mir das Herz bis in den Hals hinauf.
"Ein Teil von ihm wusste schon in diesem Augenblick, dass sie sein Verderben sein würde. "Sag mir, dass ich aufhören soll", flüsterte er, eine Hand an ihrer Brust, schwer atmend. Es wäre die einzige Möglichkeit, das hier noch aufzuhalten, "Sag mir, dass ich aufhören soll." Sie schüttelte nur stumm den Kopf. "O Gott", murmelte er. Es gab kein Zurück mehr, ihr Atem kam stoßweise, sie schlang ein Bein um ihn. Er fuhr mit den Händen unter ihr Kleid, die Handflächen glitten über die Seide und die Spitze ihrer Unterwäsche. Er spürte ihre Finger in seinem Haar, eine Hand griff nach seiner Hose, und ein Teil von ihm war leicht schockiert, als habe er erwartet, dass ihr Gefühl für Anstand eine solche Gier ausschloss.
Die Zeit schien stehenzubleiben, sie bewegten sich wie in einem luftleeren Raum, ihr Atem vermischte sich. Stoffe wurden zur Seite geschoben. Beine wurden feucht, er hatte seine gespreizt, um ihr Gewicht zu tragen. Und dann - o Gott - war er in ihr, und einen Moment lang setzte alles aus: Jennifers Atem, ihre Bewegungen, sein Herz. Wahrscheinlich auch die Welt. Er spürte ihren offenen Mund auf seinem, hörte, wie sie einatmete. Und dann bewegten sie sich, und er war eins mit ihr, konnten nur noch sie fühlen, war taub gegenüber den klappernden Bügeln, der gedämpften Musik auf der anderen Seite der Wand, dem leisen Ausruf, als jemand im Flur einen Freund begrüßte. Nur er und Jennifer existierten, bewegten sich langsam, dann schneller, ihr Griff wurde fester, das Lachen war verstummt, seine Lippen auf ihrer Haut, ihr Atem an seinem Ohr. Er spürte die zunehmende Kraft ihrer Bewegungen, spürte, wie sie in einem fernen Teil ihrer selbst verschwand. Der letzte Rest seines Verstandes sagte ihm, dass sie keinen Laut von sich geben durfte. Und als er hörte, wie sich der Schrei in ihrer Kehle ankündigte, während sie den Kopf nach hinten bog, hielt er ihn mit seinem Mund auf, fing er den Laut ab, nahm ihre Lust in sich auf, so bestimmt, dass sie zu seiner eigenen wurde.
Par Procuration."
"Lieber J - ich weiß, ich war eine blöde Kuh, und es tut mir leid. Ich weiß, du kommst morgen nach Hause, aber ich werde nicht da sein, um dich zu sehen. David und ich heiraten in ***, und ich werde dich nicht mehr treffen. Im Grunde meines Herzens liebe ich dich, aber David liebe ich noch mehr. Machs gut."
Frau an Mann, per Brief
Par Procuration...