Samstag, 21. November 2020

Die verlassenen Kinder

 Hm, natürlich weiß ich im Grunde, warum ich die letzten Tage so müde war und so zeitig schlafen ging. Zum einen war da die gut gefüllte letzte Woche. Und zum anderen die Tatsache, dass ich seit dem Wochenende kaum geschlafen hatte. Es war gar nicht mal soooo sehr, dass der Kopf soviel gewälzt hätte. Ich war einfach... wach. Fit. So als hätte ich irgendwas genommen oder mindestens zwanzig Tassen Kaffee getrunken. Habsch aber nicht. 
Und während zu Beginn der Woche der Mann relativ zeitig schlafen ging, lümmelte ich bis in die Morgenstunden auf dem Sofa und zappte mich durch die Mediatheken. Und blieb hängen an einer Doku über Mütter aus der DDR, die mit dem Fall der Mauer alles zurückließen und weggingen. Die vor allem das eigentlich Wichtigste zurückließen: ihre Kinder.

Wenn ich zurückdenke.... Zur Wende war ich schwanger und freute mich auf mein erstes Kind. Ich hatte einen Job, eine Neubauwohnung mit warmem Wasser aus der Wand (was ja damals beileibe nicht selbstverständlich war). Sicherlich bin ich damals auch mal in den Westen gefahren, um mir das anzuschauen, wie das dort nun wirklich aussieht - aber dort bleiben wollte ich jetzt auch nicht. Damals war ich kaum zwanzig Jahre alt, eher schüchtern und ängstlich und mit wenig Selbstvertrauen ausgestattet. Veränderungen machten mir eher Angst, weil ich mir selber nicht zutraute, damit umgehen zu können. 
Dass ich zwei Kinder bekommen habe, hat mich in meiner ganzen Entwicklung den entscheidenden Schritt nach vorn gebracht. Einfach, weil mich insbesondere die Umstände mit und um den Älteren dazu zwangen, mich mit allen möglichen Ämtern und Institutionen herumzuschlagen. Aber das kam erst später, einige Jahre nach der Wende.
Wenn ich heute an diese ersten Jahre mit Kind/ern zurückdenke, dann sage ich mir heute: Ich habe diese Zeit unbedingt zu wenig genossen. Eingespannt in Vollzeitjob, Haushalt und Kindererziehung habe ich auch aufgrund des Drucks "von außen" den Fokus eher darauf gehabt, dass die Wohnung in Ordnung und vorzeigbar war, dass ich gutes Geld verdiente. 
Mein Tag begann regelmäßig 3.30 Uhr, damit ich 5.15 Uhr die Kinder wecken, waschen, anziehen und befrühstücken konnte, bevor ich sie mir 6.00 Uhr unter den Arm klemmen und mich auf den Weg zu Hort und KiTa machen konnte. Zur Arbeit hetzen, 6.30 Uhr den Dienst antreten, zwischen 16.00 und 17.00 Uhr heim, die Kinder abholen, einkaufen, Abendessen zubereiten, Schularbeiten kontrollieren oder beaufsichtigen, die Kinder baden, zu Bett bringen, Ordnung ins Zuhause bringen - und dann selber tot umfallen bis zum nächsten Morgen 3.30 Uhr. 
Hätte sich daran etwas geändert, wenn man den Lebensmittelpunkt von Ost nach West verlegt? 
Natürlich nicht.
Aber hätte ich mir jemals auch nur ansatzweise vorstellen können, mein Kind zurückzulassen?
Diese Frage habe ich mir niemals gestellt - aber ich stellte sie mir Montagnacht, als ich die Doku anschaute. Ich sah die Aufnahmen der Kinder von einst, manche kaum zwei Jahre alt, andere 6, 7 oder 11. Kinder, die ohne jegliche Vorwarnung in der Wohnung zurückgelassen wurden. Meist verabschiedet mit den Worten: "Ich geh mal rüber nach Westberlin, bin heute Abend wieder da und bringe euch was mit." Das sagte eine dreifache Mutter zu ihrem Ältesten. Ließ auf dem Küchenschrank sechs oder acht Stullen zurück und ging. Nach drei Wochen (!) sind Nachbarn aufmerksam geworden - Gott sei Dank. Ein anderes Kind hatte dieses Glück nicht..
Eine einzige Mutter wurde ausfindig gemacht und befragt, warum sie ihr Kind zurückgelassen hatte. Ihre Begründung war, dass der Junge ja gar nicht ihr leibliches Kind sei und deshalb auch öfter geäußert habe: "Du hast mir gar nichts zu sagen." Und dass er eben auch seine Hausaufgaben immer nicht gemacht habe. Der Reporter fragte ungläubig nach: "Weil er seine Hausaufgaben nicht gemacht hat?"
Von dem Jungen hat sich irgendwann die Spur verloren. Schulausbildung, Berufsausbildung und dann drei Jahre arbeitslos, so haben sie ihn nochmal angetroffen. Was aus ihm geworden ist, ist nicht bekannt. 

Ich konnte danach nicht einschlafen. Reflektierte mein eigenes Leben, eigene Entscheidungen und die, denen ich zugestimmt hatte. Ich weiß, dass ich falsche Entscheidungen getroffen bzw. zugelassen habe. Dabei hilft mir nicht, dass ich es damals nicht besser wusste bzw. dass es für damals die richtige Entscheidung gewesen sein mochte - heute weiß ich, was falsch war. Das ist ein Grund mit, warum ich heute so derart an den Jungen "dran" bin. Es geht mir nicht um Kompensierung für etwas, das ich nicht ändern kann. Es geht mir darum zu zeigen: Ich bin da, egal was kommt. Ich bin da, egal was ihr braucht. Wenn ihr jemanden braucht, auf den ihr euch verlassen wollt, dann bin ich da.

