Als ich gestern Morgen mit dem Chef telefonierte und wir über die Gehaltsabrechnung für den November sprachen, da stellten wir auch fest, dass in gut fünf, sechs Wochen das Jahr rum ist. Natürlich ist das jedem bewusst und jedem klar - gleichwohl waren wir beide ein wenig erschrocken, wie schnell eben dieses Jahr rum war.
"Und dabei ist gar nicht viel passiert", wunderte sich der Chef.
"Das ist es ja", antwortete ich nachdenklich. "Wenn du ein ganzes Wochenende lang nur im Bett liegen und gar nichts machen würdest, wär man schockiert, wie schnell die zwei Tage rum sind. Packt man sich die aber voll mit Erlebnissen, dann fühlt es sich so an, als habe man vier Tage frei gehabt."
Bald also ist Weihnachten, Jahreswechsel - und ich gebe zu, ich betrachte die kommende Zeit mit ein wenig gemischten Gefühlen. Und das gar nicht mal so wegen mir selber, sondern wegen Menschen zum Beispiel, die allein sind. Oder sich allein fühlen. Menschen, die sich jedes Jahr in den Weihnachtstagen noch mehr allein fühlen als sonst. Wie fühlen sie sich in diesem Jahr? Nicht mehr allein als sonst auch, weil sich für sie im Grunde nichts ändert? Und sie den Menschenmassen, den Familien nicht zusehen müssen, was ihr Einsamkeitsgefühl noch mehr befeuerte?
Heute Morgen hat der Mann mir gedankt, dass ich unser Zuhause so gemütlich gemacht hatte, vor allem abends, wenn er heimkommt. Es ist still und ruhig, warm und behaglich. Vor allem auch deshalb, weil ich mich an den vergangenen zwei Abenden schon vor sieben Uhr in mein Bett legte. Ich war tatsächlich todmüde, richtiggehend "durch", obwohl ich noch bis Mittwoch freie Tage genießen konnte. An denen auch nicht wirklich viel passierte. Zumindest nicht im außen.
"Warum tust du dir das immer an?" fragt der Mann öfter, wenn ich mich in Blogs oder Social Media zu aktuellen Themen auseinandersetze. Offen gestanden, habe ich mich das gestern und heute auch wieder selbst gefragt. Weil ich auch spüre, was es mit mir macht. Wie es in meinem Kopf hin und her geht und immerhin den Blutdruck fördert. Insgesamt aber stelle ich auch immer wieder fest, dass ich bei aller Diskussion - mit wem auch immer - wieder und wieder meinen eigenen Standpunkt hinterfrage. Schaue, ob ich etwas Neues erfahren kann oder aber wenigstens den Blickwinkel anpassen könnte. Oder müsste.
Genau genommen ist das auch der einzige Grund, warum ich mich seit jeher für alles mögliche interessiere und dann auch die Diskussion nicht scheue. Manchmal aber auch dann, wenn ich etwas lese, sehe, höre, das ich für mein Empfinden als ungerecht einschätze.
Wer mich kennt, weiß, wie sehr ich Gewalt hasse und verabscheue. Gewalt in jeglicher Form, ob nun psychisch oder physisch. Auch weil ich es selbst durchlebt habe, sechzehn Jahre lang, um genau zu sein. Das hat mich nachhaltig geprägt, auch wenn ich schon vor diesen sechzehn Jahren das war, was man allgemeinhin als Pazifist bezeichnet. "Frieden schließen; befrieden, besänftigen"
Hierbei unterscheide ich auch nicht, von welcher Seite Gewalt entsteht. Ob sie von rechts oder links kommt oder von mir aus auch von oben oder unten - Gewalt bleibt Gewalt und allein die Bereitschaft dazu verabscheue ich. Da gibt es auch nichts zu "verniedlichen", dass zB linke Gewalt ja eigentlich den Standpunkt vertritt, dass Unbeteiligte nicht zu Schaden kommen sollten. Darf sie deshalb tolerierbar sein? Nein, darf sie nicht. Weil sie inzwischen längst in Kauf nimmt, dass sie es tun - und taten. Und wenn jemand sagt "Ah ja, die verdammten Corona-Leugner, da bleibt ihr still, ihr Bullen, wo auch die Rechten ihre Reichsflaggen schwenken, aber kaum kommen die Autonomen in Connewitz zusammen, haltet ihr den Wasserstrahl drauf!" - dann wehrt sich irgendwas in meinem Bauch gegen diese Darstellung. Ich habe schon Videos gesehen, in denen sich die Polizei in Connewitz komplett defensiv verhielt - und Bewohner sich fragten: "Wieso? Wann gehen die endlich mal richtig dagegen vor?" Wenn aber Straßenzüge auseinander genommen und teils in Brand gesteckt werden, sorry, aber dann darf man da auch mit einem Wasserwerfer draufgehen. Das ist zumindest meine Meinung.