Es gibt so unfassbar viele Eltern, die keinen Kontakt zu ihren Kindern haben und auch nicht wollen - und ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Ich kann mir nicht vorstellen, ein Kind mit mir im Bauch herumzutragen und dann, wenn es da ist, irgendwann vergessen oder verdrängen oder ablehnen.
Es gibt so viele Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen, verprügeln. Wie bringen die das fertig? Was fühlen die dabei - und fühlen die überhaupt nur irgendetwas?
Wie konnten die Mütter von einem Tag auf den anderen weggehen, ihre Kinder zurücklassen und sich nie wieder darum kümmern, was aus ihnen geworden ist? Kinder, die sich selbst entweder völlig verloren haben - oder die sich bis heute mit Verlustängsten quälen? Die bis heute darunter leiden, dass die eigene Mutter sie nicht mehr wollte? 
Solche Menschen will ich gar nicht verstehen. Ich sehe den Vier- oder Fünfjährigen in seinem Schlafanzug auf der Pritsche im Kinderheim sitzen, wie er in die Kamera schaut und sagt: "Die Mama ist weg. Die kommt nicht wieder. Nie wieder." Und dann lächelt er und du sitzt fassungslos davor und denkst, das gibt es doch gar nicht..

Und da war er wieder.. Der Gedanke, das Bedürfnis, meinen Job zu wechseln und noch mal ganz von vorn anzufangen. In einer ganz anderen Richtung. Mich kümmern da, wo es andere nicht (mehr) wollen.
"Der Gedanke an sich ist ja gut", sagte der Mann, "aber bist du auch vorbereitet auf das ganze Elend, was du dann zu sehen bekommen würdest?"
Da bin ich unsicher, das gebe ich zu. Aber wie kann man Kinder nicht liebhaben können? Wie kann man sich nicht kümmern wollen? 
Mir ging das auch 2016 in Indien so. All die verwahrlosten, hoffnungslos verschmutzten Kinder mit ihren so dürren Beinchen, dass man sich wunderte, dass sie darauf stehen konnten. Wie oft wünschte ich, ich hätte sowas wie eine Kindereinrichtung, wo man all die Kinder baden könnte, ihnen zu essen geben und sie spielen lassen könnte. Wenigstens tagsüber, und abends holen die Eltern sie wieder ab.. Dass sie es wenigstens tagsüber gut hätten, anstatt im Staub zu liegen, darauf angewiesen, dass ihre Eltern Geld oder wenigstens was zu essen erbetteln können..

Kein Kind bittet darum, auf die Welt kommen zu dürfen. Aber jedes hat es verdient, dass man es bedingungslos liebt. Wieviel zerstörte Menschen weniger hätten wir, würden Eltern ihre Kinder bedingungslos lieben und auch genauso behandeln?

Freitag, 20. November 2020

Heiße Köpfe

 Als ich gestern Morgen mit dem Chef telefonierte und wir über die Gehaltsabrechnung für den November sprachen, da stellten wir auch fest, dass in gut fünf, sechs Wochen das Jahr rum ist. Natürlich ist das jedem bewusst und jedem klar - gleichwohl waren wir beide ein wenig erschrocken, wie schnell eben dieses Jahr rum war. 
"Und dabei ist gar nicht viel passiert", wunderte sich der Chef.
"Das ist es ja", antwortete ich nachdenklich. "Wenn du ein ganzes Wochenende lang nur im Bett liegen und gar nichts machen würdest, wär man schockiert, wie schnell die zwei Tage rum sind. Packt man sich die aber voll mit Erlebnissen, dann fühlt es sich so an, als habe man vier Tage frei gehabt."
Bald also ist Weihnachten, Jahreswechsel - und ich gebe zu, ich betrachte die kommende Zeit mit ein wenig gemischten Gefühlen. Und das gar nicht mal so wegen mir selber, sondern wegen Menschen zum Beispiel, die allein sind. Oder sich allein fühlen. Menschen, die sich jedes Jahr in den Weihnachtstagen noch mehr allein fühlen als sonst. Wie fühlen sie sich in diesem Jahr? Nicht mehr allein als sonst auch, weil sich für sie im Grunde nichts ändert? Und sie den Menschenmassen, den Familien nicht zusehen müssen, was ihr Einsamkeitsgefühl noch mehr befeuerte?

Heute Morgen hat der Mann mir gedankt, dass ich unser Zuhause so gemütlich gemacht hatte, vor allem abends, wenn er heimkommt. Es ist still und ruhig, warm und behaglich. Vor allem auch deshalb, weil ich mich an den vergangenen zwei Abenden schon vor sieben Uhr in mein Bett legte. Ich war tatsächlich todmüde, richtiggehend "durch", obwohl ich noch bis Mittwoch freie Tage genießen konnte. An denen auch nicht wirklich viel passierte. Zumindest nicht im außen.

"Warum tust du dir das immer an?" fragt der Mann öfter, wenn ich mich in Blogs oder Social Media zu aktuellen Themen auseinandersetze. Offen gestanden, habe ich mich das gestern und heute auch wieder selbst gefragt. Weil ich auch spüre, was es mit mir macht. Wie es in meinem Kopf hin und her geht und immerhin den Blutdruck fördert. Insgesamt aber stelle ich auch immer wieder fest, dass ich bei aller Diskussion - mit wem auch immer - wieder und wieder meinen eigenen Standpunkt hinterfrage. Schaue, ob ich etwas Neues erfahren kann oder aber wenigstens den Blickwinkel anpassen könnte. Oder müsste. 
Genau genommen ist das auch der einzige Grund, warum ich mich seit jeher für alles mögliche interessiere und dann auch die Diskussion nicht scheue. Manchmal aber auch dann, wenn ich etwas lese, sehe, höre, das ich für mein Empfinden als ungerecht einschätze. 

Wer mich kennt, weiß, wie sehr ich Gewalt hasse und verabscheue. Gewalt in jeglicher Form, ob nun psychisch oder physisch. Auch weil ich es selbst durchlebt habe, sechzehn Jahre lang, um genau zu sein. Das hat mich nachhaltig geprägt, auch wenn ich schon vor diesen sechzehn Jahren das war, was man allgemeinhin als Pazifist bezeichnet. "Frieden schließen; befrieden, besänftigen"
Hierbei unterscheide ich auch nicht, von welcher Seite Gewalt entsteht. Ob sie von rechts oder links kommt oder von mir aus auch von oben oder unten - Gewalt bleibt Gewalt und allein die Bereitschaft dazu verabscheue ich. Da gibt es auch nichts zu "verniedlichen", dass zB linke Gewalt ja eigentlich den Standpunkt vertritt, dass Unbeteiligte nicht zu Schaden kommen sollten. Darf sie deshalb tolerierbar sein? Nein, darf sie nicht. Weil sie inzwischen längst in Kauf nimmt, dass sie es tun - und taten. Und wenn jemand sagt "Ah ja, die verdammten Corona-Leugner, da bleibt ihr still, ihr Bullen, wo auch die Rechten ihre Reichsflaggen schwenken, aber kaum kommen die Autonomen in Connewitz zusammen, haltet ihr den Wasserstrahl drauf!" - dann wehrt sich irgendwas in meinem Bauch gegen diese Darstellung. Ich habe schon Videos gesehen, in denen sich die Polizei in Connewitz komplett defensiv verhielt - und Bewohner sich fragten: "Wieso? Wann gehen die endlich mal richtig dagegen vor?" Wenn aber Straßenzüge auseinander genommen und teils in Brand gesteckt werden, sorry, aber dann darf man da auch mit einem Wasserwerfer draufgehen. Das ist zumindest meine Meinung. 

In den vergangenen zwei Tagen habe ich mir Videos von der Corona-Demo in Berlin angeschaut. Warum sich Eltern mit ihren Kindern vorn mit in die ersten Reihen stellen, erschließt sich mir nicht. Wir reden hier immerhin nicht von Friedensbewegungen - auch wenn es gerne so dargestellt werden möchte. Wir reden hier von Zusammenkünften, die jederzeit eskalieren könnten. Da nimmt man sein Kind nicht mit hin! In Berlin entschloss sich die Polizei (im Gegensatz zu Leipzig), ihre Wasserwerfer einzusetzen. Das sicherlich nicht "zielgerichtet" wie zB bei anderen Einsätzen, sondern eher als "Beregnung", da die Menschen auch nach mehrmaliger Aufforderung, den Platz ob der Nichteinhaltung der Auflagen zu verlassen, nicht nachkamen. 
Als ich dann heute ein Posting sah mit der Unterschrift:

"Presseanfrage an die Berliner Polizei: Haben Sie vor dem Wasserwerfer-Einsatz Mediziner konsultiert wegen gesundheitlicher Folgen, insbesondere im Hinblick auf Infektionsschutz (durchweichte Masken, Tröpfchen etc.) und Auswirkungen auf die Immunität? Was rieten Ihnen diese?"

da konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen, welche Masken denn gemeint gewesen waren (es gibt ja nun inzwischen genug Videobelege, dass fast ausschließlich alle keine Maske trugen) - und warum jetzt nach Infektionsschutz gefragt wird, wenn Menschen ohnehin ohne Maske und Abstand beieinander stehen? 
Fast zeitgleich veröffentlichte jemand ein Statement der Bundesregierung vom 12. März, wonach die Menschen zu Vertrauen und Besonnenheit aufgerufen wurden und man eindeutig dementierte, dass von Seiten der Regierung NICHT geplant wäre, einschneidende nationale Beschränkungen aufzuerlegen. 
Dass man Fake News nicht trauen solle.
Hm. Nur weiß man ja inzwischen, dass bereits am 19. März der erste Lockdown in Bayern eingeführt wurde - und dass die anderen Bundesländer gut eine Woche später folgten. Hat man das im Ministerium am 12. März etwa nicht gewusst? ;) 

Bis heute schaue ich mir keine entsprechenden Youtube-Videos an, ich lese auch nicht wahllos irgendwelche Statements - und ich werde misstrauischer, je reißerischer etwas angeprangert wird. 
Dennoch finde ich für mich persönlich bis heute keine schlüssige Argumentation für das, was seit März bei uns beschlossen und durchgezogen wird. Dabei bewerte ich gar nicht, ob Corona nun wirklich gefährlich ist oder nicht - weil mir das gar nicht zusteht. Weder kenne ich mich darin aus noch habe ich je in Richtung Medizin studiert. Aber ich höre auf das, was diejenigen sagen, die sich damit auskennen sollten. Bzw. höre ich denen zu, die sich damit auskennen und - anfangs vorsichtig und diplomatisch - wiederholt dazu auffordern möchten, sich weniger auf Infektionszahlen zu fixieren als vielmehr auf die Zahl der Schwererkrankten und die der Todesfälle und dass man insbesondere Risikopatienten schützt. 
Korrigiert mich, wenn ich falsch liege, aber ich denke schon, dass ich eine Auffassung zu allem haben darf, auch wenn ich nicht Medizin studiert habe. 

Was heißt das konkret für mich? Ich finde es gut und richtig, dass wir alle im Frühjahr informiert worden sind. Damit wir eben auch wissen "Hey Leute, da gibts was, das wir noch nicht kennen und nicht einschätzen können - aber Ihr könnt was tun." Zum Beispiel besuche ich momentan meinen schwer herzkranken Papa lieber nicht und schiebe es auf. Das mache ich aber nicht nur bei Corona so, sondern jedes Jahr, wenn irgendeine Erkältungswelle rumgeht. Ich achte noch mehr aufs Händewaschen. Und wenn ich erkältet bin, halte ich mich fern von anderen. Also eigentlich alles Dinge... die wie immer sind und an die man sich grundlegend hält.
Ich finde auch gut, dass auch gesagt wurde, es sei eben alles neu, es lägen keine Erkenntnisse vor etc. 
Dass man nur ausprobieren kann. Und natürlich ist es ein Unterschied, ob ich für eine 5köpfige Familie Verantwortung trage oder für rund 83 Millionen Menschen. Inzwischen aber weiß man schon etwas mehr, man spricht sogar vom ersten genbasierten Impfstoff. Wer möchte, darf meine Dosis gerne haben - jedoch ich möchte mir dieses Zeug nicht spritzen lassen. Zum einen habe ich mit meinem Körper schon genug zu tun. Zum anderen regen wir uns auf über gentechnisch entwickeltes Obst und Gemüse usw. - und jetzt lassen wir uns das Zeug freiwillig unter die Haut schieben? Mit Haftungsfreistellung für den Entwickler und ohne Erkenntnisse darüber, was das im Menschen überhaupt auslösen und bewirken kann? 
Versteht mich nicht falsch - zum Impfgegner zähle ich nicht. Ich bin geimpft und meine Kinder sind es auch. Mit abgeschwächten Erregern, die eine Immunreaktion im Körper hervorrufen und uns immunisieren sollten. Aber eine genbasierte Impfung? 
Und gerade weil man inzwischen etwas mehr über Covid weiß, habe ich echt nicht erwartet, dass ein zweiter Lockdown eingeführt wird. Vor allem nicht, an welcher Stelle. Da, wo Hygienekonzepte aufgestellt und teils für teuer Geld umgesetzt wurden - und das erfolgreich. Da, wo absolut nicht nachgewiesen wurde, dass da Infektionsherde brodelten. Sportzentren, Lokale. Muss ich das verstehen? Also treffen sich die Leute wieder vermehrt zu Hause. Da, wo man davon ausgeht, dass die Infizierung eher im privaten Bereich erfolgt? Ja, du darfst nur eine Familie treffen. Aber wer kontrolliert, ob ich jeden Tag oder jede Woche eine andere Familie treffe? Meine Eigenverantwortung? Oder der Denunziant von Tür Acht, dem die offizielle Plattform dafür eingerichtet worden ist?