In den vergangenen zwei Tagen habe ich mir Videos von der Corona-Demo in Berlin angeschaut. Warum sich Eltern mit ihren Kindern vorn mit in die ersten Reihen stellen, erschließt sich mir nicht. Wir reden hier immerhin nicht von Friedensbewegungen - auch wenn es gerne so dargestellt werden möchte. Wir reden hier von Zusammenkünften, die jederzeit eskalieren könnten. Da nimmt man sein Kind nicht mit hin! In Berlin entschloss sich die Polizei (im Gegensatz zu Leipzig), ihre Wasserwerfer einzusetzen. Das sicherlich nicht "zielgerichtet" wie zB bei anderen Einsätzen, sondern eher als "Beregnung", da die Menschen auch nach mehrmaliger Aufforderung, den Platz ob der Nichteinhaltung der Auflagen zu verlassen, nicht nachkamen.
Als ich dann heute ein Posting sah mit der Unterschrift:
"Presseanfrage an die Berliner Polizei: Haben Sie vor dem Wasserwerfer-Einsatz Mediziner konsultiert wegen gesundheitlicher Folgen, insbesondere im Hinblick auf Infektionsschutz (durchweichte Masken, Tröpfchen etc.) und Auswirkungen auf die Immunität? Was rieten Ihnen diese?"
da konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen, welche Masken denn gemeint gewesen waren (es gibt ja nun inzwischen genug Videobelege, dass fast ausschließlich alle keine Maske trugen) - und warum jetzt nach Infektionsschutz gefragt wird, wenn Menschen ohnehin ohne Maske und Abstand beieinander stehen?
Fast zeitgleich veröffentlichte jemand ein Statement der Bundesregierung vom 12. März, wonach die Menschen zu Vertrauen und Besonnenheit aufgerufen wurden und man eindeutig dementierte, dass von Seiten der Regierung NICHT geplant wäre, einschneidende nationale Beschränkungen aufzuerlegen.
Dass man Fake News nicht trauen solle.
Hm. Nur weiß man ja inzwischen, dass bereits am 19. März der erste Lockdown in Bayern eingeführt wurde - und dass die anderen Bundesländer gut eine Woche später folgten. Hat man das im Ministerium am 12. März etwa nicht gewusst? ;)
Bis heute schaue ich mir keine entsprechenden Youtube-Videos an, ich lese auch nicht wahllos irgendwelche Statements - und ich werde misstrauischer, je reißerischer etwas angeprangert wird.
Dennoch finde ich für mich persönlich bis heute keine schlüssige Argumentation für das, was seit März bei uns beschlossen und durchgezogen wird. Dabei bewerte ich gar nicht, ob Corona nun wirklich gefährlich ist oder nicht - weil mir das gar nicht zusteht. Weder kenne ich mich darin aus noch habe ich je in Richtung Medizin studiert. Aber ich höre auf das, was diejenigen sagen, die sich damit auskennen sollten. Bzw. höre ich denen zu, die sich damit auskennen und - anfangs vorsichtig und diplomatisch - wiederholt dazu auffordern möchten, sich weniger auf Infektionszahlen zu fixieren als vielmehr auf die Zahl der Schwererkrankten und die der Todesfälle und dass man insbesondere Risikopatienten schützt.
Korrigiert mich, wenn ich falsch liege, aber ich denke schon, dass ich eine Auffassung zu allem haben darf, auch wenn ich nicht Medizin studiert habe.