Zu dem ganzen Thema gibt es übrigens auf ARTE eine sehr gute, sachliche Dokumentation. Die ist noch bis 8. Februar in der Mediathek verfügbar und heißt "Sicherheit contra Freiheit: Deutschland, Frankreich und Schweden in der Krise". Alternativ kann man sich die auch noch auf youtube anschauen. Ich hab sie mir angesehen. Und kann sie wirklich jedem nur empfehlen. 

Ja.. In Tagen wie diesen kann man sich richtig die Köppe heißreden. Oder stattdessen auch einfach nur alle Themen ruhen lassen und einen entspannten Herbstabend mit dem Liebsten genießen. Wenn man denn einen hat. 

Freitag, 13. November 2020

The Day after Yesterday

 Der Junge fragt mich (und sich), wo ich immer meine Energie hernehme. Die Kolleginfreundin bestaunt dasselbe und meint: "Das schaffst du auch noch, davon bin ich überzeugt."
"DAS" meint: Lösen der alten und Anschließen der neuen Waschmaschine. Denn es ist ja so: Entweder Du ziehst Du irgendwo ein Steinchen raus und der ganze Haufen überrollt Dich - oder aber es ist, wie mein Opa immer zu sagen pflegte: Der Anschiss lauert überall. 
Denn als ich am Montag zeitig genug hier in L eintraf, ordnete ich zunächst die Wäsche und begann mit dem Waschen. Nur um nach der ersten Runde das Bullauge zu öffnen und deutlichen Qualm nicht nur zu riechen, sondern auch zu sehen. What? Also Wäsche entnommen, Deckel abgeschraubt, Rückwand abgeschraubt - aber es war nichts Verdächtiges zu sehen. Nichts Verschmortes, nichts Ungewöhnliches - alles trocken und ordentlich. Jedenfalls, soweit man überhaupt schauen konnte. Irgendwelche Betonteile jedenfalls schraubte ich nicht noch ab, das war mir nicht nur zu schwer, sondern erschien mir auch nicht wirklich sinnvoll. Ob zwischen Trommel und Waschmaschine etwas geraten war, ließ sich nicht eindeutig beantworten - aber jetzt noch eine Wäsche riskieren? Was mach ich, wenns nen ordentlichen Hieb gibt, von woher auch immer? Wie alt das Teil ist, weiß ich ohnehin nicht, wir hatten sie vor rund 6 Jahren gebraucht vom Opa übernommen. Also rief ich beherzt bei einem Freund an, der zugleich einen Gebrauchtwarenladen besitzt. Ich kenne seine Ware, der nimmt nur welche, die tipptopp ist - nur leider hat er im Moment keine Waschmaschinen in seinem Geschäft. 
"Dann musst du jetzt wohl mal in den sauren Apfel beißen", meinte er vergnügt und ich fragte mich grummelnd im Stillen, in welchen von den sauren in meiner ganz persönlichen Obstschale. 
Der Junge und ich gruben dann das Internet rauf und runter.
Problematik war ja ohnehin: Der Wäscheberg hatte längst bedrohliche Ausmaße angenommen, also musste wenigstens zügig und zuverlässig geliefert werden. Und hierfür.. kommt eigentlich tatsächlich nur das große A in Frage.. "Da unterstützt du wieder die Amis", meinte der Mann. Stimmt zwar, nutzte aber dennoch nichts. Und dabei hatte ich erst vor kurzem in einem Blog gelesen, man solle doch einfach mal die Onlineriesen und überhaupt jene, die an einem Lockdown verdienen, boykottieren. Mir gefiel diese Idee ausnehmend gut - und kaum hatte ich diesen Entschluss gefasst, pinkelt mir das reale Leben vor die Füße.

Jedenfalls haben wir jetzt eine bestellt, heute soll sie geliefert werden - und den gestrigen Tag nutzten der Junge und ich, die beiden Zimmer komplett umzuräumen. Was bedeutete, die alten Möbel beim Großen zerlegen, in den Keller tragen, den Keller dazu für den Sperrmüll sortieren, die Wohnwand vom Jüngeren zerlegen, ins andere Zimmer befördern - und dann werkelte der Jüngere in seinem Zimmer weiter und ich im Zimmer des Älteren. Als der dann nämlich abends von der Arbeit kam, war alles fertig: die Wand gestrichen, die Möbel aufgestellt, die Schränke eingeräumt. Eigentlich hatte ich angenommen, dass wir die zwei freien Tage dazu benötigen würden - brauchten wir dann aber doch nicht. 
"Und wo schläfst du jetzt?" fragte der Mann abends, als ich ihm die Fotos schickte.
Nun. Auf einer Gästematratze, aber nach der ersten Nacht war mir endgültig klar: Das ist nur ein Provisorium, hier muss eine Alternative her ;) So ähnlich sah das auch der Jüngere, der mich gestern schon fragte: "Bist du sicher, dass du das so willst?"
"Wieso nicht? Ist erstmal das einfachste vom Auf- und Abbauen her und das Kostengünstigste."
"Na ja... Aber du mit deinen Schmerzen. Und dann... na ja... du weißt, du bist ja..." Dann begann er zu lachen, duckte sich weg und verschwand. Frechheit! Dabei hatte erst am Mittwoch die Kolleginfreundin meinen Erklärredefluss unterbrochen, indem sie sagte: "Ey... Du siehst grad echt aus wie Mitte Dreißig!" Aussehen ist aber ja auch nicht sein, aber ich dachte einmal mehr, was so eine kleine Pille doch ausmachen kann. Also die Cortison-Pille. Neun Tage - und mir gehts schon echt besser. Was sich durchaus auch gestern beim Möbeltragen und vor allem Treppensteigen zeigte. Das ging wirklich wie geflutscht und ganz ohne Probleme. Nur die Schultern sind nicht besser geworden - aber hey: neun Tage! Das ist wirklich viel mehr als ich gedacht hätte. 
Aber natürlich war ich am Abend "grätenbreit", wie der Sachse sagt, und "kreuzlahm", wie der Fischkopp sagt. Also ließ ich mir erstmal ein Muskel- und Gelenkebad ein, bevor ich mich mit der letzten Energie des Tages daran machte, eine Kleinigkeit zum Abendessen zu zaubern. 

Heute Morgen dann, nach dem Duschen, schaute ich mir die Anschlüsse der alten Waschmaschine an. Vor denen habe ich schon einigen Respekt. Die sind so "lawede", dass man denkt, hier geht nur vom bloßen Anfassen was schief.  Wie der Junge auch gestern sagte "Das is eigentlich ne echt primitive Bude. Eins geht nach m anderen kaputt. Hier die Anschlüsse, dort die Steckdosen, die Wände bröseln, der Keller is morsch..." Und vermutlich hat er auch recht damit, aber es hilft ja nix. Dafür zahlen wir auch nur vierhundert Euro warm für zwei Zimmer mit Küche und Bad. Altbau eben. Die Steckdosenabdeckungen werden wir im kommenden Jahr nach und nach erneuern und auch die Silikonfugen an den Fensterbrettern. Für das kommende Frühjahr bzw. den Sommer haben wir uns dann noch den Balkon vorgenommen. Es gibt so viele kleine Möglichkeiten, mit denen man aber große Veränderungen herbeiführen kann. Ein gutes Gefühl, wenn man vieles allein machen kann und auch hinbekommt. Und wenn es anschließend wirklich schön wird. 

"So einen Service hätte ich auch gern", sagte der Mann gestern Abend und ich antwortete: "Hast du doch. Ich liefer die Ideen und dann setzen wir sie gemeinsam um. Du machst nur vieles selber, um mich zu schonen."
Und die Kolleginfreundin sagte zu den Fotos: "Geil! Jetzt kann ja die erste Freundin kommen." 
Einiges ist derzeit zwar noch ein Provisorium, aber spätestens Mitte Dezember sollte dann alles komplett fertig sein.

Und ich freu mich über zwei Dinge: dass es mit dem Jüngeren ein so harmonisches, entspanntes Arbeiten ist, weil der genauso gerne Dinge verändert wie ich, dass wir alles geschafft haben und es jetzt wirklich schön geworden ist, der Ältere damit ein cooles Zimmer hat - und dass ich entgegen der Planung zwei Tage übrig hab, um mich zu erholen. Ich werde mit einem richtig guten Gefühl am Sonntag wieder hier wegfahren.

Sonntag, 8. November 2020

Up to Date

 Ich hatte es heute grad erst an Gretel kommentiert: Ich vermisse bestimmte Blogs - und im Gegenzug bin ich selber grad seltener mit dem Schreiben. Nicht, weil nichts passieren würde oder mir die Themen ausgingen. Und das auch, trotzdem das Schreiben neben der Musik "mein" Medium ist. Mein Medium, einen freien Kopf, eine freie Seele zu bekommen, damit ich - bildlich gesprochen - wieder in meiner Hängematte schaukeln kann. Vielleicht sollte ich es auch so machen wie Gretel es in ihrem Blog getan hatte: mehr Bilder sprechen lassen. Momente eines jeweiligen Monats einfangen und (auch für mich selbst) visualisieren. Dass ich auch ein Augenmensch bin, dürfte ja ohnehin bekannt sein ;) Vielleicht fange ich diesen Monat auch damit an, mal gucken, ich weiß noch nicht. Klar könnte ich auch zu Instagram wechseln - aber was soll ich da? Zwar bin ich eine Frau, aber ich bin eine Frau, die im Realen eher wenig spricht. Also meistens. Es kommt natürlich auf das Thema an. Dafür aber kann ich seitenweise schreiben, wenn ich will und Lust dazu hab. Und viel schreiben ist ja bei Instagram nun nicht wirklich ;)