Was heißt das konkret für mich? Ich finde es gut und richtig, dass wir alle im Frühjahr informiert worden sind. Damit wir eben auch wissen "Hey Leute, da gibts was, das wir noch nicht kennen und nicht einschätzen können - aber Ihr könnt was tun." Zum Beispiel besuche ich momentan meinen schwer herzkranken Papa lieber nicht und schiebe es auf. Das mache ich aber nicht nur bei Corona so, sondern jedes Jahr, wenn irgendeine Erkältungswelle rumgeht. Ich achte noch mehr aufs Händewaschen. Und wenn ich erkältet bin, halte ich mich fern von anderen. Also eigentlich alles Dinge... die wie immer sind und an die man sich grundlegend hält.
Ich finde auch gut, dass auch gesagt wurde, es sei eben alles neu, es lägen keine Erkenntnisse vor etc.
Dass man nur ausprobieren kann. Und natürlich ist es ein Unterschied, ob ich für eine 5köpfige Familie Verantwortung trage oder für rund 83 Millionen Menschen. Inzwischen aber weiß man schon etwas mehr, man spricht sogar vom ersten genbasierten Impfstoff. Wer möchte, darf meine Dosis gerne haben - jedoch ich möchte mir dieses Zeug nicht spritzen lassen. Zum einen habe ich mit meinem Körper schon genug zu tun. Zum anderen regen wir uns auf über gentechnisch entwickeltes Obst und Gemüse usw. - und jetzt lassen wir uns das Zeug freiwillig unter die Haut schieben? Mit Haftungsfreistellung für den Entwickler und ohne Erkenntnisse darüber, was das im Menschen überhaupt auslösen und bewirken kann?
Versteht mich nicht falsch - zum Impfgegner zähle ich nicht. Ich bin geimpft und meine Kinder sind es auch. Mit abgeschwächten Erregern, die eine Immunreaktion im Körper hervorrufen und uns immunisieren sollten. Aber eine genbasierte Impfung?
Und gerade weil man inzwischen etwas mehr über Covid weiß, habe ich echt nicht erwartet, dass ein zweiter Lockdown eingeführt wird. Vor allem nicht, an welcher Stelle. Da, wo Hygienekonzepte aufgestellt und teils für teuer Geld umgesetzt wurden - und das erfolgreich. Da, wo absolut nicht nachgewiesen wurde, dass da Infektionsherde brodelten. Sportzentren, Lokale. Muss ich das verstehen? Also treffen sich die Leute wieder vermehrt zu Hause. Da, wo man davon ausgeht, dass die Infizierung eher im privaten Bereich erfolgt? Ja, du darfst nur eine Familie treffen. Aber wer kontrolliert, ob ich jeden Tag oder jede Woche eine andere Familie treffe? Meine Eigenverantwortung? Oder der Denunziant von Tür Acht, dem die offizielle Plattform dafür eingerichtet worden ist?
Zu dem ganzen Thema gibt es übrigens auf ARTE eine sehr gute, sachliche Dokumentation. Die ist noch bis 8. Februar in der Mediathek verfügbar und heißt "Sicherheit contra Freiheit: Deutschland, Frankreich und Schweden in der Krise". Alternativ kann man sich die auch noch auf youtube anschauen. Ich hab sie mir angesehen. Und kann sie wirklich jedem nur empfehlen.
Ja.. In Tagen wie diesen kann man sich richtig die Köppe heißreden. Oder stattdessen auch einfach nur alle Themen ruhen lassen und einen entspannten Herbstabend mit dem Liebsten genießen. Wenn man denn einen hat.