Wenn Dinge in meinem Kopf unausgesprochen herumschwirren, dann beginne ich beispielsweise damit, die Dinge im Außen und um mich herum zu sortieren. Die Steuererklärung, die Bügelwäsche, das Putzen der Fugen im Bad. Dinge also, die man nicht jeden Tag sowieso macht. War ich früher ein Fan von kreativem "Chaos" so im Stile von Ikea, so bevorzuge ich inzwischen immer klarere Linien und Strukturen. Inzwischen sauge ich jeden Tag Staub, wo ich früher auch mal ganz entspannt einfach nur das Rollo herunterließ. Das einzige, das wohl unverändert ist, ist mein Hang zu Veränderungen. Ich bin ein Zugvogel - und würde am liebsten überall ein bisschen wohnen und leben. Da das nicht umsetzbar ist, könnte ich wenigstens in regelmäßigen Abständen den Wohnraum verändern. Also solche Veränderungen mit Farbe und Möbelumstellen. Accessoires neu anordnen oder auch ersetzen, da bin ich (leider) schmerzbefreit. Ich kann mich schnell und mühelos von etwas trennen, ausgenommen die Dinge, die eine persönliche Bedeutung für mich haben. Mich von etwas zu trennen, finde ich aber immer noch besser, als jedweden Ballast anzuhäufen. Trotzdem ist das etwas, was der Mann beispielsweise so gar nicht nachvollziehen kann - und mein Ältester auch nicht. Auch der Junge kann sich nur sehr schwer von Dingen lösen, und da muss er nicht mal einen persönlichen Bezug dazu haben. Im Lauf der Jahre aber fühlt es sich für mich mehr und mehr so an, als sei er weniger ein Gewohnheitsmensch als vielmehr jemand, dem Bekanntes vor allem eins vermittelt: Stabilität. Noch immer bin ich unsicher in der Antwort auf die Frage, ob er im Alter von dreizehn bis neunzehn zu vieles durchmachte und letztlich auch zuviel allein war und hieraus bestimmte Entwicklungen und Eigenschaften resultieren - oder ob sich da tatsächlich eine autistische Persönlichkeit zeigt. Möchte ich es genauer wissen? Muss man es genauer wissen? Ändert es etwas, wenn man einen Namen für etwas hat? Denn allgemeine Akzeptanz - das habe ich in den letzten fünf Jahren mehr als deutlich erfahren müssen - bedingt das Wissen noch lange nicht. Das Individuelle ist längst nicht mehr gefragt und wenn ich immer lese und höre "Sei du selbst", dann lächle ich inzwischen nur noch müde. Sei du selbst darfst du ja gar nicht. 
Andererseits... Schaue ich auf mich persönlich, hätte ich schon ganz gerne einen Namen für das, was da in meinem Körper abläuft. Wobei es mir weniger um den Namen geht als vielmehr darum, damit vielleicht auch endlich einen Ansatz für Besserung zu finden - wenn es schon keine Heilung gibt. 
Unlängst habe ich mich gefragt: Wenn ganz am Anfang, im Dezember 2004, die unbehandelte Infektion mit Streptokokken stand, ein Fakt, der sich (und hier muss ich sagen: glücklicherweise) im Labor ablesen ließ und immer noch lässt, dann weiß ich ja, dass diese Infektion bei den allermeisten Menschen komplikationslos wieder ausheilt. Manche haben Pech und ihr Herz wird schwer krank. Andere haben anderes Pech: Sie leiden unter Nervenschmerzen. Das lässt sich weder behandeln noch betäuben noch ist diesem Scheiß auch nur irgendwie beizukommen - und deckt sich mit der Aussage eines Uni-Professors vor vielen Jahren: "Nervenschmerzen sind die schlimmsten, die es gibt, weil man die nicht betäuben kann." Gestern Abend haben wir "Feuer im Kopf" gesehen. Der Mann fand den Film todlangweilig und schlief ein. Wiederum ich... Der Film erzählt die authentische Geschichte einer US-Amerikanerin, die nach und nach immer deutlichere neurologische Auffälligkeiten zeigt, von denen man zunächst ausgeht, dass sie entweder ihrem Stress geschuldet sind oder ihrem früheren Drogenkonsum - oder dass sie schlichtweg zuviel Alkohol trinke. Weil MRT, EEG, Blut und Liquor nur eines zeigen: nichts Auffälliges. Und kurz bevor sie in die Psychiatrie abgeschoben werden soll, findet sich ein Professor, der sich von der Patientin, die mittlerweile nicht mehr spricht und nur noch starr vor sich hinschaut, eine Uhr aufzeichnen lässt. Das runde Gebilde sieht noch gut aus - aber die Zahlen von 1 - 12, die sie richtig anordnen soll, schreibt sie lediglich auf die rechte Seite, von oben nach unten. Darin sieht er den bisher einzigen bewiesenen Anhaltspunkt, dass ihre Erkrankung keine Schizophrenie oder ähnlich psychischer Natur sein kann, denn: "Es gibt keinen einzigen Grund, warum eine psychisch erkrankte Person nur einseitig [darstellen] kann." Und nach der Biopsie ihres Hirns steht fest: Es handelt sich um eine Entzündung ihrer rechten Hirnhälfte. Die weder im Labor noch im MRT noch im Liquor zu sehen war - und die trotzdem da war. Und sie hatte den Namen, die Diagnose - und damit endlich die Hilfe, die noch rechtzeitig genug kam, bevor die Schäden irreversibel wurden. Auch wenn der Heilungsprozess Monate gedauert hat. 
Natürlich denke ich dabei auch an mich - ohne davon auszugehen, auch diese Erkrankung zu haben. Nein, diese nicht, denn meine Symptome sind bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei ihr - und auch ganz anders als meine. Was mich jedoch beschäftigte, ist, dass auch bei mir die meisten Laborparameter und sonstigen Untersuchungen unauffällig sind (sieht man jetzt mal von zB den Streptokokken und dem Hashimoto ab). Trotzdem geht es mir mit den Jahren nicht besser und kommen nach und nach immer weitere Symptome hinzu. Symptome, die irgendwie immer "unspezifisch" bleiben, weil: "Sie haben irgendwie nie von einem alles. Sie haben von einigem etwas, aber nicht alles, also ist es das nicht."
In dieser Woche war ich nun beim Rheumatologen und er untersucht mein Blut innerhalb der kommenden zwei Wochen auf bestimmte genetische Anzeigen, hat meine Finger und Füße geröntgt (und für unauffällig befunden, während hingegen ich fand, grad das Röntgenbild der Finger sehe doch aus wie gemalt ;)) und mir eine Spritze in die linke Hüfte gegeben. Da, wo es aktuell am meisten (neben den Fingern) schmerzt. Und er verschrieb mir Cortison, nur halb so stark wie im Januar vom Hausarzt, aber dieselbe Sorte. Die nehme ich heute den fünften Tag und in den Fingern ist es schon deutlich besser geworden. In der Hüfte auch ein wenig. Schauen wir mal, wie es weitergeht. Der Ultraschall von den Schultergelenken jedenfalls war unauffällig und die Hüfte hat er nicht weiter angeschaut, weil es "außen" schmerzt und nicht im Leistenbereich. "Dann ist es der Schleimbeutel und nicht das Gelenk", hat er dazu gesagt und zack - gabs die Spritze. 

Morgen fahre ich nach L und da brauche ich jetzt auch dringend die "Erleichterung" hinsichtlich Schmerz & Co. Denn der Junge hatte ja nun Geburtstag - und er hat sich gewünscht, dass wir sein Zimmer umbauen. Wir meint: er und ich. Was bedeutet: Erst muss der Keller aufgeräumt werden, dann muss Platz beim Älteren geschaffen werden (Bett raus, hässliche alte Wohnwand vom Vater raus), die moderne Wohnwand vom Jüngeren zum Älteren, eine Wand streichen beim Älteren, Kommoden beim Jüngeren streichen... Wir haben viel vor ;) Dafür habe ich mir zwei Tage Urlaub dazugenommen, denn abends nach der Arbeit wird nicht mehr viel. Und glücklicherweise beginnt der Urlaub des Jüngeren zeitgleich mit mir. Erst also zwei Tage Office-Zeit und dann den Urlaub nutzen und umbauen. Natürlich hab ich schon ein bisschen Respekt davor - aber noch mehr freue ich mich darauf. Dabei hatten wir ja in diesem Frühjahr erst unsere Wohnung hier in M fast komplett umgekrempelt und eigentlich müsste ich davon noch mehr als die Nase voll haben. Aber hey, das ist schon wieder ein halbes Jahr her, vergessen sind all die Mühen und Blessuren - und jetzt ist L dran. Am meisten erleichtert war ich vor allem, dass der Ältere zugestimmt hatte. Bisher wollte er nämlich nie ("Wieso wegschmeißen, das ist doch noch gut!") - aber da er die Wohnwand vom Bruder haben möchte, kann endlich der alte Mist raus und sein Zimmer wird... richtig schön werden. Zumindest in meiner Vorstellung - und meistens wurde es auch so :)

Diesen Schwung zu "aus alt mach neu" wollte ich dann heute auch auf mein iPhone ummünzen. Also nicht schon wieder ein neues Telefon kaufen (so bekloppt bin ich ja nun auch nicht) - für mich tat es auch das aktuelle Update. (Eigentlich bin ich nicht freiwillig auf diese Idee gekommen. Das Gerät zwingt mich dazu, weil nach und nach eine App nach der anderen nicht mehr sauber arbeitet oder permanent abstürzt, obwohl die wiederum alle up-to-date sind. Aber vielleicht schaffen es ihre Updates ja nicht mehr mit meinem 13er iOS?) 
Normalerweise ist es ja so: Man läd erst ewig lange das neue Update herunter, das sich ohnehin schon ungefragt auf dem Handy breitgemacht hat und kostbaren Speicherplatz frisst, dann installiert man und fertig ist der Lack.
Nun. Heute nicht. Erst moserte die Technik herum, ich hätte zu wenig verfügbaren Speicher. Ich hatte zwar noch knapp 4 GB, aber na gut. Sparen konnte ich vor allem an der Musik: Da meine Favoritentitel mittlerweile in einer anderen (Streaming-) App liegen, fiel mir das ganz leicht, die Musik-App von knapp 7 GB auf nicht mal 100 MB zu reduzieren. (Wenn ich mal was suche, hab ich ja immer noch den Rechner.) 
Also dachte ich, so, jetzt haste Platz, guckst mal, obs jetzt geht. 
Ne.
Ging immer noch nicht. Irgendein Fehler vermeinte: "Update konnte nicht installiert werden."
Google befragt und die sagten: "Wenn dies und das nicht geht, dann aktualisiere über iTunes."
Was soll ich sagen.
Ne.
Probiert. Ging nicht.
Dann hat der Mann gemeint: "Du wirst vermutlich mal dein iPhone komplett resetten müssen."
"Hä? Wieso?"
"Weil du vermutlich inzwischen viel zu viel Datenmüll angehäuft hast. Browsermüll. Gelöschte Apps. All so n Kram."
"Plattmachen musste ich doch noch nie!"
"Ach, ich mach das öfter." 
Und da er nie Probleme mit seinen Apps hat, auch nicht mit der der ÖPNV, welche wiederum mich regelmäßig anfixt, hab ich gedacht: Okay, dann eben auf die harte Tour. Aktuelles Backup hatte ich ja - also auf in den Kampf. 
Alles plattgemacht, neu installiert, siehe da: Die Apps laufen (erstmal) wieder wie geschmiert.
Und das Update selbst? Den halben Sonntag damit "verbraten" und nun doch nicht installiert. Weil der Mann meinte: "Lieber erstmal die Kinderkrankheiten abwarten und außerdem hab ich gehört, das neue Update frisst Batterie. Guck lieber mal die nächste Zeit, ob deine Apps jetzt besser laufen als vorher, dann brauchste das Update eh nicht." Genau. Was will ich auch damit. Ich will ja neben dem Üblichen eigentlich auch nur noch bei FB surfen und Knots und BlockuDoku zocken - und das kann ich ja jetzt wieder :) Ich kann nur nach wie vor keine Fotos mehr runterziehen, das ging weder vor noch nach dem Plattmachen. Aber dazu hab ich jetzt keine Lust mehr. Jetzt geh ich erstmal meine Tasche packen und vielleicht mach ich mir auch noch ein Käffchen. Es ist Sonntagabend, der muss entspannt ausklingen, das ist Pflicht. 