2 Kommentare:
Moin, moin,
denke, dass wohl erst unsere Enkel/innen beurteilen können, was der richtige Weg gewesen ist oder wäre. Derzeit geht es doch gar nicht darum, dass viele Restaurants, Kinos, Theater, Sportvereine usw. gut Hygienekonzepte entwickelt haben. Abstand und Kontakte vermeiden, wo es nicht erforderlich ist, ist aus meiner Sicht einzig sinnvoll. Dann ist es für mich auch logisch, wo jetzt die Einschränkungen erfolgten. Und wir alle haben Lokale gesehen, in denen es keinen interessierte, wer da saß und welche Abstände nicht eingehalten wurden. Hauptsache Umsatz! Für diese Idioten müssen wir jetzt alle kürzer treten. Und ja, es geht auch und besonders um das Gesundheitswesen. Das kollabiert leider schneller, als sich die Demonstranten vom Wochenende das vorstellen können. Vor dem jetzigen Lock Down light gingen die Zahlen doch exponentiell nach oben. Die Kurve steht jetzt eigentlich auf einer konstanten Zahl. Mehr dürfen es aber nicht mehr werden, dann stapeln sich Weihnachten die Schwersterkrankten in den Kliniken. Das ist ganz einfache Mathematik.
Und ganz ehrlich, wenn sich auf den Demos dann Leute im KZ Hemd mit Judenstern an die Seite von Leuten mit Reichskriegsflaggen stellen, dann ist das eine derartige Verhöhnung der Opfer des Faschismus und disqualifiziert die Beteiligten für alle sachlichen Debatten. Eine Studentin die sich mit Sophie Scholl vergleicht oder ein Mädchen mit Anne Frank, da der Geburtstag heimlich gefeiert werden musste, denen möchte ich erklären, dass sie derartige Äußerungen in der NS Zeit einmal gemacht hätten und direkt verhaftet worden wären. Das dies nicht geschieht, zeigt den Idioten doch, wie falsch ihre Vergleiche sind.
Es ist schade, dass der Umgang mit Covid-19 offenbar einen Keil in die Gesellschaft treibt. Ist das schon Trumpismus? Ich hoffe nicht.
Gruß Frank
Moin Frank :)
Ja, das ist in etwa das, was ich letztens auch in einer Debatte mit einer Freundin sagte: Dass wir Erkenntnisse, Vergleiche, belastbare Statistiken frühestens in ein paar Jahren haben (können). Und sicherlich ist es auch so, dass nicht alle Lokale ihre Hygienekonzepte konsequent durchsetzen. Nur glaube ich persönlich eben nicht, dass wir wegen jenen jetzt kürzer treten müssen. Denn das hat Angela Merkel in ihrer PK im Oktober kurz vorm Lockdown gesagt: dass nicht nachvollzogen werden kann, wo die Ansteckung hauptsächlich erfolgt, man gehe aber davon aus, dass dies eher im privaten Bereich geschehe. Das wäre eigentlich auch logisch, weil man gerade im privaten Bereich am ehesten auf Maske und Abstand verzichtet. Oder denkst Du, dass Familien und enge Freunde einander mit AHA-Regeln begegnen?
Dass das Gesundheitswesen kollabiert, liegt vor allem auch am kaputtgesparten System. Das darf man nicht ganz außer acht lassen, weil gerade auch deshalb in jeder Herbst-/Wintersaison die Gefahr besteht, dass Krankenhäuser und Pfleger/ Ärzte überfordert werden. Ja ich weiß, das ändert nichts daran, dass man die Belegung durch Covid-Patienten einsparen könnte, würde sich jeder eben an Maßnahmen halten. Ohne jetzt ausufern zu wollen (weil das Thema offenbar doch komplexer ist), denke ich, dass man sichs nicht ganz so einfach machen kann, indem man einfach nur auf "Covidioten" schimpft.
Wo ich ganz bei Dir bin, sind die Vergleiche mit Sophie Scholl und Anne Frank. Als ich darüber las, dachte ich, ich lese nicht recht. Und das Erschütternde daran ist, dass sich diese Leute auch noch berechtigt sehen, sich vergleichen zu dürfen - und wieviele diesen zujubeln. Da kommt mir die Kotze.
2015 die Flüchtlingskrise und 2020 Covid - wie weit lässt sich Spaltung treiben? Ich hoffe wirklich, die Leute besinnen sich. Egal von welcher Seite. Dass man wieder mehr aufeinander zugeht und einander zuhört. Lieber debattiert als beleidigt. Denn wie gesagt, Beleidigungen kommen viel zu schnell von beiden Seiten.
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