Freitag, 6. November 2020

25

   

Mein lieber Schmunzelhase, grad eben warst Du noch so klein und knuffig und jetzt bist Du 25 Jahre alt und ich frage mich nicht zum ersten Mal, wo die Zeit nur geblieben ist. Auch wenn Du auf diesem Foto ein bisschen bedröppelt guckst: Du warst von Anfang an ein Sonnenscheinchen, das viel gelacht hat und auch nicht viel brauchte, um zufrieden zu sein. Genau genommen ist es auch heute noch so - und noch heute brauchst Du vor allem eins: Harmonie um Dich herum. Dir ist es wichtig, dass Stimmungen ausgeglichen sind, dass Menschen "gut" miteinander sind und auch in Deinem Job als "Ordnungshüter" macht mich wahnsinnig stolz, dass Du Dir Deine Menschlichkeit und auch das Verständnis für Menschen bewahrst. In der Hinsicht bin ich wirklich, wirklich dankbar, dass sowohl Du als auch Dein Bruder in dieselbe Richtung schauen - auch wenn Ihr sonst aktuell eher auseinanderdriftet.
Du möchtest Dein Leben genießen, Du möchtest Spaß haben, ausgehen - doch was zunächst so klingt, als wärst Du ein bunter Hund, bist Du in Wahrheit eher verschlossen: Du brauchst nicht viele Freunde und Du öffnest Du auch nur schwer. Du achtest sehr genau darauf, wer Dir wie begegnet und Dein Vertrauen zu gewinnen ist echt schwer. Das spürt Dein Gegenüber oft nicht mal, denn in Gesellschaft bist Du zwar mittendrin und doch aber trotz allem eher der zurückhaltende Beobachter. In der Hinsicht bist Du wie Dein Bruder. Was Euch unterscheidet, ist die rauhe, zuweilen ruppige Schale, die Deinen Bruder umgibt. Da bist Du anders. 

Manchmal schau ich mir Deine, Eure, unsere Fotos an und beinah hab ich wieder Deinen Babyduft in der Nase. Und ich muss gestehen, da ist schon etwas Wehmut dabei. Die Zeit ist so irrsinnig schnell vergangen und immer öfter denke ich, dass ich die Jahre mit Dir und Deinem Bruder viel zu wenig genossen habe. Dass viel zu viele andere Dinge im Vordergrund standen, obwohl es im Grunde nur eines gibt, das wirklich zählt: unsere Familie. Du, Dein Bruder - der Mann und ich. Gestern Abend musste ich wirklich lachen, als der Mann mir ein youtube-Video zeigte mit einer Eisenbahnanlage, die locker ein ganzes Zimmer füllte, und er sagte zu mir: "Da kannst du dich schon mal drauf einstimmen, wie das wird, wenn wir erstmal Enkel bekommen."
"Huch", hab ich geantwortet, "es ist doch noch gar nicht so lange her, da haben wir noch gesagt: Wie wohl ein Kind ausgesehen hätte, von dir und mir, wie es wohl wäre? Und jetzt reden wir nicht mehr von eigenen Kindern, sondern von Enkeln."
Keine Angst, wir hatten das nie wirklich auf dem Plan - aber es war schön zu empfinden, dass man die Wahl hatte. Und wenn man mich fragt: Ihr dürft Euch ruhig noch ein wenig Zeit damit lassen. :)
Heute bist Du es, der sich unsicher ist, wie und mit wem er seinen Weg gehen möchte, aber für den eines auf jeden Fall klar ist: Du möchtest eine eigene Familie. Du weißt auch ziemlich genau, wann. 
Ich wünsche Dir ganz von Herzen, dass Du die richtige Entscheidung triffst, dass Du niemals bereust, wie Du etwas entschieden hast - und dass es der Weg ist, der Dich wirklich glücklich macht.

Für mich gibt es wirklich ehrlich nichts Größeres, als Euch glücklich zu wissen. Euch gut aufgehoben zu wissen. Von daher ist mir auch immer noch völlig egal, ob ich Euch die Bude (wieder) herrichte (wusstest Du eigentlich, dass das Chaos in den eigenen vier Wänden immer ein Ausdruck des inneren Chaos ist? Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Du da oft resignierst, aber... da lass uns nochmal drüber sprechen ;)), Eure Wäsche in Ordnung bringe, wenn ich nach L komme, ob ich für Euch koche und backe und Papierkram mit oder für Euch erledige. Für mich persönlich ist das keine Last, auch keine Belastung - mir persönlich ist es ein Bedürfnis. Ich würde das sicherlich nicht jeden Tag machen wollen oder können - aber ich sehe Euch einfach wenig. Zu wenig, weil ich so weit weg bin von Euch - und wenn ich dann da bin, muss ja jeder von uns auch noch die meiste Zeit davon arbeiten. Mir fehlt das Gefühl, dass ich Euch auf ein Käffchen am Wochenende einladen kann oder dass Ihr mal vorbeikommt, einfach so, mal ein bisschen ratschen und dann geht Ihr in Euer Zuhause. Oder ich schaue einfach mal bei Euch vorbei. Gerade weil Ihr beide noch nicht Euren Lebensmittelpunkt gefunden habt, bedeutet es mir so viel, für Euch da zu sein. Nicht als Ersatz für irgendwen oder irgendwas. Aber als einen wichtigen Bestandteil für Euch. Euch das Gefühl zu geben, dass Ihr nicht allein seid, nicht Euch selbst überlassen. 

Es ist das erste Mal in diesem Jahr, dass ich zu Deinem Geburtstag nicht da bin und wenn ich an den Streit mit Deinem Bruder vor zwei Tagen denke, nach dem ich erstmals echt mit Herzschmerzen nachts schlafen ging, dann hoffe ich wirklich sehr, dass Du verstehst, dass es Dinge gibt, die er so nicht meint, auch wenn er es (leider) sagt. Dass Du weißt, dass Du auch für ihn das Allerwichtigste bist - und der einzige, dem er vorbehaltlos alles anvertrauen würde. Auf dessen Meinung er am meisten Wert legt. Und ich hoffe, dass Du - wenn es Dein Dienst denn überhaupt zulässt - vielleicht doch einen entspannten Abend wenigstens mit Deinem Bruder haben kannst. Vielleicht mal wieder einen Film streamen, Euch was zu Essen bestellen? Es muss ja nicht immer das Zocken sein, wo Ihr inzwischen ganz unterschiedliche Interessen verfolgt :) Es gibt aber immer noch Dinge und Interessen, die Euch verbinden. Es wird nur aktuell gerade niemandem leicht gemacht - aber auch das wird ja hoffentlich eines baldigen Tages wieder entspannter. 

Mein Hase, auch wenn ich an Deinem Tag nicht bei Dir sein kann - in Gedanken bin ich immer da und wenn ich Montag zu Euch komme, dann, das verspreche ich Dir: Spätestens dann machen wir uns drei einen richtig schönen Abend. Ich hoffe, Dein Dienstplan lässt das zu :)

Deine Mama